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Treffen sich ein Arzt und eine Hummel ... »Lustig und zugleich klug, voller Lebensweisheiten [...]« Wetterauer Zeitung Nicht nur das physikalische Rätsel, wieso Hummeln überhaupt fliegen können, ist ungelöst. Dass Hummeln gerne philosophieren und Drinks genießen, wissen die Wenigsten. Auch nicht der Arzt, in dessen Garten eines Frühjahrs ein besonders neugieriges Exemplar dieser Gattung einzieht. In einer Art Garten-WG auf Zeit stellt das gutgelaunte Insekt das Leben des Hobbygärtners auf den Kopf und lehrt ihn, was es heißt, einen Gartensommer zu genießen – ein modernes Carpe Diem, mit Augenzwinkern und viel gutem Whisky, eine Zeit der kulinarischen Exzesse, der Sorglosigkeit, des Unsinns und der tiefsinnigen Gespräche. Denn die Hummel entpuppt sich als scharfsinniger Beobachter der Menschenwelt und gibt Tibo Gerriets die Stichworte für seine kurzweiligen und humorvollen Geschichten.
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Seitenzahl: 82
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Impressum
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Eulenspiegel Verlag – eine Marke der
Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage
Alle Rechte der Verbreitung vorbehalten.
ISBN E-Book 978-3-359-50097-1
ISBN Print 978-3-359-03021-8
© 2022 Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage GmbH, Berlin
Umschlaggestaltung: Verlag, Karoline Grunske
www.eulenspiegel.com
Mitten im tiefsten Winter wurde mir bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt. Albert Camus
Dramatis Personae
Die Gartenbewohner in alphabetischer Reihenfolge
Der Arzt und Gärtner[homo sapiens sapiens]
Hat einen braunen Daumen und möglicherweise berechtigte Reinkarnationssorgen
Die Bienen[apes]
Zwanghaft fleißige Insekten mit Mangel
an Perspektive
Die Bienenkönigin[regina apium]
Nur im Traum furchterregend
Die Controllingbienen[apes controlenses]
Krawattentragende Helferinnen der
Bienenkönigin
Dörte[regina bomborum]
Die Hummelkönigin
Der Donald[homo sapiens sapiens]
Ist monochrom
Hasso[robotum tonderi herbas]
Tiefbegabter, aber treuer Gartenbewohner
Die Hummel[bombus hortorum singlemaltophilia]
Trinkfestes, schwarmintelligentes Insekt – liebt
das Leben und den Sommer
Der Hund[canis]
Kann nichts für sein schlechtes Benehmen
Der Jogger[homo sapiens sapiens]
Schwitzt und schaut immer zu Boden
Der Kater und der Dachs[feles et meles]
Machen nachts Krawall
Die schwarze Katze[niger cattus]
Verweigert das Gespräch
Die Mücken [culices]
Nervige Plagegeister mit gewöhnungsbedürftigen Trinkgewohnheiten
Die Schafe [oves]
Schafsinnige Tiere mit prüfendem Blick
Die Schmetterlinge[papiliones]
Schillern nicht nur optisch
Silvie, Rebecca und die Mama[homo sapiens sapiens]
Liebenswerte, sporadische Gartenbesucher
mit Sinn für Unsinn
Die Stare[sturni]
Gourmands des Gartens
Die Tauben[columbae]
Treffsichere Meister der Navigation. Und der
Beharrlichkeit
Die Wespen [vespae]
Üble Gesellen
April
Hasso
Im März werden die Tage nun doch spürbar länger. Trübes Licht wühlt sich durch den Dunst und beleuchtet kahle Bäume, braunes Gras, Matsch und nasse Blätter. Immerhin ist hier und da schon ein Krokus oder ein erstes Maiglöckchen zu sehen.
Tag für Tag stapfe ich unruhig und hoffnungsvoll durch den tristen Garten. Anfang April traut sich erstmals die Sonne heraus. Ich wende ihr die paar Quadratzentimeter Haut, die zwischen Mütze und Schal hervorluken, entgegen und genieße den ersten Hauch Wärme.
Tage später beginnt die Vegetation gemächlich in Fahrt zu kommen. Die blassen Sonnenstrahlen verstetigen sich. Meine Winterdepression weicht allmählich, und Hasso und ich tollen durch den Garten. Na ja, »tollen« trifft es nicht ganz. Ich sitze noch ein wenig lahm und warm angezogen in der kühlen Sonne, und auch Hasso lässt es langsam angehen. Er bewegt sich mal hierhin, mal dorthin, stupst mit mäßigem Interesse den Zaun oder einen Blumenkübel an, dreht dann um, ändert immer wieder seinen Kurs und erweckt noch nicht den Eindruck übermäßiger Zielstrebigkeit. Irgendwie wirkt er dabei auch ein kleines bisschen tiefbegabt, schießt es mir in den Sinn. Schließlich wird es ihm alles zu viel, und er macht sich im Zeitlupentempo auf den Weg in seine Hundehütte. Dabei bewegt er sich so demonstrativ langsam, als hätte auch er noch eine Winterdepression.
Ein erschöpfter Mähroboter nach anstrengendem Tagwerk.
Er parkt langsam, aber gekonnt rückwärts in die Ladestation in seiner Hundehütte ein und schaut nun doch recht zufrieden auf die kurz geschorenen Grashalme und ersten Gänseblümchen.
»Hasso« prangt in weißen Lettern über dem Eingang.
»Daisycutter« hatte ich erst erwogen, war mir dann aber zu martialisch.
Die Hummel
Lautes Brummen lässt mich von meinem ersten Gartennickerchen der Saison aufblicken.
Eine unfassbar dicke Hummel fliegt unter großer Lärmentwicklung über meinen Kopf hinweg. Sie ist fast kreisrund, geradezu albern plüschig und mit unproportioniert kleinen Flügelchen ausgestattet.
Mit einer derart unvorteilhaften Aerodynamik müsste sie eigentlich fluguntauglich sein, denke ich mir.
Das stört sie aber nicht. Sie fliegt im Schneckentempo weiter durch den Garten, schnuppert mal an dieser, mal an jener Blüte, ohne erkennbaren Plan. Ihr Flugstil ist nicht besonders geradlinig und erinnert eher an betrunkene Autofahrer als an Insekten. Und tatsächlich, bei genauerem Hinsehen hält sie einen dreiviertel gefüllten Bierhumpen in der Hand, den sie mit der lässigen Eleganz mittelschwer Betrunkener in den Kurven so ausbalanciert, dass nichts schwappt.
Sie prostet mir freundlich zu.
Ich muss langsam mal aus der Sonne.
Ackerbau und Viehzucht
Der Frühling hält Einzug im Garten, und ich beschließe, zukünftig weniger Gemüse im Laden einzukaufen, sondern mehr selber zu ziehen. Ein wenig Autonomie kann nicht schaden, und die ersten Versuche im Vorjahr waren ja bereits mäßig erfolgversprechend.
Flugs ein paar Anzuchttöpfchen, Erde und Samen besorgt, und schon sprießen erste zarte Pflänzchen, die ich mit erheblichem Vaterstolz zweistündlich begutachte.
Die Hummel schaut mir ein wenig spöttisch über die Schulter. Sie begleitet mich in letzter Zeit oft bei der Gartenarbeit und spart nicht an weisen Ratschlägen.
»Ist es nicht erstaunlich, wie viele Pflanzen aus einer Messerspitze Rosenkohlsamen entstehen?«, freue ich mich.
»Warte mal ab, wie viel Rosenkohl das ergibt«, wirft die Hummel lachend ein.
Ich schlage daraufhin in meinem Gartenbuch nach, betrachte die ausgewachsenen Exemplare, die sich unter der Last üppigen Kohlgemüses biegen, zähle meine Keimlinge, rechne, extrapoliere und komme auf circa eine Bruttoregistertonne Rosenkohl, der Ende des Jahres zur Ernte ansteht.
Meine Frau mag keinen Rosenkohl.
»Na, bis zum Herbst ist es noch lang«, tröstet mich die Hummel, »und auf deinen braunen Daumen ist bestimmt Verlass.«
Die Hummel und die Schwarmintelligenz
Nach einigen Tagen Sonnenschein ist es Ende April plötzlich noch einmal kalt geworden. Ich grabe den Garten um, um meine 27 Rosenkohlpflänzchen auszubringen.
Die Hummel sieht mir schon eine ganze Weile zu, ein dampfendes Heißgetränk in der Hand.
»Bienenfleißig«, sagt sie, mit einem Spürchen Spott in der Stimme.
»Heute mal kein Bier?«, entgegne ich.
»Grog«, erwidert sie ungerührt.
Ich wuchte einen weiteren Spaten voll Muttererde um, bücke mich ächzend, klopfe Grasbüschel aus.
»Bei 27 Rosenkohlpflanzen und einem Pflanzabstand von sechzig mal sechzig Zentimetern haste noch ganz schön was zu schippen«, sagt die Hummel neunmalklug. »So 15,84 Quadratmeter.«
Mein Spaten verharrt einen Augenblick in der Luft.
»Hast du das jetzt im Kopf ausgerechnet?«, staune ich.
»Schwarmintelligenz«, entgegnet sie trocken.
Ich schaue ratlos.
»Das können nur Insekten«, erklärt sie. »Bei euch Menschen ist das – hm – anders.«
Mir entfährt zur Vertonung meines momentanen Unverständnisses ein wenig eloquentes »Hä?«.
