Die Glocken von Rungholt - Anna Katharina Wasle - E-Book
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Die Glocken von Rungholt E-Book

Anna Katharina Wasle

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Beschreibung

Wenn eine Legende aufersteht … und dir den Verstand raubt. „Die Glocken von Rungholt“ von Anna Katharina Wasle jetzt als eBook bei dotbooks. Sie liebten das Meer – doch es brachte den Tod … 1362 versank die Stadt Rungholt im Meer und wurde zur Legende. Jahrhunderte später kann sich auch Janna dem Sog der alten Sagen nicht entziehen. Als sie das Tagebuch von Lenore findet, verliert sie sich zusehends in der Geschichte der jungen Frau und der dem Untergang geweihten Stadt – bis sie Realität und Einbildung, Lenores und ihr eigenes Leben kaum noch unterscheiden kann … Zwei Frauen – zwei Jahrhunderte – zwei Leben: Ein Roman über eine schicksalhafte Begegnung und eine Seelenverwandtschaft über den Tod hinaus. Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Glocken von Rungholt“ von Anna Katharina Wasle. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Sie liebten das Meer – doch es brachte den Tod …

1362 versank die Stadt Rungholt im Meer und wurde zur Legende. Jahrhunderte später kann sich auch Janna dem Sog der alten Sagen nicht entziehen. Als sie das Tagebuch von Lenore findet, verliert sie sich zusehends in der Geschichte der jungen Frau und der dem Untergang geweihten Stadt – bis sie Realität und Einbildung, Lenores und ihr eigenes Leben kaum noch unterscheiden kann …

Zwei Frauen – zwei Jahrhunderte – zwei Leben: Ein Roman über eine schicksalhafte Begegnung und eine Seelenverwandtschaft über den Tod hinaus.

Über die Autorin:

Anna Katharina Wasle, geboren 1987 in Mechernich, studierte Mathematik und Informatik an der Universität Mannheim. Ihre Karriere als Software-Entwicklerin gab sie auf, um sich voll und ganz dem Schreiben widmen zu können.

Die Webseite des Autors: www.anankesreich.de

Der Autor im Internet: www.facebook.com/AnankesReich

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Originalausgabe August 2016

Copyright © der Originalausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/slava Gerj

Illustrationen im Innenteil des Buches: Vanessa Hahn

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-762-8

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Anna Katharina Wasle

Die Glocken von Rungholt

Historischer Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Janna war sich sicher, dass keine der alten Legenden der Wahrheit entsprach. Der Grund, weshalb sie hier herauskam und sich Kälte und Nacht entgegenstellte, lag nicht in irgendeinem alten Aberglauben, nicht in der Hoffnung darauf, dass sich eine der Prophezeiungen erfüllen möge, von denen ihr Bruder ihr früher erzählt hatte, dass das Wilde Heer über den Himmel reiten oder die Glocken einer versunkenen Stadt erneut erklingen würden.

Wenn Janna überhaupt wusste, warum sie an diesem Abend hinaus ans Meer gekommen war, so war sie nicht bereit, den Grund auch nur sich selbst gegenüber einzugestehen.

Es war die Silvesternacht des Jahres 1884, die Nacht, von der man sagte, dass die Wilde Jagd, angeführt von Odin selbst, mit den Seelen der zu früh Verstorbenen und der verschollenen Liebsten nach Einbruch der Dunkelheit über den Himmel preschen sollte. Der volle Mond stand hinter Janna über dem Land und ließ ihren Schatten in Richtung Westen fallen. Alles, was sie tun musste, war, dem dunklen Umriss durch die Dünen und über den Strand zu folgen, um die Fluten des offenen Meeres zu erreichen.

Eine plötzliche Bö ließ Janna zusammenfahren. Sie wickelte den Mantel fester um ihre Schultern. Hier, direkt hinter der bewaldeten Deichlinie, musste sich der Wind noch anstrengen, um sie zu erreichen, doch je weiter sie hinausging, desto stärker würden Sturm und Elemente gegen ihr Eindringen ankämpfen.

Janna atmete tief ein, dann löste sie sich aus dem Schutz des hohen Walles und ging voraus, gerade auf die dunkle Flut zu, die in weniger als einem Kilometer Abstand den gesamten Horizont beherrschte. Wie erwartet begann der kalte Wind schon nach wenigen Schritten mit aller Macht an ihr zu reißen, doch Janna kniff die Lippen zusammen und klammerte die Finger fester in den Wollstoff ihres Mantels. Es war der Nordwestwind, ein eisiger Luftstrom, wie es sich für Ende Dezember gehörte, der es sich in den Kopf gesetzt zu haben schien, Janna von ihrem Ziel abzuhalten. Durch ihre festen Winterstiefel mit den dicken Sohlen hindurch konnte sie spüren, dass der Sandboden fest gefroren war. Sie fröstelte: Dies war einer jener Winter, die Tiere und Menschen gleichermaßen vor der Macht der Elemente erbeben ließen.

Janna hatte die Dünen hinter sich gelassen, und vor ihr öffnete sich nun der Blick auf den vom Mond beleuchteten Strand, der sich in beide Richtungen endlos weit erstreckte. Einige Strandkörbe zeugten davon, dass im Sommer tatsächlich Urlauber hierherkamen, um sich des Klimas zu erfreuen, doch nun, bei Nacht und Kälte, konnten die verlassenen Körbe den ungastlichen Eindruck nur noch weiter unterstreichen. Und kurz dahinter, noch einige hundert Meter von ihr entfernt, begann das Meer.

Die Strandfläche, auf der sie weit und breit nichts vor dem Wind schützen konnte, hatte etwas unendlich Feindseliges. Der Gedanke an die eisigen Fluten ließ Janna unwillkürlich zusammenfahren, so als wäre sie selbst gezwungen, sich der Gnade der See anzuvertrauen, und für eine kurze Zeit überlegte sie, ob es sich überhaupt lohnte, weiter hinauszugehen. Es gab nichts dort draußen, das auf sie wartete, nichts, das die Mühe lohnen würde. Sie wandte den Blick zum Himmel: Der Vollmond, der sich hinter vorbeiziehenden Wolken zu verbergen suchte, stand mittlerweile beinahe senkrecht über ihr. Bald würde die Mitte der Nacht erreicht sein und mit ihr der Beginn eines neuen Jahres. Janna fröstelte. Es hieß, dass in der Silvesternacht die Seelen der Verstorbenen zurückkehren durften, um ihren Liebsten ein letztes Zeichen zu senden.

Mit einem Schaudern zog sie die Luft ein und machte sich weiter auf den Weg, über den gefrorenen Strand hinweg dem düsteren Meer entgegen.

Heut bin ich über Rungholt gefahren,

die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.

Noch schlagen die Wellen da wild und empört

wie damals, als sie die Marschen zerstört.

Jannas Lippen fühlten sich taub an, während sie beinahe lautlos die Zeilen der Ballade vor sich hin murmelte. Die Legende der großen mittelalterlichen Handelsstadt, die in einer einzigen Nacht durch die rasende Nordsee ausgelöscht worden war – es gab wohl niemanden, der hier an der Küste aufgewachsen war und die Geschichte von Rungholt nicht mit der Muttermilch aufgesogen hatte. Doch in einer Nacht wie dieser schien aus dem alten Aberglauben mit einem Mal mehr zu werden. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, dass die Glocken Rungholts noch heute durch die Wellen herauf erklingen mochten.

Die Maschine des Dampfers schütterte, stöhnte,

aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte:

Trutz, Blanke Hans.

Janna hatte die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, als die Schmerzen in ihren Händen so stark wurden, dass sie sie nicht weiter ignorieren konnte. Wütend schüttelte sie den Kopf. Sie hatte sich so darauf konzentriert, den Mantel mit aller Gewalt um sich zu krallen, dass sie die Gefahr für ihre Finger vollkommen übersehen hatte. Hastig beeilte sie sich, die Hände in schnellem Rhythmus zu ballen und wieder zu öffnen, und tatsächlich kehrte das Gefühl nach wenigen Minuten allmählich in die steifen Glieder zurück.

Zitternd ging Janna weiter, doch als würde sich der Zorn der Elemente jetzt erst ganz offenbaren, traten die Beschwerlichkeiten mit einem Mal voll zutage: die Kälte im Gesicht, die ihre Nase beinahe gefühllos werden ließ, die Schuhe, die auf dem ungewohnten Boden bei jedem Schritt drückten, und die Haare, die sich aus ihrer Kapuze gelöst hatten und nun in feuchten Strähnen vor ihrem Gesicht wehten. Ungeduldig zog sie die Hand aus dem schützenden Mantel und versuchte, eine dicke rote Haarlocke wieder an ihren Platz zu stecken, doch der Wind war zu stark, und wenige Sekunden später hatten sich die Haare wieder befreit. Janna überlegte, ob es die Mühe lohnte, die Kapuze abzuziehen und ihren Zopf neu zu flechten, doch sie entschied sich dagegen. Solange alles wenigstens einigermaßen an seinem Platz steckte, musste sie dankbar sein. Wer wusste, ob sie mit ihren gefrorenen Händen die ungebändigten Locken überhaupt wieder zusammenbinden könnte.

Das Meer war jetzt nur noch wenige Schritte entfernt, und mit erschöpfter Miene sah Janna erneut hinauf zum Mond. Die Wolkendecke war aufgerissen, und für den Moment stand die große Scheibe unbedeckt hoch oben am Himmel. Der blaue Schimmer des Vollmonds war nun klar zu erkennen, doch Janna war die ungewöhnliche Farbe seit langem gewöhnt. Sie lächelte still. Wer hätte noch vor ein paar Jahren gedacht, dass der gewöhnliche, weiße Mondschein einmal eine ersehnte Seltenheit darstellen würde, von der niemand mit Sicherheit sagen konnte, ob diese Erde sie je wieder erleben würde?

Janna blickte wieder auf die schäumenden Wellen, die unter dem blauen Licht nur umso drohender auf das Ufer schlugen.

Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen

die Kiemen gewaltige Wassermassen.

Dann holt das Untier tiefer Atem ein

und peitscht die Wellen und schläft wieder ein.

Viel tausend Menschen im Nordland ertrinken,

viel reiche Länder und Städte versinken.

Trutz, Blanke Hans.

Beklommen überlegte Janna, was die Menschen wohl dazu gebracht hatte, der Nordsee einen so gewöhnlichen Namen zu verleihen. Wir trutzen dir, Blanker Hans, Nordseeteich!, so hieß es in der Ballade – vielleicht lag darin schon die Erklärung. War es für die Seeleute, die ihr Leben Tag für Tag den Launen des Meeres anvertrauten, nicht einfacher, vom Blanken Hans zu sprechen, statt sich die Übermacht der Elemente einzugestehen?

Während sie noch einen Schritt weiterging, fühlte Janna, wie das dumpfe Rauschen der Fluten sie mit einem Mal vollkommen zu durchdringen schien. Sie schüttelte den Kopf. Die seelenlose Launenhaftigkeit, mit der die See zuweilen ruhig am Ufer spielte, nur um im nächsten Moment Schiffe und Städte gleichermaßen zu verschlingen, hatte nichts Menschliches an sich. Was auch immer die Männer bewog, sich die wilden Wellen kleinzureden, sie mussten wissen, dass sie sich damit nur selbst betrogen.

Weit entfernt erklang das Läuten der Kirchenglocken: Das Jahr des Herrn 1885 war angebrochen. Für einen Moment spürte Janna, wie sie sich versteifte, und unbewusst hielt sie den Atem an. Sie war nun fast an der Linie der Wellen angekommen, die von frostigen Schneekronen bedeckt wenige Meter entfernt am gefrorenen Strand leckten. Selbst der Wind schien nachgelassen zu haben, als ob er auf etwas wartete, das den heiligen Moment unterbrechen würde.

Nichts geschah. Janna ließ die Luft wieder ausströmen und lachte leise auf. Was hatte sie erwartet? Irgendein übernatürliches Zeichen, das ihr die eisigen Wellen überbringen sollten?

Sie dachte daran, dass sie selbst am 24. Juni geboren worden war, daran, was man über die Kinder der Johannisnacht sagte und was das Meer ihnen in manchen Vollmondnächten zeigen mochte. Gerade das war der Grund gewesen, warum heute das erste Mal war, dass sie es auf einen direkten Versuch hatte ankommen lassen: Janna war klar gewesen, wie ernüchternd es sein musste, wenn sich die alte Sage endgültig als frei erfunden herausstellte. Sie blickte nach rechts gen Norden, wo die Küste einen Bogen in die Bucht von Husum machte. Dort vorne, so weit entfernt, dass es auch am Tage im Meer verborgen lag, hatte eine Bäckersfrau aus Nordstrand in der Johannisnacht vor sieben Jahren behauptet, dass Rungholt wieder aufgestiegen sei – gerade lange genug, dass sie die Türme und Zinnen hatte erkennen können. Doch als sie nach den anderen Dorfbewohnern gerufen und Hilfe gesucht hatte, war das geisterhafte Abbild längst wieder im Meer verschwunden.

Janna schauderte. Es war ihr Bruder gewesen, der ihr von der seltsamen Erscheinung erzählt hatte. Damals hatte er seiner kleinen Schwester geschworen, dass jedes Wort der Geschichte wahr sei. Er hatte immer viel Unsinn dahergeredet.

Ein einziger Schrei – die Stadt ist versunken,

und Hunderttausende sind ertrunken.

Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,

schwamm anderntags der stumme Fisch.

Heut bin ich über Rungholt gefahren,

die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.

Trutz, Blanke Hans?

Sie seufzte tief auf. Nur einmal alle sieben Jahre war es Rungholt erlaubt, für eine Nacht wieder an die Oberfläche zurückzukehren und seine Schönheit zu zeigen, so jedenfalls wollte es die Sage.

Erneut strich Janna sich die widerspenstige Strähne aus der Stirn und zog die Hand eilig wieder unter den Mantel, um sie mit der anderen zu massieren. Es hatte keinen Sinn, nun noch weiter in der eisigen Kälte zu warten. Sie sollte sich umdrehen und heimgehen, und doch blieb Janna weiter unbewegt stehen. Wahrscheinlich lag es an dem wolkenverhangenen Mond, der die Szenerie in ein unwirkliches Licht tauchte, doch Janna konnte den Blick nicht von der offenen See wenden, die sich vor ihr bis hinaus in die Unendlichkeit zu erstrecken schien. Noch immer erklang das Silvesterläuten vom Dorf herüber, das Läuten, das allzu sehr an die Sage der untergegangenen und dennoch hörbaren Glocken von Rungholt erinnerte.

Janna schloss die Augen, dann warf sie einen letzten Blick nach rechts, zur Husumer Bucht, dort, wo die versunkene Stadt den Erzählungen zufolge liegen musste.

Für einen Moment war sie sicher, dass ihre Augen von der salzigen Seeluft geblendet waren. Sie wollte sie ausreiben, doch mit einem Mal schien es ihr unmöglich, auch nur einen Finger zu bewegen, zu gebannt war sie von dem Anblick, der sich ihr nun darbot. Draußen, vielleicht einen Kilometer vom Ufer entfernt, hob sich über dem Wasser eine scharfe Silhouette ab, die das Licht des Mondes auf seltsame Art zu reflektieren schien. Janna spürte, wie ihr Herz heftiger schlug, während sie den wahren Ursprung der Erscheinung zu erkennen suchte. Natürlich war es nicht wahr, konnte es nicht wahr sein, und doch: Es sah aus, als würden sich direkt vor ihr die Türme einer gläsernen Stadt aus den dunklen Fluten erheben.

Ohne sich zu rühren, starrte Janna auf das unwirkliche Bild, das vom bläulichen Mondschein geisterhaft beleuchtet wurde.

Die hohen Spitzen, die die Wellen teilten, schienen auf phantastische Weise größer zu werden. Oder vielleicht kamen sie auch nur immer näher heran? Es waren spitze, gedrehte Türme, nicht wie die, die Janna von den Schlössern aus Husum und Schleswig kannte, sondern wie auf den Bildern eines alten Märchenbuchs. Im schattenhaften Mondschein war es schwer zu erkennen, doch es sah aus, als wäre das wundersame Bild in ständigem Wandel begriffen: Die Türme schienen höher und breiter zu werden, so als wäre es allein das Licht des Mondes, das die Formen dieser Geisterstadt definierte. Nun hörte Janna über das Geräusch der entfernten Glocken hinweg noch etwas anderes: Es klang wie ein feines Klirren, das weit draußen in der nächtlichen Luft zu schweben schien.

Janna spürte ein Brennen auf ihren Wangen, und als sie die klammen Finger zum Gesicht hob, konnte sie fühlen, dass es Tränen waren. Sie riss sich aus ihrer Erstarrung los. Was es auch war, das sie hier miterleben durfte, sie würde nicht stumm dabeistehen und den Augenblick verstreichen lassen. Und noch weniger hatte sie vor, wie die Bäckerin vor einigen Jahren fort in den Schutz des Deichs zu flüchten.

Mühsam zwang Janna ihre Glieder dazu, sich zu bewegen, und ging auf die bläuliche Erscheinung zu. Die glitzernden Türme und Zinnen waren noch zweihundert Meter vom Ufer entfernt, doch mittlerweile war klar zu erkennen, dass sie sich dem Strand näherten. Noch wenige Minuten, und ein sterblicher Besucher würde den überirdischen Bau trockenen Fußes betreten können, für die einzige Gelegenheit, die vor Jahrhunderten mit der Stadt versunkenen Seelen zu erretten. Beinahe überrascht spürte Janna, wie jeder Zweifel in ihr dahingeschmolzen war, und sie wusste, dass es alleine an ihr lag, die uralte Weissagung zu erfüllen. Was es auch sei, sie war bereit, alles tun, um diese Stadt zu erlösen.

Das Gebilde hatte die Eislinie des Strandes beinahe erreicht, als ein heftiges Knirschen den Boden erbeben ließ.

Janna hatte so etwas erst einmal gehört, vor vielen Jahren, als ein Schiff auf dem Watt gestrandet war. Gewaltsam riss sie sich aus ihrer Erregung. Was immer die Natur dieser Geisterstadt war, Janna war sich sicher, dass das versunkene Rungholt über solch banale Geräusche erhaben sein musste. Sie lief am Strand entlang, dorthin, wo die Gestalt der auferstandenen Stadt einen Steinwurf vom Ufer entfernt fest im Boden verankert schien.

