Die Garnett Girls - Georgina Moore - E-Book

Die Garnett Girls E-Book

Georgina Moore

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Beschreibung

Ein süchtigmachendes Familiendrama vor der atemberaubenden Kulisse der Isle of Wight – perfekt für den Sommer! Georgina Moore arbeitet seit vielen Jahren im Buchhandel und in der Verlagbranche, jetzt hat sie mit ihrem fulminanten Debüt die Sunday-Times-Bestsellerliste erobert. »Die Garnett Girls« hat alles, was ein gutes Sommerbuch benötigt: eine aufregende Familiengeschichte, ein Cottage am Strand von England und ein großes Geheimnis, das die drei Schwestern fast ihr Glück kostet. Margos und Richards Liebesgeschichte war verboten und leidenschaftlich. Als sie zerbrach, schloss sich Margo im Schlafzimmer ein und überließ ihre drei jungen Töchter sich selbst. Jahre später unterhält die charismatische Margo Garnett Liebhaber und Freunde in ihrem Cottage auf der Isle of Wight und weigert sich, jemals über ihre schmerzhafte Vergangenheit zu sprechen. Doch ihr Schweigen verhindert, dass ihre nun erwachsenen Töchter endlich ihr Glück finden können. Rachel möchte mit ihrer Familie nach London zurückkehren, wird aber von der Verantwortung für ihr geliebtes, aber langsam verfallendes Familienhaus als Geisel gehalten. Die verträumte Imogen fühlt sich unter Druck gesetzt, ihren netten und rücksichtsvollen Verlobten zu heiraten, obwohl ihr Leben sie in eine andere Richtung zieht. Und die wilde, leidenschaftliche Sasha wird von einem Geheimnis belastet, dass die Garnett Girls in ihren Grundfesten erschüttern könnte. 

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Seitenzahl: 494

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Georgina Moore

Die Garnett Girls

Roman

Aus dem Englischen von Pauline Kurbasik

Kurzübersicht

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Titelseite

Über Georgina Moore

Über dieses Buch

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

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Über Georgina Moore

Georgina Moore, jetzt stellvertretende Geschäftsführerin einer PR-Agentur, ist seit zwanzig Jahren in der Verlagsbranche tätig. Sie hat mit einer Vielzahl von Autor*innen aller Genres und in allen Phasen ihrer Karriere gearbeitet - von Debütanten bis hin zu bekannten Namen. „Die Garnett Girls“ ist Georginas erster Roman und spielt auf der Isle of Wight, wo Georgina und ihre Familie ein Hausboot namens Sturdy besitzen. Georginas Hauptwohnsitz ist ein Hausboot in der Themse, auf dem sie mit ihrem Partner, zwei Kindern und Bomber, ihrem Border Terrier, lebt.

Die Übersetzerin

Pauline Kurbasik lebt und übersetzt in Bonn aus dem Englischen und Französischen, u.a. Neal Shusterman, Karine Lambert, Abbie Greaves und Lizzy Dent, und unterrichtet Literaturübersetzen an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.

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Über dieses Buch

Ein süchtigmachendes Familiendrama vor der atemberaubenden Kulisse der Isle of Wight – perfekt für den Sommer!

Georgina Moore arbeitet seit vielen Jahren im Buchhandel und in der Verlagbranche, jetzt hat sie mit ihrem fulminanten Debüt die Sunday-Times-Bestsellerliste erobert. »Die Garnett Girls« hat alles, was ein gutes Sommerbuch benötigt: eine aufregende Familiengeschichte, ein Cottage am Strand von England und ein großes Geheimnis, das die drei Schwestern fast ihr Glück kostet.

Margos und Richards Liebesgeschichte war verboten und leidenschaftlich. Als sie zerbrach, schloss sich Margo im Schlafzimmer ein und überließ ihre drei jungen Töchter sich selbst. Jahre später unterhält die charismatische Margo Garnett Liebhaber und Freunde in ihrem Cottage auf der Isle of Wight und weigert sich, jemals über ihre schmerzhafte Vergangenheit zu sprechen.

Doch ihr Schweigen verhindert, dass ihre nun erwachsenen Töchter endlich ihr Glück finden können. Rachel möchte mit ihrer Familie nach London zurückkehren, wird aber von der Verantwortung für ihr geliebtes, aber langsam verfallendes Familienhaus als Geisel gehalten. Die verträumte Imogen fühlt sich unter Druck gesetzt, ihren netten und rücksichtsvollen Verlobten zu heiraten, obwohl ihr Leben sie in eine andere Richtung zieht. Und die wilde, leidenschaftliche Sasha wird von einem Geheimnis belastet, dass die Garnett Girls in ihren Grundfesten erschüttern könnte.

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Motto

PROLOG

1  Versinken

2  Limoncello

3  Seniorenticket

4  Tabak und Blättchen

5  Echt scharf

6  We Are Family

7  Zwei zum Preis von einem

8  Datenight

9  The Railway Hut

10  Blue Moon

11  Coup de Foudre

12  Liebe Dramatikerin

13  Stille Wasser

14  West-London-Girls

15  Kleine Notlügen

16  Das schwächste Glied

17  Voller Überraschungen

18  »Queen of Fucking Everything«

19  Ein letztes Mal

20  Kunstpelz

21  Rachel Victrix

22  Steigende Flut

23  Schlüsselkind

24  Der Weg nach Hause

25  Negroni Time

26  Frieden gefunden

EPILOG

Danksagung

Für meine Großmutter, die mir das Schreiben beigebracht hat

For you I know I’d even try to turn the tide

JOHNNY CASH, »I WALK THE LINE«

PROLOG

Margos Hand lag noch auf dem kühlen Messingknauf, als sie die massive Tür hinter sich zuschlagen ließ. Sie spürte, wie die Hitze sie umfing, die Luft war stickig und schwül, keine Meeresbrise, die Erleichterung brachte. Über dem Ozean flirrte die Hitze sogar. Sashas kleine klebrige Hand rutschte aus ihrer und sie flitzte davon, sprang und hüpfte die steilen Treppen von Sandcove hinab. »Da!«, rief sie wieder und wieder. Sie lief ihrem Vater immer hinterher. Margo beobachtete, wie die weißblonden Locken auf der Ufermauer über dem Meer entlangschossen, die Wangen dick mit Sonnencreme eingeschmiert.

Margo rief: »Nicht bis an die Kante!«, und hörte die Echos der etlichen Male, die es ihr beim Aufwachsen entgegengerufen worden war. »Imi, geh zu ihr, damit ihr nichts passiert! Euer Vater ist zu weit weg.«

Gehorsam lief Imogen die Treppe hinab, ein Buch in der Hand. Sie bewegte sich langsam, träumerisch. Margo entdeckte, wie verfilzt ihr langes Haar war, am Hinterkopf hing ein riesiges Vogelnest. Wenn die Leute das sahen, würden sie denken, sie hätte ihr Leben nicht im Griff.

»Schneller! Sie ist schon beim Steg.«

Margo spürte, dass Rachel neben ihr lauerte, zwei riesige Picknicktaschen standen zu ihren Füßen. Margo schaute ihrer ältesten Tochter ins Gesicht, das in letzter Zeit immer etwas grimmig wirkte. Sie war reifer, als sie mit neun sein sollte, clever und sarkastisch. Mit ihren scharfsinnigen Beobachtungen verbesserte sie die Stimmung im Haus nicht gerade.

»Was ist denn los mit dir?«

»Hast du es nicht gesehen? Dad ist gerade abgehauen, er hat nichts für das Picknick mitgenommen.«

Margo hatte Richards blasse Beine über den Horestone Point verschwinden sehen. Er hatte etwas getragen, wahrscheinlich eine Kühltasche. Bestimmt war er schon am weißen Sandstrand von Priory, hielt ein Glas in der Hand und plauderte mit allen, die dort waren. An einem solchen Tag kamen die Leute mit dem Boot in die Bucht, um zu grillen und zu picknicken.

»Er konnte es kaum erwarten, von uns wegzukommen.«

Margo wollte allein ins kühle und ruhige Haus zurückkehren. Aber sie konnte Richard nicht die Verantwortung für die Kinder überlassen, sie würde Richard niemals die Verantwortung überlassen können. Sie musste irgendetwas Ermutigendes zu Rachel sagen.

»Ach Unsinn, er wollte nur vorgehen, um einen guten Platz am Strand zu reservieren.«

Margo ignorierte das weltverdrossene Seufzen neben ihr. Sie hob die beiden Taschen hoch. »Ist es in Ordnung, wenn du die Decken nimmst, Darling?« Sie blickte auf die hufeisenförmige Bucht. Das Licht war gleißend hell und das auflaufende Wasser hatte nur ein sichelförmiges Stück Sand übrig gelassen. »Schau mal, Rach, einfach perfekt zum Schwimmen.«

 

Später reichte Richard ihr auf der gestreiften Decke ein Glas kalten Weißweins. Er grinste, hatte einen ramponierten Strohhut auf dem Kopf und einen Klecks Sonnencreme auf dem Nasenrücken. Margo hob einen Finger, um sie zu verteilen, und er nahm ihre Hand und küsste sie. Beide stützten sich auf die Arme und beobachteten, wie die Mädchen im Meer spielten. Geduldig hüpfte Imogen mit einer kreischenden Sasha nah am Ufer durch die Wellen. Rachel schwamm allein an der Küste, stark und selbstbewusst.

»Wenn ich doch nur so schwimmen könnte.« Richard klang neidisch, er war ein erbärmlicher Schwimmer. Margo hatte versucht, es ihm beizubringen, aber er war zu stolz und ungeduldig.

