Die Häuptlingstochter - Alina Nayyar - E-Book

Die Häuptlingstochter E-Book

Alina Nayyar

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Beschreibung

Amira und ihr Papa sind ein Herz und eine Seele. Bis ein schrecklicher Fehler die beiden zerreißt und ihre besondere Bindung auf eine harte Probe stellt. Als Kind erzählte er ihr Gute Nacht Geschichten darüber, dass er im 19. Jahrhundert als Häuptling, die Indianer und Cowboys miteinander verband und sie wegen ihm ihren jahrelangen Krieg beendeten. Doch was ist, wenn diese Geschichten plötzlich wahr werden? Plötzlich finden die beiden sich im 19. Jahrhundert wieder, in der Zeit der Cowboys und Indianer. Um zurück nach Hause in die Gegenwart zu kommen, müssen sie lernen einander zu vertrauen und die besondere Bindung zurückgewinnen, die sie einst verloren haben.

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Seitenzahl: 176

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TRIGGERWARNUNG

Ich wünsche mir von Herzen, dass du ein schönes Leseerlebnis hast. Da mir deine mentale Gesundheit am Herzen liegt, möchte ich dich hier auf ein paar Elemente aufmerksam machen, die triggern und aufwühlen können.

Diese findest du auf den letzten Seiten des Buches.

Hinweis: Dieser Roman enthält fiktive Personen, Handlungen und Orte. Jegliche Ähnlichkeiten mit realen Personen, lebendig oder verstorben, sind rein zufällig. Die Ereignisse und Situationen, die im Buch beschrieben werden, sind reine Produkte der Fantasie des Autors/der Autorin. Die Verwendung von realen Ortsnamen oder historischen Referenzen dient lediglich dem Zweck der atmosphärischen Gestaltung und sollte nicht als Verbindung zu tatsächlichen Ereignissen oder Orten betrachtet werden. In diesem Buch soll nichts romantisiert werden. Es geht darum, dass jeder Konflikt mit Frieden enden sollte und Krieg niemals die Lösung ist.

Für Mama & meinen Mann, meine Wegbegleiter & größten Stützen in diesem Leben. Nichts wäre Dank genug für alles was ihr für mich getan habt. Ich liebe euch mehr als Worte jemals sagen könnten.

Für meinen Papa, der Indianer, der ein Cowboy war & meine Kindheit magisch machte. Danke, dass ich deine Häuptlingstochter bin.

Für das kleine Mädchen, das ich war und immer ein Teil von mir sein wird.

Und für euch, alle Häuptlingstöchter und –Söhne. Eure Geschichten sind Heldengeschichten.

PLAYLIST

I made it – Tones and I

Whisper my name- Randy Travis

Run – George Strait

Diggin‘ up bones- Randy Travis

Little past little rock- Lee Ann Womack

Ich wünschte du könntest das sehen- Dimi Rompos

You let me walk alone- Michael Schulte

Forever and ever – Randy Travis

Someone you loved- Lewis Capaldi

Unstoppable – Sia

Der ewige Kreis – Jocelyn B-Smith

Look Heart, no Hands- Randy Travis

Deeper than the Holler- Randy Travis

Das Farbenspiel des Winds- Alexandra Wilcke

Fast Car- Tracy Chapman

Love is a compass-Griff

Come Alive – Greatest Showman

Say something – A great big world

I lived- One republic

Time marches on- Tracy Lawrence

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

REZEPTE

Maistopf

Maisbrot

Chili con Carne

Typisches Cowboy-Frühstück im 19.Jahrhundert

Chuckwagon Stew (Cowboy Eintopf)

Prolog

Der Indianer, der ein Cowboy war.

,,Papa, bringst du mich heute wieder ins Bett?’’ sagte das kleine Mädchen.

,,Aber natürlich! Ich bin schließlich dein Papa, das ist meine Aufgabe.’’

Das Mädchen jubelte und rannte so schnell es konnte ins Bad um sich schnellstmöglich bettfertig zu machen. Sie liebte es, wenn ihr Papa sie ins Bett brachte und ihr Gute Nacht Geschichten erzählte. Eine Geschichte liebte sie ganz besonders.

Keine fünf Minuten später kam das Mädchen aus dem Bad und rannte in ihr Zimmer. Ihr Papa wartete bereits auf ihrem Bett.

,,Komm, krabbel ins Bett’’ sagte der Papa liebevoll. Die Mama des kleinen Mädchens stand im Türrahmen und lächelte. ,,Na, erzählst du ihr wieder die Geschichte?’’

Das kleine Mädchen unterbrach den Vater, der gerade antworten wollte ,,Jaaaaa, bitte bitte bitte. Ich möchte die Geschichte hören. Die mit den Cowboys und den Indianern. Die Geschichte über dich.’’

,,Na klar erzähle ich sie dir. Du musst die ja offensichtlich auch noch eine Million mal hören.’’

Er lachte und insgeheim war er dankbar diese Geschichte so gut wie jeden Abend erzählen zu können, denn es war auch seine Lieblingsgeschichte. Eine Geschichte, in der er der Held war.

,,Okay bereit?’’

Das kleine Mädchen nickte eifrig.

,,Na gut’’ Der Vater begann zu erzählen. ,,Vor sehr sehr langer Zeit, weit vor deiner Geburt, da gab es eine Zeit, in der die Cowboys und Indianer lebten. Und ich war der Häuptling der Indianer.

Die Indianer gab es schon lange bevor es die Cowboys gab. Doch im 19.Jahrhundert trafen diese beiden aufeinander. Die Indianer waren sehr spirituell. Sie glaubten an Geister und an die Macht der Natur. Sie waren der Überzeugung, dass eine Pfeife oder ein bestimmter Tanz ihnen Heilung gab. Kräuter benutzten sie als Medizin für die Kranken. Sie glaubten fest daran. Während die Indianer in die Natur und Geister vertrauten, glaubten Cowboys nur an Dinge, die sie sehen und anfassen konnten.

Sie hatten eine andere Meinung über das Leben. Die Indianer suchten den Sinn des Lebens. Die Cowboys wollten vor allem eins. Sie wollten überleben.

Deswegen wirkten die Indianer auf die Cowboys sehr naiv und teilweise auch verrückt.

Außerdem wollten die Cowboys das Land für sich. Und sie wollten die Indianer zwingen, so zu leben wie sie, weil sie glaubten, dass ihr Lebensweg der Richtige sei. Die Lebensweise der Indianer haben sie einfach nicht verstehen können. Genauso anders herum. Für die Indianer waren die Cowboys viel zu materiell und gefühllos. Ihre Herzen waren verschlossen. Auch in ihrem Umgang mit Tieren unterschieden sie sich. Während die Cowboys ihre Pferde beispielsweise als Nutztiere ansahen, hat der Indianer ihre Seelen gesehen und sie als Freunde behandelt.

All das führte zu Streit. Und bald darauf entstand ein Krieg zwischen den beiden. Als Häuptling war es meine Pflicht, diesen Streit wieder zu beenden. Sie sollten in Frieden miteinander leben und Freunde sein. Sie konnten soviel voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen, doch waren sie nicht in der Lage, das zu sehen. Ich machte es mir also zur Aufgabe, ihnen die Augen zu öffnen.

Ich wollte, dass die Cowboys mir vertrauten und mich als Freund ansehen.

So entschied ich mich das Gespräch zu suchen. Sie sagten mir, ich solle erstmal verstehen, warum sie denn so leben wie sie leben.

Und genau das tat ich. Ich öffnete mich ihnen gegenüber und war bereit alles zu lernen, was sie mich lehrten. Nach ein paar Tagen wurde ich zu einem richtigen Cowboy. Ich bekam eine Waffe, meine eigenen Stiefel und einen echten Cowboy-Hut.

Sie nahmen mich auf und ich empfand tiefe Dankbarkeit für ihre Freundschaft.

Sie erklärten mir wieso sie so misstrauisch und kalt wurden. Eines Tages waren sie mit ihrer Rinderherde unterwegs zu einer neuen Farm.

Es war ein langer Ritt und deswegen entschieden sie sich niederzulassen und am nächsten Morgen weiter zu reiten.

In der Nacht geschah es, dass sie von Dieben überrascht wurden. Sie stahlen ihre Rinder und ihr Essen. Auch ihre Waffen nahmen sie mit.

Von jetzt auf gleich wurde den Cowboys alles genommen und sie mussten um ihr Überleben kämpfen. Doch die Diebe nahmen ihnen nicht nur ihren Besitz, sondern etwas viel wichtigeres. Ihr Vertrauen an das Gute.

