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Die Götter im Exil ist ein 1853 erschienenes Erzählwerk Heinrich Heines. Das Thema kreist darum, was wohl aus den alten abgesetzten heidnischen Gottheiten wurde – den „Göttern im Exil". Der Text lässt sich keinem Genre eindeutig zuordnen und wechselt zwischen persönlicher Betrachtung und reiner Erfindung. Es gibt Anteile von Essay, Anekdote, Sage und Lügengeschichte.
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Seitenzahl: 54
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Kapitel
Titel
Die Götter im Exil
Die Göttin Diana
Vorbemerkung
Erstes Tableau
Zweites Tableau
Drittes Tableau
Viertes Tableau
Heinrich HeineDie Götter im Exil
und
Die Göttin Diana
- Nachtrag zu den Göttern im Exil -
Der Text wurde weder sprachlich modernisiert, noch der neuen geltenden Rechtschreibung angepasst, um das Charaktermerkmal nicht zu verletzen.
Ausgabe im SoTo Verlag, 2016
Bielatalstraße 14, 01824 Königstein
Vollständig und neu gesetzt durch Sandra Oelschläger
Herausgeber der Klassik-Reihe: Sandra Oelschläger
Umschlaggestaltung unter Verwendung von Bildern,
die der Creative Commons CC0 unterliegen.
ISBN Print: 978-1539997276 ISBN Großdruck: 978-1539997290 ISBN EPUB 9783961125869
www.buch-klassiker.de
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Die Götter im Exil
Schon in meinen frühesten Schriften besprach ich die Idee, welcher die nachfolgenden Mitteilungen entsprossen. Ich rede nämlich hier wieder von der Umwandlung in Dämonen, welche die griechisch-römischen Gottheiten erlitten haben, als das Christentum zur Oberherrschaft in der Welt gelangte. Der Volksglaube schrieb jenen Göttern jetzt eine zwar wirkliche, aber vermaledeite Existenz zu, in dieser Ansicht ganz übereinstimmend mit der Lehre der Kirche. Letztere erklärte die alten Götter keineswegs, wie es die Philosophen getan, für Schimären, für Ausgeburten des Lugs und des Irrtums, sondern sie hielt sie vielmehr für böse Geister, welche durch den Sieg Christi vom Lichtgipfel ihrer Macht gestürzt, jetzt auf Erden, im Dunkel alter Tempeltrümmer oder Zauberwälder, ihr Wesen trieben und die schwachen Christenmenschen, die sich hierhin verirrt, durch ihre verführerischen Teufelskünste, durch Wollust und Schönheit, besonders durch Tänze und Gesang, zum Abfall verlockten. Alles was auf dieses Thema Bezug hat, die Umgestaltung der alten Naturkulte in Satansdienst und des heidnischen Priestertums in Hexerei, diese Verteuflung der Götter, habe ich sowohl im zweiten wie im dritten Teile des »Salon« unumwunden besprochen, und ich glaube mich jetzt um so mehr jeder weitern Besprechung überheben zu können, da seitdem viele andre Schriftsteller, sowohl der Spur meiner Andeutungen folgend, als auch angeregt durch die Winke, welche ich über die Wichtigkeit des Gegenstandes erteilt, jenes Thema viel weitläufiger, umfassender und gründlicher als ich behandelt haben. Wenn sie bei dieser Gelegenheit nicht den Namen des Autors erwähnt, der sich das Verdienst der Initiative erworben, so war dieses gewiß eine Vergeßlichkeit von geringem Belange. Ich selbst will einen solchen Anspruch nicht sehr hoch anschlagen. In der Tat, es ist wahr, das Thema, das ich aufs Tapet brachte, war keine Neuigkeit; aber es hat mit solchem Vulgarisieren alter Ideen immer dieselbe Bewandtnis, wie mit dem Ei des Kolumbus. Jeder hat die Sache gewußt, aber keiner hat sie gesagt. Ja, was ich sagte, war keine Novität, und befand sich längst gedruckt in den ehrwürdigen Folianten und Quartanten der Kompilatoren und Antiquare, in diesen Katakomben der Gelehrsamkeit, wo zuweilen mit einer grauenhaften Symmetrie, die noch weit schrecklicher ist als wüste Willkür, die heterogensten Gedankenknochen aufgeschichtet – Auch gestehe ich, daß ebenfalls moderne Gelehrte das erwähnte Thema behandelt; aber sie haben es sozusagen eingesargt in die hölzernen Mumienkasten ihrer konfusen und abstrakten Wissenschaftssprache, die das große Publikum nicht entziffern kann und für ägyptische Hieroglyphen halten dürfte. Aus solchen Grüften und Beinhäusern habe ich den Gedanken wieder zum wirklichen Leben heraufbeschworen, durch die Zaubermacht des allgemein verständlichen Wortes, durch die Schwarzkunst eines gesunden, klaren, volkstümlichen Stiles!