Noch während Janna lief, riss die Wolkendecke wieder auf, sodass der Mond den gesamten Strand mit voller Macht erleuchtete. Für einen Moment wusste Janna nicht, ob sie bei dem Anblick erleichtert aufseufzen oder in Tränen ausbrechen sollte, doch schließlich tat sie keines von beidem. Natürlich hatte es eine gewöhnliche Erklärung geben müssen, sie hatte ja die ganze Zeit nur darauf gewartet – doch diese Erklärung war dennoch so eindrucksvoll, dass Janna kaum einen Stich der Enttäuschung spürte:

Die gläsernen Zinnen, die über die Wellen bis zu ihr getrieben waren, waren die Spitzen eines riesigen Eisberges, der auf dem flachen Untergrund des Wattenmeeres gestrandet war. Die eintreffende Flut musste das gewaltige Eis mit sich gebracht haben aus einem hohen, eisigen Norden, um es nun hier am äußersten Rand der Nordseeküste abzulegen.

Nun, da der Mond ganz hinter den Wolken hervorgetreten war, konnte Janna das Bild in allen Einzelheiten vor sich erkennen: die gläsernen Türme und die zerklüfteten Spitzen, die aus dem Eis hervorragten, wie um die größten Triumphe menschlicher Baukunst durch ihr filigranes Aussehen in den Schatten zu stellen. Es war, als hätte sich die gesamte Natur bemüht, etwas durch und durch Einmaliges zu schaffen, nur um es ihr heute Nacht zu präsentieren.

Doch gerade, als sie diesen Gedanken vollendet hatte, fiel Jannas Blick auf den Rand des Eisberges, und unwillkürlich zuckte sie zusammen. Hoch oben im Eis, in einer Spalte zwischen zwei steilen Vorsprüngen, war ein dunkler Fleck zu erkennen, der wie ein Schandmal das perfekte Eis durchdrang. Janna kniff die Augen zusammen, um sicherzugehen, dass ihr das Licht des Mondes keinen Streich spielte. Sie ging ein paar Schritte zur Seite, doch es war nicht zu verkennen: Dort oben, mitten in der schönsten gläsernen Vollkommenheit war ein Einschluss im Eis zu sehen. Der Fleck war sicherlich an die zwei Meter lang, und Janna fragte sich, was es wohl sein mochte, das dort vor Jahrhunderten auf einer fernen Insel in die Eisspalte gespült worden war. Was es auch war, es störte die Perfektion des Schauspiels, zum einen durch seine Form, doch vor allem dadurch, dass es die Makellosigkeit des unberührten Eises unterbrach.

Janna schüttelte den Kopf und lächelte bitter. Ganz gleich, wie erhaben dieses Erlebnis auch gewesen sein mochte, es war klar, dass es in dieser Realität keine ungetrübte Vollkommenheit hatte geben können.

Kapitel 2

Die Sonne war bereits aufgegangen, als Janna am nächsten Morgen erwachte. Für einen Moment wunderte sie sich über den unerwarteten Luxus: Es war lange her, dass sie das letzte Mal hatte ausschlafen dürfen, ohne von ihrer Mutter ungeduldig geweckt zu werden. Doch heute war ein Feiertag, und während der Wintermonate beherbergte das Wirtshaus kaum Gäste, sodass ihre Eltern wohl einen Morgen ohne sie hatten auskommen können.

Als sie in die große Stube kam, war das Frühstück beendet und ihre Mutter war bereits dabei, sich um den Abwasch zu kümmern. Gewohnheitsmäßig überprüfte Janna den festen Sitz ihres Zopfes, dann trat sie ans Waschbecken und half, die schmutzigen Teller und Gläser abzuspülen. Ihre Mutter sah sie von der Seite an.

»Wo warst du gestern Abend?«

Janna zuckte mit den Schultern. »Spazieren.« Die Gedanken, die sie seit dem Erwachen ausgeblendet hatte, stiegen mit plötzlicher Macht in ihr auf: Sie war sich selbst nicht sicher, was am vergangenen Abend wirklich geschehen war. Janna konnte sich gut genug an ihren Weg, ihren Besuch am Meer erinnern und auch an das, was danach passiert war. Doch all das erschien nun im hellen Sonnenlicht so unwahrscheinlich, dass sie mit einem Mal selbst nicht sicher sagen konnte, ob ihre Erinnerung der Wahrheit entsprach. Was, wenn ihr Erlebnis am Ende nichts als eine Vision gewesen sein sollte? Und was, wenn nicht, wenn nun jedermann die Möglichkeit hatte, ihr eigenes heiliges Wunder selbst zu erleben? Für einen Moment hätte Janna nicht sagen können, welche Vorstellung ihr unangenehmer war.

»Du hast die neusten Nachrichten verpasst«, wurde ihr Gedankengang von der Stimme ihrer Mutter unterbrochen. »Du wirst nicht glauben, was draußen am Strand geschehen ist: Ein gewaltiger Eisberg ist angeschwemmt worden und ist nun wenige Meter vor der Küste gestrandet.«

Janna schloss die Augen, während sie ein unerwartetes Gefühl der Erleichterung durchfuhr. Mit bemühter Unschuld blickte sie zur Mutter hinüber. »Das muss wirklich sehenswert sein. Hättest du etwas dagegen, wenn ich später hinausgehe und mir die Sache anschaue?«

Der Blick der Wirtin verdunkelte sich und Janna beeilte sich, anzufügen: »Es hat nichts damit zu tun, es klingt nur interessant. Ich würde das Eis zu gerne selbst sehen.«

Ihre Mutter verzog das Gesicht. »Es wird eine Menge Menschen unterwegs sein, um den Eisberg zu sehen. Ich glaube, es wäre mir nicht recht, wenn du ganz alleine hinausgehst.«

»Ich werde Therese fragen, gleich später beim Gottesdienst. Dann können wir zusammen in der Kutsche fahren.« Janna lächelte. »Wenn ihr Vater nichts dagegen hat, dass zwei Siebzehnjährige in Begleitung des Kutschers hinausfahren, dann kannst du kaum etwas dagegen sagen, oder?«

Die Mutter seufzte. »Gut, wenn Donnegen einverstanden ist, wird es wohl in Ordnung sein.«

Während des Neujahrsgottesdienstes herrschte eine seltsame Angespanntheit, die die gesamte Gemeinde zu durchdringen schien. Es bestand kein Zweifel daran, dass die Nachricht des ungewöhnlichen Ereignisses im Verlauf des Morgens bis in das letzte Haus des Dorfes gedrungen war, und nun versuchte jeder in gedämpftem Flüsterton, Näheres über die Sache herauszubekommen. Janna war die Vorstellung geradezu widerwärtig, dass nun bereits die gesamte Gemeinde von ihrem Geheimnis zu wissen schien, doch gleichzeitig spürte sie auch ein unerwartetes Hochgefühl, als sei es trotz allem allein ihre Entdeckung, die nun unter den Leuten eine solche Aufregung hervorrief.

Als sich das Volk nach dem Gottesdienst vor der Kirche versammelte, musste sie sich nicht anstrengen, Therese zu finden. Schon in der Kirche hatte sich der dunkle Haarschopf ihrer Freundin mehrmals von ihrem Platz nach Janna umgesehen, und kaum war der Gottesdienst vorbei, kam Therese zu ihr und sah sie mit funkelndem Blick an.

»Hast du gehört, was geschehen ist? Von dem Eisberg? Glaub mir, schon den ganzen Morgen hat Vater kaum einen Moment der Ruhe. Jeder fragt, was das für das Dorf bedeuten wird.«

»Ich will hingehen«, unterbrach Janna sie, ohne auf den Redefluss der Freundin zu achten.

Therese sah sie mit einem Blick an, der in Sekundenschnelle von Aufregung zu tiefem Mitleid gewechselt war, so als würde sie erahnen, was in der Freundin vorging.

»Du hast gehört, dass ... natürlich hast du. Es ist schon seltsam, dass das Eis gerade in der Silvesternacht angespült ist, wo es doch heißt ...« Sie lachte nervös. »Aber du weißt doch, es führt zu nichts, sich an den alten Legenden festzuhalten, nicht wahr? Außerdem sagen sie, der Einschluss müsse schon uralt sein, Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte. Wie sollte es da etwas mit ihm zu tun haben?«

Janna nickte und bemühte sich, ihrer Miene nichts anmerken zu lassen. »Ich will es mir nur ansehen. Bist du gar nicht gespannt?«

Therese lächelte, dann senkte sie den Blick. »Natürlich. Ich bin sicher, Vater lässt uns hinfahren, vielleicht schon heute Nachmittag. Ich werde ihn fragen. Soll ich dich gegen drei Uhr abholen?«

Janna nickte, und auf einmal schienen sie beide froh, ihr Gespräch so bald wie möglich beenden zu können. Hastig wandte Therese sich ab, und Janna ging zurück zu ihren Eltern, um ihnen von der Verabredung zu erzählen.

