Die Herausforderung - Toni Waidacher - E-Book

Die Herausforderung E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Der Bergpfarrer Nr. Feierabend! Max Trenker hatte wieder einen langen Arbeitstag in der Polizeistation von St. Johann beendet. Nun war er frisch geduscht, und die Polizeiuniform hatte er gegen eine bequeme Jogginghose sowie ein kurzärmeliges T-Shirt eingetauscht. Mit einem Seufzer ließ er sich daheim im Wohnzimmer in einen der schweren Sessel fallen, streckte die Beine weit von sich, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Der gemütliche Teil des Tages konnte beginnen. Es war beginnender Abend, genau gesagt halb sieben Uhr. Jeden Moment musste Claudia mit den Kindern kommen. Seine Frau arbeitete als Journalistin beim 'Kurier' in Garmisch-Partenkirchen. Die Kinder waren tagsüber in der Schule beziehungsweise in der Kindertagesstätte und wurden darüber hinaus, bis Claudia sie am späten Nachmittag nach Hause holen konnte, von einer jungen Frau, selbst Mutter von zwei kleinen Kindern, betreut. Für den Fall, dass diese Kinderbetreuung einmal ausfiel, gab es genügend Teenager im Bekanntenkreis, die sich gerne ein paar Euro verdienten. Tatsächlich registrierte Max keine zehn Minuten, nachdem er es sich bequem gemacht hatte, dass die Haustür aufgeschlossen wurde, und dann vernahm er auch schon die helle Stimme seiner kleinen Tochter Luisa. Bei ihrem Klang ging dem großen Mann, dessen Job hin und wieder ein gewisses Maß an Härte und Durchsetzungsvermögen erforderte, das Herz auf. Luisa war zwei Jahre alt. Der siebenjährige Sebastian hingegen besuchte schon die Grundschule und nach dem Unterricht den Hort, wo er seine Hausaufgaben erledigte. Max war ein sehr gut aussehender Mann, auf den in der Vergangenheit schon so manche Urlauberin ein Auge geworfen hatte, was an ihm allerdings abgeprallt war, weil er seine Familie über alles liebte. Nun erhob er sich und verließ das Wohnzimmer. »Hallo, ihr drei«, rief er gut gelaunt.

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Der Bergpfarrer Extra – 52 –

Die Herausforderung

Pfarrer Trenker lässt sich auf ein gewagtes Abenteuer ein …

Toni Waidacher

Feierabend! Max Trenker hatte wieder einen langen Arbeitstag in der Polizeistation von St. Johann beendet. Nun war er frisch geduscht, und die Polizeiuniform hatte er gegen eine bequeme Jogginghose sowie ein kurzärmeliges T-Shirt eingetauscht.

Mit einem Seufzer ließ er sich daheim im Wohnzimmer in einen der schweren Sessel fallen, streckte die Beine weit von sich, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Der gemütliche Teil des Tages konnte beginnen.

Es war beginnender Abend, genau gesagt halb sieben Uhr. Jeden Moment musste Claudia mit den Kindern kommen. Seine Frau arbeitete als Journalistin beim ‚Kurier’ in Garmisch-Partenkirchen. Die Kinder waren tagsüber in der Schule beziehungsweise in der Kindertagesstätte und wurden darüber hinaus, bis Claudia sie am späten Nachmittag nach Hause holen konnte, von einer jungen Frau, selbst Mutter von zwei kleinen Kindern, betreut. Für den Fall, dass diese Kinderbetreuung einmal ausfiel, gab es genügend Teenager im Bekanntenkreis, die sich gerne ein paar Euro verdienten.

Tatsächlich registrierte Max keine zehn Minuten, nachdem er es sich bequem gemacht hatte, dass die Haustür aufgeschlossen wurde, und dann vernahm er auch schon die helle Stimme seiner kleinen Tochter Luisa. Bei ihrem Klang ging dem großen Mann, dessen Job hin und wieder ein gewisses Maß an Härte und Durchsetzungsvermögen erforderte, das Herz auf. Luisa war zwei Jahre alt. Der siebenjährige Sebastian hingegen besuchte schon die Grundschule und nach dem Unterricht den Hort, wo er seine Hausaufgaben erledigte.

Max war ein sehr gut aussehender Mann, auf den in der Vergangenheit schon so manche Urlauberin ein Auge geworfen hatte, was an ihm allerdings abgeprallt war, weil er seine Familie über alles liebte. Nun erhob er sich und verließ das Wohnzimmer. »Hallo, ihr drei«, rief er gut gelaunt.

Claudia und die Kinder befanden sich in der Diele bei der Garderobe, wo sie ihre Schuhe auszogen und in bequeme Hausschuhe schlüpften. »Papi!«, rief Luisa und lief ihm mit ausgebreiteten Armen und über das ganze Gesicht lachend entgegen. Max fing sie auf, setzte sie auf seinen Arm und nahm auch den kleinen Basti in Empfang, der seiner Schwester auf dem Fuß gefolgt war. »Hallo, mein Großer!«, sagte Max lachend und strich dem Kleinen über den wuscheligen Blondschopf. »Wie war’s in der Schule? Hast du alles verstanden, was dir die Lehrerin erzählt hat?«

»Freilich, Papi. Ich hab’ heut’ vorlesen müssen, und die Frau Saller hat mich gelobt.«

»Und ich hab’ ein Haus aus Legosteinen gebaut«, rief Luisa, »aber der Kaiser-Hansi hat es wieder kaputtgemacht. Da hat ihn aber die Tante Gudrun zusammengeschimpft. Sie hat gesagt, er ist böse.«

»So etwas macht man auch nicht«, sagte Max. »Da hat die Tante Gudrun vollkommen recht getan, wenn sie den Hansi zusammengestaucht hat.«

Er gab Claudia einen Begrüßungskuss und fragte: »Na, Schatz, wie war dein Tag?«

Seine Frau verdrehte die Augen. »Stressig. Eine Besprechung im Verlag, eine Pressekonferenz mit dem Bürgermeister von Garmisch wegen einiger Vorhaben, die den Tourismus ankurbeln sollen, einige Stunden am Computer und ein schwerer Unfall auf der A 95, zu dem ich geschickt worden bin, um darüber zu berichten. Wie war’s bei dir?«

»Keine besonderen Vorkommnisse«, antwortete Max grinsend. »Bürokram, Streifendienst, ich hab’ ein paar neue Weisungen studiert – das gleiche wie fast alle Tage. Besonders aktionsreich ist der Dienst als – hm, Polizeichef in St. Johann net.«

»Bei uns ist halt die Welt noch in Ordnung«, sagte Claudia. Sie war vor Max und den Kindern her ins Wohnzimmer gegangen und setzte sich auf die Couch. »Warst du zum Mittagessen bei deinem Bruder?«

»Natürlich.« Max nickte. »Ich vermut’, dass die Frau Tappert ziemlich beleidigt wär’, würd’ ich auch nur einen Tag während der Woche ihr Essen verschmähen.«

»Morgen soll ja deine neue Kollegin den Dienst antreten«, begann Claudia ein anderes Thema, indes sich auch Max setzte und mit dem linken Arm den kleinen Sebastian auf seinen Oberschenkel hob. »Dann hängt nimmer alles ausschließlich an dir, denn du kannst dir mit ihr die Arbeit teilen. Du freust dich sicher schon auf die junge und laut deiner Bekundung sehr hübsche Oberkommissarin.«

Claudias forschender Blick hing an Max’ Gesicht, als suchte sie nach einer verräterischen Reaktion in seinen Zügen. Max’ Brauen hoben sich leicht und seine Augen blitzten. »Ja. Da bin ich ehrlich. Sie ist in der Tat jung und hübsch. Für dich aber kein Grund, dir auch nur die geringste Sorge zu machen. Ich seh’ in ihr eine Kollegin, mehr net.«

»Na ja«, versetzte Claudia hintergründig lächelnd, »so ein junges Madel kann einem gestandenen Mannsbild schon den Kopf verdrehen und die Sinne verwirren.« Claudia erhob sich. »Ich mach’ uns was zu essen. Du kannst ja, bis ich fertig bin, die beiden Kleinen ein bissel bespaßen. Sie sind sicherlich hungrig, und da werden sie leicht ungeduldig.«

»Mach’ ich«, erwiderte Max grinsend und drückte die kleine Luisa an sich. Seine Augen strahlten glücklich. »Das ist das einzige junge Madel, dem es gelingt, mir den Kopf zu verdrehen, Schatz. Es gibt zwar noch ein zweites, das ist allerdings nimmer ganz so jung. Das hat mir schon vor längerer Zeit den Kopf verdreht, verwirrt mir aber jedes Mal, wenn ich’s treff’, die Sinne aufs Neue – um es mit deinen Worten auszudrücken.«

Claudia lachte belustigt auf. »Dann muss ich mir ja wegen der neuen Kollegin wirklich keine unnötigen Gedanken machen.«