Die Hummel verdreht ihre Facettenaugen. »Ich erkläre es dir. Stell dir mal ein nicht ganz so gelungenes Exemplar eurer Gattung Homo sapiens vor: Einfacher Wortschatz, hasst alles Fremde, haut in ›Ausländer raus!‹ glatt drei Syntaxfehler rein.«
»Okay, kapiert«, sage ich, »nicht so intelligent.«
»Genau«, entgegnet die Hummel. »Und jetzt stell dir einen grölenden Schwarm von denen vor.«
Ich beginne zu verstehen. »Je mehr, desto dümmer?«, frage ich.
»Jetzt hast du es verstanden«, freut sie sich. »Inverse Schwarmintelligenz. Die gibt’s nur bei Menschen.«
Die Hummel guckt zufrieden.
»Haben die Bienen auch eine Schwarmintelligenz?«, frage ich nach einer Weile.
»Ach die!« Die Hummel rümpft ihre Fühler. »Intelligent sind sie schon – aber sie machen nichts daraus.«
Die Hummel und die Monarchie
»Lebt ihr eigentlich in einer Monarchie?«, frage ich die Hummel.
Sie hält den Kopf schräg und äugt fragend über den Oberrand ihrer kreisrunden, vollverspiegelten Sonnenbrille hinweg.
»Ich meine, du hättest mal eine Königin erwähnt«, erläutere ich.
Wir sitzen beide bei leichtem Nieselregen im Gewächshaus und gönnen uns ein Weizenbier.
»Ach, du meinst Dörte«, sagt die Hummel. »Ja, die ist Königin. Kümmert sich um den ganzen Reproduktionskram und so.«
»Das klingt jetzt so, ähm, unglamourös.«
»Was hast du erwartet? Zepter und Krone? Paparazzi? Berichte im ›Goldenen Blatt‹? Sowas machen nur Bienen!« Die Hummel lacht spöttisch und fliegt dabei kleine Auf-und-ab-Kurven.
»Also seid ihr mehr so eine konstitutionelle Monarchie?«, frage ich weiter.
Die Hummel wippt mit den Fühlern und überlegt. »Mehr so eine anarchistische Monarchie«, sagt sie dann vorsichtig.
Ich runzele die Stirn. »Lehnen Anarchisten nicht jede Form von Obrigkeit ab?«, frage ich.
»Ja klar«, sagt die Hummel, »aber Dörte ist in Ordnung. Sie passt einfach nur ein bisschen auf, dass alle genau das machen, was sie wollen. Und dass alle glücklich sind.«
»Das klingt sehr harmonisch. So eine Art von betreuter Anarchie? Gibt es denn bei euch keine Hummeln, die sich von anderen Hummeln abgrenzen und dann ›Wir sind das Volk!‹ schreien?«
»Wozu?«, sagt die Hummel. »Das Leben ist kurz und jeder sieht zu, dass er bis zum Herbst so viel Spaß wie möglich hat.«
»Also gibt es nie Streit bei euch?«, frage ich erstaunt.
Die Hummel kramt kurz in ihrem Schwarmgedächtnis. »Nö. In den letzten 10000 Jahren jedenfalls nicht.«
Die Hummel und der Tod
Alle Jahre wieder bekomme ich einen Wagen voll Brennholz auf den Hof geschüttet. Ich lade die Scheite Stück für Stück in meine Karre und stapele sie mühsam unter dem Carport.
Die Hummel sitzt auf dem Fensterbrett, nippt an einem Getränk mit einem buntem Schirmchen darin und genießt das schweißtreibende Schauspiel.
»Fleißig, fleißig!«, lästert sie gutmütig.
»Na ja, Brennholz für die kalte Jahreszeit«, erkläre ich überflüssigerweise. »Wie kommt ihr Hummeln denn durch den Winter?«
»Gar nicht«, erklärt sie sachlich, »wir sterben im September.« Sie hält jetzt in der einen Hand eine winzige Pfeife und kramt mit der anderen in einem kleinen Tabaksbeutel herum, während sie mit einer dritten ihr Getränk balanciert. »Den Winter überleben nur die Königinnen.«
Ich unterbreche mein Tun. »Oh, das ist ja schrecklich!«, entfährt es mir.
»Ach wieso denn?«, entgegnet die Hummel. Sie pafft kleine Rauchwölkchen. »Entscheidend ist doch, dass man vorher ordentlich Spaß hatte. Wann stirbst du denn?«
Ich stottere herum: »Äh, keine Ahnung, vielleicht morgen schon, vielleicht erst in fünfzig Jahren?«
»Das ist blöd!«, sagt die Hummel und schüttelt den Kopf, »kannste ja nix planen!«
Ich setze mich auf meinen Holzstapel. »Ist es nicht schrecklich, so genau zu wissen, wann man stirbt?«, frage ich.
»Nö«, entgegnet die Hummel. »Im September ist Schluss. Da brauche ich mich auch nicht mit Brennholz abzuplagen.« Sie nimmt noch einen Zug aus ihrer Pfeife und bläst gekonnt zwei Rauchringe in die Luft. »Schrecklich ist nur, dass sie schon im August die Kreditkarten einziehen.«
Die Hummel und die Strandbar