Als Therese am Nachmittag vor dem Gasthof von Jannas Eltern vorfuhr, war sie nicht alleine in der Kutsche: Von der anderen Bankseite aus schaute Hilde erwartungsvoll aus dem Fenster. Wenn nicht durch Thereses Einladung, so waren Jannas Eltern spätestens durch diesen Anblick überzeugt, dass nichts Unschickliches oder Gefährliches daran war, die Mädchen trotz all dem Trubel alleine zum Strand zu lassen. Eilig stieg Janna zu den Freundinnen, um gemeinsam aus dem Dorf hinaus in Richtung des bewaldeten Deichgebiets zu fahren.

Während des kurzen Wegs blieben die drei Mädchen ungewöhnlich still, doch Janna konnte spüren, wie Hilde sie immer wieder mit besorgter Miene musterte. Schließlich hielt sie den durchdringenden Blick der Freundin nicht mehr aus.

»Was ist los?«

»Nichts«, beeilte Hilde sich zu sagen und senkte den Kopf, nur um ihn im selben Moment wieder zu heben und zwischen ihr und Therese hin und her zu schauen. »Aber ihr habt doch gehört, was sie erzählen, dass dort draußen irgendetwas im Eis eingeschlossen sein soll. Und wo die letzte Nacht doch die Silvesternacht war ...«

»Na und?«, schnappte Therese und sah sie strafend an. »Was willst du nun damit sagen? Dass jemand uns ein Zeichen senden wollte? Du solltest wirklich zu gescheit sein, um solche Torheiten nachzuplappern.«

Janna hatte den Blick kaum gehoben, doch nun spürte sie Thereses Hand, die sich schützend auf ihren Arm legte. »Denk nicht zu viel an die alten Ammenmärchen. Du weißt ja selbst, dass es Unsinn ist.«

Janna nickte stumm und blickte aus dem Fenster der Kutsche hinaus. »Schau, dort.« Sie wies nach draußen, um das Erste zu sagen, was ihr gerade einfiel. »Sieht es heute nicht nach einer freundlicheren Sonne aus als gewöhnlich?«

Hilde folgte ihrem Blick mit zweifelnder Miene. »Sicher, wenn dir blutrotes Licht gefällt.« Sie lehnte sich zurück. »Ich frage mich wirklich, wann wir endlich wieder einen normalen Sonnenaufgang erleben dürfen. Wisst ihr noch, vor einem Jahr? Direkt nach dem Ausbruch hieß es doch, die seltsamen Farben würden sich höchstens einige Monate lang hinziehen.«

Therese zog über dem altbekannten Thema die Augenbrauen zusammen, doch Janna war zufrieden. Besser, dass sie zum tausendsten Mal über die Folgen des Vulkanausbruches redeten, der Ende des vorletzten Jahres den Himmel verfinstert hatte, als über ihr eigenes Gefühlsleben.

Den Rest des Weges über bemühte sich Janna, Hilde in ihrer Sehnsucht nach dem klaren Sonnenlicht zu unterstützen, während die Kutsche aus dem Dorf hinausfuhr und schließlich die Steigung des Deiches hinter sich brachte.

»Schaut, dort drüben!« Jannas Gedanken wurden von Therese unterbrochen, die den Blick aus dem Fenster der müßigen Diskussion vorgezogen hatte.

Mit einem Satz waren auch Janna und Hilde an das Fenster gesprungen. Die weite Strandfläche war so voller Menschen, als wäre es freundlichster Sommer statt eines kalten Neujahrstages, und so hatte Janna für einen Moment Probleme, die Konstellation der letzten Nacht wiederzufinden. Doch während sie vom Deich herab und über den Strandweg fuhren, öffnete sich das Bild und sie erkannte, was sie in der letzten Nacht allein unter dem mondbeschienenen Himmel gesehen hatte.

Draußen, weniger als hundert Meter vom trockenen Land entfernt, erkannte sie den gewaltigen Umriss des gestrandeten Eisblocks. Es war nun beinahe wieder Flut, sodass das Wasser das schillernde Eis weitflächig umschloss, aber Janna schätzte, dass der Brocken bei Ebbe fast trockenen Fußes zu erreichen sein musste. Selbst jetzt konnte das eisige Meer die Strandbesucher nicht abhalten. Der größte Teil der Menschen stand am Ufer und warf neugierige Blicke zu dem Eis hinüber, doch einige hatten das Wasser in kleinen Booten oder auch zu Fuß durchquert und verharrten nun wenige Schritte vor dem hohen, traumartigen Gebilde entfernt, so als hätte das Eis nur darauf gewartet, ihnen seine Geheimnisse zu offenbaren.

Jannas Blick wanderte an den schlanken Formen der Stelen empor, und wieder verfing er sich an dem dunklen Fleck, der, zwischen zwei der hohen Klippen eingeschlossen, die klare Form des Eises störte.

Die Kutsche konnte nur eine kurze Strecke über die vereisten Dünen fahren, dann wurde der Untergrund zu uneben, als dass sich die schweren Holzräder weiter über den Sand hätten quälen können. Mit einem Klopfen machte sich der Kutscher bei den Mädchen bemerkbar, dann stieg er ab und öffnete die Tür.

»Wir können nicht näher ans Meer heranfahren. Wenn ihr weiter hinauswollt, werdet ihr gehen müssen.«

Die Mädchen nickten und verließen eine nach der anderen die Kutsche. Therese war vorausschauend genug gewesen, genügend Handschuhe und Mäntel mitzunehmen, in die sie sich wickeln konnten, sodass die drei trotz der eisigen Januarluft nicht zu frieren brauchten.

Janna trat ein paar Schritte vor und blickte zur See hinaus, die wild auf die flachen Sanddünen schlug. Nun, im rötlichen Sonnenlicht, sah es hier so anders aus als noch vor einigen Stunden. Sie konnte kaum glauben, dass es wirklich derselbe Strand war, an dem sie fröstelnd im Mondschein gestanden und über alten Sagen und Prophezeiungen gegrübelt hatte. Janna verzog spöttisch den Mund. Es war klar, dass hinter all dem Zauber nichts anderes hatte stecken können als der verwirrende Schein des Mondes. Es war eine Dummheit gewesen, im Schatten der Nacht irgendetwas anderes hineinlesen zu wollen.

»Schaut euch das an, ist es nicht großartig?« Hilde war neben sie getreten und musterte das Eis mit tiefer Ehrfurcht. »Seht ihr den dunklen Fleck? Stellt euch vor, was auch immer dort hängt, muss seit Jahrhunderten verschlossen sein! Von der Form her könnte man fast meinen, es sei ...«

»Ach, sei ruhig«, schnappte Janna ungeduldig. »Du bist genauso albern wie all die Narren dort draußen, die nach eingefrorenen Schätzen suchen. Wenn man es genau betrachtet, ist es doch das Banalste der Welt.«

Auch Therese war neben sie getreten und sah Janna nachdenklich an. »Aber Hilde hat recht, bei diesem Licht könnte man wirklich denken, dort sei etwas ... ihr wisst schon, etwas Menschliches. Und warum sonst sollten sie alle sich so um den Fund bemühen? Sicher nicht für etwas altes Treibgut.«

Janna sah sie brüsk an und Therese zuckte mit den Schultern. »Was soll’s, wir werden es wohl ohnehin erst im Frühjahr herausfinden.«

»Schaut, dort, die Arbeiter kommen zurück. Vielleicht können wir sie fragen!« Hilde wies hinaus. Eine Gruppe Männer, die bei dem großen Brocken im Wasser gestanden hatten, schulterten ihr Werkzeug und machten sich auf den Weg zurück. Ihren Mienen war abzulesen, dass sie keine Möglichkeit gefunden hatten, an dem Eisblock irgendetwas auszurichten.

Die drei Mädchen machten sich auf den Weg und gingen auf die Arbeiter am Ufer zu. Wenige Schritte entfernt war die Dünenpolizei bereits dabei, unter den Schaulustigen für Ordnung zu sorgen; sie stellten sicher, dass niemand die Unruhe nutzte, um sich an den Strandkörben oder der Deichbepflanzung zu vergreifen. Der Anführer der Polizisten, ein junger Unteroffizier, warf einen kurzen Blick in ihre Richtung und nickte den Mädchen zu, während sie sich auf den Weg an der Menge vorbei zur Wellengrenze machten.

Janna warf einen kurzen Blick auf Therese, die kaum die Hand heben musste, um sich freie Bahn durch die Menge zu verschaffen. Sie wusste, es lag nicht nur an deren Elternhaus, dass die Freundin sich so mühelos Vortritt verschaffen konnte. Therese hatte eine besondere Art, sich durchzusetzen und gerade die jungen Männer ohne Probleme auf ihre Seite zu ziehen.

Wie um ihren Gedanken zu unterstreichen, blickten zwei der Burschen, die gerade aus dem Wasser wateten, auf und sahen zu den Mädchen hin.

»Hallo, schöne Fräulein«, sagte einer von ihnen und nickte den dreien entgegen. »Was wollt ihr denn hier draußen?«

»Nun, uns interessiert, was mit dem Berg ist. Habt ihr etwas herausgefunden?« Therese lächelte kokett und sah den Arbeitern entgegen. Für einen Moment spürte Janna bei dem Anblick, wie ihre Freundin mit den Männern schäkerte, einen unerwarteten Stich, doch sie schüttelte das Gefühl ab. Sie war ja selbst an der Antwort interessiert und wollte zu gerne wissen, was die Arbeiter ihnen über das Eis sagen konnten.