Doch ich kehre zurück zu meinem Thema, dessen Grundidee, wie oben angedeutet, hier nicht weiter erörtert werden soll. Nur mit wenigen Worten will ich den Leser darauf aufmerksam machen, wie die armen alten Götter, von welchen oben die Rede, zur Zeit des definitiven Sieges des Christentums, also im dritten Jahrhundert, in Verlegenheiten gerieten, die mit älteren traurigen Zuständen ihres Götterlebens die größte Analogie boten. Sie befanden sich nämlich jetzt in dieselben betrübsamen Notwendigkeiten versetzt, worin sie sich schon weiland befanden, in jener uralten Zeit, in jener revolutionären Epoche, als die Titanen aus dem Gewahrsam des Orkus heraufbrachen und, den Pelion auf den Ossa türmend, den Olymp erkletterten. Sie mußten damals schmählich flüchten, die armen Götter, und unter allerlei Vermummungen verbargen sie sich bei uns auf Erden. Die meisten begaben sich nach Ägypten, wo sie zu größerer Sicherheit Tiergestalt annahmen, wie männiglich bekannt. In derselben Weise mußten die armen Heidengötter wieder die Flucht ergreifen und unter allerlei Vermummungen in abgelegenen Verstecken ein Unterkommen suchen, als der wahre Herr der Welt sein Kreuzbanner auf die Himmelsburg pflanzte, und die ikonoklastischen Zeloten, die schwarze Bande der Mönche, alle Tempel brachen und die verjagten Götter mit Feuer und Fluch verfolgten. Viele dieser armen Emigranten, die ganz ohne Obdach und Ambrosia waren, mußten jetzt zu einem bürgerlichen Handwerke greifen, um wenigstens das liebe Brot zu erwerben. Unter solchen Umständen mußte mancher, dessen heilige Haine konfisziert waren, bei uns in Deutschland als Holzhacker taglöhnern und Bier trinken statt Nektar. Apollo scheint sich in dieser Not dazu bequemt zu haben, bei Viehzüchtern Dienste zu nehmen, und wie er einst die Kühe des Admetos weidete, so lebte er jetzt als Hirt in Niederösterreich, wo er aber, verdächtig geworden durch sein schönes Singen, von einem gelehrten Mönch als ein alter zäuberischer Heidengott erkannt, den geistlichen Gerichten überliefert wurde. Auf der Folter gestand er, daß er der Gott Apollo sei. Vor seiner Hinrichtung bat er auch, man möchte ihm nur noch einmal erlauben, auf der Zither zu spielen und ein Lied zu singen. Er spielte aber so herzrührend und sang so bezaubernd, und war dabei so schön von Angesicht und Leibesgestalt, daß alle Frauen weinten, ja viele durch solche Rührung später erkrankten. Nach einiger Zeit wollte man ihn aus seiner Gruft wieder hervorziehen, um ihm einen Pfahl durch den Leib zu stoßen, in der Meinung, er müsse ein Vampir gewesen sein, und die erkrankten Frauen würden durch solches probate Hausmittel genesen; aber man fand das Grab leer.
Über die Schicksale des alten Kriegsgottes Mars, seit dem Siege der Christen, weiß ich nicht viel zu vermelden. Ich bin nicht abgeneigt zu glauben, daß er in der Feudalzeit das Faustrecht benutzt haben mag. Der lange Schimmelpennig, Neffe des Scharfrichters von Münster, begegnet ihm zu Bologna, wo sie eine Unterredung hatten, die ich an einem andern Orte mitteilen werde. Einige Zeit vorher diente er unter Frondsberg in der Eigenschaft eines Landsknechtes, und war zugegen bei der Erstürmung von Rom, wo ihm gewiß bitter zumute war, als er seine alte Lieblingsstadt und die Tempel, worin er selbst verehrt worden, sowie auch die Tempel seiner Verwandten, so schmählich verwüsten sah.
Besser als dem Mars und dem Apollo war es, nach der großen Retirade, dem Gotte Bacchus ergangen, und die Legende erzählt Folgendes: