Die Göttinnen von Otera (Band 1) - Golden wie Blut - Namina Forna - E-Book

Die Göttinnen von Otera (Band 1) - Golden wie Blut E-Book

Namina Forna

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Beschreibung

Nichts kann sie töten Bitte lass mein Blut rot sein, bitte lass mein Blut rot sein, bete ich. Als goldenes Blut aus ihren Adern fließt, ist für Deka klar, dass sie nie dazugehören wird. Wegen ihrer dunklen Hautfarbe galt sie schon immer als Außenseiterin. Doch dann kennzeichnet ihr goldenes Blut sie als Alaki, als Dämon. Nur ein Dekret des Kaisers von Otera kann sie retten: Er stellt eine Armee aus den beinahe unsterblichen Alaki zusammen. Deka wird zur Kriegerin ausgebildet und lernt dabei nicht nur zu kämpfen, sondern auch die Gebote infrage zu stellen, durch die sie als Frau ihr Leben lang unterdrückt wurde. Der spannende Auftakt zu einer epischen Fantasy-Trilogie von New York Times Bestseller-Autorin Namina Forna für Jugendliche ab 14 Jahren. Die Göttinnen von Otera überzeugt sowohl durch die starken weiblichen Charaktere und das atmosphärische westafrikanisch inspirierte Setting als auch durch die gesellschaftspolitische Relevanz.

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Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Für meinen Vater, der mich träumen gelehrt hat.Für meine Mutter, die mich handeln gelehrt hat.Und für meine Schwester, die mich immerdabei unterstützt hat.

eute findet das Ritual der Reinheit statt.

Der Gedanke daran kreist in meinem Kopf, als ich eilig zur Scheune laufe und dabei meinen Umhang enger um mich ziehe, weil es so kalt ist. Es ist früh am Morgen und die Sonne ist noch nicht hinter den mit Schnee gepuderten Bäumen aufgegangen, von denen unser kleiner Bauernhof umgeben ist. Schatten sammeln sich in der Dunkelheit und versuchen, das schwache Licht meiner Laterne zu verdrängen. Unter meiner Haut beginnt es, unheilvoll zu kribbeln. Ich habe das Gefühl, als wäre da etwas, ganz am Rand meines Blickfelds …

Du bist nur nervös, sage ich mir. Ich habe dieses Kribbeln schon oft gespürt und nie etwas Ungewöhnliches entdeckt.

Als ich die Scheune erreiche, steht das Tor offen und am Pfosten hängt eine Laterne. Vater ist schon da und verteilt Heu. Er wirkt gebrechlich in der Dunkelheit, sein hochgewachsener Körper ist in sich zusammengesunken. Noch vor drei Monaten war er stark und gesund und in seinen blonden Haaren konnte man keine einzige graue Strähne finden. Dann kamen die roten Pocken, die ihn und Mutter krank gemacht haben.

»Du bist ja schon wach«, murmelt er und sieht mich aus seinen grauen Augen an.

»Ich konnte nicht mehr schlafen«, erwidere ich, nehme einen Milcheimer und gehe zu Norla, unserer größten Kuh.

Eigentlich sollte ich mich abgeschieden von allen ausruhen, wie die anderen Mädchen, die sich auf das Ritual vorbereiten, aber auf unserem Bauernhof gibt es zu viel Arbeit und zu wenige helfende Hände. Seit Mutters Tod vor drei Monaten ist das so. Bei dem Gedanken daran schießen mir Tränen in die Augen, doch ich blinzle sie weg.

Vater gabelt noch mehr Heu auf und schiebt es zu den Kühen. »›Gesegnet seien jene, die auf Erden wandeln und die Herrlichkeit des Unendlichen Vaters erfahren‹«, zitiert er aus den Weisheiten des Unendlichen. »Und? Bist du bereit?«

Ich nicke. »Ja, ich bin bereit.«

Am späten Nachmittag wird der Älteste Durkas mich und alle anderen sechzehnjährigen Mädchen des Dorfes beim Ritual der Reinheit prüfen. Wenn feststeht, dass wir rein sind, werden wir offiziell zum Dorf gehören. Und ich werde endlich eine Frau sein – ich werde heiraten und eine eigene Familie haben können.

Der Gedanke daran jagt eine weitere Welle der Angst durch meinen Körper.

Aus den Augenwinkeln heraus werfe ich einen Blick auf Vater. Er scheint angespannt zu sein, seine Bewegungen wirken verkrampft. Ich bin nicht die Einzige, die sich Sorgen macht.

»Vater, ich habe nachgedacht«, beginne ich. »Was passiert, wenn … wenn …« Meine Stimme versagt und die unausgesprochene Frage hängt schwer zwischen uns in der Luft.

Vater schenkt mir ein Lächeln, das wohl beruhigend sein soll, aber seine Mundwinkel sind verkniffen. »Was meinst du, Deka?«, fragt er. »Du kannst es mir ruhig sagen.«

»Was passiert, wenn mein Blut nicht rein ist?«, flüstere ich. Die grauenhaften Worte sprudeln nur so aus mir heraus. »Was passiert, wenn ich von den Priestern weggebracht werde? Wenn ich verbannt werde?«

»Machst du dir deshalb solche Sorgen?«

Ich nicke.

Es kommt zwar nicht oft vor, aber alle kennen jemanden, der eine Schwester oder eine Verwandte hatte, die sich als unrein erwies. Das letzte Mal ist das in Irfut vor einigen Jahrzehnten geschehen – es war eine von Vaters Cousinen. Die Leute aus dem Dorf reden immer noch im Flüsterton von dem Tag, an dem das Mädchen von den Priestern weggeschleppt wurde und für immer verschwand. Seitdem liegt ein dunkler Schatten auf Vaters Familie.

Deshalb tun sie auch immer so fromm – immer die Ersten im Tempel und meine Tanten tragen stets Masken –, sogar ihre Augen werden von kleinen Quadraten aus durchsichtigem Stoff bedeckt. In den Weisheiten des Unendlichen steht geschrieben: »Nur eine unreine, sündhafte und unkeusche Frau verhüllt sich nicht unter den Augen Oyomos«, doch diese Warnung bezieht sich nur auf die obere Hälfte des Gesichts: von der Stirn bis zur Nasenspitze. Aber bei den Masken meiner Tanten kann man nicht einmal ihren Mund erkennen.

Als Vater mit Mutter an seiner Seite von seinem Posten bei der Armee ins Dorf zurückkehrte, wurde er sofort von seinen Angehörigen enterbt. Es war viel zu riskant, eine Frau, deren Reinheit nicht bewiesen war und die zudem noch eine Fremde war, in der Familie willkommen zu heißen.

Dann wurde ich geboren – ein Kind, dessen Haut so dunkel war, dass es aus dem Süden hätte stammen können, aber mit Vaters grauen Augen, seinem Kinngrübchen und seinen leicht gewellten Haaren, die für Nordländer typisch sind.

Ich bin schon mein ganzes Leben lang in Irfut, bin hier geboren und aufgewachsen, doch sie behandeln mich wie eine Fremde – ich werde immer noch angestarrt, man zeigt immer noch mit dem Finger auf mich, ich bin immer noch eine Außenseiterin. Wenn es nach Vaters Verwandten ginge, dürfte ich nicht einmal den Tempel besuchen. Ich mag sein Ebenbild sein, aber das reicht ihnen nicht. Also brauche ich diesen Beweis, damit das Dorf mich akzeptiert, damit Vaters Familie mich akzeptiert. Wenn mein Blut rein fließt, werde ich endlich dazugehören.

Vater kommt zu mir und lächelt mir beruhigend zu. »Deka, weißt du, was rein bedeutet?«, fragt er mich.

Ich antworte mit einem Zitat aus den Weisheiten des Unendlichen. »›Gesegnet seien die Sanftmütigen und Unterwürfigen, die bescheidenen Töchter eines Mannes, denn sie sind unbefleckt vor dem Unendlichen Vater.‹«

Jedes Mädchen kennt die Stelle auswendig. Wir sagen sie auf, wenn wir einen Tempel betreten – eine ständige Erinnerung daran, dass Frauen geschaffen wurden, um Gehilfinnen der Männer zu sein, und sich ihren Wünschen und Befehlen unterordnen sollen.

»Deka, bist du bescheiden, sanftmütig und unterwürfig?«, will Vater wissen.

Ich nicke. »Ich glaube, ja.«

Vater scheint sich da nicht so sicher zu sein, aber er lächelt und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. »Dann wird alles gut.«

Er widmet sich wieder dem Heu. Ich setze mich auf einen Melkschemel neben Norla, doch meine Ängste quälen mich immer noch. Was daran liegt, dass ich mehr Ähnlichkeit mit Mutter habe, als Vater bewusst ist. Aber wenn die Leute aus dem Dorf das wüssten, würden sie mich noch mehr hassen.

Ich muss dafür sorgen, dass es geheim bleibt. Die Leute aus dem Dorf dürfen es nie erfahren.

Nie.

Es ist noch früh am Morgen, als ich den Dorfplatz erreiche. Die Luft ist kühl und von den Dächern der Häuser hängen Eiszapfen herab, doch die Sonne ist schon ungewöhnlich stark für diese Jahreszeit. Ihre Strahlen fallen auf die hohen, geschwungenen Säulen des Tempels von Oyomo. Diese Säulen stellen ein Gebet dar, eine Art Meditation zum Lauf von Oyomos Sonne über den Himmel. Allein schon bei ihrem Anblick steigt wieder Angst in mir auf.

»Deka! Deka!« Von der anderen Straßenseite winkt mir eine hochgewachsene, schlaksige Gestalt zu, die ich gut kenne.

Elfriede kommt zu mir gerannt, den Umhang so eng um sich geschlungen, dass ich nur ihre strahlend grünen Augen erkennen kann. Wir beide versuchen immer, unser Gesicht zu bedecken, wenn wir den Dorfplatz betreten – ich wegen meiner dunklen Hautfarbe und Elfriede wegen des dunkelroten Muttermals, das die linke Seite ihres Gesichts verunstaltet. Mädchen dürfen bis zum Ritual unverhüllt bleiben, doch wir wollen keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen, nicht an einem Tag wie heute.

An diesem Morgen drängen sich Hunderte Besucher auf dem Kopfsteinpflaster von Irfuts winzigem Platz und mit jeder Minute treffen weitere Gäste ein. Das Dorf ist für seine hübschen Mädchen bekannt und die Männer kommen von weit her, um sich die heiratsfähigen unter ihnen anzusehen, bevor das Ritual stattfindet. Heute werden viele Mädchen einen Ehemann finden – falls sie nicht schon längst jemandem versprochen sind.

»Ist das nicht aufregend, Deka?«, kichert Elfriede.

Sie deutet auf den festlich geschmückten Platz. Die Türen der Häuser, in denen heiratsfähige Mädchen wohnen, sind rot gestrichen, Wimpel und Fahnen flattern fröhlich aus den Fenstern und jeder Hauseingang ist mit bunten Laternen verziert. Es gibt sogar maskierte Tänzer auf Stelzen und Feuerspucker, die sich durch die Menge schieben und mit den Händlern konkurrieren, die Tüten mit gerösteten Nüssen, geräucherten Hühnerbeinen und kandierten Äpfeln verkaufen.

»Da hast du recht«, erwidere ich mit einem Grinsen, doch Elfriede zieht mich bereits mit sich.

»Beeil dich!«, mahnt sie mich und drängt sich an den Besuchern vorbei, von denen viele stehen bleiben, um uns missbilligend anzustarren, weil wir ohne männlichen Beschützer gekommen sind.

In den meisten Dörfern dürfen Frauen nur in Begleitung eines Mannes das Haus verlassen. Aber Irfut ist ein kleines Dorf und es gibt nicht genug Männer. Die meisten heiratsfähigen unter ihnen sind zur Armee gegangen, so wie Vater, als er jünger war. Einige von ihnen haben die harte Ausbildung überlebt und sind Jatu geworden, Soldaten in der Elitewache des Kaisers. Ich entdecke einen Trupp von ihnen am Rand des Platzes. Sie beobachten in ihrer schimmernden roten Rüstung das Geschehen.

Die Jatu stammen aus allen Regionen von Otera: Südländer mit dunkelbrauner Haut und krausen Haaren; unbekümmerte Westländer, die ihre langen schwarzen Haare in einem Dutt oben auf dem Kopf tragen und ihre goldbraune Haut mit unzähligen Tattoos geschmückt haben; ungestüme Nordländer mit heller Haut und blonden, in der Kälte glänzenden Haaren; stille Ostländer mit allen möglichen Hautfarben, von Dunkelbraun bis Eierschalenbleich, deren glatte schwarze Haare sich als schimmernder Fluss über ihren Rücken ergießen.

Elfriede, die bemerkt hat, woran mein Blick hängen geblieben ist, grinst. »Sehen sie in ihrer roten Uniform nicht umwerfend aus? Ich habe gehört, dass es neue Rekruten sind, die eine Tour durch die Provinzen machen. Wie schön, dass der Kaiser sie für das Ritual hergeschickt hat.«

»Ja schon …«, murmle ich.

Ich habe noch nie so viele Jatu an einem Ritualtag gesehen wie heute. Jedes Jahr kommen ein oder zwei von ihnen, aber dieser Trupp besteht aus mindestens fünfzehn Männern. Vielleicht stimmt es ja, was die Leute sich zuflüstern: dass die Lage an der Südgrenze immer schlimmer wird und der Kaiser versucht, mehr Rekruten anzuwerben.

Elfriedes Magen knurrt. »Beeil dich, Deka«, drängt sie mich. »Die Schlange in der Bäckerei wird mit jeder Minute länger.«

Sie zerrt so heftig an mir, dass ich stolpere und gegen ein großes, massives Etwas pralle. »Verzeihung«, keuche ich, während ich den Blick hebe.

Einer der Männer, die zu Besuch sind, starrt auf mich hinunter, mit einem anzüglichen Grinsen auf den Lippen. »Was haben wir denn da? Noch etwas Süßes?« Er kommt näher.

Schnell weiche ich einen Schritt zurück. Wie konnte ich nur so dumm sein? Männer aus anderen Dörfern sind es nicht gewohnt, unbegleitete Frauen zu sehen, was mitunter zu unangenehmen Vermutungen führt.

»Es tut mir leid. Ich muss gehen«, flüstere ich, doch er packt mich, bevor ich fliehen kann. Gierige Finger tasten nach dem Knopf, der meinen Umhang zusammenhält.

»Jetzt zier dich doch nicht so, Schätzchen. Sei nett zu mir und nimm den Umhang ab, damit wir sehen, weshalb wir gekommen –«

Große Hände zerren ihn von mir weg, ehe er den Satz beenden kann.

Als ich mich umdrehe, sehe ich, wie Ionas, der erste Sohn des Ältesten Martel, unseres Dorfvorstehers, den Mann anstarrt. Das Lächeln, das sonst immer auf seinen Lippen liegt, ist verschwunden.

»Wenn du ein Bordell suchst, so wirst du eines ein Stück die Straße hinunter finden – in deinem Dorf. Vielleicht wäre es besser, dorthin zurückzukehren«, warnt er den Mann mit blitzenden blauen Augen.

Der Größenunterschied zwischen den beiden genügt, um den Mann zögern zu lassen. Ionas ist einer der am besten aussehenden Jungen im Dorf – blonde Haare und Grübchen in den Wangen –, aber auch einer der größten, so schwer und massig wie ein Bulle und genauso angsteinflößend.

Der Mann spuckt auf den Boden. »Jetzt reg dich doch nicht gleich so auf, Junge. Ich habe nur Spaß gemacht. Um Oyomos willen, sie ist ja nicht mal eine Nordländerin!«

Jeder Muskel in meinem Körper verkrampft sich, als ich das höre. Egal, wie ruhig und brav ich bin, egal, wie unauffällig ich mich benehme, meine braune Haut wird mich immer als Südländerin kennzeichnen, als Mitglied der verhassten Stämme, die vor langer Zeit den Norden erobert und ihn gezwungen haben, sich dem Einen Königreich anzuschließen, das jetzt Otera genannt wird. Nur das Ritual der Reinheit kann mir meinen Platz in der Dorfgemeinschaft sichern.

Bitte lass mich rein sein, bitte lass mich rein sein, bete ich schnell zu Oyomo.

Ich ziehe meinen Umhang enger um mich und wäre am liebsten im Boden versunken, doch Ionas geht einen weiteren Schritt auf den Mann zu.

Er sieht ihn drohend an. »Deka wurde hier geboren und ist hier aufgewachsen, so wie wir«, knurrt er. »Du wirst sie nicht noch einmal anfassen.«

Ich starre Ionas mit offenem Mund an, überrascht, dass er mir geholfen hat.

Der Mann schnaubt verärgert. »Wie ich schon sagte, ich habe nur Spaß gemacht.« Er dreht sich zu seinen Freunden um. »Kommt, wir gehen jetzt einen trinken.«

Die Gruppe zieht leise schimpfend davon.

Als die Männer weg sind, sieht Ionas mich und Elfriede an. »Alles in Ordnung mit euch?«, fragt er besorgt.

»Mir geht es gut. Ich habe mich nur ein bisschen erschrocken, das ist alles«, gelingt es mir zu sagen.

»Aber du bist nicht verletzt.« Sein Blick liegt jetzt auf mir und er ist so eindringlich, dass ich mir Mühe geben muss, nicht zusammenzuzucken.

»Nein.« Ich schüttle den Kopf.

Er nickt. »Ich muss mich für das entschuldigen, was da gerade passiert ist. Männer können wie Tiere sein, vor allem in Gegenwart von Mädchen, die so hübsch sind wie ihr.«

Mädchen, die so hübsch sind wie ihr …

Seine Worte sind so berauschend für mich, dass es einen Moment dauert, bis mir klar wird, dass Ionas weiterspricht. »Wo wollt ihr hin?«

»Zum Bäcker«, antwortet Elfriede. Sie deutet auf das niedrige Gebäude auf der anderen Straßenseite.

»Ich werde euch von hier aus im Auge behalten«, sagt er. »Damit euch nichts passiert.«

Und wieder ruht sein Blick auf mir.

»Sei gedankt«, flüstere ich und eile zur Bäckerei, während Elfriede neben mir kichert.

Ionas steht zu seinem Wort und starrt mir den ganzen Weg lang nach.

In der Bäckerei ist es brechend voll, wie Elfriede vorhergesagt hat. In jeder Ecke des kleinen Ladens stehen Frauen. Ihre Gesichtsmasken schimmern im Halbdunkel, während sie zur Feier des Tages kleine rosafarbene Reinheitskuchen und sonnenförmige Unendlichkeitsbrote kaufen. Normalerweise sind die Masken sehr schlicht und aus dünnem Holz oder Pergament gefertigt, mit handgemalten Gebetssymbolen, die Glück bringen sollen. An Festtagen wie diesem jedoch haben die Frauen ihre prächtigsten Masken angelegt, die wie die Sonne, der Mond oder die Sterne aussehen und mit geometrischen Mustern in Gold oder Silber geschmückt sind. Oyomo ist nicht nur der Gott der Sonne, sondern auch der Gott der Mathematik und die Masken der meisten Frauen richten sich nach der göttlichen Symmetrie, um Sein Auge zu erfreuen.

Ab heute werde auch ich mich mit einer Maske schmücken, einer festen weißen Halbmaske aus schwerem Pergament und einer dünnen Holzschicht, die mein Gesicht von der Stirn bis zur Nase bedecken wird. Sie ist nichts Besonderes, aber das Beste, was Vater sich leisten konnte. Und vielleicht wird Ionas dann darum bitten, um mich werben zu dürfen.

Ich verdränge diesen lächerlichen Gedanken sofort wieder.

Egal, was ich trage, ich werde nie so hübsch sein wie die anderen Mädchen im Dorf mit ihrer gertenschlanken Figur, den glatten blonden Haaren und rosigen Wangen. Ich bin viel kräftiger gebaut, meine Haut ist dunkelbraun und mein einziger Vorzug sind meine lockigen schwarzen Haare, die mein Gesicht wie eine Wolke umgeben. Ich werde von Glück reden können, wenn ich einen Ehemann aus einem der umliegenden Dörfer finde, aber ich muss es versuchen. Falls Vater etwas zustoßen sollte, werden seine Verwandten mit Sicherheit einen Grund suchen, um mich zu verstoßen.

Kalter Schweiß bricht mir aus, als ich daran denke, was dann passieren würde: ein Leben mit erzwungener Frömmigkeit und harter Arbeit als Tempeljungfrau oder ein noch schlimmeres Schicksal in den Freudenhäusern der südlichen Provinzen.

»Ist dir aufgefallen, wie er dich angesehen hat?«, flüstert Elfriede mir zu. »Ich dachte schon, gleich wird er deine Hand nehmen und mit dir weglaufen. Das ist ja so romantisch.«

Ich tätschle meine heißen Wangen, um sie ein wenig zu kühlen, und ein kleines Lächeln umspielt meine Lippen. »Sei nicht so albern, Elfriede. Er war doch nur höflich.«

»Er hat dich angesehen, als wäre er –«

»Als wäre er was? Was, Elfriede?«, wird sie von einer affektiert klingenden Stimme unterbrochen. Dann fängt jemand an zu kichern.

Ein kalter Schauder läuft mir über den Rücken. Nicht heute. Bitte nicht.

Als ich mich umdrehe, steht Agda hinter uns in Begleitung einiger Dorfmädchen. Sie muss gesehen haben, wie ich mit Ionas geredet habe, denn ihre Haltung verrät, dass sie vor Wut kocht. Mit ihrer hellen Haut und den weißblonden Haaren ist Agda vielleicht das hübscheste Mädchen im Dorf, aber ihre feinen Gesichtszüge können nicht über ihr boshaftes Herz und ihren gehässigen Charakter hinwegtäuschen.

»Du glaubst doch nicht etwa, dass die Jungen plötzlich anfangen werden, dich hübsch zu finden, wenn du dich heute möglicherweise als rein erweist?«, sagt sie. »Auch wenn du es dir noch so sehr wünschst, Deka, selbst mit einer Maske wirst du es nicht schaffen, deine hässliche Südländerhaut zu verbergen. Ich frage mich, was du tun wirst, wenn kein Mann dich haben will und du als vertrocknete, verzweifelte Jungfer ohne Ehemann oder Familie endest.«

Ich balle die Hände zu Fäusten, so fest, dass sich meine Fingernägel ins Fleisch bohren.

Agda bemerkt es nicht, denn ihr abschätziger Blick wandert zu Elfriede hinüber. »Die da kann wenigstens ihr Gesicht bedecken, aber selbst wenn du deinen gesamten Körper verhüllst, wissen alle, was unter –«

»Hüte deine Zunge, Agda!«, ruft eine Stimme vom Eingang des Ladens.

Die Stimme gehört Herrin Norlim, ihrer Mutter. Sie kommt auf uns zu, wobei die zahllosen Edelsteine auf ihrer Maske so grell glitzern, dass man davon fast geblendet wird. Herrin Norlim ist die Frau des Ältesten Norlim, des reichsten Mannes im Dorf. Im Gegensatz zu den anderen Frauen, die sich nur goldene Halbmasken oder silberne Vollmasken leisten können, trägt Herrin Norlim eine Maske, die ihr ganzes Gesicht bedeckt, mit einem Muster aus Sonnenstrahlen an der Partie um die hellblauen Augen. Auch ihre Hände sind reich verziert, mit goldenen Ornamenten und Halbedelsteinen, die auf ihre Haut geklebt sind.

»›Die Worte einer Frau sollen so süß wie Früchte und Honig sein‹«, ermahnt sie ihre Tochter. »So steht es in den Weisheiten des Unendlichen.«

Agda senkt verlegen den Kopf. »Ja, Mutter«, haucht sie.

»Außerdem kann Deka nichts dafür, dass ihre Haut so schmutzig ist wie die ihrer verstorbenen Mutter«, fügt ihre Mutter hinzu. Das Mitleid in ihren Augen will nicht so recht zu der fröhlich grinsenden Maske passen. »Und Elfriede kann ihr Muttermal nicht verstecken. Die Ärmsten sind so geboren worden.«

Aus meiner Dankbarkeit wird innerhalb von Sekunden heiße Wut und das Blut in meinen Adern beginnt zu kochen. Schmutzig? Die Ärmsten? Warum nennt sie mich nicht gleich unrein? Nur mit Mühe gelingt es mir, unterwürfig auszusehen, als ich mich ihr zuwende.

»Macht Euch um mich keine Sorgen, Herrin Norlim«, stoße ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich weiß, dass meine dunkle Haut hier im Norden nicht normal ist, aber sie hat auch Vorteile. Wenn nachts die Todesrufer kommen, brauche ich nur still dazustehen und schon können sie mich nicht mehr finden. Agda dagegen ist so bleich wie der Mond«, fahre ich mit einem tiefen Seufzer fort. »Es ist gut, dass sie bald die Maske nehmen wird, sonst würde sie die Kreaturen auf sich aufmerksam machen wie ein Leuchtturm.«

Agda reißt erschrocken die Augen auf und Herrin Norlims Mund schnappt auf und zu wie bei einem Fisch auf dem Trockenen. Wenn es nicht unbedingt nötig ist, redet niemand über die Todesrufer. Die Monster belagern Oteras Südgrenzen nun schon seit Jahrhunderten, doch in den letzten Jahren sind sie immer weiter nach Norden vorgedrungen. Was auch der Grund dafür ist, dass der Kaiser mehr Jatu rekrutieren will. Die Elitesoldaten sind die Einzigen, die den Todesrufern die Stirn bieten können. Sie erhalten jahrelanges Training, bis ihnen die Schreie der Monster nichts mehr ausmachen und sie die erforderliche Kraft entwickelt haben, um gegen sie zu kämpfen.

»Was bist du doch für ein undankbares Mädchen!«, fährt Herrin Norlim mich an, nachdem sie die Fassung wiedererlangt hat. »Ich habe nur versucht, nett zu dir zu sein, aber das hast du ganz offensichtlich nicht verdient, du Ungläubige. Kein Wunder, dass Oyomo dir deine Mutter genommen hat.«

In der Bäckerei ist es plötzlich so still, dass man das Brot im Ofen knacken hört.

»Was habt Ihr da gesagt?«, flüstere ich. In meinen Adern fließen jetzt Feuer und Eis.

Elfriede tritt hinter mir nervös von einem Fuß auf den anderen. »Deka …«, warnt sie mich.

Herrin Norlim ist es egal, dass wir die Aufmerksamkeit aller auf uns gezogen haben. »Du hast mich schon verstanden«, zischt sie, während sie mit einem juwelengeschmückten Finger auf mich zeigt. »Selbst wenn dein Blut rein fließen sollte, wirst du nie eine von uns sein. Nie.«

Sie dreht sich um und rauscht zur Tür hinaus, Agda und ihre Freundinnen im Schlepptau.

Als sie weg sind, hole ich tief Luft und versuche, mich zu beruhigen und die Tränen zu unterdrücken, die mir in den Augen brennen.

»Deka?«, fragt Elfriede. »Alles in Ordnung?«

»Mir geht es gut«, flüstere ich und ziehe die Kapuze meines Umhangs enger um mich, damit sie meine Tränen nicht sieht.

Es ist egal, was Herrin Norlim und die anderen sagen, versichere ich mir insgeheim. Ich werde rein sein.

Zweifel kommen auf, die mich daran erinnern, dass ich die gleichen unheimlichen Fähigkeiten wie Mutter habe, doch ich verdränge sie schnell wieder. Mutter ist es gelungen, ihre besondere Gabe bis zum Tag ihres Todes zu verbergen, und ich werde das Gleiche tun. Ich muss nur dafür sorgen, dass ich die nächsten Stunden überstehe und als rein erklärt werde.

Dann werde ich endlich sicher sein.

en Rest des Morgens verbringe ich mit Vorbereitungen für das Ritual der Reinheit. Ich muss Vaters Kleidung bügeln und unsere Schuhe polieren. Sogar einen Kranz aus getrockneten Blumen habe ich für meine Haare gebunden. Das kräftige Rot der Blüten bildet einen schönen Kontrast zum Blau des Gewands, das ich für das Ritual tragen werde. Direkt im Anschluss an das Ritual werde ich zum Festmahl des Dorfes gehen und dafür will ich so gut wie möglich aussehen. Es ist das erste Mal, dass ich zu einer Feier eingeladen bin. Bisher war ich noch bei keinem Fest im Dorf dabei.

Um meine Nerven zu beruhigen, konzentriere ich mich auf die Stachelbeertörtchen, die ich für das Festmahl backe. Ich versuche, jedes einzelne so perfekt wie möglich zu machen: die Ränder ordentlich zusammengedrückt, der Klecks Schlagsahne genau in der Mitte. Aber ohne Messer ist das ziemlich schwierig. Vom 15. Geburtstag bis nach dem Ritual der Reinheit müssen Mädchen scharfe Gegenstände meiden. Das verbieten die Weisheiten des Unendlichen und selbst wenn es nicht so wäre, würden die meisten Männer ohnehin keine Mädchen mit Narben heiraten.

»Verhasst sollen sein die verunstalteten, die mit Narben bedeckten, die verletzten und die blutenden Mädchen, denn sie haben den Tempel des Unendlichen Vaters besudelt.« Diese Worte hat man uns seit unserer Geburt eingebläut.

Wenn Vater wohlhabend gewesen wäre, hätte er mich in ein Haus der Reinheit geschickt, wo ich das ganze Jahr vor dem Ritual in dick ausgepolsterten Räumen verbracht hätte, damit ich nicht einmal in die Nähe von scharfen Gegenständen komme. Doch das können sich nur reiche Familien wie Agdas leisten. Dem Rest von uns bleibt nichts anderes übrig, als ständig darauf zu achten, dass wir uns nicht aus Versehen an etwas schneiden.

Ich bin so tief in Gedanken versunken, dass ich gar nicht bemerke, wie Vater hereinkommt.

»Deka?«, sagt er mit seiner heiseren Stimme. Als ich mich umdrehe, sehe ich ihn vor mir stehen. Er tritt nervös von einem Fuß auf den anderen und hält einen Kasten in den Händen, den er mit einem zaghaften Lächeln öffnet. »Das ist für dich.« Er hält mir das bestickte Kleid darin entgegen.

Es ist in dem Tiefblau des Rituals gefärbt und am Saum mit winzigen goldenen Sonnen verziert, aber es ist nicht das Kleid, das mir den Atem raubt. Unter dem Stoff lugt eine hauchdünne blaue Halbmaske mit weißen Seidenbändern hervor. Ich ringe nach Luft und Tränen schießen mir in die Augen. Sie ist prächtiger als alle Masken, die ich je in meinem Leben gesehen habe, filigran und elegant, obwohl sie nur aus Holz ist.

»Aber wie …?«, flüstere ich, während ich die Sachen an meine Brust drücke. Wir haben kein Geld für neue Kleidung, geschweige denn Masken. Für das Ritual habe ich eines von Mutters Kleidern abgeändert.

»Deine Mutter hat sie vor ihrem Tod heimlich für dich gemacht«, erklärt Vater, während er noch etwas aus dem Kasten holt.

»Mutters Lieblingskette!«, rufe ich aus. Aus meiner Kehle dringt ein ersticktes Schluchzen, als ich nach der zarten Kette mit dem goldenen Anhänger in Form einer Scheibe greife. Er ist mit einem vertrauten Zeichen verziert, das fast so aussieht wie das Kuru, das heilige Symbol der Sonne, aber da ist noch etwas anderes. Der Anhänger ist schon so abgenutzt, dass ich nie herausgefunden habe, was das Emblem bedeutet, nicht einmal nach all den Jahren. Mutter hat die Kette jeden Tag getragen, ohne Ausnahme.

Als ich daran denke, dass sie das alles schon vor so langer Zeit für mich vorbereitet hat, spüre ich ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Mit aller Kraft versuche ich, meine Tränen zu unterdrücken. Ich vermisse Mutter so sehr, ich vermisse ihre Stimme, ihren Geruch, die Art, wie sie immer gelächelt hat, wenn sie mich ansah.

Ich wische meine Tränen weg und schaue zu Vater.

»Sie hat mir aufgetragen, alles für dich aufzubewahren«, sagt er. Dann räuspert er sich. Farbe steigt ihm in die Wangen, als er noch etwas aus dem Kasten holt: einen Kranz aus frischen Blumen, deren kräftiges Rot im Licht schimmert. »Aber die Blumen sind von mir. Der Händler hat gesagt, dass sie lange halten werden.«

»Sie sind wunderschön.« Von Gefühlen überwältigt fange ich wieder an zu weinen. Es ist das erste Mal, dass ich so viele Geschenke bekomme. »Alles ist wunderschön. Sei vielmals gedankt, Vater.«

Vater tätschelt mir unbeholfen den Rücken. »Mach dich fertig. Heute wirst du allen zeigen, dass du dazugehörst.«

»Ja, Vater.«

Ich beeile mich und mit jeder Minute werde ich entschlossener. Ich werde es allen zeigen. Ich werde mein neues Kleid und den Blumenkranz tragen und wenn das Ritual zu Ende ist, werde ich meine neue Maske aufsetzen.

Bei dem Gedanken daran muss ich lächeln.

Es ist später Nachmittag, als wir beim Tempel ankommen. Auf dem Dorfplatz drängen sich die Leute – Gratulanten und neugierige Zuschauer rangeln um die besten Plätze, während sich die Mädchen in ihren blauen Gewändern vor der Treppe zum Tempel aufstellen, die Eltern links und rechts von sich. Vater nimmt seinen Platz neben mir in dem Moment ein, als die Trommeln ertönen. Die Jatu marschieren zur Treppe, daher muss die Ankunft des Ältesten Durkas unmittelbar bevorstehen. Ihre roten Rüstungen bilden einen schimmernden Kontrast zu dem Meer aus dunkelblauen Kleidern und im trüben Nachmittagslicht sieht es so aus, als würden ihre Kriegsmasken finstere Blicke in die Menge werfen. Die Masken ähneln der Fratze eines Dämons und können mit Leichtigkeit vom Helm genommen werden.

Da die Tore noch geschlossen sind, wandert mein Blick über die kahlen weißen Wände und das rote Dach des Tempels. Rot ist die Farbe der Unantastbarkeit. Es ist die Farbe, in der reine Mädchen bluten, wenn sie heute vom Ältesten Durkas geprüft werden.

Bitte lass mein Blut rot sein, bitte lass mein Blut rot sein, bete ich.

Ganz vorn in der Schlange vor dem Tempel entdecke ich Elfriede, die ziemlich verkrampft wirkt. Sie denkt jetzt bestimmt das Gleiche wie ich. Wie das aller anderen Mädchen ist auch ihr Gesicht zum letzten Mal unverhüllt und sie hat sich leicht vorgebeugt, um ihr Muttermal zu verbergen.

Mit einem lauten Knarren öffnen sich die Tempeltore und die Menge verstummt. Oben auf der Treppe erscheint der Älteste Durkas, dessen Gesicht den üblichen verkniffenen Ausdruck trägt. Wie die meisten Priester Oyomos hat er die Aufgabe, Unreinheit und Abartiges auszumerzen. Deshalb ist sein Körper auch so dünn und sein Blick so starr und angestrengt. Religiöser Eifer lässt nur wenig Raum für gute Mahlzeiten – oder irgendetwas anderes. Mitten auf seinem kahl rasierten Schädel prangt ein goldenes Tattoo, das das Kuru zeigt – das Symbol der Sonne.

Er hebt die Hände. »Der Unendliche Vater segne euch«, stimmt er an.

»Der Unendliche Vater segne uns.«

Die Antwort der Menge schallt über den Platz.

Der Älteste Durkas reckt das Zeremonienmesser gen Himmel. Es ist aus Elfenbein geschnitzt und schärfer als ein fein geschliffenes Schwert. »Und am vierten Tag«, verkündet er in der tiefen, dröhnenden Stimme, die er bei solch feierlichen Anlässen gern benutzt, »schuf er die Frau – eine Gefährtin, die dem Manne zu seinem ganzen Potenzial, zu seiner göttlichen Ehre verhelfen soll. Die Frau ist das größte Geschenk des Unendlichen Vaters an den Mann. Sie ist ihm Trost in dunkelster Stunde. Balsam in …«

Die Worte des Ältesten Durkas werden zu einem leisen Dröhnen, als es unter meiner Haut zu kribbeln beginnt. Plötzlich habe ich das Gefühl, als würde ich alles viel intensiver wahrnehmen: die Stille des Windes, das Knacken schmelzender Eiszapfen und irgendwo in weiter Ferne … das Knirschen schwerer Schritte auf Herbstlaub.

Da kommt etwas …, schießt es mir durch den Kopf.

Ich verdränge den Gedanken. Warum muss das ausgerechnet jetzt passieren?

Vater scheint aufgefallen zu sein, dass ich abgelenkt bin, denn er seufzt und starrt mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne. »Deka, deine Gedanken sind schon immer gern gewandert«, flüstert er leise, damit die anderen nicht bemerken, dass wir miteinander reden. »Genau wie bei deiner Mutter. Du bist ihr so ähnlich.«

Als seine Mundwinkel sich vor Trauer verziehen, starre ich ihn an. »Davon bekommst du Falten.«

Er lächelt und plötzlich sieht er wieder aus wie der kräftige Mann, der er einst war, bevor die roten Pocken und Mutters Tod einen Schatten seiner selbst aus ihm gemacht haben. »Das ist ein bisschen so, als würde der Fluss dem Bach vorwerfen, dass er zu schnell fließt. Findest du nicht auch?«, scherzt er, als die Schlange vor dem Tempel sich bewegt.

Ich nicke und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf die Tempeltreppe. Der Älteste Durkas hat sein Gebet beendet. Jetzt beginnt das Ritual der Reinheit.

Agda ist das erste Mädchen, das in den Tempel geht. Ihr Gesicht ist ganz blass vor Nervosität. Wird Oyomo ihr wohlgesonnen sein oder wird Er sie als beschmutzt beurteilen? Die Menschen beugen sich erwartungsvoll vor. Das Gemurmel, die geflüsterten Gespräche – alles wird leiser und verstummt schließlich, bis das Jaulen der Hunde und das Schnauben der Pferde in den nahen Ställen das Einzige ist, was man noch hört.

Augenblicke später dringt ein erschrockener Schrei aus dem Innern des Tempels. Gleich darauf kommt Agda heraus. Sie drückt sich ihren blauen Schal auf die Brust, an die Stelle, an der ihr der Älteste Durkas einen Schnitt mit dem Zeremonienmesser zugefügt hat. Als sie die oberste Stufe erreicht, zieht sie den Schal weg und hält ihn sich über den Kopf, damit alle das rote Blut darauf sehen können. Die Zuschauer jubeln erleichtert. Agda ist rein. Ihre Eltern eilen zu ihr und umarmen sie. Dann bindet ihr Vater stolz eine Maske um ihren Kopf, eine filigrane Halbmaske aus Gold in Form des zunehmenden Mondes, mit der ihre neue Weiblichkeit gefeiert wird. Agda wirft einen triumphierenden Blick in die Menge und als sie mich entdeckt, verziehen sich ihre Lippen zu einem selbstgefälligen Grinsen.

Während Agda die Treppe hinuntergeht, betritt das nächste Mädchen den Tempel und das Ritual der Reinheit wird fortgesetzt.

Ich richte meinen Blick auf das Tor. Sein Anblick – groß, rot und beeindruckend – macht mich nervös und sorgt dafür, dass sich mein Magen schmerzhaft zusammenzieht und meine Handflächen feucht werden. Das Kribbeln unter meiner Haut wird stärker, es ist jetzt ein leises Summen, bei dem ich Gänsehaut bekomme. Und ein weiteres Mal habe ich das Gefühl, meine Umgebung intensiver wahrzunehmen.

Da kommt etwas. Der Gedanke lässt alles andere wieder in den Hintergrund treten.

Das hat nichts zu bedeuten, sage ich mir. Ich hatte dieses Gefühl schon öfter und nie habe ich irgendetwas Sonderbares gesehen …

Das Grauen überfällt mich so plötzlich und heftig, dass ich weiche Knie bekomme. Ich ergreife Vaters Hand, um nicht zu stürzen. Er starrt mich voller Sorge an.

»Deka, geht es dir nicht gut?«

Ich antworte nicht. Die Angst hat mich gelähmt und ich kann nur hilflos zusehen, wie sich ein feiner Dunstfaden um Vaters Füße schlängelt. Bleiche Nebelschwaden wabern über den Platz und kühlen die Luft. Über uns verschwindet die Sonne, verjagt von den Wolken, die mit einem Mal über den Himmel ziehen.

Vater starrt nach oben. »Die Sonne ist nicht mehr da.«

Doch mein Blick hat sich vom Himmel losgerissen und ruht jetzt auf einer Stelle am Rand des Dorfes, wo die winterkahlen Bäume unter dem Gewicht von Schnee und Eis ächzen. Der Nebel kommt von dort und er riecht kalt und stechend. Und dann fällt mir noch etwas auf: ein hoher, schriller Ton, der an meinen Nerven zerrt.

Als aus dem Ton ein ohrenbetäubendes Kreischen wird, erstarren die Menschen wie gefrorene Statuen im Schnee. Ein geflüstertes Wort wird über den Platz getragen: »Todesrufer.«

Und dann ist der Bann gebrochen.

»Todesrufer!«, brüllt der Kommandant der Jatu, während er sein Schwert zieht. »Bewaffnet euch!«

Die Menge teilt sich. Die Männer rennen zu den Ställen, um ihre Waffen zu holen, die Frauen zerren ihre Kinder in die Häuser. Die Jatu stürmen an den Dorfbewohnern vorbei in Richtung Wald, wo riesige bleigraue Gestalten auftauchen und sich mit unmenschlichen Schreien ankündigen.

Der größte der Todesrufer ist der erste, der zwischen den Bäumen hervortritt. Er ist so mager, dass man fast die Knochen erkennen kann, und über sein Gesicht zieht sich eine lederartige Haut. Die zu Klauen verformten Hände reichen ihm bis knapp an die Knie und aus seiner Wirbelsäule ragen Knochenstacheln heraus. Er wirkt fast menschlich, mit schwarzen blinzelnden Augen und geschlitzten Nasenlöchern, die sich weit blähen, als sein Blick zum Dorf wandert. Er dreht sich zum Tempel hin, wo ich immer noch starr vor Schreck stehe und heftig keuchend nach Atem ringe.

Die Kreatur reißt den Mund auf und holt tief Luft.

Ein Schrei bohrt sich in meinen Schädel und weiß glühender Schmerz zuckt durch meinen Körper. Ich beiße die Zähne zusammen, meine Muskeln verkrampfen sich. Neben mir bricht Vater zusammen, Blut schießt ihm aus Nase und Ohren. Auch die anderen Dorfbewohner liegen am Boden und krümmen sich vor Qualen, das Gesicht vor Angst und Schrecken zu einer Grimasse verzerrt.

Außer mir stehen jetzt nur noch die Jatu, deren Helme mit einem speziellen Schallschutz gegen die Schreie der Todesrufer ausgerüstet sind. Trotzdem sind die Augen hinter den Kriegsmasken weit aufgerissen und die Hände an den Schwertern zittern. Die Jatu hier sind neu, es sind Rekruten, die gerade erst in die Garde aufgenommen wurden, wie Elfriede sagte. Sie haben noch nicht an den Grenzen im Süden gekämpft, wo die Todesrufer regelmäßig angreifen – und aller Wahrscheinlichkeit nach haben sie bis jetzt noch nie einen gesehen. Es wird ein Wunder sein, wenn einer von ihnen das hier überlebt.

Es wird ein Wunder sein, wenn einer von uns das hier überlebt.

Der Gedanke reißt mich aus meiner Starre und ich drehe mich zu Vater um. »Wir müssen fliehen!«, brülle ich.

Ich zerre so heftig an ihm, dass ich ihn fast vom Boden hebe. Angst hat mich unnatürlich stark gemacht. »Wir müssen von hier weg!«

Mein Blick wandert wieder zu dem Anführer der Todesrufer, dessen lange Haare sich wie Schlangen um seinen Kopf winden.

Er dreht sich zu mir, als würde er spüren, dass ich ihn beobachte, und unsere Blicke begegnen sich. In seinen schwarzen Augen erkenne ich … Intelligenz. Ich bekomme keine Luft mehr. Plötzlich erschlafft jeder Muskel in meinem Körper. Als ich mich wieder bewegen kann, ducke ich mich, doch da kommt der Todesrufer bereits auf mich zu – zusammen mit den anderen. Den vielen, vielen anderen. Sie treten aus dem Nebel heraus, hagere graue Gestalten, die vor Bosheit geradezu strotzen. Einige von ihnen lassen sich aus den Bäumen auf den Boden fallen und kriechen auf allen vieren. Ihre Klauen graben sich in den Schnee.

»Verteidigt das Dorf!«, brüllt der Kommandant der Jatu und hebt sein Schwert. »Für den Unendlichen Vater!«

»Für den Unendlichen Vater!«, erwidern die Jatu. Dann stürmen sie auf die Kreaturen zu.

Ein entsetzter Schrei dringt aus meiner Kehle, als Vater sich aufrappelt und zusammen mit den anderen Männern des Dorfes, die sich Taschentücher oder Gürtel um die Ohren binden, den Kampfruf der Jatu wiederholt.

»Lauf zum Tempel, Deka!«, brüllt er mir zu.

Der Kommandant der Jatu stürzt sich auf den Anführer der Todesrufer, doch die Kreatur weicht nicht zurück. Stattdessen bleibt sie stehen und legt den Kopf schief. Für einen Moment scheint Belustigung in ihren Augen aufzublitzen. Tödliche Belustigung. Dann bewegt sie sich und schleudert den Jatu mit einem plötzlichen Schlag quer über den Platz. Beim Aufprall brechen Knochen und es fließt Blut, viel Blut.

Das ist das Signal zum Angriff für die übrigen Todesrufer.

Sie rennen ins Dorf, durchschlagen mit Fäusten die Schilde der Jatu und schlitzen ihnen mit ihren messerscharfen Klauen den Bauch auf. Schreie hallen über den Platz, Blut spritzt, der Gestank von Urin liegt in der Luft. Die Jatu versuchen, sich zu wehren, aber es sind zu wenige, und sie haben nicht genug Erfahrung, um gegen diese Monster bestehen zu können.

Ich sehe schockiert zu. Als Glieder und Köpfe abgerissen werden, raubt das Grauen mir den Atem. Innerhalb weniger Minuten ist die gesamte Truppe der Jatu überwältigt und dann sind die Männer des Dorfes an der Reihe.

»Lasst sie nicht vorbei!«, brüllt der Älteste Martel, doch es ist bereits zu spät.

Die Todesrufer erreichen die Dorfbewohner, einige stürzen sich mit einem großen Sprung auf ihre Opfer, andere schlitzen sie mit Klauen und Zähnen auf. Je lauter die Schreie der Männer werden, desto wütender sind die Todesrufer. Auf dem weißen Schnee breiten sich immer mehr rote Blutlachen aus.

Es ist ein Gemetzel.

Ich drehe mich zu Vater. Er kämpft mit zwei anderen Dorfbewohnern zusammen gegen einen Todesrufer. Die Männer drängen die Kreatur mit Schwertern und Mistgabeln zurück. Den anderen Todesrufer, der im Blutrausch auf ihn zuläuft, sieht Vater nicht. Und er sieht auch nicht, dass das Ungeheuer die Klauen ausfährt und gleich zuschlagen wird.

»NEIN!« Der verzweifelte Schrei dringt aus meiner Kehle, bevor ich ihn unterdrücken kann, so laut und mächtig, als enthielte er noch etwas anderes. Etwas, das stärker ist. »HÖR AUF. BITTE! Lass meinen Vater in Ruhe! Lass uns in Ruhe!«

Die Todesrufer wenden sich zu mir, rasende Wut in den Augen. Die Zeit scheint stillzustehen, als ihr Anführer auf mich zusteuert. Er kommt näher, immer näher, bis …

»BLEIB STEHEN!«, schreie ich. Meine Stimme klingt noch mächtiger als zuvor.

Plötzlich erstarrt der Todesrufer und das Leben weicht aus seinen Augen. Für einen Moment wirkt er wie eine Hülle – kein lebendes Wesen, nur ein leeres Gefäß. Die anderen Todesrufer verhalten sich genauso, sie sind stumme Statuen im Licht des späten Nachmittags.

Stille legt sich über das Dorf. Ich kann meinen Herzschlag in meinen Ohren hören. Lauter. Immer lauter. Und dann …

Eine Bewegung.

Der Anführer der Todesrufer dreht sich um und taumelt auf den Wald zu. Die anderen folgen ihm. Der Nebel verschwindet mit ihnen und es dauert nicht einmal eine Minute, bis alle fort sind.

Ich bin wie berauscht vor Erleichterung und fühle mich, als würde ich auf einer Wolke schweben. Eine Art Benommenheit erfasst mich, die meinen Körper so leicht wie Wolle werden lässt.

Mit einem verzückten Lächeln auf den Lippen gehe ich auf Vater zu. Er steht immer noch an derselben Stelle, aber er scheint nicht so erleichtert zu sein wie ich. Sein Gesicht ist ganz blass und Schweiß glänzt auf seiner Haut. Er sieht aus, als hätte er … Angst.

»Vater?« Ich strecke die Hand nach ihm aus.

Zu meiner Überraschung weicht er zurück. »Du widerlicher Dämon!«, ruft er. »Was hast du mit meiner Tochter gemacht?«

»Vater?«, sage ich noch einmal. Ich gehe einen Schritt auf ihn zu und bin verwirrt, als er weiter zurückweicht.

»Nenn mich nicht so, du Ungeheuer!«, zischt er.

Inzwischen haben sich die anderen Männer um ihn versammelt. Die Frauen kommen zögernd aus den Häusern, unter ihnen Elfriede. Auf ihrem Gesicht liegt ein Ausdruck, den ich noch nie bei ihr gesehen habe. Auch sie hat Angst.

»Deine Augen, Deka. Was ist mit deinen Augen geschehen?«, sagt sie entsetzt.

Ihre Worte dringen durch den Nebel, der mich umgibt. Meine Augen? Ich will Vater fragen, was die Männer flüstern, aber er nickt jemandem zu, der hinter mir steht. Als ich mich umdrehe, sehe ich Ionas, der ein glänzendes Schwert in der Hand hält.

Ich starre ihn verwirrt an. Ist er gekommen, um mich zu beschützen, so wie heute Morgen?

»Ionas?«, frage ich.

Er rammt mir das Schwert in den Bauch. Der Schmerz ist so scharf, so heftig, dass ich kaum bemerke, wie Blut über meine Hände strömt.

Es ist rot … zuerst ist es rot, doch dann ändert sich die Farbe. Mein Blut beginnt zu glitzern. Nach wenigen Momenten ist aus dem Rot ein schimmerndes Gold geworden – dasselbe Gold, das sich jetzt langsam auf meiner gesamten Haut ausbreitet.

Dunkle Schatten legen sich auf meine Augen, als ich spüre, wie das Blut in meinen Adern zu fließen aufhört. Das Einzige, was sich jetzt noch bewegt, ist das Gold, das sich wie ein glänzender Fluss in meine Hände ergießt und über meine Haut gleitet.

»Wie ich schon die ganze Zeit vermutet hatte«, erklingt eine Stimme wie aus weiter Ferne. Als ich den Kopf hebe, sehe ich, dass der Älteste Durkas vor mir steht. Er macht einen zufriedenen Eindruck. »Sie ist unrein«, verkündet er.

Das ist das Letzte, was ich höre, bevor ich sterbe.

ls ich aufwache, ist es dunkel und sonderbar ruhig. Der Lärm und die Menschen auf dem Dorfplatz sind verschwunden, jetzt gibt es nur noch Schatten, Kälte und Stille.

Wo bin ich? Ich sehe mich um, während mein Atem in kurzen, heftigen Stößen kommt, und stelle fest, dass ich in einem Keller sein muss. Fässer mit Öl stehen ordentlich aufgereiht vor dunklen Steinwänden. Ich versuche, mich zu bewegen, aufzustehen, aber es gelingt mir nicht. Grob geschmiedete Fesseln aus Eisen hindern mich daran, ein Paar an meinen Knöcheln, ein zweites an meinen Handgelenken. Ich ziehe und zerre daran, wobei mein Atem immer mehr zu einem Keuchen wird, doch die Fesseln geben nicht nach. Sie sind mit Ketten in die Wand hinter mir eingelassen. In meiner Kehle bildet sich ein Schrei.

»Du bist wach.«

Ionas’ Stimme dringt durch meine Panik. Er steht in der Dunkelheit vor mir und mustert mich mit einem kalten, abschätzigen Blick, mit dem er sonst nur Bettler und Aussätzige bedenkt. Der Ausdruck auf seinem Gesicht ist so streng, dass ich erschrocken zurückweiche.

»Ionas«, stoße ich mit rauer Stimme hervor und zerre an meinen Fesseln. »Was ist passiert? Warum bin ich hier?«

Ionas verzieht angeekelt den Mund. »Du kannst mich sehen?«, fragt er. »Ja, natürlich kannst du mich sehen«, fügt er hinzu, als würde er mit sich selbst sprechen.

»Ich verstehe das alles nicht«, murmle ich, als ich mich aufsetze. »Warum bin ich hier? Warum bin ich angekettet?«

Ionas entzündet eine Fackel. Ihr Schein ist so grell, dass ich die Hand vor meine Augen halten muss. »Du kannst mich in völliger Dunkelheit sehen, trotzdem wagst du es, mich zu fragen, warum du hier bist?«

»Ich verstehe das alles nicht«, sage ich noch einmal. »In meinem Kopf ist alles so durcheinander.«

»Du musst dich doch daran erinnern, dass –«

»Sprich nicht mit der Kreatur!«, befiehlt eine kalte Stimme.

Vater taucht auf, ebenfalls mit einem harten Gesichtsausdruck. Bis jetzt wurde er durch eine Säule verdeckt, doch ich kann ihn sehen, klar und deutlich, trotz der Schatten, die in der Ecke des Raums lauern. Warum nur? Ionas hat nur eine Fackel entzündet. Mein Magen krampft sich schmerzhaft zusammen, als ich an Ionas’ Worte denken muss. Du kannst mich in völliger Dunkelheit sehen …

Vater nickt Ionas zu. »Hol die anderen.«

Ionas eilt eine Treppe hinauf. Ich bin mit Vater allein. Als er näher kommt, erkenne ich etwas Sonderbares in seinen Augen. Was ist das? Wut? Abscheu?

»Vater?«, flüstere ich, aber er antwortet nicht.

Er geht vor mir in die Hocke und sein Blick wandert über meinen Körper, bis er an meinem Bauch hängen bleibt. An der Stelle ist mein Kleid zerrissen und ich sehe meine nackte Haut. Ich versuche, sie mit der Hand zu verdecken, als ein verschwommenes Bild durch meine Gedanken huscht.

Was habe ich vergessen?

»Nicht einmal eine Narbe«, stellt Vater mit nüchterner Stimme fest. Er hält etwas in der Hand: Mutters Kette.

Er muss sie mir abgenommen haben, als ich schlief.

Eine Träne rollt über meine Wange.

»Vater?«, keuche ich. »Vater, was ist hier los? Warum bin ich hier?«

Ich strecke die Hand nach ihm aus, doch dann halte ich inne. Sein Gesicht ist so streng, so abweisend. Als würde er mich verabscheuen. Warum antwortet er mir nicht? Ich würde alles dafür geben, wenn er mich jetzt umarmen und sagen würde, dass sein kleines Mädchen keine Angst haben muss.

Aber er tut es nicht, er sieht mich nur an, mit dieser furchtbaren Abscheu in den Augen. »Es wäre besser gewesen, wenn du einfach gestorben wärst«, stößt er hervor.

Und dann erinnere ich mich.

Ich erinnere mich an das Ritual der Reinheit und daran, dass der Anführer der Todesrufer auf mich zugekommen ist. Daran, wie kalt seine schwarzen Augen waren, als sich unsere Blicke getroffen haben. Tränen fließen mir über das Gesicht, denn ich erinnere mich an die Jatu und den Kampf der Dorfbewohner. An Blut auf Schnee. An Vater, der in Gefahr war. Und an die Stimme, die aus mir herausdrang … diese grauenhafte, unmenschliche Stimme … gefolgt von dem Ausdruck in Vaters Augen, als er Ionas mit einem Nicken befahl, mir das Schwert in den Leib zu stoßen. Den Ausdruck, den ich erst verstand, als das goldene Blut an meinem Bauch hinablief.

»Nein …«, flüstere ich. Ein heftiges Schluchzen erschüttert meinen Körper. Fast kann ich die Klinge des Schwerts wieder spüren, die Dunkelheit fühlen, die danach über mich hereinbrach.

Ich bin so versunken in meinem Entsetzen, dass ich kaum bemerke, wie Schritte auf der Treppe erklingen, wie ein paar Gestalten auf mich zukommen. Erst nachdem sie sich ein paar Minuten nicht gerührt haben, hebe ich den Kopf und entdecke den Ältesten Durkas, der voller Inbrunst aus den Weisheiten des Unendlichen vorliest, den Ältesten Martel, der einen dicken Verband trägt, und die übrigen Dorfältesten, die stumm danebenstehen. Es sind nur fünf. Als ich mich frage, was aus den anderen geworden ist, schießt mir ein Bild durch den Kopf: zwei der Ältesten, deren Körper von den Klauen der Todesrufer zerfetzt werden. Mir wird übel.

Ich krümme mich zusammen, den sauren Geschmack von Erbrochenem auf meiner Zunge.

Der Älteste Durkas tritt vor und starrt mich voller Abscheu an. »Ich kann einfach nicht glauben, dass wir eine solche Kreatur in unserer Mitte geduldet haben.«

Seine Worte sorgen dafür, dass mir das Erbrochene im Hals stecken bleibt. Ich gehe auf die Knie und strecke ihm flehend die Hände entgegen. »Ältester Durkas, bitte, das ist ein Irrtum! Ich bin nicht unrein! Ich bin nicht unrein!«

Der Älteste Durkas ignoriert mich und richtet das Wort an die Männer. »Wer von Euch wird den Dämon richten und unser Dorf von dieser Missgeburt befreien?«

Seine Worte machen mir Angst. Ich flehe ihn noch einmal an. »Ältester Durkas, bitte! Bitte!«

Doch der Älteste sagt nichts. Er wendet sich an Vater, der mich anstarrt. In seinen Augen stehen Zweifel.

»Denk daran, das hier ist nicht deine Tochter«, mahnt der Älteste Durkas. »Sie sieht zwar aus wie ein Mensch, aber das ist der Dämon, der von ihr Besitz ergriffen hat – der Dämon, der die Todesrufer in unser Dorf gelockt und unsere Familien getötet hat.«

Ich soll die Todesrufer angelockt haben? Als ich das höre, schnürt es mir die Kehle zu. »Das habe ich nicht getan!«, protestiere ich. »Ich habe die Todesrufer nicht angelockt.«

Der Älteste Durkas fährt einfach fort, mit Vater zu sprechen. »Du hast diese Missgeburt in unser Dorf gebracht. Es ist deine Pflicht, sie zu reinigen.«

Zu meinem Entsetzen nickt Vater. Dann tritt er vor und streckt die Hand aus. Ionas gibt ihm ein Schwert.

Als die Klinge im schwachen Licht der Fackel aufblitzt, steigt meine Angst ins Unermessliche. Ich drücke mich gegen die Wand. »Vater, nicht! Bitte nicht.«

Doch Vater ignoriert mein Flehen und kommt auf mich zu, bis er direkt vor mir steht und die Spitze des Schwerts meinen Hals berührt. Es ist so kalt, so eiskalt … Ich hebe den Kopf und sehe Vater an, versuche, in ihm den Mann zu erkennen, der mich einst auf seinen Schultern getragen und den letzten Schluck Milch für mich zur Seite gestellt hat, weil er wusste, dass ich sie so gern mochte.

»Vater, bitte, tu das nicht!«, bettle ich unter Tränen. »Ich bin deine Tochter. Ich bin Deka, deine Deka. Weißt du nicht mehr?«

Für einen Moment blitzt etwas in seinen Augen auf. Bedauern …

»Tu es oder die Jatu werden dich und den Rest deiner Familie mitnehmen«, zischt der Älteste Durkas.

Vater schließt die Augen und presst seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Ich reinige dich im Namen Oyomos«, verkündet er und hebt das Schwert.

»Vater, nein –«

Die Klinge gleitet durch meinen Hals.

Ich bin ein Dämon.

Ich weiß es in dem Moment, als ich die Augen aufmache. Ich bin immer noch im Keller an die Wand gekettet, aber mein Körper ist unversehrt. Auf meiner Haut ist keine einzige Narbe zu finden, kein einziger Makel – nicht einmal an der Stelle meines Halses, an der Vater mich geköpft hat. Ich berühre sie mit der Hand und ein ersticktes Schluchzen bricht aus mir heraus, als ich die glatte, weiche Haut unter meinen Fingern spüre. Es scheint so, als wäre ich wiedergeboren worden. Selbst die Narben aus meiner Kindheit sind verschwunden.

Schnell knie ich mich hin und beuge den Kopf zum Gebet. Unendlicher Vater, bitte verlass mich nicht. Ich flehe dich an. Befreie mich von dem Bösen, das von mir Besitz ergriffen hat. Bitte, bitte, bitte …

»Er wird dein Gebet nicht erhören«, sagt der Älteste Martel aus der Ecke. Offenbar ist er an der Reihe damit, mich zu bewachen. Doch im Gegensatz zu den anderen scheint er von mir eher fasziniert als angewidert zu sein. »Er hat dir bereits zweimal den Zutritt zu seinem Nachland verwehrt.«

Seine Worte bohren sich wie Pfeile in mein Herz. »Weil ich ein Dämon bin«, flüstere ich. Entsetzen und Abscheu hinterlassen einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge.

»Genau.« Der Älteste Martel macht sich nicht die Mühe, seine Antwort zu beschönigen.

Das muss er auch nicht. Was für eine verfluchte Kreatur überlebt es, wenn man sie enthauptet? Selbst die Todesrufer stehen nicht mehr auf, wenn man ihnen den Kopf abschlägt. Bei der Erinnerung schließe ich die Augen und versuche, die aufsteigende Panik in mir zu unterdrücken.

»Wo ist Vater?«, will ich wissen.

Der Älteste zuckt mit den Schultern. »Er liegt krank im Bett.«

Der Ton in seiner Stimme lässt mich erstarren. »Seit wann?«

»Seit fünf Tagen, als die Fasern in deinem Hals länger wurden und dein Kopf wieder am Körper festgewachsen ist.«

Ich beginne zu würgen und muss mich übergeben, doch es ist nicht mehr viel in meinem Magen, nur Wasser und Galle. Als ich fertig bin, wische ich mir mit der Hand über die Lippen und versuche, die Bilder in meinem Kopf und meine Schuldgefühle zu verdrängen.

In all den Jahren hat Vater klaglos ertragen, dass man ihn verhöhnte und ausschloss – um meinetwillen. Er hat auf den Tag gewartet, an dem ich mich als rein erweisen und jeder den Beweis dafür haben würde, dass ich zum Dorf gehöre. Aber ich bin genau das, was man immer von mir behauptet hat, nur schlimmer – viel, viel schlimmer.

Heiße Tränen laufen mir über die Wangen und meine Hände beginnen zu zittern.