Doch der Mann schien auch nicht mehr zu wissen, als sie sich selbst zusammenreimen konnten. »Der Berg muss von Norden hergeschwemmt worden sein, das ist ja nicht ungewöhnlich. Seltsam ist nur, dass das Eis so weit südlich immer noch so massiv ist. Wir nehmen an, es ist wirklich ein alter Eisbrocken, der noch von den Küsten Grönlands herstammt.«

Ungeduldig wandte Janna sich ab, um selbst zu dem Eis hinauszugehen, so weit, wie sie sich in ihren dünnen Schuhen auf dem feuchten Untergrund bewegen konnte.

Im hellen Tageslicht war nicht zu verkennen, dass der dunkle Fleck, der am Rande des Eisblockes eingeschlossen war, in der Tat die Form eines Körpers aufwies. Der Gedanke allein reichte aus, Janna erschauern zu lassen. Sie spürte, wie die Vorstellung von ihr Besitz ergriff, wie die Erinnerungen an alte Sagen in ihr aufkamen. Gewaltsam bekämpfte Janna ihre Ehrfurcht. Es war ein Eisberg, nichts weiter, und was immer dort eingeschlossen war, hatte nichts Übernatürliches an sich.

Janna hörte Schritte neben sich und wandte sich um, für einen Moment besorgt, dass einer der Arbeiter ihr gefolgt sein konnte. Doch es war nur Therese, die sich mit in ihren Muff geschobenen Armen neben sie stellte. »Man mag kaum glauben, dass ein so simpler Eisbrocken für einen derartigen Auflauf sorgen soll. Die anderen haben gesagt, dass schon morgen die Zeitungen voll davon sein werden. Diese Menge von Leuten wird dann wohl erst der Anfang sein.«

Gemeinsam wandten sie sich um und gingen zurück zu der Kutsche, die noch immer am Rand des Strandes stand und auf sie wartete. Hilde war bei der Gruppe der jungen Männer stehen geblieben und selbst in ein Gespräch vertieft, doch als sie die Freundinnen bemerkte, beeilte sie sich, ihnen hinterherzukommen.

»Und dabei haben wir wohl noch Glück, dass es Winter ist«, meinte Therese, als sie wieder in der Kutsche saßen. »Vater meinte, man könnte kaum abschätzen, wie die ganzen Neugierigen im Sommer auf so etwas reagiert hätten.« Sie nickte hinaus zu der Menge, die immer noch am Rande des Wassers versammelt war und unermüdlich hinaus zu dem Eisberg starrte. »Jetzt mag etwas zusätzliche Aufmerksamkeit ja noch gut für den Handel sein, aber stellt euch vor, es wäre wärmeres Wetter. Wir würden uns vor dem Ansturm von Schaulustigen und fahrendem Gesindel kaum retten können.«

Janna nickte geistesabwesend, während sie weiter zurückblickte, zurück zu dem lockenden Glitzern des Eises und zu dem dunklen Fleck, der allem Trubel wie ein drohendes Mahnmal entgegenzustehen schien.

Kapitel 3

Therese behielt recht: Die ungewöhnliche Nachricht brauchte nur wenige Tage, um sich durch Zeitungen und mündliche Berichte in der gesamten Umgebung zu verbreiten. Bereits zwei Wochen später wimmelte es im Dorf von kurzfristig angereisten Fremden, Besuchern, Neugierigen und Schaulustigen, und Janna hatte alle Hände voll zu tun, ihre Mutter bei der Arbeit im Gasthaus zu unterstützen. Sie alle spekulierten auf die Jahrmarktstimmung, die sich durch die Neuigkeit eingestellt hatte, und bevölkerten mit ihren Wagen und Waren den Strand, sodass nun keiner mehr den jungen Frauen erlaubte, alleine hinauszufahren.

Es war mehr als zwei Wochen später, dass Janna das nächste Mal Gelegenheit hatte, allein ein paar Stunden mit Therese zu verbringen. Sie hatte von ihrer Mutter den Auftrag erhalten, auf dem Wochenmarkt einige Vorräte zu besorgen, und Therese war gerne bereit gewesen, sie bei ihrem Einkauf zu begleiten. Nun strichen die Freundinnen zwischen den Verkaufsreihen des Marktes umher und betrachteten all die neuen Stände, die die Fremden aus der gesamten Umgebung auf dem Marktplatz aufgestellt hatten.

»Wenn ich ehrlich bin, ich verstehe dich nicht.« Therese schaute skeptisch zu, wie Janna sich zwischen den türkisen Muscheln und Schnecken einer älteren Händlerin umsah. »Was kannst du an dem alten Zeug finden? Reicht es nicht, dass der ganze Strand vor unserem Dorf voll davon ist?«

Janna ließ die perlmutterne Oberfläche einer Muschel zwischen ihren Fingern hin und her gleiten. »Aber nicht solche Stücke. Schau nur, sie muss aus den tiefsten Tiefen des Meeres stammen, dort, wo nie ein Anker den Grund erreichen könnte.«

»Dann läge sie wohl kaum hier auf dem Trockenen.« Therese sah Jannas Gesichtsausdruck und zog den Mund zusammen. »Sei nicht böse, aber ich verstehe es wirklich nicht. Nach allem, was geschehen ist, würde ich denken, du hättest wirklich genug vom Meer. Mir schnürt es das Herz zusammen, wenn ich nur nach den Wellen sehe.«

Janna nickte und sah sie mit mühsamem Lächeln an. »Manchmal habe ich das Gefühl, ich liebe die See gerade deshalb, weil ich weiß, dass er irgendwo da draußen ist. Als ob die Wellen besser auf ihn achtgeben würden, wenn ich ihrer zärtlich gedenke.«

Therese senkte den Kopf, und die Trostlosigkeit in ihrem Ausdruck drohte Janna das Herz abzuschnüren. Sie fuhr mit dem Finger über das schillernde Perlmutt, als könnte die kühle Oberfläche sie in ihrer ungebrochenen Zuversicht bestärken.

Ein rasselndes Geräusch unterbrach ihre Gedanken und brachte die Mädchen dazu, den Kopf der Straße zuzuwenden, die quer über Marktplatz verlief, doch es war nichts als ein alter Karren, der seinen Weg zwischen den engen Ständen hindurch suchte. Die Läden des Wagens waren mit glänzenden Ketten und Amuletten behängt, aber auch die Schmuckstücke konnten seine Ärmlichkeit nicht verbergen. Auf dem Kutschbock saß eine Frau von vielleicht fünfundzwanzig Jahren, die ihre magere Stute mit ungeduldigen Worten durch das Gedränge trieb.

Janna hatte ihren Blick schon wieder abgewandt, doch Therese starrte den Handelswagen mit Abscheu an. »Es ist gerade, wie Vater meinte: Kaum geschieht etwas Ungewöhnliches, da kommt das fahrende Volk von überall her, um unser Dorf zu verunstalten.«

Thereses verächtlicher Blick brachte Janna dazu, dem Fuhrwerk einen zweiten Blick zuzuwenden, und sie erkannte sofort, wovon die Freundin sprach. Während der Karren sich durch das Gewühl der Stände an ihnen vorbeimanövrierte, konnte sie die Schäbigkeit von Wagen und Waren sehen, die durch die Fenster offen zur Auswahl standen. An den Fensterläden hing eine Reihe selbstgeschnitzter Flöten, so einfach, dass man kaum einen Ton darauf spielen mochte, und die Fensterflächen waren voll von altem Firlefanz.

Janna wollte abwertend den Kopf schütteln, als ihr Blick auf eine Spieluhr fiel, die in der freien Fensteröffnung zur Schau stand. Die Dose unterschied sich nicht wesentlich von den anderen Waren, es war ein altes Kleinod, das die Händlerin wohl irgendwo einmal aufgesammelt haben mochte, aber dennoch spürte Janna, wie der Anblick der Spieluhr etwas tief in ihr berührte. Sie sah eine weißgoldene Plattform, auf der die Figur einer zarten Tänzerin stand, die ein Bein zum Tanz erhob. Die Spieluhr war nicht aufgezogen, doch das Geschaukel des Wagens ließ sie sich in zarter Regung drehen, sodass es aussah, als würde die Tänzerin sich zur Musik der Straße selbst neigen.

»Heda, könnt ihr euch vielleicht daranmachen, den Weg freizuräumen?«

Die garstige Stimme riss Janna aus ihren Gedanken. Sie blickte zu dem Kutschbock auf, wo die Frau mühsam versuchte, ihr Pferd durch das Gewühl der Marktbesucher zu drängen. Janna bemerkte, dass die Haare der Händlerin trotz ihrer Jugend eine schmutzig weiße Farbe hatten, zudem trug sie sie ungepflegt kurz, sodass sie nicht einmal ihre Schultern berührten. Janna schauderte. Doch dann betrachtete sie das Äußere der Frau genauer. Ihr Kleid war geflickt und ärmlich, doch das war es nicht, was Jannas Aufmerksamkeit erweckte – sie war den Anblick armseliger Kleidung genug gewohnt, um daran keinen Anstoß zu nehmen. Es war etwas anderes, was sie an dem Aufzug dieser Person störte.