Und So kam es, dass Sie ihre Herzen verschlossen haben. Niemand sollte ihnen jemals wieder wehtun können. Deswegen waren sie den Indianern gegenüber auch so feindselig. Sie hatten verlernt zu vertrauen.

Nachdem ich verstanden habe, wieso die Cowboys so lebten und fühlten, wie sie es eben taten, überredete ich sie, mich zu begleiten. Ich wollte, dass sie nun auch die Lebensweise der Indianer verstehen. Sie waren einverstanden und ließen sich darauf ein.

Die Indianer haben den Cowboys erklärt, wie sie ihre Heilkräuter herstellen und wie sie es schafften, ihre Stammesmitglieder mit der Macht der Natur und dem Schutz der Geister zu heilen. Die Cowboys waren fasziniert. Sie sahen zu, wie eine Schnittwunde mit der Hilfe von Kräutern nach ein paar Tagen gänzlich verheilt war.

Auch im Umgang mit den Tieren halfen die Indianer. Ein Tier hat eine Seele. Genau wie wir Menschen. Die Cowboys lernten, wie sie Tiere mit Respekt behandelten, wie sie gestreichelt werden und haben angefangen, eine echte Bindung aufzubauen.

So begann es, dass auch die Indianer Interesse daran hatten, was sie von den Cowboys lernen können. Sie lehrten einander.

Beide haben ihr Herz geöffnet und sind sich mit Respekt begegnet. Und aus ihren anfänglichen Kriegen wurde am Ende eine tiefe Freundschaft.‘‘

Das Mädchen saß, wie jeden Abend, mit gespannten Augen und offenem Mund auf ihrem Bett. Sie war jedes Mal sprachlos, wenn er ihr erzählte, wie er den Streit zwischen den Cowboys und den Indianern schlichten konnte, weil er der Häuptling war und ein reines, großes Herz hatte. Er war ein Indianer, der ein Cowboy war. In seiner Brust schlugen zwei Herzen.

Der Vater fragte seine Tochter ,,Und? Was hast du aus der Geschichte gelernt? Du darfst niemals dein Herz verschließen. Es mag sein, dass dir jemand weh tut und du dein Vertrauen verlierst. Aber sei sicher, es gibt Menschen, die dich gerne haben und denen du mit ganzem Herzen vertrauen kannst. Und wenn du dich verschließt, verpasst du unglaubliche Freundschaften und Bindungen.’’

Das Mädchen sagte ,,Woooah Papa, du bist der größte Held, den es gibt. Ohne dich würden sie immer noch streiten. Und du warst so mutig. Die Cowboys hätten dir weh tun können.‘‘

Der Vater antwortete ,,Ich bin halt dein Papa. Und dein Papa ist furchtlos. So, Prinzessin, jetzt aber schlafen.’’

Das Mädchen schmollte. Eine Sache wollte sie aber noch wissen.

,,Duuu Papa? Wenn du der Häuptling bist, dann bin ich doch deine Häuptlingstochter, oder?’’

Der Papa antwortete: ,,Genau das bist du. Meine Häuptlingstochter. Ich verspreche dir, dass du das für immer sein wirst.’’

Das Mädchen strahlte voller Stolz ihren Papa an. Dann legte sie sich hin. Nachdem ihr Papa ihr einen Gute Nacht Kuss gab, schlief sie ein und träumte von Indianern und Cowboys. So wie jede Nacht.

Ihr fragt euch, wer das kleine Mädchen ist? Das bin ich. Ich bin die Häuptlingstochter und das ist meine Geschichte

1

Ich liebe Sonntage. Alles ist still und hält den Atem an. Körper und Seele haben die Chance sich von anstrengenden Tagen zu erholen.

Und das Beste daran ist, dass man sich überhaupt nicht schlecht fühlen muss, wenn man einfach mal nichts tut.

Sonntage sind in unserer Familie immer die Tage, an denen wir gemeinsam frühstücken und fernsehen.

Als ich noch klein war, haben mein Papa und ich jeden Sonntag gemeinsam verbracht. Das war der Tag in der Woche, in der er sich besonders viel Zeit genommen und das Büro zugelassen hat. Meine Eltern sind seit vielen Jahren selbstständig. Sie haben ein sehr erfolgreiches Unternehmen in der Süßigkeitenproduktion.

Sie haben schon immer sehr hart dafür gearbeitet und ich würde sagen, sie haben es definitiv geschafft. Ich bin sorglos groß geworden und wir hatten niemals Geldprobleme. Dafür bin ich wirklich unglaublich dankbar. Trotz der vielen Zeit, die sie natürlich ins Unternehmen investierten, haben sie immer reichlich Zeit für mich gehabt.

Jedenfalls sind wir immer gemeinsam mit einem großen Frühstück in den Tag gestartet. Dabei durfte natürlich Papas weltberühmter Cowboy-Toast nicht fehlen. Das hört sich spannender an, als es tatsächlich ist. Im Endeffekt ist es nur ein Toast, der in Butter gebraten wird. Als Kind fand ich es dafür umso spannender. Nach dem Frühstück gab es ein paar Folgen meines Kindheitshelden Darkwing Duck. Gegen Abend haben mein Papa und ich oftmals eine Spritztour zur nächsten Tankstelle gemacht. Dort durfte ich mir immer eine Wundertüte und eine Schachtel Schokoladenzigaretten aussuchen. Heute würde vermutlich jeder schreien, dass man das Kind damit zu einer späteren Zigarettensucht erziehen würde. Für mich ist das absoluter Humbug. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht einmal an einer Zigarette gezogen.

Als wir dann wieder Zuhause waren, haben wir das Auto gegen die Fahrräder getauscht und haben eine ausgiebige Radtour durch den Wald gemacht.

Wir leben sehr ländlich. In der umliegenden Gegend gibt es sehr viele Wälder und gegenüber von unserem Haus liegen große Felder. Später am Abend bin ich meistens auf der Couch vor dem Fernseher eingeschlafen und Papa hat mich ins Bett getragen. Ich weiß noch, dass ich mir als Kind immer gewünscht habe niemals größer zu werden, damit mein Papa mich für immer jeden Abend ins Bett tragen kann.

Zum Einschlafen hat er mir spannende, wenn auch unglaubwürdige, Gute Nacht Geschichten erzählt, die ich damals natürlich alle geglaubt habe. Ich habe diese Geschichten unendlich geliebt. Sie waren etwas Besonderes für mich. Ich glaube, er wollte einfach, dass ich ihn für immer als meinen Helden ansehe.

Da braucht er sich überhaupt keine Gedanken machen. Für mich ist er der Indianer, der der ein Cowboy war. Er hat unser Haus mit Country-Musik gefüllt und uns alle mit seiner Liebe für Amerika angesteckt. Jedes Mal wenn wir in den Urlaub gefahren sind, war Randy Travis am Start. Diggin up bones, Forever and ever, Look heart no hands und Whisper my name durften bei keiner Reise fehlen. Ach. Und natürlich George Strait. Zwischendurch war mein Papa ein großer Fan von Willie Nelson und Norah Jones. Eine kurze Fehlleitung, aber er kehrte schnell zurück.

Was ich jedoch sehr spannend fand war, dass er neben seiner Country-Musik Affinität, auch einen großen Spaß an Hip Hop Musik fand. P.Diddy und Ja Rule wurden seine Alltagshelden.

Und sehr schnell auch meine. Eine Zeit lang habe ich sogar gedacht, dass mein Papa P.Diddy ist, da er auch immer einen Zahnstocher bei sich trug. Verrückt.

Die Beziehung zwischen meinem Vater und mir war besonders. Nicht von dieser Erde.

Ich kam auf diese Welt und musste meinen Seelenverwandten nicht suchen. Denn ich hatte ihn schon. Meinen Vater.

Er hat mir immer erzählt, dass er einen Teil seiner Seele mir noch vor meiner Geburt geschenkt hat. Er war sich sicher, dass ich etwas Besonderes werde und unsere Bindung unerklärlich sein würde. Und was soll ich sagen? Er hatte Recht.

Nicht falsch verstehen, ich liebe meine Mama. Sie ist der einzige Mensch, der mich noch nie im Stich gelassen hat. Sie liebt mich bedingungslos und sie ist mir immer die größte Stütze. Ihre Ratschläge sind goldwert. Aber während meine Mama mir immer dazu verhalf, logisch zu denken und doch nun endlich mal meinen Kopf einzuschalten, riet mein Papa mir immer dazu auf mein Herz zu hören. Sie haben mir beide sozusagen beigebracht meinem Herzen zu folgen, aber dabei meinen Kopf zu benutzen.