»Ganz sicher net. Ich bin froh, dass man mir jemand zur Verstärkung schickt. Bei uns passiert zwar net viel, dennoch muss ich weit über die normale Arbeitszeit hinaus präsent sein. Es ist gewissermaßen eine ständige Bereitschaft, in der ich mich befinde. Wenn die Lena Egginger sich mit mir den Dienst teilt, dann hab’ ich auch mehr Zeit für euch. Und darauf freu’ ich mich am allermeisten.«

»Ja, das ist in der Tat eine sehr erfreuliche Aussicht«, erklärte Claudia, und jetzt war sie sehr ernst. »Ich hab’ eh schon lang’ das Gefühl, dass wir viel zu wenig Zeit füreinander haben.«

Sie verließ das Wohnzimmer, und gleich darauf hörte Max sie in der Küche hantieren. »Jetzt erzählt mal«, forderte er Basti und Luisa auf. »Wie habt ihr den Nachmittag verbracht? Macht die Schule noch Spaß, Basti? Und wie gefällt es dir noch in der Kita, mein kleiner Liebling?«

Sofort begannen die Kinder zu plappern. Sie redeten durcheinander, und Max hatte Mühe, den kindlichen Berichten, die regelrecht über ihre Lippen sprudelten, zu folgen.

Und wieder einmal spürte er tief in sich eine tiefe Zufriedenheit. Das Leben hier im Wachnertal, seine Frau, die Kinder, sein Job … Max Trenker wollte mit keinem Menschen auf der Welt tauschen. Kurz gesagt: Er war glücklich.

*

Am folgenden Morgen um sieben Uhr trat er wieder seinen Dienst an. Er bot in seiner gut sitzenden Uniform ein Bild von einem Mann: groß und schlank, dennoch durchtrainiert und kraftvoll, mit männlich markanten Gesichtszügen und einer aufrechten Haltung. Max Trenker war ein Mann, der ein hohes Maß an Ruhe vermittelte und zu dem man sofort Vertrauen fassen konnte. Seine blauen Augen, die in einem scharfen Kontrast zu seinen dunklen Haaren standen, blickten hellwach und aufmerksam in die Welt.

Er setzte sich an den Computer, fuhr ihn hoch und widmete sich zunächst mal seinem digitalen Postfach. Es war eine Reihe von Mails, die seit dem vergangenen Abend eingegangen waren. Max las diejenigen, von denen er annahm, dass sie wichtig waren, zuerst. Einer dieser Mails war sogar ein Steckbrief als Anhang beigefügt. Gesucht wurde ein Trio, das in einem Vorort von München einen Geldautomaten gesprengt und ausgeplündert hatte und sich nun auf der Flucht befand.

Als Max seine elektronische Post gesichtet hatte, begann er einige neue Dienstanweisungen, die den Nachrichten angehängt waren, auszudrucken. Andere E-Mails beantwortete er. Schließlich war das erledigt, und er machte sich daran, die ausgedruckten Weisungen, die allesamt von seiner vorgesetzten Dienststelle in Garmisch kamen, durchzulesen. Für ihn war es wichtig, stets auf dem neuesten Stand zu sein. Die eine oder andere Sache las er zweimal, manchmal sogar dreimal, um sich einzuprägen, was da stand.

So verging die erste Stunde seines Arbeitstages. Ganz nebenbei wartete Max darauf, dass die neue Kollegin erschien. Und ganz im Stillen fragte er sich, was eine sechsundzwanzigjährige Frau bewog, sich in das Wachnertal versetzen zu lassen, wo sich von Ende Oktober bis zum April Fuchs und Hase gute Nacht sagten.

Irgendwann würde er es wohl erfahren.

Es war kurz nach acht Uhr, als jemand an die Tür seines Büros klopfte. Max richtete den Blick auf die Tür und rief: »Herein!«

Lena Egginger betrat das Büro. »Guten Morgen«, grüßte sie mit einem Lächeln, das ihr Gesicht geradezu verzauberte. Sie trug Uniform. Die dunklen Haare hatte sie hochgesteckt, sodass sie unter der Dienstmütze verborgen waren. Obwohl eine Uniform eine Frau nicht unbedingt vorteilhaft kleidete, konnte Max – wie schon anlässlich ihrer Vorstellung vor einigen Tagen, als sie Zivilkleidung trug –, aufs Neue feststellen, dass sie sehr schlank und dennoch fraulich proportioniert war.