»Schau sie dir an«, wisperte Therese leise über ihre Schulter, »es sieht aus, als hätte sie nie in ihrem Leben etwas von ordentlicher Aufmachung gehört.«

Janna nickte. Was sie so irritierte, war nicht die Einfachheit der Kleidung, sondern der Stolz, mit dem die junge Frau ihren Aufzug zu Schau trug. Es schien, als würde sie sich auf ihre ungeordnete Erscheinung noch etwas einbilden und als wäre ihr der Eindruck, den sie erwecken musste, vollkommen egal. Angewidert wandte Janna sich ab.

»Lass uns gehen. Ich habe keine Zeit, den ganzen Tag auf dem Markt zu verbringen. Mutter wartet, ich muss die Einkäufe so bald wie möglich zu Hause abliefern.«

Therese blickte dem vorbeiziehenden Wagen nachdenklich hinterher. »Ich frage mich, wo sie mit dem Karren hinfahren will. Sie kann sich zu dieser Jahreszeit kaum zum Strand aufmachen, um dort in ihrem Wagen zu wohnen. Meinst du, die wird sich im Gasthof bei deinen Eltern einquartieren?«

Janna zuckte mit den Schultern. »Ich glaube jedenfalls nicht, dass sie in dem Aufzug in einem privaten Haushalt unterkommen wird. Aber wie die aussieht, scheint es gut möglich, dass sie in ihrem Wagen bleiben will.« Sie lächelte. »Soll sie es nur versuchen. Bei diesen Temperaturen würde sie es keine Nacht überstehen.«

Janna brauchte noch eine halbe Stunde, um ihre Einkäufe zu erledigen, und Therese leistete ihr Gesellschaft, während sie frisches Fleisch und Gemüse kaufte und beim Schuster ein Paar Stiefel zur Reparatur vorbeibrachte. Als die beiden fertig waren, läutete die Kirchenglocke gerade zur Mittagsstunde. Therese sah ihre Freundin aufmunternd an.

»Komm doch mit und iss mit uns. Vater freut sich immer, wenn du bei uns vorbeikommst.«

Ohne viel Getue nickte Janna, sie ließ die Einkäufe mitsamt einer kurzen Notiz durch einen Botenjungen nach Hause schaffen und folgte ihrer Freundin auf dem Weg zu dem großen Haus an der Kopfseite des Platzes neben der Kirche. Wie alle Häuser im Dorf war es aus einfachem Fachwerk errichtet, doch als Wohnung des Bürgermeisters war es die einzige Behausung mit einem Ziegeldach.

Jannas Erscheinen war hier nichts Ungewöhnliches und der Diener begrüßte sie in der Eingangshalle mit vertrauter Miene, aber dennoch spürte Janna eine unwillkürliche Scheu, während sie in die angrenzende Stube ging und sich mit Therese an den Esstisch begab. Sie hatten sich kaum gesetzt, da öffneten sich die Türen erneut, und Bürgermeister Donnegen betrat den Saal, um sich zu den beiden Mädchen zu gesellen. Ihm auf den Fuß folgten seine Frau und Wiebke und Waltraud, Thereses zehnjährige Zwillingsschwestern. Sie alle warfen Janna einen vertrauten Blick zu, der mehr als alle Worte klarmachte, wie willkommen sie in ihrem Kreise war und Janna endlich dazu brachte, sich ganz zu entspannen. Von den heimatlichen Mahlzeiten in der Wirtsstube war Janna kaum je eine wirkliche Ruhestimmung gewohnt. Zu Hause ging es nur darum, den Gästen behilflich zu sein und jederzeit für alle Wünsche bereitzustehen. Janna lächelte, während sie zusah, wie der Diener eine Serviette vor ihr auf den Tisch legte. Wahrscheinlich war das der Grund, warum sie es so liebte, bei Therese vorbeizukommen: Hier erlebte sie die seltenen Momente, da sie selbst sich uneingeschränkt als Gast in einem offenen Hause fühlen konnte.

»Nun, Janna«, fragte Donnegen mit gemütlicher Miene, »gibt es aus eurem Haus irgendetwas Neues zu berichten?«

»Was denkst du denn, Vater?«, fragte Therese, und für einen Moment war Janna dankbar, dass sie still abwarten durfte, während ihre Freundin für sie sprach. »Jeder der herumziehenden Zigeuner, die in den letzten Tagen in die Stadt gekommen sind, sucht doch gerade ihren Gasthof auf – ganz als ob es ihre Aufgabe wäre, jeden einzelnen Hausierer aufzunehmen.«

Janna spürte den eisernen Blick des Mannes auf sich ruhen und zuckte mit den Schultern. »Natürlich, es werden jeden Tag mehr. Es gibt ja kein anderes Gasthaus, an das sich diese Leute wenden könnten. Die, die es mit ihren großen Karren nicht über den Deich schaffen, haben sogar schon begonnen, ihre Waren bei uns im Hof zu verkaufen.«

Donnegen schüttelte den Kopf. »Ich wusste ja gleich, dass die Nachricht von diesem Eisberg all das Gesindel der Umgebung anziehen würde, aber was sollen wir machen? Sie alle zählen darauf, dass sie von der Faszination des Ereignisses profitieren können. Ich wünschte, das Eis hätte sich unserer Küste nie genähert.«

»Aber Vater«, riefen die Zwillinge im Gleichklang, und ihre hellen Locken wippten aufgeregt. Janna lächelte, es war nicht zu übersehen, dass die beiden die Gelegenheit einer allgemeinen Volksbelustigung nicht verstreichen lassen wollten.

Ihr Vater runzelte die Brauen. »Es heißt, dass auf dem Deich mittlerweile schon eine Reihe von Zirkusvolk seine Zelte aufgeschlagen hat. Jetzt sind dort neben den Händlern auch noch Feuerschlucker dabei, sich offen zu produzieren!«

Bei diesen Worten blickte Janna neugierig auf. Sie war seit dem Neujahrsmorgen nicht mehr am Strand gewesen, und die Berichte der Schausteller, die ihre Buden dort draußen aufgestellt hatten, drangen nur über Gerüchte im Wirtshaus an ihre Ohren. Doch Donnegen schüttelte den Kopf.

»Ich bin sicher der Letzte, der etwas gegen ein geordnetes Volksfest hat, das der Stadt Einnahmen verschafft, doch was zu viel ist, ist zu viel. Es scheint ja, als hätten sie unser Dorf als reine Spielwiese für ihre Staffagen ausersehen.«

»Aber doch sicher nur, bis sich die Frage geklärt hat, was dort im Eis eingeschlossen liegt«, meinte Therese begütigend. »Dann werden sie das Interesse an dem Eisbrocken bald wieder verlieren.«

Ihr Vater zuckte mit den Schultern. »Das wird sich zeigen. Aber bis dahin ist es meine Aufgabe, dort draußen nach dem Rechten zu sehen. Ich werde nach dem Essen hinausfahren und selbst schauen, was nun wirklich auf der Strandfläche los ist.«

Janna warf ihrer Freundin einen bittenden Blick zu, und Therese verstand die unausgesprochene Frage sofort. Sie wandte sich an ihren Vater. »Meinst du, wir könnten mit dir mitkommen? Janna und ich würden zu gern sehen, was sich in der Zwischenzeit getan hat.«

Der Bürgermeister sah sie einen Moment lang unschlüssig an. »Es wird nicht viel zu sehen geben, die Situation hat sich in der Zwischenzeit ja kaum verändert. Ich habe einige Arbeiter zusammengerufen, um zu versuchen, das Eis aufzuhacken, aber es hat keinen Zweck. Dort draußen ist es noch viel zu kalt, als dass sie durch die Eisschicht dringen könnten.«

»Wir wollen auch mit«, rief Wiebke und ihre Schwester nickte.

Entschlossen schüttelte Donnegen den Kopf. »Das ist sicherlich nichts für kleine Mädchen, bei all dem Gesindel, das sich dort draußen herumtreibt. Aber was euch beide betrifft ...« Er sah von Therese und Janna zu seiner Frau, die unschlüssig mit den Schultern zuckte. Er seufzte. »Nun gut, von mir aus könnt ihr mitkommen.«

Es war beeindruckend, zu sehen, was sich in den letzten Tagen am Strand getan hatte. Selbst während der Hochsaison war dort kaum je eine solche Volksmenge anzutreffen. Die Temperaturen waren in den letzten Tagen etwas gestiegen, und der Wind hatte nachgelassen, doch noch immer war es schneidend kalt, sodass alles Volk auf dem Strandstreifen in dicke Decken und Umhänge eingewickelt war. Das Wetter schien der allgemeinen Laune jedoch keinen Abbruch zu tun; fröhlich plaudernd flanierten die Besucher über den Strand, immer wieder neugierige Blicke hinaus zu der milchig weißen Form werfend, die sich aus der flachen See erhob. Zwischen Sanddünen und verlassenen Strandkörben waren Stände und Wagen aufgebaut, in denen fremdartig aussehende Händler standen, um ihre Waren anzubieten. Donnegen hatte recht gehabt, das Ganze hatte die Atmosphäre eines ausgelassenen Jahrmarktes, nur dass er nicht von der Obrigkeit geordnet worden war, sondern sich ohne jedes Zutun selbst gefunden hatte.