Ich vermisse diese Zeit. Ich vermisse die Sonntage, an denen wir einfach nur Familie waren. Niemand musste ins Büro, ich durfte Kind sein, egal wie alt ich war.

Diese Zeit war heilig und unbefleckt.

Wie gerne würde ich die Zeit zurückdrehen, nur um noch einmal einen unbeschwerten Tag mit der Familie zu verbringen. Bevor alles in die Brüche ging, bevor wir keine Familie mehr waren und bevor ich den wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren habe. Wie sehr würde ich mir wünschen, dass es immer noch genauso wäre, wie in meinen Vorstellungen.

Plötzlich riss mich ein lautes euphorisches Rufen aus meinen Tagträumen.

Es war Jakob.

2

,,Schatz, ich habe uns Tickets gekauft für das Western Festival in Hagen‘‘, schrie er mir entgegen.

,,Ich dachte es wäre bestimmt schön, wenn wir heute etwas unternehmen. Weißt du, weil heute an sich ein schwieriger Tag ist und deswegen dachte ich, ich lenke dich ab. Es sei denn du willst darüber reden und den Tränen freien Lauf lassen. Auch das ist sehr wichtig! Das können wir natürlich auch machen. Du weißt, ich bin für dich da.’’

Ich schenkte ihm ein liebevolles Lächeln.

Jakob war mein Freund. Wir waren schon 6 Jahre zusammen und ganz ehrlich, er war die größte Stütze in meinem Leben. Er war so warmherzig und hatte den besten Humor. Ich wusste von Anfang an, dass er der Mann fürs Leben ist. Die Art wie sich seine Hand anfühlte.

Meine Eltern waren für mich immer der Inbegriff von Sicherheit, Wärme und Liebe. Sie gaben mir Halt, Schutz und Zuflucht. Ihre Umarmungen fühlten sich immer nach Heimat und Geborgenheit an. Als sich Jakobs und meine Hände zum ersten Mal berührten fühlte es sich genauso an. Nach Heimat und Geborgenheit. Er gab mir das selbe Gefühl. In dem Moment wusste ich, er ist der Richtige.

Besonders an diesem Tag machte er sich jedes Jahr so viele Gedanken wie er mich ablenken konnte, dass ich nicht in tiefster Trauer versank. Auch wenn er davon überzeugt war, dass ich diesem Schmerz irgendwann begegnen und mich dem stellen müsste, wovor ich immer wieder wegrannte, versuchte er mir an diesem Tag wenigstens ein Stück heile Welt zu schenken. Hach, ich liebte diesen Mann!

Doch wie könnte ich diesen Tag nur vergessen? Der Tag, an dem meine Welt stehen blieb. An dem ich mich selbst verloren habe. Als mein Vater die Familie verließ.

Würde ich diesen Schmerz auch nur eine Sekunde bewusst zulassen, dann würde ich ohnmächtig werden. Mein Herz zog sich zusammen und vergaß für einen kurzen Moment, wie es zu schlagen hat.

Diese Herzrythmusstörungen habe ich nun seit der Trennung meiner Eltern, seit dem Betrug meines Vaters. Und wäre das nicht genug, war irgendwann auch noch eine Angststörung dazu gekommen. Panikattacken waren für mich keine Seltenheit mehr. Ich konnte diese Momente kaum ertragen, denn Panikattacken fühlten sich an, als würde man lebendig begraben werden. Es fühlte sich wie Sterben an, ohne dass die Erlösung des Sterbens kommt. Mir schliefen dann immer beide Arme ein und dieses Kribbeln war einfach nur schrecklich. Dazu fing ich unkontrolliert an zu weinen und wusste nicht ob ich jemals wieder aufhören würde. Atmen wurde so gut wie unmöglich. In solchen Momenten wusste ich, wie sich Sterben anfühlt. Und dieses Gefühl war so unfassbar schrecklich, dass ich mir in solchen Momenten einfach nur wünschte, wirklich zu sterben. Dass diese Panik aufhörte und mein Gehirn, so wie mein Körper endlich Ruhe bekämen. Da der menschliche Körper jedoch dazu in der Lage ist, eine Panikattacke problemlos zu durchleben und anschließend zu überleben als wäre nichts gewesen, kam die Erlösung in den Momenten natürlich nicht. Bis sie von alleine wieder aufhörte.