»Ich will, dass sie in Sichtweite bleibt.«

»Mach dir nicht so viele Sorgen und trink deinen Wein.«

Margo blickte zu den dürren Bäumchen auf, die schief über die Bucht ragten und bei Sonnenuntergang lange Schatten warfen. Im Winter hatte sie manchmal das Gefühl, dieser Strand gehörte ihr allein; heute hätten sie genauso gut am Mittelmeer sein können, bei all den schicken Schlauch- und Schnellbooten, die sich im Wasser tummelten, nicht weit entfernt von der Küste. Gebräunte Körper überall. Sie musste sich keine Sorgen machen, dass Richard anderen Frauen hinterherschaute; er hatte nur Augen für sie. Sie beobachtete ihn, wie er sich nach vorn beugte und sich nachlässig den letzten Schluck Wein einschenkte. Sie wusste, dass sie sich einen Kommentar dazu besser verkniff.

»Mir ist heiß, sollen wir schwimmen gehen?«

 

Alles in allem war es ein schöner Tag. Richard war erst nach einigen Stunden betrunken, vorher spielte er mit seinen Töchtern Kricket, warf Sasha hoch in die Luft und brachte alle mit seinen schiefen Handständen im Meer zum Lachen. Dann schlief er seinen Rausch im Schatten der Bäume aus. Der Strand leerte sich langsam, während Margo völlig darin vertieft war, ein riesiges Dorf aus Sand zu bauen, mit Gräben und Muschelhäusern. Rachel hatte sie alle zu mehr Ehrgeiz angestachelt, saß immer noch neben ihr und fügte ein weiteres Türmchen hinzu. Imogen hatte sich davongestohlen, um ihr Buch zu lesen. Sasha vergrub die Füße ihres Dads im Sand, während er schlief. Als Margo aufblickte, war der Himmel mit leuchtend pinken Streifen durchwebt, das Wasser hatte sich weit zurückgezogen und die Hälfte des Strandes lag im Schatten.

»Ich will ein Bild von euch dreien mit unserem Werk machen. Kommt schon!«

Gehorsam knieten sich Rachel und Imogen neben Sasha, das Sanddorf lag hinter ihnen. Margo entdeckte bei ihnen neue Sommersprossen, ihr Strandhaar, die roten Flecke auf Sashas Oberschenkeln mit den Grübchen, wo sie die Sonnencreme vergessen hatte.

»Kommt schon, Mädels, lächeln!«

1 Versinken

Venedig

Imogen sah, wie sich die Tür hinter William schloss, und ließ sich wieder in die Kissen fallen. William hatte für das Frühstücksbüfett im Hotel bezahlt und musste es deswegen ausgiebig nutzen, Imogen hatte morgens jedoch nicht genug Geduld für Touristen, die ihre Köpfe wie zum Gebet über Stadtkarten beugten. Das feierliche Schweigen, die unauffälligen, verstohlenen Blicke auf die Gäste, wenn sie den Speisesaal betraten. Touristen in Venedig waren so seriös. Um William zu gefallen, hatte Imogen das Frühstück im La Calcina ausprobiert, aber dieses ganze Hin- und Hergerenne für harte Käsestücke und kaltes Fleisch, ein trockenes Croissant und einen Butterwürfel auf Eis hatte sie nicht überzeugt. Zudem war der Frühstücksraum düster gehalten, in venezianischem Burgunderrot, und überall waren Brokatschnörkel. Es gab eine gewisse Art opulenter italienischer Inneneinrichtung, die nachts gut aussah, Imogen bei Tageslicht aber an ein tristes und abgeranztes viktorianisches Theater erinnerte.

Margo hatte immer dafür gesorgt, dass sie im Urlaub opulent frühstückten, damit sie das Mittagessen zugunsten von Kirchenbesuchen ausfallen lassen konnten. Bei Kulturreisen hatte Margo sie den ganzen Tag über rumlaufen lassen, sie marschierte vorneweg – und nach ihren lautstarken »Girls!«-Rufen wandten sich allerlei Köpfe zu ihnen um. Imogen erinnerte sich daran, wie peinlich es ihr gewesen war, weil sich »Margo« so englisch anhörte, sie war so unverkennbar sie selbst. Die Blicke, die sie auf sich zog, schienen sie nicht zu kümmern. Ermutigt von dem Gedanken, dass Margo jetzt nicht bei ihr war, sprang Imogen aus den Laken und wirbelte wie eine Spukgestalt durch das Hotelzimmer, öffnete lautstark die Fensterläden. Sie machte so viel Lärm, dass Passanten unten am Kanal hinaufschauten; die Kellner, die Besteck im schwimmenden Restaurant auslegten, drehten sich um. Wenn sie einen Blick auf sie erhascht hätten, hätten sie sie nackt gesehen. Aber noch ehe jemand Haut aufblitzen sah, war Imogen schnell wieder unter die Laken geschlüpft und badete im Sonnenlicht, das nun jede Ecke des Raumes wärmte.

Imogen sorgte sich, ihr Hotelzimmer könnte so imposant sein, dass es jegliche romantische Regung im Keim erstickte. Es verfügte nicht nur über »Kanalblick«, sondern auch über eine Privatterrasse, die nach drei Seiten hin den Blick auf die turbulente Zattere freigab. Alles schimmerte in der Frühlingssonne. Zunächst hatte Venedig wie ein unmögliches Trugbild gewirkt, das aus dem Wasser emporstieg, und dann hatte es Imogen mit einem Farbfeuerwerk überwältigt. Der kobaltblaue Himmel, die warmroten Steine, das Gold des Markusdoms, das Orange der Apéros, die sie tranken. Imogen hatte nicht damit gerechnet, dass sie sich von alldem so eingeschüchtert fühlen oder derart rebellische Emotionen entwickeln würde. Zuweilen reichte die türkisgrüne Reglosigkeit der Kanäle aus, um ihr die Tränen in die Augen zu treiben. Sie hatte immer schon gewusst, dass Venedig für sie eine Bedeutung haben würde, weil ihre Eltern dort die Flitterwochen verbracht hatten. Margo war mit ihren Töchtern nie dorthin gefahren, hatte nicht einmal darüber gesprochen, obwohl doch alle wussten, dass Italien ihr Lieblingsland war. Dieses Thema durfte man auf keinen Fall anschneiden.

Als Kind hatte Imogen einmal im Nachttisch der Mutter ein Bild in einem Umschlag gefunden. Es zeigte eine junge Margo mit einem Heiligenschein aus dicken Locken. Sie hatte runde Wangen und endlose Beine. Sie lächelte auf eine Weise, die Imogen nie zuvor gesehen hatte. Ihr Vater war unscharf, doch er grinste auch, hatte einen Arm besitzergreifend um Margos Schulter gelegt. Er hatte schmale Hüften und eine Löwenmähne. Sie standen neben einer Skulptur im Garten des Guggenheim Museums. Selbst in diesem Alter hatte Imogen gewusst, dass sie dieses Bild nicht erwähnen sollte. Sie sollte sich hinsetzen und den Zauber in sich aufnehmen, stattdessen steckte sie es zurück in den Umschlag und legte ihn wieder in die Schublade.

Der erste Ort in Venedig, den sie William vorgeschlagen hatte, war das Guggenheim. Sie erzählte ihm nicht, warum sie ein Bild von sich Arm in Arm neben einer gewissen Statue haben wollte. Und als sie den blassen Abklatsch sah, den ein Passant auf ihrem Handy gemacht hatte, wusste sie: Es war hoffnungslos, Richard und Margo nachzueifern. Imogen hasste ihr Mondgesicht und die Tatsache, dass sie rein gar nicht wie eine elegante junge Margo aussah. Imogen hatte das Bild von ihrem Telefon gelöscht. Sie fragte sich, warum sie William nichts davon erzählte, als das altmodische Telefon auf dem Nachttisch mit Marmorplatte klingelte und sie hochfahren ließ. Sie nahm den Hörer ab und lehnte sich aufrechter gegen die Kissen.

Die Stimme am anderen Ende klang hastig und schrill. »Hat er es schon getan?«

Imogen war einer der wenigen Menschen, die Margo und Rachel am Telefon auseinanderhalten konnte. Sie war erleichtert, dass ihre Schwester am Apparat war. Selbst wenn es sich manchmal so anfühlte, als hätte sie zwei Mütter, war der Umgang mit Rachel auf jeden Fall einfacher. »Nein. Bitte ruf nicht mehr an und frag danach. Was soll ich denn antworten, wenn William bei mir ist? Und warum rufst du im Hotel an? Ich habe doch ein Handy.«

»Du gehst doch nie dran. Du hast eine Telefonphobie. Er ist beim Frühstück und brütet über Karten, plant euren Tag und ich wette, du fläzt dich im Bett herum. Wahrscheinlich nackt. Einige von uns sind schon seit sechs Uhr wach, weißt du – ich bin gerade mit dem Kajak nach Priory und zurück gefahren.«

»Ich darf faulenzen, ich bin im Urlaub. Wie geht es meinen Nichten? Was ist bei euch los?« Imogen hoffte, sie könnte ihre Schwester ablenken.