Als Janna hinter Therese und ihrem Vater aus der Kutsche stieg, lief ein kleiner Junge auf sie zu und hielt mit schmutzigen Händen ein gewaltiges Stück Eis empor. »Echtes Gletschereis – nur zwanzig Pfennige!«

Sie sah an seinen zerrissenen Hosen hinab, die noch feucht von dem eisigen Wasser waren, durch das er sich gequält haben musste, um seinen Schatz zu erbeuten. Der Kleine schien ihren fragenden Blick für Zögern zu halten, kam einen Schritt näher und grinste sie mit dunklen Zähnen an. Angewidert wandte Janna sich ab und lief Therese und ihrem Vater hinterher.

Donnegen war einige Schritte weiter in ein Gespräch mit dem Unteroffizier verwickelt, dessen Strandtrupp sich quer über die Dünenfläche verteilt hatte. Als Janna näher kam, konnte sie Fetzen der Worte des jungen Mannes aufschnappen.

»Es ist natürlich nicht leicht, hier den Überblick zu bewahren, aber wir tun unser Bestes.«

»Natürlich.« Der Bürgermeister nickte geschäftig. »Gab es denn schon Probleme oder Übergriffe?«

»Nichts Ernsthaftes, natürlich versucht der eine oder andere der Neuankömmlinge, die Situation auszunutzen, und von den zwei Überfällen wissen Sie ja. Aber ansonsten haben wir alles einigermaßen im Griff. Das größte Problem sind nicht einmal die Fremden, sondern die Dorfbewohner, die durch den ganzen Trubel hier die Verbote vergessen.« Er wies zur Deichlinie, wo einer seiner Männer gerade dabei war, eine ältere Frau zurechtzuweisen, die sich mit einem Messer an dem Strandhafer hatte zu schaffen machen wollen.

»Wir können kaum alles auf einmal überwachen. Irgendwo sind sie immer dabei, sich mit eingeschmuggelten Schneidewerkzeugen an dem Deichbewuchs zu vergreifen.«

Donnegen schüttelte den Kopf. »Man möchte meinen, es ist ihnen nicht klar, dass die Deichbepflanzung für uns alle wichtig ist.«

Janna wandte sich gelangweilt von dem Gespräch ab. Von ihr aus hätte die Deichlinie gerne kahl wie früher sein können. Der Bewuchs sorgte nur dafür, dass es schwieriger war, vom Dorf aus einen Blick auf das Meer zu erhaschen. Janna drehte sich zu Therese um und wollte sie bitten, mit ihr zum Meer zu gehen, doch ihre Freundin schien dem Bericht des Unteroffiziers fasziniert zu lauschen.

Mit einer Ungeduld, die sie sich selbst nicht erklären konnte, griff Janna nach dem Arm der Freundin und zog sie mit sich zur Seite. »Komm, lass uns hinausgehen, solange die Männer noch reden.«

Therese schien sich über die Störung zu ärgern, doch dann sah sie an Janna vorbei und wies mit erstauntem Blick zurück zur langen Deichrampe. »Sieh nur, dort.«

Als Janna sich umdrehte, sah sie, dass auf dem Weg zwischen der Öffnung des Bewuchses ein hageres Pferd mit Reiter heruntertrottete. Für einen Moment wusste Janna nicht, was Therese an dem alten Gaul fand, doch dann erkannte auch sie die Reiterin: Es war die junge Händlerin, die ihnen am Vormittag auf dem Marktplatz aufgefallen war. Sie musste ihren Wagen irgendwo untergestellt haben und machte sich nun zu Pferd allein auf den Weg zum Strand, doch ansonsten hatte sich an ihrer Aufmachung wenig geändert; sie trug noch die gleiche Kleidung, und die weißen Haare fielen ihr weiter ungepflegt über die Ohren. Erst auf den zweiten Blick fiel Janna auf, dass die Frau im Damensattel ritt, und für einen Moment schüttelte sie verwundert den Kopf. Sie hätte der Händlerin sofort zugetraut, beidseitig zu reiten. Es wirkte geradezu seltsam, an der ganzen ungeordneten Erscheinung ein so klares Zeichen weiblicher Zurückhaltung zu sehen.

»Ob Zigeuner oder nicht, ich verstehe nicht, wie sich jemand so herrichten kann.« Therese schüttelte den Kopf. »Schau sie dir doch an – sie ist doch noch jung, aber wenn du sie so siehst, könntest du meinen, es handele sich um ein altes Weib.«

»Vielleicht hatte sie nur Pech«, meinte Janna ohne Überzeugung. »Vielleicht sind ihre Haare kurz, weil sie sie aus irgendeinem Grund verloren hat.«

Therese schüttelte den Kopf. »Die ist nicht zum ersten Mal hier in der Gegend. Ich kann mich erinnern, dass sie mir beim Jahrmarkt in Garding vor zwei Jahren schon aufgefallen ist. Sie sah damals genauso schäbig aus und sie hat in der Zwischenzeit nichts aus sich gemacht.«

Die Fremde war abgestiegen und führte ihr Pferd nun am Halfter auf das Meer und den Eisberg zu. Janna wollte sich abwenden und zurück zur Kutsche gehen, doch sie sah, dass nun auch der Bürgermeister auf die Frau aufmerksam geworden war. Sein Gesicht verfinsterte sich, und an seiner Miene war abzulesen, dass er den Widerwillen seiner Tochter teilte. Er verabschiedete sich mit kurzem Nicken von dem jungen Mann und ging, gefolgt von Therese, der Fremden entgegen. Als diese den Aufmarsch sah, wurde ihre Miene hochmütig. Neugierig folgte Janna den anderen, um ihre Unterhaltung mitzubekommen.

»Du bist gerade angekommen?«, fragte Donnegen die Frau mit abweisender Miene.

Sie nickte. »Mein Name ist Sigal Ránsdatter, ich habe Unterkunft in der Herberge gefunden. Wollen Sie meinen Pass sehen?« Ihr geschäftsmäßiger Ton zeigte an, dass ihr diese Prozedur gut vertraut war, doch gleichzeitig lag in ihrer Stimme eine unterschwellige Herausforderung. Ihre Hand war schon zur Seite des Sattels gewandert, wo ein kleiner, fest verschnürter Lederbeutel hing.

Donnegen schüttelte den Kopf. »Das wird nicht nötig sein. Was willst du hier?«

»Ich bin Händlerin, es ist mein Beruf, umherzuziehen und Kundschaft zu suchen. Im Moment bin ich hier, weil ich ein neues Winterquartier suche. Ich war die letzten Monate bei Kampen, doch ich musste mein Lager abbrechen, es gab ... Probleme.«

Einige Sekunden lang maß der Bürgermeister sie mit abschätzigen Blicken. »Ich will nur hoffen, dass es hier keine Probleme geben wird.«

»Keine Sorge, sobald es wärmer wird, gehe ich wieder fort.« Die Frau schürzte die Lippen, und Janna fragte sich, wie sie es schaffte, die unterwürfigen Worte mit einer derart unverschämten Miene zu vereinbaren. Der Blick der Fremden fuhr zu ihr, und unwillkürlich senkte Janna den Blick, doch noch im selben Moment hob sie den Kopf wieder und sah die andere trotzig an. Es lag nicht an ihr, die Augen vor diesem Weibsbild zu senken. Doch die Händlerin hatte sich schon wieder abgewandt, nickte Donnegen kurz zu und machte sich dann zusammen mit ihrem Pferd weiter auf den Weg hinaus zum Wasser und zu dem Eisblock.

Janna nutzte die Gelegenheit, ihr Äußeres von Nahem genauer zu betrachten. Der erste Eindruck hatte Janna nicht getrogen: Trotz ihrer verwahrlosten Erscheinung war die Fremde wohl kaum zehn Jahre älter als sie selbst. Die Züge der Händlerin waren fest, und ihre Haut hätte schön aussehen können, wäre sie nicht von dem Leben im Freien sichtbar gegerbt. Ihre Haare waren nicht nur kurz, sondern endeten in stumpfen Zotteln, als hätten sie nie die Schere eines Barbiers gesehen. Die fahle Farbe erinnerte Janna an die Haare eines alten Seemanns, die ein Leben lang von Wind und Sonne ausgebleicht worden waren. Sie wirkten seltsam verstörend im Zusammenspiel mit dem faltenlosen Gesicht.

Irritiert wandte Janna sich ab und blickte sich nach Therese um. Ihre Freundin war zur Kutsche zurückgekehrt und stand dort nun in Begleitung des jungen Unteroffiziers, der ihrem Vater seinen Bericht gemacht hatte. Er hing mit ungeniertem Blick an ihr, und Janna beobachtete, wie er dabei war, eine losgerissene dunkle Strähne wieder zurück in Thereses Frisur zu stecken. Hastig trat sie zu den beiden und sah den jungen Mann fragend an.