Ich versuchte mich währenddessen immer abzulenken und betete, dass dieser Moment endlich aufhörte. In unzähligen Videos auf Social Media wurde immer wieder gesagt, dass man die Panik zulassen und sich nicht ablenken sollte, sondern dieses Gefühl voll und ganz annehmen müsse. Für mich absolut nicht möglich. Denn nichts machte mir mehr Angst als das zuzulassen, das mich innerlich so zerfraß.

Ich war so dankbar, dass Jakob mich an dem Tag der Trennung immer ganz besonders umsorgte, damit ich mich gar nicht erst in meinen Gedanken verlor.

Er gab sich wirklich alle Mühe mich an diesem Tag immer wieder spüren zu lassen, dass ich nicht alleine damit war. Leider habe ich mich in den letzten Jahren an genau diesem Tag total gehen lassen. Ich war zutiefst deprimiert, hatte mit meinen Panikattacken und Herzrythmusstörungen zu kämpfen und habe mich auf nichts eingelassen, was er mir vorschlug. Ich habe ihn regelrecht aus meinen Gedanken ausgeschlossen und nicht an mich rangelassen. Auch meine Mutter hat versucht für mich dazusein, obwohl es ihr an diesem Tag auch nicht gut ging.

Ich habe versucht all meine Kraft zu sammeln und stattdessen für sie da zu sein. Denn darin war ich wirklich gut. Meinen eigenen zu Schmerz vergessen, wenn die Menschen, die ich am meisten liebte, mich brauchten. Sie kamen für mich immer an allererster Stelle.

Dieses Jahr jedoch hatte ich mir fest vorgenommen, mich ablenken zu lassen. Ich wollte nicht zuhause rumsitzen und in meinem Schmerz versinken. Ich hatte viel zu viel Angst davor, dass der Schmerz mit voller Wucht zuschlagen würde. Deswegen war ich umso dankbarer über Jakobs Überraschung. Ich nickte also positiv gestimmt zu und huschte ins Bad um mich noch einmal frisch zu machen.

Natürlich durfte mein Cowboy-Hut nicht fehlen. Ich war durch und durch ein Western-Mädchen und liebte die Welt der Indianer und Cowboys.

Also zog ich rasch meinen Hut und meine Stiefel an und war Abfahrt bereit.

Jakob wartete freudig im Auto und wir begaben uns auf die halbstündige Fahrt.

Als wir ankamen, war das Festival schon ziemlich gut besucht. Von weitem sah ich Menschen verkleidet als Cowboys und Indianer, eine Pferde-Show mit Cowboys und es roch nach exotischen Gewürzen. Country-Musik ertönte aus den Lautsprechern und überflutete das ganze Gelände. Und es war auch noch mein liebster Country-Sänger, Randy Travis. Ich liebte diese Atmosphäre. Doch für einen kurzen Moment, verspürte ich einen kleinen Stich. Ein Anflug von Schmerz machte sich auf den Weg in mein Bewusstsein und ich bekam Panik.

In dem Moment nahm Jakob meine Hand und streichelte sie liebevoll. Er nahm mir sofort die Angst und ich konnte wieder durchatmen. Ich beschloss mich abzulenken und konzentrierte meine Gedanken auf das Festival.

Diese Atmosphäre war magisch und machte mich tatsächlich glücklich.

,,Da vorne gibt es Maiseintopf. Das müssen wir unbedingt essen’’ rief Jakob.

Er zog mich am Arm und auch ich hatte einen Riesenhunger. Der Duft war so betörend. Maiseintopf war ein typisch Indianisches Rezept und ich liebte es. Die Indianer aßen sehr viel mit Mais, da sie diesen damals leicht anbauen konnten. Und so verarbeiteten sie den Mais zu Cornpone, eine Art Brot, zu Samp, ein Maisflockenbrei und Sofk, eine Speise bestehend aus Maisschrotmehl, das im heißen Wasser aufgequollen wurde. Und sogar Popcorn war damals schon heiß begehrt.

Wir bestellten zwei Portionen Maiseintopf und dazu ofenfrisches Maisbrot. Es war unglaublich lecker und wir schlugen uns die Bäuche voll. Aber Jakob wäre ja nicht Jakob, wenn er nicht noch eine Portion bestellen würde.