»Gibt nichts Neues … außer, dass Margo eine Osterparty in Sandcove plant. Du weißt schon, dem Haus, das eigentlich mir gehört. Tom hat die Idee, mit seinem Bootsanhänger Bierkisten über die Helling zu transportieren. Lizzie ist zum ersten Mal auf einem Pony von Gemma geritten, ich schick dir ein Bild. Margo fragt mich immer wieder, ob ich was von dir gehört habe. Sie ist wie die Katze auf dem heißen Blechdach.«

Imogen hasste es, dass sie alle zu Hause waren und über sie redeten, auf das Unvermeidliche warteten. Sie hatte außerdem Heimweh nach Sandcove. Sie hatte ein Bild von ihrer Schwester im Kopf, die in der Küche steht, barfuß auf den Steinplatten, mit offenem Fenster, durch das man die Geräusche des Strandes hört. Ihre kleinen Nichten Lizzie und Hannah tobten um die Kücheninsel, so wie Imogen und ihre Schwestern als Kinder. »Sie wird versuchen, die Goughs zu übertrumpfen.«

»Ich habe sie gebeten, es etwas gesitteter angehen zu lassen als letztes Jahr, aber ich bezweifele, dass sie sich daran halten wird. Hör zu, ich muss los, ich habe um elf einen Kunden am Telefon.«

Imogen hörte William auf der Hoteltreppe pfeifen. Sie freute sich, dass er glücklich war, doch das Pfeifen ging ihr auf die Nerven. »Will kommt. Ich höre ihn auf der Treppe pfeifen.«

»Wenn Gabriel ständig pfeifen würde, würde ich mich von ihm scheiden lassen.«

»Rach! Sei doch nicht so gemein.«

»Wie ist es denn so in Venedig?«

»Ich weiß nicht. Furchterregend?«

»Du bist Schriftstellerin, Imi.«

»Es ist schwer zu erklären. Umwerfend, ein wenig unwirklich…«

»Margo spricht nicht darüber, dass du da bist. Wegen ihrer Flitterwochen mit Richard.«

William kam herein, wirbelte mit einem riesigen Messingschlüssel an einer Brokatquaste herum. »Buongiorno Principessa!« Schwungvoll reichte er Imogen ein Croissant, das in eine Papierserviette eingeschlagen war. »Frühstück ist fertig.«

»Ich telefoniere. Rachel ist dran.«

William verdrehte die Augen zur Decke. »Ihr täglicher Kontrollanruf.«

»Will ist da.«

»Sag ihm viele Grüße. Ruf an, wenn es etwas Neues gibt.« Und Rachel legte einfach so auf.

Imogen versuchte, das Croissant möglichst enthusiastisch zu essen. Wie so häufig verstärkte die Ungeduld ihrer Schwester mit William ihre eigene Zuneigung für ihn. Sie beschloss, doch nicht vorzuschlagen, sie würde die Basilica dei Frari allein besichtigen und sich später mit ihm zum Mittagessen treffen. Sie sollten gemeinsam gehen. William teilte ihre Leidenschaft für Kirchen nicht, aber warum hatte sie den Versuch aufgegeben, ihn zu bekehren? Margo versuchte es bei Sasha immer noch hartnäckig weiter, auch zwanzig Jahre nachdem sie probiert hatte, sie als Achtjährige in Florenz zu indoktrinieren. Sasha verachtete Kunst. Ihre Berufung war die Medizin und sie bereiste die ganze Welt für eine NGO, die medizinische Krisenzentren aufbaute. Das war Sashas Lebensaufgabe und sie achtete darauf, dass alle wussten, wie wichtig eine sinnvolle Beschäftigung war, was Imogen manchmal das Gefühl gab, ihr Schreiben sei eine selbstgefällige Art der Selbstverwirklichung.

Imogen dachte daran, wie lang ihr letztes Treffen mit Sasha her war, wie lang Sasha nicht mehr nach Hause nach Sandcove gekommen war. War Sasha nicht da, vermisste Imogen sie, und wenn sie endlich zusammenkamen, fragte sie sich, wie sie Sashas Sarkasmus und Spitzzüngigkeit ertragen sollte. Sasha war das jüngste Kind der Familie und vermutlich diejenige, die Margos Erwartungen am weitesten hinter sich gelassen und Imogen dem gesamten Rest der Mutterliebe ausgesetzt hatte. Sie versuchte, es Sasha nicht übel zu nehmen, aber sie konnte nicht immer die gute Schwester in Gedanken und Taten sein. Imogen schob die Gedanken an ihre Familie beiseite und versuchte, sich mehr in der Gegenwart zu verankern. Sie wand sich aus den Laken, wischte Krümel auf den Boden und freute sich schuldbewusst über den Umstand, dass jemand anderes sie auffegen würde. Sie wickelte sich in ein Handtuch, folgte William auf die Terrasse, wo er saß und ein vorbeiziehendes Kreuzfahrtschiff betrachtete, das so riesig war, als würde es die Sonne ausmerzen – und damit den ganzen Himmel.

»Grundgütiger. Das ist so seltsam. So fehl am Platz.« Sie sah winkende Passagiere auf den Decks, zu Tausenden standen sie da.

»Sie können dich sehen, Imi! Zieh dir was an!«

»Mir egal! Ein paar Kellner haben mich entdeckt, als ich die Fensterläden aufgemacht habe – sie haben ganz schön was zu sehen bekommen.« Williams Prüderie erweckte in Imogen den Wunsch, ihn zu necken. Doch William lächelte sie nur an. Als Antwort legte sie ihm den Arm um die Schulter.

»Sollen wir ein Familientreffen einberufen und unseren Tag planen?«

 

Doch Imogen konnte sich nicht entspannen, obwohl die folgenden Tage im Sonnenschein vordergründig unbeschwert und friedlich erschienen. Sie besuchten Damien Hirsts Schätze aus dem Wrack der Unglaublichen und William verglich Imogen mit dem grünen Kopf mit dem Schlangenhaar. Er kaufte eine Postkarte, damit er Margo die Ähnlichkeit zeigen konnte. Imogen sagte ihm nicht, dass sie dachte, Margo wäre bestimmt zu beschäftigt, um sich ihre Märchen aus Venedig anzuhören. Sie aßen einige denkwürdige Gerichte, zum Mittagessen ein köstliches risotto al nero auf der Terrasse des Palazzo Gritti, das sie mit einigen Gläsern Gavi de Gavi runterspülten. William sorgte sich wegen der Ausgaben. Manchmal wollte Imogen die Karte wegpacken und einfach an den etwas entlegeneren Kanälen entlangflanieren und William gab nach und schaute nur ab und zu auf Google Maps. Es gab Eis, Pistazie für ihn und Kirsche für sie, von einem Stand, zu dem sie immer wieder hingingen. Sie verbrachten Nachmittage in ihrem Hotelzimmer, wo sie sich zu einer Siesta hinlegten oder zu »Nachmittagskuscheleien«, wie William es nannte. Und um William zu besänftigen, nahm Imogen keine Anrufe mehr von ihrer Mutter, ihrer Schwester und auch nicht von ihrer Agentin entgegen.

Als das Ende ihrer Reise näher rückte, wurde Williams Verhalten seltsam. Es war Samstag, am Montagmorgen ging der Rückflug. William hatte sie letzten Freitag mehrmals gefragt, was sie am Samstagabend essen wollte oder, wie er es ausdrückte, worauf sie »Gelüste hätte«. Imogen hatte das Gefühl, es würde »der« Abend werden. Verkompliziert wurde die Angelegenheit dadurch, dass sie immer noch nicht wusste, was sie von einer Verlobung halten sollte. Manchmal wollte sie nicht einmal Ja sagen und dann erinnerte sie sich an alle zu Hause, die warteten und etwas erwarteten, und daran, wie sie den Leuten vorgespielt hatte, sie würde William eines Tages heiraten wollen. Nur das Schreiben gab ihr Sicherheit und Überzeugung. Ansonsten graute es ihr vor der vehement vertretenen Meinung der Garnetts.

»Warum suchst du nichts aus? Mir ist es egal. Es war bisher alles so köstlich.«

Wie auch Imogen fand William es stressig, Entscheidungen treffen zu müssen, vor allem angesichts des Drucks, den er sich selbst auferlegte. Er blieb noch länger allein beim Frühstück – Imogen vermutete, er recherchierte romantische Restaurants. Sie versuchte, nicht snobby zu sein, aber sie hörte Margos Stimme, die Reiseführer als »zum Großteil unsinnig« abtat. Margo hatte immer laut gesungen. »Kommt, wir verlassen die ausgetretenen Pfade!«

»Wir haben das klassische venezianische Tiramisu noch nicht probiert, weißt du? Vielleicht gehen wir in ein Restaurant, das für seine traditionellen venezianischen Puddings berühmt ist?«, fragte William besorgt.

Imogen fauchte unvermittelt. »Ihh! Du weißt doch, dass ich Puddings nicht mag.« Viel zu häufig führte Williams Zaghaftigkeit dazu, dass sie sich untypisch verhielt, wie eine nachdrückliche Margo oder Rachel.

William sah entmutigt aus. »Sorry, das weiß ich doch. Du nimmst immer die Käseplatte.«

»Und die teile ich auch nur sehr selten!«, sagte Imogen, um ihn aufzuheitern.