»Habe die Ehre, Frau Egginger«, erwiderte er ihren Gruß. »Ich hab’ Sie schon erwartet.« Er erhob sich, ging um seinen Schreibtisch herum und reichte ihr die Hand.«

»Entschuldigen S’, Herr Trenker«, sagte sie, als sie seine Hand schüttelte, »dass ich ein bissel zu spät gekommen bin. Das kommt daher, dass die Landstraße ziemlich verstopft war, weil der Verkehr von der Autobahn wegen eines Unfalls umgeleitet worden ist. Es hat einen ziemlich langen Stau gegeben, der sich ewig net aufgelöst hat.«

»Kein Problem«, erklärte Max und ließ ihre Hand los. »Ich darf Sie herzlich willkommen heißen, Frau Egginger.« Er wies auf einen Schreibtisch, der an seinen eigenen herangestellt worden war, sodass Max und Lena sich, wenn beide Schreibtischarbeit zu verrichten hatten, gegenseitig anblicken konnten. »Der gehört Ihnen. Der Computer ist am Server angeschlossen. Wo sich die abgelegten Akten befinden, hab’ ich Ihnen schon beim letzten Mal gezeigt. Haben S’ schon Kaffee getrunken?«

»Eine Tasse, auf die Schnelle«, antwortete Lena.

»Dann haben S’ sicher nix dagegen, wenn ich Ihnen ein Haferl von dem schwarzen Gebräu anbiet’.«

»Ganz sicher net.« Lena ging zu dem für sie vorgesehenen Schreibtisch und legte ihre Handtasche darauf. »Ich hab’s kaum erwarten können, meinen Dienst in St. Johann anzutreten«, gab sie zu verstehen. »Für mich ist ein Traum wahr geworden.«

»Das hör’ ich gern«, erwiderte Max grinsend. »Unter der Schreibtischunterlage liegt ein Blatt Papier, auf dem Ihr Logo und das Passwort für den PC vermerkt sind. Das Passwort können S’ ändern. Wenn S’ net wissen, wie’s geht, zeig’ ich es Ihnen.«

»Ich kenn’ mich aus«, erklärte Lena, zog sich den Stuhl zurecht und ließ sich nieder, um sogleich den Computer zu aktivieren.

»Waren S’ schon in der Pension ‚Edelweiß’?«, erkundigte sich Max.

»Ich hab’ dort angerufen und mit der Frau Ihres Cousins telefoniert. Mein Zimmer ist vorbereitet, es reicht aber, wenn ich es nach Dienstschluss beziehe.«

»Schön, damit wär’ fürs Erste alles geregelt. Ich mach’ jetzt den Kaffee. Gern würd’ ich mit Ihnen auf eine gute Zusammenarbeit anstoßen, aber während der Dienstzeit herrscht absolutes Alkoholverbot. Da ist net mal ein Glaserl Sekt drin.«

»Das ist schlecht«, rief Lena lachend, »denn einer von uns wird immer im Dienst sein.«

»Irgendwann ergibt sich eine Gelegenheit«, versetzte Max, dann verschwand er im Nebenraum, um Kaffee zu kochen. Die Tür ließ er offen. »Ich werd’ Sie im Laufe des Vormittags dem Bürgermeister und meinem Bruder vorstellen, Frau Egginger. Und dann fahr’ ich mit ihnen die Gemeinden ab, die wir zu betreuen haben. Es sind drei, nämlich St. Johann, Engelsbach und Waldeck.«

»Haben S’ denn den Fall mit dem zerkratzten Auto und den zerstochenen Reifen lösen können, Herr Trenker?«, fragte Lena. Die Sache war zu dem Zeitpunkt, als sie sich an einem Samstagvormittag bei Max vorgestellt hatte, aktuell gewesen. Nachdem Max ihr die Hintergründe geschildert hatte, war ihr Verdacht sofort auf Siegfried Grundler, den Ex-Verlobten Andrea Brunners, gefallen.

»Es war der Grundler«, bestätigte Max ihren Verdacht. »Er hat sich selber angezeigt, nachdem ihm mein Bruder und seine Mutter ins Gewissen geredet haben. Da er sich verpflichtete, den Schaden gutzumachen, und sich sowohl bei Frau Brunner als auch bei Thomas Schaffner in aller Form entschuldigt hat, haben die beiden von einer Anzeige abgesehen.«

»Das ist aber nobel. Der hat ihnen ja net nur materiellen Schaden zugefügt.«

»Der Andrea und dem Thomas war’s wichtig«, erwiderte Max, »dass die Sache ein für allemal ein Ende findet. Der Siegfried hat eingesehen, dass es so net geht, und seine Reue ist aus ehrlichem Herzen gekommen. Er ist mit seinem schlechten Gewissen genug bestraft.«

»Mir scheint, man hat hier sehr viel Herz«, rief Lena lachend.