»Verzeihen Sie, aber Sie haben vorhin gesagt, es sei unmöglich, etwas über den Einschluss herauszufinden.«

Der Mann riss sich von Thereses Anblick los und sah Janna an. »Nun, wir haben wirklich alles versucht. Natürlich könnten wir das Eis aufsprengen, aber was auch immer dort verborgen ist, würde notgedrungen mit zerstört werden. Und zum Aufhacken ist die Eisschicht zu dick.«

»Und schließlich ist es nicht so, als wäre die Frage besonders dringend«, meinte Therese mit gereiztem Unterton. »Ich frage mich, warum man dem Eis überhaupt solch eine Bedeutung zumisst. Wir werden das Geheimnis im Frühjahr schließlich so oder so entdecken.«

Mit einer zuvorkommenden Verbeugung gab der junge Mann ihr recht und entschuldigte sich, dann ging er zurück zu seinen Leuten. Therese kicherte. »Er ist wirklich nett, nicht wahr? Er hat seine Aufgabe erst letzten Herbst zugeteilt bekommen, doch Ulrich fühlt sich schon ganz als Herr des Deiches.«

Janna brauchte nicht zu antworten, denn in diesem Moment kam auch Donnegen zurück zu der Kutsche und nickte. »Ich bin so weit fertig hier, wir können nach Hause fahren.«

Therese stieg in den Wagen, doch Janna wandte einen letzten sehnsüchtigen Blick hinaus zum Strand. Mit plötzlicher Unruhe sah sie Donnegen an. »Vielen Dank, aber ich werde alleine zurückgehen. Ich möchte noch einmal am Strand entlangwandern.«

»Rede keinen Unsinn«, erklang Thereses Stimme aus der Öffnung der Kutsche. Sie streckte Janna die Hand entgegen. »Lass uns zurückfahren. Wir können ja bald wieder zusammen hierherkommen.«

Der Bürgermeister nickte zustimmend, doch Janna schüttelte den Kopf. Mit einem Mal war sie sicher, dass sie keine Ruhe finden würde, ehe sie nicht Zeit gehabt hatte, noch einmal allein hinauszugehen.

»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte sie hastig zu Donnegen, »der Weg zum Dorf ist schließlich kaum einen Kilometer lang, und Ihre Männer kümmern sich hier um alles. Ich werde ohne Probleme allein zurückkommen.«

Thereses Vater schien noch einen Moment zu zögern, doch unter Jannas bittendem Blick zuckte er schließlich mit den Schultern.

»Ich muss zugeben, dass mir die Vorstellung nicht besonders gefällt. Aber gut, ich nehme an, dass dir hier, am helllichten Tag, kaum etwas geschehen kann, nicht wahr?«

Sie nickte und versprach, dem Haushalt des Bürgermeisters eine Nachricht zu übermitteln, sobald sie ins Dorf zurückgekommen war. Halbwegs beruhigt stieg Donnegen zu seiner Tochter in den Wagen, und der Kutscher bemühte sich, das Pferd erneut über die steile Rampe der Deichlinie zu treiben.

Für kurze Zeit sah Janna ihnen hinterher, dann wandte sie sich ab und ging, so schnell sie es gemessenen Schrittes tun konnte, die letzte Strecke des Strandes hinab zum Meer, dorthin, wo sich die Zacken des Eisberges aus dem flachen Watt erhoben. Heute war der fünfzehnte Januar, der Vorabend jener Nacht, in der vor so vielen hundert Jahren Rungholt von der großen Marcellusflut verschlungen worden war. Janna hatte bisher nicht an das Datum gedacht, doch der Anblick des gewaltigen Eisberges ließ ihre Gedanken in sonderbare Richtungen schweifen. Musste dieser Jahrestag nicht genügen, um noch ganz andere, fremdartige Wesen aus den Tiefen heraufzulocken?

Dieser Gedanke brachte sie wieder auf die Frage, die Therese ihr noch diesen Morgen gestellt hatte: Wieso konnte das Meer ihr so lieb sein, nach allem, was es ihr und ihrem Bruder angetan hatte? Janna blickte hinaus auf die Wellen, die sich an der klaren Kante des Eises brachen, und überrascht bemerkte sie, dass sich ihr Mund zu einem Lächeln verzogen hatte. Die Wahrheit war, egal wo Nils nun weilte und welche Gefahren die See auch bergen mochte, sie würde nie aufhören, die endlose Weite des tiefen Blau zu bewundern.

Eine plötzliche Bewegung ließ sie den Kopf wenden, und Janna sah, dass die junge Händlerin nur wenige Schritte von ihr entfernt stand und ebenfalls auf die weiten Wogen hinausblickte, mit einer Miene, die ihrer eigenen nur allzu ähnlich war. Bei diesem Anblick spürte Janna einen plötzlichen Zorn in sich aufsteigen, als wäre es die erklärte Absicht dieser Frau, ihre eigenen Gedanken zu imitieren und lächerlich zu machen. Einige der Arbeiter, die am Eis beschäftigt gewesen waren, näherten sich der Händlerin, und Janna war erleichtert zu sehen, wie deren Andacht durch die lauten Rufe gestört wurde.

»Meinst du, du kannst es schaffen, das Eis zum Schmelzen zu bringen, wenn du es nur lange genug anstarrst?« Die Männer lachten auf, und einer von ihnen, ein blonder Arbeiter, der jünger sein musste als sie selbst, trat einige Schritte auf die Händlerin zu. Als sie sich trotz der lauten Stimmen nicht rührte, griff der junge Mann sie provokativ an der Schulter. Janna erwartete, dass die Fremde auch diese Herausforderung ignorieren würde, doch in dem Moment, als sie die Berührung spürte, wandte die Händlerin sich um und starrte den Angreifer an. Der blonde Mann wich einen Moment in spöttischem Schrecken zurück, doch er machte keine Anstalten, sie weiter zu ärgern.

»Schau an, wer gekommen ist«, meinte er mit einem herausfordernden Blitzen in den Augen. »Ich dachte doch, dass ich diesen Haarschopf kenne.«

»Es würde mich auch wundern, wenn nicht«, erwiderte die Händlerin mit einer Stimme, die eisiger klang als die See vor ihnen.

Der Mann schüttelte den Kopf. »Sag bloß, du bist hinter dem Einschluss draußen im Eis her. Meinst du etwa auch, dass dort draußen ein vergessener Schatz versteckt liegt – ein kostbarer Gürtel oder eine alte Haarlocke?« Er lachte. »Was würdest du mit solchem Tand wohl anstellen wollen? Würdest du ihn zusätzlich zu dem anderen Krempel in deinen Wagen stopfen?«

Bei diesen Worten ging in dem Gesicht der Frau eine Veränderung vor, die Janna zusammenschrecken ließ. Für einen Moment war sie sicher, dass sich die Händlerin in blindem Zorn auf den jungen Mann stürzen würde, doch im nächsten Augenblick hatte sich ihr Gesicht wieder vollständig verhärtet, und sie drehte sich um, um sich mit ihrem Pferd zurück zum Deich zu wenden. »Ich werde heute Abend wiederkommen«, meinte sie, ohne den Männern noch einen Blick zu gönnen. »Vielleicht ist der Strand dann etwas freier von störendem Pöbel.«

»Auch in der Marcellusnacht wird sich hier nichts verändern«, sagte der Mann leise, und Janna hätte schwören können, dass die Händlerin bei diesen Worten zusammenfuhr. »So einfach wird das Meer seine Schätze nicht freigeben.«

Die Frau atmete tief ein und ging weiter, ohne auf die Worte zu reagieren. Noch eine Weile sah der junge Mann ihr hinterher, ehe er sich umwandte und zu den anderen zurückging.

Janna wartete, bis die seltsame Gestalt mitsamt ihrem Pferd hinter der Deichlinie verschwunden war, dann drehte sie sich um und machte sich auf den Rückweg. Etwas an der Unterhaltung, die sie unfreiwillig belauscht hatte, hatte ihr jegliche Freude am Meer und ihren wenigen Momenten des Alleinseins genommen.

Während sie den gleichen Weg beschritt wie die Reiterin vor ihr, stieß Jannas Fuß unerwartet an ein Hindernis, das vor ihr auf dem Boden lag. Als sie sich bückte, sah sie, dass es eine prallgefüllte Geldkatze war, die vor ihr auf dem Boden lag. Es musste der Beutel sein, den sie kurz zuvor noch am Pferd der Händlerin hatte hängen sehen. Ohne die Geldbörse zu öffnen, konnte Janna spüren, dass neben einem Schlüsselbund auch eine beachtliche Menge Münzen unter dem Leder klapperten.

Unwillkürlich blickte sie zum Deichweg, doch von der Frau war nichts mehr zu sehen. Mit einem ungeduldigen Kopfschütteln befestigte Janna den ledernen Beutel an ihrem Gürtel und machte sich auf, der Händlerin auf dem Weg zurück zum Dorf zu folgen.

Kapitel 4

Ohne dass sie darüber nachgedacht hatte, schlug Janna den Weg über die Felder ein, an der Hauptstraße vorbei und um die Grenze des Dorfes herum. Der Gasthof ihrer Eltern lag am äußeren Rand der Häuserschar, sodass es von der Wegstrecke her beinahe gleichgültig war, von welcher Seite sie sich dem Haus näherte, aber natürlich dauerte es länger, sich über die vereisten und zerklüfteten Ackerflächen vorzuarbeiten. Janna sagte sich, dass sie diese zusätzliche Mühe auf sich genommen hatte, um die Heimkehr so weit wie möglich hinauszuzögern. Ihre Mutter würde nicht glücklich darüber sein, dass sie beinahe den gesamten Nachmittag draußen vergeudet hatte, und ein wenig zusätzlicher Aufschub konnte daher nun auch nicht weiter schaden.