William lächelte sie an. »Nun, der Eigentümer des La Calcina hat ein Restaurant am Kanal empfohlen, das berühmt ist für sepia al nero … und Thunfischcarpaccio, von dem ich weiß, dass du es magst…«

»Wunderbar! Lass uns dahin gehen.«

Die Bellinis im L’Academia waren so köstlich, dass Imogen schon vor dem Bestellen plötzlich drei getrunken hatte. Sie wurden von einem Kellner gebracht, der gelangweilt aussah, bis er Imogen entdeckt hatte, dann hellte sich sein Gesicht auf und seine dunklen Augen leuchteten. Imogen wusste, dass sie einen ihrer seltenen schönen Tage hatte, und fragte sich, wie es wäre, mit diesem Privileg jeden Tag gesegnet zu sein, so wie Sasha. Zu sehen, wie sich die Leute auf der Straße nach ihr umdrehten, in Bars als Erste bedient zu werden. Sasha hatte es nie anders erlebt und es verlieh ihr eine Arroganz, die sie manchmal unausstehlich machte. An dem Abend hatte Imogen schließlich die junge Margo in ihrem Gesicht entdeckt. Ihre Haut war hell und voller Sommersprossen, ihre Augen funkelten im schönsten Blaugrau. Sie hatte sich ein dunkles pinkfarbenes Oberteil aus Rachels Schrank stibitzt und es stand ihr. William schaute sie immer wieder nervös an; und er wurde noch nervöser, als sie bei allem kicherte, was er sagte. Sie wusste, dass sie zu schnell trank, alles tat, um ihre Angst zu lindern. Es dauerte nicht lange, bis drei Drinks auf leeren Magen dazu führten, dass sie Sachen auf die gepflasterte Straße fallen ließ. Erst ihre Sonnenbrille, dann ihre Serviette; schließlich flog ihr die Speisekarte weg und landete auf dem Schoß eines Nachbarn, der sehr nah neben ihnen saß. William entschuldigte sich für sie und ihr Kichern verstärkte sich. Williams Nerven wurden noch mehr durch die Tatsache strapaziert, dass ihr Kellner Davide – jedes Mal, wenn sie etwas fallen ließ – zu ihr geeilt kam, um zu helfen.

»Danke schön, vielen lieben Dank, Davide. Ja, mir geht es gut, oh, danke schön … eine saubere Serviette.« Sie versuchte, nicht zu kichern, als Davide ihr weitere Schichten steifes Leinen auf den Schoß legte.

Ein Hauch Ungeduld lag in der Luft, als William anschließend etwas sagte, den Kopf tief in die Speisekarte gesteckt. »Hast du dich entschieden? Ich würde sagen, Alkohol sollten wir erst einmal sein lassen?«

»Ja, gute Idee, echt. Will ja nicht in den Kanal fallen!«

Ihr Tisch war ein winziges Stahlkonstrukt, das unsicher auf den Pflastersteinen platziert war, obwohl Davide versucht hatte, es mit gefalteten Streichholzpackungen zu stabilisieren. Der fehlende Platz sorgte dafür, dass ihr Windlicht auf der Kanalwand stand, ebenso das Salz, der Pfeffer und bald auch die Weinflasche.

Als sich der Himmel über ihnen pink verfärbte und sich im Wasser spiegelte, versuchte Imogen, sich auf die Speisekarte zu konzentrieren. Sie hatte nicht sonderlich Hunger, war eher in Trinklaune. Ihr war ein wenig schlecht, ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, aber sie wusste, dass sie nicht mit weniger als drei Gängen davonkommen würde, wenn wenn dies »der Abend« sein sollte. Sie wählte Thunfischcarpaccio als Vorspeise aus und ein paar Ravioli, um den Alkohol aufzusaugen. Nachdem Davide alle Spezialitäten vorlesen durfte, von denen weder Imogen noch William sich etwas aussuchten, und sie bestellt hatten, wurden sie wieder allein gelassen, in der von einer peinlichen Stille geprägten Abenddämmerung, nahmen die Unterhaltungen wahr, die von den Pflastersteinen zu ihnen herüberschallten. Hilflos blickte sich Imogen nach Zerstreuung um.

»Ganz schön laut, oder?«, meinte William, ehe sie etwas sagen konnte. Sie sah, dass auch er ängstlich wirkte, was ihr Mitgefühl weckte.

»Was für eine Atmosphäre! Das zeigt nur, wie beliebt das Restaurant ist. Und heute ist Samstagabend.«

»Ich freue mich, dass du deinen Thunfisch bekommst.«

»Ja, ich mich auch. Der Wein ist köstlich.«

William sah, wie sie ihr Glas leer trank; er setzte sich etwas aufrechter hin und räusperte sich. Er hörte sich steif und förmlich an. »Es war so eine schöne Reise. Ich bin wahnsinnig froh, dass du mich überredet hast.« Genau in dem Augenblick tauchte Davide auf, um Imogen gewissenhaft Wein nachzuschenken. William seufzte und schnalzte mit der Zunge, als Davide wieder ging. »Ich glaube, er findet dich gut, Imi. Du siehst heute Abend so schön aus, deswegen…«

»Ich glaube, diese Farbe steht mir einfach gut … Danke, wollte ich sagen.«

William räusperte sich und schob langsam ein kleines Samtkästchen über den Tisch, als würde er eine Figur auf einem Schachbrett ziehen. Imogen beobachtete, wie er das Kästchen öffnete und aufmerksam den Ring im Inneren anschaute, dann zu ihr aufblickte. »Der war von meiner Mutter, Imi. Ich hoffe, du wirst ihn tragen und meine Frau sein. So etwas will doch jeder und ich hoffe, du willst es auch.«

Imogen errötete, ihr wurde erst heiß, dann kalt. Sie wollte sich ihr Tuch um die Schultern legen, bemerkte jedoch, dass es sich unter einem Tischbein verfangen hatte. Tränen stiegen ihr in die Augen, sie verstand nicht, warum sie weinte, wenn dies doch der glücklichste Moment ihres Lebens sein sollte. Sie wusste, dass sie zu lange geschwiegen hatte, dass William wartete. Beim Versuch, das Tuch hervorzuziehen, begann der Tisch zu wackeln und Wein spritzte aufs Tischtuch. Sie konnte William nicht anschauen.

»Alles in Ordnung mit dir? Weinst du? Oh, Liebes, ich freue mich so, dass du glücklich bist.«

»Ich versuche nur, das hier loszubekommen.« Imogen ruckelte heftig am Tisch, der auf William kippte. Dieser sprang auf und stieß das Windlicht von der Kanalwand, das mit einem lauten Platschen ins Wasser fiel.

Von den anderen Außentischen ertönte Applaus und Gelächter, »Felicitazioni!« und »Bravo!« wurde gerufen. Imogen und William lächelten die anderen verlegen an und setzten sich wieder ruhig hin, während Davide um sie herumwuselte. Dann erhob sich William mit hochrotem Kopf und voller Mut wieder und erklärte dem Publikum, sie seien nun verlobt. Auf seine Bitte hin stand Imogen ebenfalls auf, woraufhin noch mehr Gejubel und Geklatsche durch die Kanäle hallte, die Melodie einer weiteren venezianischen Verlobung. Als sie Platz genommen hatten, entschuldigten sie sich wieder und wieder, boten an, das zerstörte Windlicht zu ersetzen, während Davide, der ein freundliches Lächeln aufgesetzt hatte, ständig wiederholte: »Non è niente.« Eine Flasche Champagner ging aufs Haus, die sie schweigend mit kleinen Schlucken tranken, plötzlich wieder schüchtern. Der Ring lag immer noch zwischen ihnen auf dem Tisch, immer noch in seinem samtenen Kästchen, bis William eine Kopfbewegung in die Richtung machte und sagte: »Los, dann, zieh ihn doch an, Dummchen. Ich habe den Moment verpasst, ihn dir anzustecken.«

Imogen tat, wie ihr befohlen, streifte sich den Ring unterm Tisch über, war sich der ganzen Blicke um sich herum bewusst – sie wollte nicht noch mehr Applaus und Glückwünsche. Als sie nach Hause gingen, fühlte sie sich seltsam nüchtern, und als sie auf dem Ponte dell’Accademia stand, mit dem Canal Grande zu ihren Füßen, fragte sie sich, was da gerade passiert war. Sie hatte nicht Ja gesagt. Sie hatte gar nichts gesagt.

»Eigentlich wollte ich dir den Antrag hier machen, ich weiß, dass du diesen Ausblick liebst. Gott sei Dank habe ich es nicht riskiert, vielleicht wäre Mums Ring über das Geländer der Academia gefallen.« William hielt Imogens Hand, drehte sie, sodass das Licht der Straßenlaterne im Ring funkelte. Imogen sah viele Diamanten, die um eine dunkle Mitte funkelten, aber viel mehr konnte sie nicht erkennen. Sie würde viel Zeit haben, es sich vernünftig anzuschauen. Ein Leben lang. Sie fragte sich, warum William nicht wissen wollte, warum sie so ruhig war.

»Sei mir nicht böse, dass ich ein wenig angeschickert bin und das ganze Drama im Restaurant verursacht habe.« Sie wollte sich entschuldigen, weil sie nicht angemessen reagiert hatte, er schien es jedoch gar nicht bemerkt zu haben und sie bekam die Worte nicht heraus.

»Ich werde mich dran gewöhnen müssen, dass du Mrs Bradbury sein wirst«, William schenkte ihr ein liebenswürdiges Lächeln.

Bradbury wäre ihr dritter Nachname. Erst O’Leary, dann Garnett und jetzt Bradbury. Imogen betrachtete die verblüffende Geschichte und Kultur, die vor ihr lag, und die Schönheit, die sie ruhelos und unzufrieden machte. Es wäre so seltsam, keine Garnett mehr zu sein. Vielleicht war es besser so. Sie machte sich andauernd Sorgen, dem Namen Garnett nicht gerecht zu werden. Sie war sich sicher, dass keine andere Garnett sich so zufällig verlobte.

»Ist die Vorstellung nicht seltsam, dass dies alles eines Tages unter Wasser stehen wird?« William starrte in den dunklen Kanal unter ihnen, das Gesicht im Schatten.

Imogen drehte sich langsam zu ihm. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum zwischen ihrer beider Gedanken Welten lagen. »Ich versuche, nicht darüber nachzudenken.« Imogen hatte kein Interesse mehr an der Aussicht, die jetzt wie eine über ihnen schwebende Tragödie wirkte. »Komm, wir gehen zurück ins Hotel.«

2 Limoncello

Es war ihr letzter Abend in Venedig und Imogen war nervös, immer noch hungrig auf alles, was die Stadt nachts zu bieten hatte, die Energie und das Drama der erleuchteten Schönheit. Es war diese Art Ruhelosigkeit, die sie auch beim ersten blauen Himmel überkam, wenn die Frühlingsblüten sprossen, das Verlangen, die Welt auszukosten. William hatte ein solides Abendessen im Hotel und frühes Zubettgehen vorgeschlagen und Imogen musste ihn davon überzeugen, dass es immer noch viel zu entdecken und zu unternehmen gab. Sie flehte William an, sich mit ihr auf die Jagd nach cicchetti am Ufer des Rio San Trovaso zu machen. Nach einigen Aperol Spritz fand er langsam Gefallen an der Sache.

Sie setzten sich hin und aßen Brothäppchen auf einer Kanalmauer, dieses Mal achteten sie darauf, dass sie nichts ins Wasser werfen konnten. Imogens Blick tanzte über alles hinweg, sie wollte alles fest in ihrer Erinnerung behalten. Sie beobachtete William, der mit seinem Strohhalm spielte. Sie sah, dass er sich auf zu Hause freute, nachdem er getan hatte, was getan werden musste. Imogen überkam Traurigkeit beim Gedanken an die Heimkehr, sie verspürte Wehmut, obwohl die Reise noch gar nicht beendet war. »Wir haben kaum an der Oberfläche gekratzt … stört dich das gar nicht?«

William lächelte sie nachsichtig an. »Wir haben doch noch das ganze Leben Zeit, um wieder herzukommen. Und das machen wir bestimmt. Wenn die Stadt noch da ist.«

Imogen machte sich Sorgen, dass William es nicht ernst meinte. Venedig war für ihn eine Stadt und nicht die Stadt. Es war für ihn der angemessene Ort für einen Antrag gewesen, um ihre Familie zufriedenzustellen. Es würde sich gut anhören, wenn er Familie und Freunden die Verlobungsgeschichte erzählte. Sie konnte in der Nacht nicht schlafen, weil sie nicht wusste, warum sie nichts gesagt hatte, und sich fragte, was dahintersteckte, warum es keine Rolle gespielt hatte, warum darüber hinweggesehen worden war.

William sah ihr Stirnrunzeln und griff nach ihrer Hand. »Komm, wir gehen zurück ins Hotel…«

 

Im Hotel überließ Imogen William seiner Abendroutine. Sie fühlte sich von ihrer Terrasse und dem wuseligen Treiben auf der Zattere angezogen. Draußen umfing sie der Zauber Venedigs. Es gab so viel zu hören und zu sehen, das italienische Geplapper auf den schwimmenden Restaurants und das Kommen und Gehen der Kellner, die Getränke auf Tabletts aus dem Hotel hinaus- und hereintrugen. Glamouröse Paare spazierten am Kanal entlang, venezianische Frauen mit eindrucksvollem Knochenbau, trotz der Hitze eingewickelt in Stolas. Kurz stellte sich Imogen vor, dass ihre Mutter und ihr Vater dort unter ihr entlanggingen. Sie würden Händchen halten, Passanten warfen ihnen verstohlen bewundernde Blicke zu. Margo würde zu Richard hinauflächeln, ihn zutiefst glücklich anstrahlen. Sie beobachtete ein vaporetto, das zur Haltestelle Zattere tuckerte, wo viele Touristen auf der Suche nach der venezianischen Unmöglichkeit ausstiegen: eine Pizzeria mit moderaten Preisen. Imogen zündete sich eine ihrer »bösen« Zigaretten an, setzte sich hin und beobachtete, verspürte den Trubel, der in ihr widerhallte, sie zum Teil des Ganzen machte.

Auf dem Stuhl neben ihr vibrierte plötzlich ihr Handy, und ohne nachzudenken ging sie dran. »Hallo?«

»Imogen, endlich! Ich habe es schon den ganzen Tag versucht.«

Imogen setzte sich aufrechter hin und blickte sich schuldbewusst um, als würde sie beobachtet. Ihre Agentin Claire war altmodisch und hielt sich nicht an Bürozeiten oder Urlaube. Sie sorgte häufig dafür, dass Imogen sich wie ein atemloser Teenager fühlte.

»Hier läuft alles rasant. Wann wolltest du noch mal zurück sein? Die Proben fangen am Fünften an. Der Regisseur will dich bei der Leseprobe dabeihaben, wenn sich die Schauspieler treffen und das ganze Brimborium. Wir haben wahnsinniges Glück, dass er dich einbinden will. Viele lassen die Dramatiker einfach außen vor. Und verfickt noch mal, diese Neuigkeiten aus dem Casting sind Next Level. Der Casting Director macht sich in die Hose. Setz dich am besten hin!«

Imogen wusste, dass sie ihren Aufenthaltsort und was sie gerade tat, am besten für sich behalten sollte. Claire scherte sich nicht um persönliche Details. »Aufregend … Ich sitze.«

»Sie haben Rowan Melrose als Alexandra verpflichten können! Gott, das wird für viele Kartenverkäufe sorgen. Sie ist ein wenig jung für die Alexandra und hat nicht viel Bühnenerfahrung, aber sie ist gerade total hot.«

Sofort dachte Imogen an Margos Reaktion – sie würde darauf hinweisen, dass Rowan Melrose keine Theaterschauspielerin wäre, würde bissige Kommentare abgeben. Aber zehn Millionen Menschen hatten innerhalb der ersten Woche Anna Karenina in der BBC gesehen, mit Rowan in der Hauptrolle, und es schien so, als hätte sich die Hälfte in sie verliebt. Imogen wusste, dass Claire auf eine Reaktion von ihr wartete. »Das sind ja großartige Nachrichten!«

Claire klang selbstzufrieden: »Ich habe dir gesagt, dass wir damit groß rauskommen. Das Theater will wirklich groß rauskommen. Rowan ist schwierig, sie hat einen gewissen Ruf, aber Fred hat sie im Griff. Sie will anscheinend nicht wegen ihres Aussehens für die Rolle gecastet werden, ihr gefällt die Idee, die Romanov-Mutter zu spielen, um sich etwas Seriosität zu erarbeiten.«

»Hat sie etwas zu dem Stück gesagt?« Imogen klang nicht gern bedürftig, aber es tat ihr weh, ihre Alexandra aus der Hand zu geben. An ein halb verhungertes Schauspielsternchen, das höchst wahrscheinlich nichts über die Romanovs wusste.

»Nein, nicht dass ich wüsste. Das kannst du sie fragen, wenn du sie kennenlernst. Du bist im Urli, oder? Dann geh aus und feier das. Das sind großartige Neuigkeiten – Meganeuigkeiten! Wir treffen uns im Groucho Club, wenn du wieder da bist. Muss auflegen, Kussi.«

Imogen setzte sich hin und schaute auf ihr Telefon, fragte sich, ob sie Margo oder Rachel oder beiden schreiben sollte. Aber sie hatte noch keiner von beiden von ihrer Verlobung erzählt. Sie wusste, dass Margo nach Neuigkeiten lechzte. Doch sobald sie ihnen von der Verlobung erzählt hätte, wäre sie real und sie würde akzeptieren müssen, dass sie einfach alles über sich zu ergehen lassen hatte. Es war nicht perfekt oder romantisch gewesen, es war Venedig unwürdig gewesen. Und jetzt, mit Rowan Melrose, wollte sie sich ihre eigene Meinung bilden, bevor ihr Mutter und Schwester erzählten, was sie zu fühlen hatte.

Als sie wieder hineinging, um William die Neuigkeiten zu erzählen, schlief er auf der Bettdecke in seinem Pyjama, lag dort ausgestreckt wie ein Seestern. Er schnarchte, wie immer, wenn er auf dem Rücken lag. Imogen legte die seidige Decke über ihn und ging rasch aus dem Raum, sie witterte Freiheit. Sie ging an der Hotelbar vorbei, die tiefrot und mit Kerzen erleuchtet war, und ließ sich davon anlocken. Sie bestellte ein Glas Prosecco und bemerkte, dass sich ein junger Mann vor ihr aufbaute, der ungefähr wie zwanzig aussah.

»Ich bin Angelo. Warum bist du ganz allein, signora?«

Imogen versuchte, nicht zu verblüfft auszusehen. Er war Italiener, aber sein Englisch war gut, wenn auch ein wenig gekünstelt. Er wirkte so selbstsicher, arrogant in seiner Schönheit. Seine Augen hatten die Farbe von Guinness, wurden von langen Wimpern eingerahmt, für die die meisten Frauen viel Geld bezahlt hätten. Etwas an der Art und Weise, wie er sie anblickte, erweckte in ihr das Verlangen, ihm die Wahrheit zu erzählen. Er erinnerte sie an ihren Schwager Gabriel, einen Psychotherapeuten. »Mein Freund schläft.«

»Das ist sehr stupide von ihm und nicht sehr … romantica?«

Imogen lächelte ihn an, beobachtete überrascht, wie er einen Barhocker aus Leder und Holz sehr nah zu ihrem eigenen zog. Er starrte sie an, als wäre sie die Mona Lisa und in ihrem Gesicht wären Geheimnisse verborgen. Um die Fassung zu wahren, nahm sie einen riesigen Schluck Prosecco. »Nicht alles muss romantisch sein.« Sie fühlte sich gehemmt, als wäre sie plötzlich in das Set eines Kitschfilms transportiert worden.

»Ich glaube, für jemanden wie dich sollte alles romantisch sein«, erklärte Angelo herrisch.

»Gestern Abend hat er mir einen Antrag gemacht. Also ist er jetzt mein Verlobter«, sagte Imogen, damit Angelo nicht dachte, sie wäre eine traurige ältere Frau, die in einer Hotelbar herumlungerte.

»Du bist sehr schön. Bellissima.« Er sagte es, als wäre es die absolute Wahrheit. Sie lachte und dieses Mal wirbelte sie dabei ein wenig ihr Haar durch die Luft. Sie war froh, dass sie es offen trug. »Ich geb dir noch einen Drink aus. Weil du von deinem Verlobten verlassen wurdest.« Er stand über ihr und bestellte in sehr schnellem Italienisch weitere Getränke. Als ein frisches Glas Prosecco vor ihr auf der polierten Mahagonibar stand und vor ihm ein Glas Rotwein, blickte er sie wieder unverwandt an. »Und sein Antrag, war er romantisch?«

»Wir sind ein wenig zu alt, um romantisch zu sein.«

»So alt kannst du doch gar nicht sein, du bist ungefähr sechsundzwanzig, oder?«

Imogen grinste, wusste aber nicht, warum sie ihn nicht korrigierte. In der Bar war es dunkel. Sie hatte diese Woche viel geschlafen, die Schatten unter ihren Augen waren verschwunden. Wahrscheinlich ging sie tatsächlich als fünf Jahre jünger durch. »Etwas um den Dreh, Angelo«, sagte sie und realisierte, dass sie ein wenig flirtete und dass sie ihr Glas schon wieder halb ausgetrunken hatte. Die Bar leerte sich. Das Schiffsrestaurant draußen packte geräuschvoll für die Nacht zusammen. Bald schon waren sie die beiden einzigen Gäste in der Bar. Normalerweise hätte Imogen die Kellner nur widerstrebend um ihren Feierabend gebracht, doch heute Abend war es ihr egal. Vielleicht lag es an Angelo, der sich so aufführte, als gehörte ihm der Laden. Sie ignorierte das Gefühl, dass die beiden Kellner in der Türöffnung zur Küche sie beobachteten und über sie redeten und ließ Angelo eine Flasche Wein bestellen. Er hatte ihr gesagt, dass er noch nie im Leben jemanden so dringend küssen wollte wie sie. »Aber du lebst ja auch noch gar nicht so lang«, neckte Imogen ihn. »Es wird noch viele Menschen geben, die du küssen willst.«

»Waren es bei dir auch viele?«

Imogen war ein wenig verblüfft, als ihr klar wurde, dass es nicht viele waren. »Eigentlich nicht. Aber ich bin anders als du.«

»Wie denn? Musst du nicht lieben oder geliebt werden? Du siehst so aus, als müsstest du.«

»Ja, muss ich auch – natürlich muss ich das. Du wirkst nur so selbstsicher. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich Dinge nicht stark genug will.«

»Verspürst du nie Sehnsucht?«

»Nicht nach Küssen. Nach Arbeit und dem Schreiben, das schon.« Sie war überrascht von den Worten, die aus ihrem Mund kamen.

»Also ich sehne mich jetzt nach dir.«

Bald schon war sie sehr betrunken, genauso wie er. Inzwischen langweilte sie der Wein, weshalb sie winzige Shots eiskalten Limoncellos tranken, wie Sorbets im Glas. Sie plauderte mit ihm über ihr Stück, über die TV-Stars, die darin mitspielen würden. Sie hörte sich selbst reden: eine großspurige Theaterautorin, die Namedropping betrieb. Angelo besaß allerdings nicht die Garnett’sche Angewohnheit, über sie hinwegzureden; er bewunderte sie einfach. Er ließ alle Getränke auf sein Zimmer schreiben, wogegen sie nicht protestierte, weil sie wusste, dass William auf diese Weise die Rechnung nicht zu Gesicht bekommen würde. Sie fühlte sich wackelig auf den Beinen und begriff, dass sie besser auf ihr Zimmer gehen sollte. Sie riskierte, dass William aufwachte und nach ihr suchte. Doch sie war so glücklich dort, wo sie war, sie lachte und fühlte sich ungewöhnlich witzig und charmant. Als sich Angelo tollpatschig zu ihr hinüberbeugte und versuchte, sie mit rotweinbefleckten Lippen zu küssen, war sie schockiert, wusste jedoch, dass sie ihn dazu gebracht hatte. Es war, als wären die Lichter im Theater angegangen und die Vorstellung beendet. Sie legte die Hand flach auf seine Brust und drückte ihn weg.

»Geh nicht, schöne Imogen.«

»Ich muss. Mein Verlobter wartet oben.« Sie spürte, wie stark er war, wie ungeduldig. Sie schaffte es, Raum und etwas kalte Luft zwischen sie zu bringen, dieser Triumph ließ sie aufspringen, wobei sie fast ihren Stuhl umwarf. Sie versuchte, sich zu sammeln. Sie war zu alt, um Männer in Bars zu küssen, zu alt, um irgendwen zu küssen. Sie war verlobt. Sie hatte ausnahmsweise einmal einen Plan und musste sich daran halten. Sie konnte sich nicht mehr treiben lassen, die Dinge waren entschieden. Und etwas, das sie sich immer erträumt hatte, würde passieren: Ihr Stück würde aufgeführt werden. Sie war eine Erwachsene mit einem Beruf – zum ersten Mal in ihrem Leben.

»Du musst so etwas mit einem Mädchen in deinem Alter machen, Angelo.« Sie klang so prüde. War keine Lucy Honeychurch in Zimmer mit Aussicht, sondern stattdessen die Charlotte Bartlett. »Es tut mir leid, ich muss los. Danke für die Drinks.« Und damit drehte sie sich schwerfällig um, war vorübergehend desorientiert in der dunklen Hotelbar – und von dem ganzen Alkohol. »Sorry – wo geht es raus?« Angelo zeigte wortlos in eine Richtung, sein Gesicht vor Wut verzerrt. Imogen ging, ohne sich umzuschauen.

 

Am nächsten Morgen wollte sich Imogen im Bett vor dem venezianischen Sonnenlicht verstecken wie ein neugeborener Vampir. Das Innere ihres Mundes fühle sich an wie Sandpapier, ihre Wangen brannten und ihre Haut wirkte feucht. Sie wagte nicht, den Kopf zu heben und nachzuschauen, wo William war, weil sie seinen sanften, forschenden Blick nicht ertrug. Es war nur gerecht, dass ihre Bestrafung ein Morgen war, den sie mit übereiltem Packen verbrachte, mit Rechnungenbegleichen und mit dem Zwang, mit Menschen zu sprechen. Von ihr wurde erwartet, dass sie lächelte und charmant war und sich um das Wassertaxi kümmerte – diese ganzen ermüdenden Angelegenheiten. Angst krabbelte ihr ins Gehirn wie eine Spinnenarmee. Was wäre, wenn die Kellner, die sie und Angelo bedient hatten, immer noch arbeiteten? Sie würden vielleicht auf sie zeigen und lachen. Angelo könnte unten sein und würde vielleicht zu ihr kommen und versuchen, mit ihr zu reden, womöglich noch einmal versuchen, sie zu küssen. Und was, wenn Angelo diese ganzen Drinks auf ihr Zimmer geschrieben hätte und das alles nur ein gut getarnter Betrug gewesen war? Imogen stöhnte auf, stellte sich vor, wie William beim Anblick der Abschlussrechnung erblasste und sie mit gequälter Stimme fragte: »Was hast du gestern Abend gemacht, Darling?«

Stattdessen hörte sie seine echte Stimme aus dem Bad, die auf ihr nur zum Teil gedämpftes Seufzen antwortete.

»Alles okay, Imi?«

Imogen zwang sich in eine aufrechtere Position und spürte den Schmerz in ihren Armmuskeln. »Ich fühle mich wirklich krank – ich habe schreckliche Kopfschmerzen. Vielleicht habe ich gestern Abend etwas Falsches gegessen?« Sie konnte nur hoffen und beten, dass er nicht den Alkohol roch, den sie ausdünstete.

William kam aus dem Bad und runzelte leicht die Stirn, er umklammerte seinen Kulturbeutel. Er sah forsch aus. »O nein, du Arme. Wir haben zum Großteil dieselben kleinen Tapasdinger gegessen, oder? Ich bin quietschfidel.«

»Cicchetti.« Imogen hörte, wie sie ihn korrigierte, so wie Margo es getan hätte. Ihre Entschuldigung für ihre Reizbarkeit war, dass ihr Hirn versuchte, aus dem Schädel auszubrechen.