Der Älteste Martel starrt mich immer noch an. »Deine Freundin Elfriede ist rein, für den Fall, dass dich das interessiert«, sagt er. »Wir beobachten sie trotzdem. Sie hat viel Zeit mit dir verbracht. Man weiß nie, ob so etwas ansteckend ist.«

Seine Worte treffen mich bis ins Mark. »Sie ist unschuldig«, flüstere ich entsetzt. Ich habe die Todesrufer gehört. Ich habe ihnen Befehle gegeben … »Elfriede hat nichts damit zu tun.«

Der Älteste Martel zuckt mit den Schultern. »Vielleicht. Das wird sich zeigen.«

Seine gleichgültige Antwort jagt mir Angst ein, aber darüber kann ich mir jetzt keine Gedanken machen.

»Vater«, erinnere ich den Ältesten. »Wie geht es ihm?«

»Er hat nicht mehr lange zu leben. Und daran bist du schuld, weil du einfach nicht stirbst«, fügt er demonstrativ hinzu.

Ich krümme mich zusammen. Die Scham und Schuldgefühle fühlen sich an, als hätte mir jemand einen Schlag in den Magen versetzt. Jetzt verstehe ich, warum der Älteste Martel hier ist – warum die anderen dafür gesorgt haben, dass er Vaters Platz einnimmt. Er hat ein besonderes Talent dafür, Leute zu beeinflussen. Bevor er Dorfvorsteher wurde, war er ein sehr erfolgreicher Händler. Es gelang ihm stets, den Kunden seinen Willen aufzuzwingen.

Bei mir kann er sich die Mühe sparen. Ich starre auf die Adern unter meiner Haut. Mein Magen krampft sich wieder zusammen, als ich das Gold sehe, das in ihnen schimmert. Die dämonische Substanz, die mich als unrein kennzeichnet. Ich will mir meine Adern herausreißen, will sie aufschlitzen, damit sie verschwindet.

Plötzlich muss ich an die Dorfbewohner denken, die sich in ihren Häusern verstecken, und an Vater, der auf seinem Krankenbett liegt. Und sogar an Elfriede. Ich kann mich noch sehr gut an die Angst in ihren Augen erinnern, als sie mich angesehen hat. An die Abscheu. Was wird geschehen, wenn der Dämon in mir wieder erwacht? Was wird geschehen, wenn er beschließt, um sich zu schlagen? Das Dorf anzugreifen?

Die vielen toten Dorfbewohner, die im Schnee lagen …

Keuchend ringe ich nach Luft. Ich versuche zu atmen, mich Oyomos Gnade hinzugeben. Der Älteste Durkas hat zu uns gesagt, sie sei immer da, aber nur, wenn wir danach strebten – wenn wir uns Seinem Willen unterwürfen.

Ich werde mich unterwerfen. Ich werde alles tun, um mich von der Unreinheit und meinen Sünden zu befreien.

Schließlich hebe ich den Kopf und sehe den Ältesten Martel an. »Tötet mich«, flüstere ich. Tränen laufen mir über die Wangen. »Ihr wisst doch bestimmt, wie es gelingen kann. Ich bin eine Missgeburt unter den Augen Oyomos. Ich bin eine Missgeburt.«

Ein Lächeln umspielt die Lippen des Ältesten Martel. Sieg. »Man sagt, Feuer sei reinigend für den Geist«, murmelt er. Dann nimmt er eine Fackel von der Wand und starrt vielsagend in die Flamme.

Wieder will mir ein Schrei entrinnen, doch ich unterdrücke ihn. Es wird alles gut, sage ich mir. Ich muss mich nur fügen, die Flammen ertragen und vielleicht wird Oyomo mir dann meine Unreinheit vergeben.

Ich weiß bereits in dem Moment, als ich das denke, dass es eine Lüge ist. Feuer wird mich nicht töten können. Vielleicht wird mich nichts töten können. Selbst dann muss ich es versuchen – ich muss mich fügen und den Schmerz ertragen, bis Oyomo mir Seine Gnade zuteilwerden lässt. Oder bis Er Erbarmen mit mir hat und mich sterben lässt.

Klick. Klick. Klick.

Das durchdringende Pochen will einfach nicht aufhören.

Als ich benommen die Augen aufschlage, sehe ich eine Frau vor mir sitzen. Sie ist klein und zierlich und trägt ein schwarzes Gewand, das sie von Kopf bis Fuß verhüllt. Auch ihre Hände sind bedeckt, mit weißen knochenähnlichen Handschuhen – Panzerhandschuhe. An den Fingerspitzen sind sie mit scharfen Klauen versehen, die in der Dunkelheit des Kellers schimmern. Fast könnte man glauben, sie hätte die weißen Hände eines Geistes. Weißhand … Ja, vielleicht werde ich sie so nennen.

Als Weißhand bemerkt, dass ich sie anstarre, hört sie auf, mit den Fingern zu trommeln. Unter der Kapuze ihres Gewands glänzt eine Halbmaske aus Holz, die Fratze eines Dämons, der das Maul aufreißt. Ich blinzle verwirrt. Sie sieht fast so aus wie eine Kriegsmaske, aber solche Masken tragen nur Männer. Ist das vielleicht ein Albtraum? Ein Fiebertraum? Bitte, lass sie ein Traum sein. Bitte, nicht noch mehr Schmerzen – nicht noch mehr Blut.

Goldene Flüsse, die sich auf den Boden ergießen …

Unsichtbare Klingen schneiden mir ins Kinn und in den Hals.

»Nein, nein, du wirst mich nicht ignorieren, Alaki«, sagt Weißhand mit melodischer Stimme und einem starken Akzent.

Ich schnappe nach Luft und weiche vor den Panzerhandschuhen zurück. Das ist kein Traum, sie ist wirklich hier! Von ihrem Umhang geht ein Geruch von Eis und Tannenbäumen aus, der den allgegenwärtigen Gestank nach verbranntem Fleisch, geschmolzenem Fett und verkohlten Knochen im Keller vertreibt. Als ich tief einatme und den Duft genieße, hockt sich Weißhand vor mich und starrt mich eindringlich an. Angst überfällt mich.

Ihre Augen sind so dunkel. Das letzte Mal habe ich so dunkle Augen bei dem Todesrufer gesehen, aber bei ihm gab es kein Weiß um die Pupillen.

Weißhand ist menschlich. Doch das ist kein Trost für mich.

»Du bist wach. Gut«, murmelt sie. »Aber bist du auch bei klarem Verstand?«

Ich blinzle.

Weißhand schlägt mich so heftig ins Gesicht, dass mein Kopf nach hinten geschleudert wird. Schockiert berühre ich meine Wange und dann packt sie mich mit ihren Klauen wieder am Kinn. »Bist. Du. Bei. Klarem. Verstand. Alaki?«

Da ist dieses Wort wieder. A-la-ki. Ich spreche es in Gedanken aus, konzentriere mich auf seinen harten, fremden Klang, als ich mich aufsetze.

»Ja«, krächze ich und fahre mir mit der Zunge über die Lippen. Meine Stimme ist rau, meine Zunge trockener als unser See im Hochsommer. Ich habe seit Tagen kein Wort mehr gesagt … oder sind es Wochen gewesen? Monate? Wie lange bin ich schon hier? Meine Erinnerungen verschwimmen in einem Meer aus Blut und Gewalt – Gold, das auf den Steinplatten schimmert, als das Schwert erneut niedersaust, durch Muskeln, die wieder zusammenwachsen, durch Sehnen, die sich wieder verbinden …

Die Ältesten bringen Eimer herbei, in ihren Augen steht die Gier nach Gold. Sie werden mich wieder zerstückeln, sie werden mich wieder in Stücke reißen, um das Gold zu sammeln, das in meinen Adern fließt. Ein Schrei dringt aus meiner Kehle, schrill, verwirrt. Er mischt sich in meine Gebete. Bitte vergib mir. Ich wollte nicht sündigen. Ich habe nicht gewusst, dass mein Blut unrein ist. Bitte vergib mir.

Und dann die eisige Kälte des Messers, das mir die Zunge abschneidet …

Weißhand klickt mit ihren Klauen. »Nein, nicht wieder ohnmächtig werden.« Sie holt ein kleines Glasfläschchen aus ihrem Umhang und hält es mir unter die Nase.

Ein beißender Geruch steigt mir in die Nasenlöcher. Mit einem Ruck fahre ich hoch und blinzle heftig, während die Erinnerungen sich wieder in ihre dunklen Ecken zurückziehen. Weißhand will mir die Ampulle ein zweites Mal aufzwingen, doch ich drehe schnell den Kopf weg.

»Ich bin wach, ich bin wach«, stoße ich mit rauer Stimme hervor.

»Gut«, sagt sie. »Ich mag es nicht, wenn ich von Alaki ignoriert werde.«

»Alaki?«, wiederhole ich.

»Es bedeutet wertlos, unerwünscht. So wird deinesgleichen genannt.« Weißhand starrt mich an. Ich kann fast spüren, wie sie unter ihrer Kapuze die Stirn runzelt. »Du weißt nicht, was du bist?«

Ich versuche zu verstehen, was sie da sagt. »Ich bin unrein«, erwidere ich. Vor meinem inneren Auge sehe ich wieder die Flüsse aus goldenem Blut.

Meine Antwort scheint Weißhand zu belustigen. »Zweifelsohne, aber das erklärt noch nicht ganz, was du bist.«

In mir regt sich etwas, eine Art Echo, das sich fast wie Neugierde anfühlt. »Was bin ich?«, frage ich. »Und was meint Ihr mit meinesgleichen?« Meint sie andere unreine Mädchen, die, die hier unten gestorben sind?