»Was in der einen oder anderen Sache durchaus angebracht sein kann«, versetzte Max.

Wenig später brachte er die beiden Haferln mit dem Kaffee ins Büro. »Wenn ich mich richtig erinner’, dann trinken Sie ihn ungezuckert und schwarz.« Er hatte den Becher vor Lena auf den Schreibtisch gestellt.

»Sehr richtig. Ich will ja noch für einige Zeit in meine Uniform hineinpassen. Danke, Herr Trenker.« Lena nagte kurz an ihrer Unterlippe, dann fügte sie hinzu: »Ich weiß net, wie’s Ihnen geht. Aber ich hab’ das untrügliche Gefühl, dass wir beide sehr gut miteinander zurechtkommen werden.«

»Davon bin ich überzeugt«, erwiderte Max. »Ich freu’ mich jedenfalls auf die künftige Zusammenarbeit.«

*

Während Max seine junge Kollegin in ihre künftige Arbeit in der Polizeidienststelle von St. Johann einführte, läutete im Pfarrhaus die Haustürglocke.

Sophie Tappert, die das Mittagessen vorbereitete, nahm ein Handtuch, wischte sich die Hände ab und verließ ihr Reich, die Küche, um zu sehen, wer vor der Tür stand.

Es war ein junger, schlanker Bursche, ungefähr Mitte zwanzig, mit blonden, schulterlangen Haaren und blauen, offen blickenden Augen. »Grüß Gott«, grüßte er und lächelte. »Mein Name ist Poschenrieder – Alex Poschenrieder. Ich hätt’ gern den Herrn Pfarrer Trenker gesprochen.«

Sophie forschte regelrecht in dem etwas angespannten Gesicht des Burschen. Sie musste den Kopf ein wenig in den Nacken legen, denn der Fremde war ein ganzes Stück größer als sie. »Poschenrieder«, murmelte sie nachdenklich und wie im Selbstgespräch. »Es hat mal einen Poschenrieder in St. Johann gegeben. Christian war sein Vorname. Der ist aber vor mehr als dreißig Jahren nach Südtirol gegangen und nie mehr ins Wachnertal zurückgekehrt.«

»Das war mein Vater«, erklärte Alex.

»War?«

»Er ist tot.« Für einen Moment schien Wehmut das Gesicht des Burschen zu überschatten. »Mein Vater ist vor etwas über drei Monaten im Himalaja abgestürzt.«

Sophie war bestürzt. »Das tut mir leid. Der Christian war ein alter Freund vom Herrn Pfarrer. Es wird ihn ziemlich betroffen machen, wenn er hört, dass er nimmer lebt. – Kommen S’ rein, Herr Poschenrieder. Ich sag’ dem Hochwürden Bescheid. Er ist in seinem Arbeitszimmer. Einen Moment …«

Alex ging an Sophie vorbei ins Haus. Die Haushälterin schloss die Tür und ging zum Büro des Pfarrers, klopfte, öffnete die Tür einen Spaltbreit und steckte den Kopf hinein. »Der Herr Alex Poschenrieder ist da, Hochwürden, und möcht’ Sie gern sprechen.«

»Alex Poschenrieder?«, kam es fragend von Sebastian. »Ich kenn’ einen Christian Poschenrieder. Aber das ist lange her …«

»Der junge Mann ist der Sohn vom Christian«, verriet die Haushälterin.

»Ich werd’ verrückt!«, ertönte es. »Nach mehr als dreißig Jahren …« Freude über den Besuch war aus der Stimme des Bergpfarrers zu hören. »Schicken S’ den Burschen herein, Frau Tappert.«

Sophie zog den Kopf zurück, trat zur Seite und vollführte eine einladende Handbewegung. »Sie haben S’ gehört, Herr Poschenrieder. Bitte …«

Der Bursche betrat das Büro, und Sebastian stieß hervor: »Das darf ja net wahr sein. Ich seh’ den Christian vor mir stehen. Sie sind ihm ja wie aus dem Gesicht geschnitten.« Er stand auf, machte einen Schritt auf Alex zu und streckte ihm die Hand hin. »Grüaß Ihnen. Ihr Vater und ich waren mal eng befreundet. Wir sind zusammen auf die Berge gestiegen und haben zur gleichen Zeit die Bergführerprüfung abgelegt. Ich muss oft daran zurückdenken. Wie geht’s denn dem Christian?«