»Genau, cicchetti. Ruh dich ein bisschen aus, ich hole uns was zum Frühstücken und bezahle die Rechnung. Du solltest gucken, dass du gegen elf alles gepackt hast. Willst du, dass ich mich um das Wassertaxi kümmere, oder hast du das schon erledigt?«

Außer William körperlich zurückzuhalten und ihn im Zimmer einzusperren, wusste Imogen nicht, welche anderen Optionen sie noch hatte, damit er nicht nach unten ging. »Danke. Ich versuche mal, bis elf alles gepackt zu haben. Im Moment fühle ich mich nicht gut genug, um jemandem unter die Augen zu treten, also wenn du dich vielleicht ums Wassertaxi kümmern könntest…«

»Bist du sicher, dass wir uns nicht einfach eins mit einem Paar aus den anderen Hotels teilen sollen? Ich will kein Spaßverderber sein, aber es ist ganz schön teuer. Ich weiß, dass dein Herz daran hängt, weil Margo es auch gemacht hat…«

»Ich kann mir heute kein Taxi teilen. Mir ist schlecht, Will. Ich zahle die Hälfte, wie schon gesagt.« Imogen wusste, dass sie giftig war, aber sie wollte nur, dass William abhaute und sie allein ließ, damit sie laut seufzen konnte. »Ich will heute Morgen kein Croissant, danke, aber Kaffee, Saft und viel kaltes stilles Wasser wäre gut.« Imogen richtete ihre Forderungen gehetzt an Williams Rücken, hoffte, er würde sich nicht umdrehen und sie beschuldigen, sie würde etwas gegen ihren Kater benötigen.

Stattdessen zuckte er die Schultern. »Ich kann nichts davon aus dem Frühstücksraum schmuggeln. Ich muss extra etwas aufs Zimmer bestellen. Ist es okay, wenn sie es raufbringen?«

Sie wusste, dass er sich wegen der Kosten sorgte, und bemühte sich, möglichst charmant zu klingen. »Ja, bitte.«

»Okay, ich bin jetzt weg. Um elf muss alles gepackt sein, Imi, denk dran.«

 

Sie legte sich wieder hin und lauschte eine Zeit lang nur ihrem Atem, versuchte, jeden Gedanken aus ihrem Kopf zu verdrängen. Sie wollte mit Rachel sprechen, so wie immer in Krisenmomenten. Rachel war ihre Gezeitenuhr, sie wusste, wann Flut und Ebbe herrschte. Rachel lieferte Lösungen, konnte Entscheidungen treffen. Sie hatte für sie alle sämtlichen Entscheidungen getroffen, seitdem sie elf war – damals hatte sie als Ersatzmutter fungieren müssen. Mit ihrem Anwaltsgehirn würde sie untersuchen wollen, was forensisch passiert war. Doch genau deswegen konnte Imogen sie nicht anrufen, genau das durfte Rachel nicht wissen. Rachel würde sich fragen, warum sie ihr nichts von ihrer Verlobung erzählt hatte, warum sie niemanden angerufen hatte. Dann würde sie unverblümt darauf hinweisen, dass Imogens Verhalten implizierte, sie wollte gar nicht verlobt sein.

Imogen musste einfach hoffen, dass sie Angelo nie wiedersehen würde. Sie musste Venedig verlassen, ohne dass William von ihrem Besäufnis mit dem Fremden erfuhr, bei dem sie sich fast von ihm hatte küssen lassen. Zumindest hatte sie rechtzeitig die Notbremse gezogen. Sie war nicht so rücksichtslos wie ihre Mutter und küsste, wen immer sie gerade wollte. Imogen wusste von Margos Ruf; Andeutungen und abfällige Anmerkungen waren bis zu ihr durchgedrungen. Und sie hatte vage Erinnerungen an einen Mann nach dem anderen, nachdem ihr Vater gegangen war. Aber sie war anders. Niemand musste das wissen. Genauso wie niemand wissen musste, dass sie beim Antrag geschwiegen hatte. Sie hatte immer Ja sagen wollen.

Wie ein widerwilliges Kind an einem Schulmorgen quälte Imogen sich aus dem Bett unter eine heiße Dusche. Sie wusch ihr langes, dickes Haar, was sie hasste, weil es immer so aufwendig war. Dann, in zwei Handtücher gewickelt, bewegte sie sich wie eine Schnecke durch das Schlafzimmer und sammelte ihre Habseligkeiten ein, schmiss sie wahllos in den Koffer auf dem Boden. Es klopfte an der Tür. Zimmerservice, vermutete Imogen. Doch stattdessen stand dort eine imposante Frau, die etwa zehn Jahre älter war als sie. Imogen wusste gleich, dass sie Italienerin war, weil sie in ihrem nicht zerknitterten Leinenanzug elegant aussah. Sie war nicht schön, doch ihre Gesichtszüge waren markant, wie bei den Modigliani-Frauen. Sie hatte bernsteinfarbene Augen und ihr Schmuck bestand aus schwerem antikem Gold. Imogen wurde sich plötzlich ihres Handtuchs bewusst, dem Turban auf ihrem Kopf. Diese Frau sah belustigt aus.

»Signora, ich habe etwas, das Ihnen gehört.« Ihr Englisch war nicht leicht zu verstehen, sie sprach mit schwerem Akzent. Die Frau streckte ihr eine hohle Hand entgegen, lange Finger, die Nägel feigenblau lackiert. Diese Art Nagellack würde Margo tragen. Einer von Imogens Ohrringen lag in ihrer gewölbten Handfläche. Imogen fühlte sich ganz taumelig, wie in einem Traum.

»Oh. Danke schön – wo war er?« Sie nahm den Ohrring, Goldglocken, besetzt mit winzigen Türkissplittern, er gehörte zu einem Paar, das Margo ihr mal zum Geburtstag geschenkt hatte. Sie passten nicht zu Imogen, viel eher zu Margo, das war bei Margos Geschenken häufig der Fall.

»Bellissimo«, sagte die Frau und neigte den Kopf leicht zum Ohrring. Imogen hatte ihn am Abend zuvor getragen. Sie spürte, wie ihr langsam das Blut aus dem Kopf wich. War das womöglich Angelos Frau? O Gott. Plötzlich dachte sie, sie würde William auf der Treppe pfeifen hören. Kalte Angst übermannte sie. Die Frau blickte sie immer noch neugierig an. »Es war … wie sagt man … gehängt an … Pullover von Angelo.«

Imogen erinnerte sich an den Pullover, ein kurzer Flashback. Die Art Pullover, die Italiener an einem Frühlingsabend tragen. Enteneiblau, weich unter ihren Händen. Sie errötete, während die Frau sie weiterhin gründlich musterte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Die Frau musste verschwinden, bevor William zurückkam. Sie versuchte, an ihr vorbeizuschauen, ins Zimmer hinter ihr zu spähen, zweifelsohne wollte sie wissen, ob dort noch jemand war, ein gehörnter Ehemann. »Es tut mir leid«, stammelte Imogen und schloss langsam die Tür. »Danke, dass Sie ihn mir zurückgebracht haben.«

»Ich bin Angelos Mutter.« Die Frau bewegte sich nicht, lächelte bloß, während Imogen nur noch verwirrter aussah. »Er ist erst sechzehn. Ich dachte, Sie sollten das wissen. Es ist egal. Er wirkt älter. Uomo. Ich weiß das. Aber er ist ein Junge. Ich glaube, er inamorato mit Sie.«

Er war sechzehn. Typisch. Sie bekam nicht einmal einen italienischen Flirt richtig hin. Stattdessen war sie nun eine Frau, die von minderjährigen Trinkern in Bars aufgerissen wurde. Imogen starrte wieder die Frau an, die sich an der Tür festhielt und an ihr abstützte, die Worte purzelten nur so aus ihr heraus. »Es tut mir so leid. Ich wusste wirklich nicht, dass er so jung ist. Ich habe nur ein paar Gläser mit ihm getrunken, er war eine angenehme Gesellschaft. Er weiß sich zu benehmen.« Sie versuchte, die Frau anzulächeln, sie versuchte, die ganze Angelegenheit irgendwie akzeptabel abzuschließen, aber im Benimmhandbuch gab es keinen Eintrag zu einer solchen Situation. »Vielen Dank dann, auf Wiedersehen.«

Die Frau drehte sich bestimmt um, doch in ihren Augen funkelte es. »Ihr englischen Mädchen…«, sagte sie leise beim Umdrehen. »Goodbye, signora.«

Imogen schloss die Tür hinter ihr und atmete aus. William würde bald wieder da sein und sie mussten packen. Und dann mussten sie Venedig verlassen. Sie verstand nun, dass ihr Venedig niemals das Venedig von Margo und Richard sein würde.

3 Seniorenticket

Isle of Wight

Margo hatte einen Moralischen. Der Hoffnung zum Trotz, dass Imogen sich endlich niederlassen wollte, war dies wieder ein Tag, an dem sie sich einsam und alt fühlte. Im Kopf war sie immer noch dieselbe, sie haderte immer noch damit, erwachsen zu sein, es verblüffte sie, dass sie die Mutter von Menschen hatte sein dürfen. Eigentlich fühlte sie sich nur erwachsen, wenn ihre Mädchen bei ihr in Sandcove waren, als Mutter, die mitten im Leben stand, die gebraucht wurde. Die schlechten Tage schlichen sich verstohlen heran, ohne Fanfare, erwischten sie unvorhergesehen, führten ihr vor Augen, dass sie fast sechzig war und bald ein Seniorenticket lösen konnte. Manchmal ließ ihr Körper sie im Stich. Ein stechender Schmerz im Wadenmuskel plagte sie mitten in der Nacht. Sie erinnerte sich wehmütig daran, dass ihre Mutter ihr als Mädchen erzählt hatte, alle Stiche, die sie verspürte, wären Wachstumsschmerzen. Jetzt, in tiefster Nacht, redete sie sich ein, es müsse sich um eine Tiefvenenthrombose handeln. Hatte Ali nicht so etwas gehabt, als sie erst vierzig gewesen war?

Es gab andere Kleinigkeiten, die sie quälten. Sie betrachtete sie als Ziehfäden in einem lang herbeigesehnten neuen Pullover, ein Makel, der ins Auge fiel und das Kleidungsstück degradierte. Sie musste wegen ihres Glaukoms jeden Morgen Augentropfen nehmen. An manchen Tagen tränten ihre Augen grundlos. Und sie musste häufiger auf die Toilette; Kaffee floss einfach durch sie hindurch. Sie hatte das Gefühl, über Nacht gut sechs Kilo zugenommen zu haben – sie wurde das Gewicht nicht mehr los, egal, was sie auch versuchte. Sie aß wie ein Vögelchen und wusste, dass es eigentlich der Alkohol war, den sie reduzieren müsste. An manchen Tagen war sie so müde, dass ihr ganz wolkig im Kopf war. Wenn sie schrieb, wollten die richtigen Worte einfach nicht kommen. Ihr Gehirn schweifte ab zu den Erinnerungen an die Zeit, als ihre Kinder klein und so liebenswert gewesen waren. Und am schlimmsten fand sie, dass ihre Gefühle ihrer Haut so nahe kamen, Nadelstiche der Sehnsucht nach der Vergangenheit, akute Schmerzen der Einsamkeit. Sie weinte bei Büchern und schlechten Filmen und alles, das ihre Enkelkinder taten, ließ ihr Herz lachhaft und zu unkontrollierbarer Größe anschwellen. Sie wusste, sie sollte froh sein, dass sie mit Anfang fünfzig eine kurze Menopause hinter sich gebracht hatte – das Schlimmste hatte eine Hormonersatztherapie verhindert – und dass ihre Libido mit aller Macht zurückgekommen war, aber es war immer noch schwer, nicht an die kommenden Demütigungen zu denken, die das Altern für sie bereithielt. Sie sah jünger aus als viele Gleichaltrige, ihr Gesicht war rund und deswegen ziemlich glatt, ihre Mädchen hielten sie au courant mit dem Weltgeschehen und ihre sexuellen Abenteuer ließen ihren Körper wach sein, dennoch hatte sie Angst, dass sie ihre Attraktivität bald verlieren würde.

Sie war in ihrem Arbeitszimmer am Anderen Ort, saß am Schreibtisch, umgeben von Papieren, alten Tagebüchern und dem aufgeklappten Laptop. Im Cottage fühlte sie sich eingeengt. Sandcove und die Bucht, der nach allen Seiten offene Horizont, all das lockte ihren rastlosen Geist, der mehr als einmal am Tag widerstehen musste. Sie wusste, dass sie prokrastinierte, und fühlte sich gereizt. Sie hatte von einem Herausgeber den Auftrag bekommen, anhand ihrer alten Zeitschriftenkolumnen und Zeitungsartikel eine Art Memoiren zusammenzustellen, doch die Arbeit war mühsam, weil so viel in ihren Texten fehlte, der Alltag mit einem Trinker verklärt wurde. Margo fühlte sich wie eine Betrügerin, als sie ihre achtzig quirligen Texte las, lustige Geschichten über die Mädchen als Kleinkinder, Rezepte, die sie liebte, Skizzen ihres Lebens in Soho. Dann, 1994, hatte sie ein komplettes »Sabbatjahr« genommen. In dem Jahr war Richard weggelaufen und sie war zerbrochen. Sie wusste, dass es gerade in Mode war, die dunkelsten Momente des eigenen Lebens offenzulegen, über psychische Gesundheit und Trauma zu sprechen. Aber Margo war nicht so erzogen worden. In den Achtzigern und Neunzigern tat man so, als könnte man alles erreichen; als Frau hielt man alles zusammen, machte gute Miene zum bösen Spiel. Nie sprach man darüber, wie unmöglich das Jonglieren wurde, wenn einem ein Objekt weggenommen wurde. Es war schon schwer genug, überhaupt an Memoiren zu denken. Zurückblicken war nicht leicht für sie, es war nicht leicht für sie, sich den Dingen zu stellen, die sie ihren Töchtern angetan hatte.

Sie dachte an ihre mittlere Tochter. Sie hatte immer schon ein seltsames Gespür für Imogen gehabt und fühlte, dass es etwas Neues gab, doch Imogen hatte sie schon seit Tagen nicht mehr angerufen. Im Augenblick sollte Imogen im Flugzeug auf dem Weg nach Hause sitzen. Wenn sie verlobt war, warum hatte sie nicht angerufen, um davon zu erzählen? Margo hatte die ganze Zeit über vermutet, dass William den Antrag am letzten Abend machen würde – jeder wusste, dass er es nicht eilig hatte. Margo fand die Ungewissheit schwer erträglich. Es war wenig hilfreich, dass sie ihre Gedanken an diesem Ort nicht zu Imogen abschweifen lassen konnte. Sie konnte nicht an Venedig denken, ohne sich an Richard und ihre Flitterwochen zu erinnern. Eine Zeit, in der sie so voller Glücksgefühle und Hoffnung gewesen war, dass die Erinnerung daran nun schmerzte. Warum musste Imogen nach Venedig fliegen und die Stadt in ihre Lebensgeschichte einschreiben, damit Margo das Wort »Venedig« immer und immer wieder hörte? Es wirkte gedankenlos und passte nicht zu Imogen. Eher zu Sasha. Margo wäre heute gern allein gewesen, doch stattdessen wurde sie von Carol gepiesackt, deren Mundwerk man nach ihrem Tod wohl extra totschlagen musste.

»Ich habe Ihre Papiere nicht angefasst, Mrs G. Ich weiß, wie Sie dann werden. Sie liegen ü-ber-all auf dem Schreibtisch herum – ich konnte nicht drum herum, Staub zu wischen. Diese Rotweinflecken, meine Güte, die schafft selbst Vanish nicht. Wie ist das passiert? Eine Schande, auf dem hellen Teppich.«

»Ich war das. Ich war angeschickert.« Margo errötete leicht bei dieser Notlüge, als sie plötzlich das Bild eines nackten Mannes vor sich sah, der lang ausgestreckt vor ihr auf dem Teppich lag und mit einer unwillkürlichen Bewegung ein volles Rotweinglas umwarf. Sie schaute nachdrücklich auf die Uhr. »Ist es nicht Zeit, nach Sandcove aufzubrechen? Gabriel erwartet dich am Mittag.«

»Rachel ist schon wieder irgendwo ›arbeiten‹? Gott, dieser Mann ist ein Engel. Gibt nicht viele, die sich das gefallen lassen, den ganzen Haushalt und die Kinderbetreuung.« Margo blickte Carol über den Rand ihrer Lesebrille an. »Er hat dich als Haushaltshilfe. Und natürlich muss er manchmal nach seinen eigenen Kindern schauen. Rachel ist die Ernährerin der Familie, sie arbeitet Vollzeit. Sie hat gerade einen wichtigen Fall und muss Akten sichten, deswegen muss sie ins Büro nach Ryde. Die Welt hat sich verändert, Carol – da musst du dich dran gewöhnen.«

»Einige Dinge sind einfach nicht richtig. Ein Vater, der das ganze Wochenende lang die Kleinchen hütet, während ihre Mutter Akten ›liest‹, zählt dazu.«

Margo sprach mit ihrer barschesten Stimme, die Blut zum Gefrieren bringen könnte. »Die Mädels sind brillant und sie brauchen Ehemänner, die sie unterstützen.«

Weil Carol schon seit der Geburt der Kinder zur Familie gehörte, war sie immun gegen Margos Ton. »Imi ist immer noch nicht verheiratet, oder? Sie hoffen auf diesen William, aber der ist ein Knilch. Ich weiß, dass Rachel das genauso sieht.«

»William ist ein guter Mann und er passt perfekt zu Imogen.« Margos Stimme klang nicht sehr überzeugend. Carol blickte sie wissend an.

Das Telefon klingelte und Margo ging rasch dran.

»Hallo Ma.«

Margo wusste es direkt. »Ma« war ein zärtlicher Begriff, der nur bei wichtigen Ereignissen verwendet wurde. Sie merkte, dass sie lächelte, Erleichterung durchströmte sie. »Imi! Bist du verlobt?«

Carol lauschte beim Abstauben, zog die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf. Margo legte eine Hand auf den Hörer und blickte sie missbilligend an. »Könntest du bitte anderswo Staub wischen? Ich würde gern in Ruhe mit meiner Tochter sprechen.«

»Ma?«

»Das war nur Carol. Und?«

»Ja. William hat mir einen Antrag gemacht.«

»Wann denn? Du bist doch schon wieder zu Hause. Ich dachte, du würdest mich direkt danach anrufen? Ich habe neben dem Telefon gesessen und gewartet.«

»Entschuldige. Ich habe mein Zeitgefühl verloren.«

»Du hast es außerordentlich gut getroffen. Er wird ein guter Ehemann sein. Er vergöttert dich – und er ist vernünftig, was sein Berufsleben angeht. Nicht zu ehrgeizig. Er wird ein guter Vater sein, so wie Gabe.«

»Das weiß ich alles.«

»Du hörst dich nicht sonderlich überzeugt an, oder? Ein wenig matt.«

»Ich bin nur müde. Bin traurig, dass ich Venedig verlassen musste…«

»Wann können wir feiern? Ist es noch zu früh für einen Fizz?« Margo stand von ihrem Schreibtisch auf, war plötzlich voller Energie, wollte irgendwie Imogens Ton loswerden, der alles ruinierte. Einige Papiere flogen von ihrem Schreibtisch. »Ich wünschte, ich könnte mit dir feiern.«