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Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Elena Grünwald, eine sehr schöne, blonde Frau von vierundzwanzig Jahren, stand am Fenster des Wohnzimmers. Über den Bergen im Osten hatte sich der Horizont gelb verfärbt, und dieses erste Licht des Tages umriss scharf die zerklüfteten Berge, die das Wachnertal wie gigantische, stumme Wächter säumten. Sowohl die Sonnenaufgänge als auch die Sonnenuntergänge hier in den Bergen faszinierten Elena immer wieder aufs Neue. In sich gekehrt, völlig mit sich im Reinen, stand sie im nur schwach beleuchteten Raum und beobachtete, wie die Sterne verblassten, sich die Dunkelheit lichtete und die Natur langsam ihre Farben annahm. Erstes Vogelgezwitscher war zu vernehmen. Ganz in der Nähe krähte ein Hahn mehrere Male. Das Licht im Osten nahm eine rote Färbung an. Wolkenbänke, deren Ränder zu erglühen schienen, hatten sich vor den Sonnenaufgang geschoben. Die Schatten der Nacht wichen, bald zog auch der Morgendunst auf und umhüllte Bäume, Sträucher und Berge. Erst die wärmenden Strahlen der Sonne würden ihn aufsaugen und für eine klare, frische Luft sorgen. Elena wandte sich ab. Eine grau getigerte Katze, die zusammengerollt auf einem Sessel lag, hob den Kopf, beobachtete Elena kurz, die zur Tür ging, gähnte und ließ den Kopf wieder sinken und schlummerte weiter. Auf dem Flur kam Elena die junge Schäferhündin Alma entgegen. Das Tier fiepte leise und rieb seinen Kopf an Elenas Bein. Die junge Frau kraulte die Hündin zwischen den Ohren, dann ging sie weiter ins Badezimmer. In einer Ecke im Flur schlief Wolferl, ein einjähriger Wolfshundrüde. Er ließ sich überhaupt nicht stören. Elena duschte sich, putzte sich die Zähne, ging in die Küche und befüllte die Kaffeemaschine, schaltete sie ein und begab sich dann in ihr Schlafzimmer, um sich anzukleiden. Dann fütterte sie die beiden Hunde und insgesamt drei Katzen, mit denen sie sich das alte Bauernhaus, das sie vor etwas über einem Vierteljahr erstanden hatte, teilte. Sie stellte auch zwei Schüsseln mit Wasser dazu, damit die Tiere ihren Durst löschen konnten.
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Seitenzahl: 122
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Elena Grünwald, eine sehr schöne, blonde Frau von vierundzwanzig Jahren, stand am Fenster des Wohnzimmers. Über den Bergen im Osten hatte sich der Horizont gelb verfärbt, und dieses erste Licht des Tages umriss scharf die zerklüfteten Berge, die das Wachnertal wie gigantische, stumme Wächter säumten.
Sowohl die Sonnenaufgänge als auch die Sonnenuntergänge hier in den Bergen faszinierten Elena immer wieder aufs Neue. In sich gekehrt, völlig mit sich im Reinen, stand sie im nur schwach beleuchteten Raum und beobachtete, wie die Sterne verblassten, sich die Dunkelheit lichtete und die Natur langsam ihre Farben annahm. Erstes Vogelgezwitscher war zu vernehmen. Ganz in der Nähe krähte ein Hahn mehrere Male.
Das Licht im Osten nahm eine rote Färbung an. Wolkenbänke, deren Ränder zu erglühen schienen, hatten sich vor den Sonnenaufgang geschoben. Die Schatten der Nacht wichen, bald zog auch der Morgendunst auf und umhüllte Bäume, Sträucher und Berge. Erst die wärmenden Strahlen der Sonne würden ihn aufsaugen und für eine klare, frische Luft sorgen.
Elena wandte sich ab. Eine grau getigerte Katze, die zusammengerollt auf einem Sessel lag, hob den Kopf, beobachtete Elena kurz, die zur Tür ging, gähnte und ließ den Kopf wieder sinken und schlummerte weiter.
Auf dem Flur kam Elena die junge Schäferhündin Alma entgegen. Das Tier fiepte leise und rieb seinen Kopf an Elenas Bein.
Die junge Frau kraulte die Hündin zwischen den Ohren, dann ging sie weiter ins Badezimmer. In einer Ecke im Flur schlief Wolferl, ein einjähriger Wolfshundrüde. Er ließ sich überhaupt nicht stören.
Elena duschte sich, putzte sich die Zähne, ging in die Küche und befüllte die Kaffeemaschine, schaltete sie ein und begab sich dann in ihr Schlafzimmer, um sich anzukleiden.
Dann fütterte sie die beiden Hunde und insgesamt drei Katzen, mit denen sie sich das alte Bauernhaus, das sie vor etwas über einem Vierteljahr erstanden hatte, teilte. Sie stellte auch zwei Schüsseln mit Wasser dazu, damit die Tiere ihren Durst löschen konnten. Als das erledigt war, ging sie nach draußen, holte Hühnerfutter aus der Scheune und warf einige Hände voll in das Freigehege, in dem sich tagsüber ein halbes Dutzend Hühner und ein Hahn tummelten.
Elena versorgte sich hier draußen weitgehend selbst. Hinter dem Haus hatte sie einen großen Gemüsegarten angelegt, außerdem war sie Herrin über fast zwei Dutzend Obstbäume. Milch und Butter besorgte sie sich auf einem Nachbarhof.
Die Gesellschaft der Tiere reichte Elena. Sie war nach St. Johann gezogen, weil sie die Einsamkeit gesucht hatte. Das alte Bauernhaus, fast anderthalb Kilometer außerhalb des Ortes gelegen, hatte sie günstig erstanden. Hier konnte sie in aller Ruhe ihre Bilder malen, fernab von Stress und Hektik, und fernab von Reinhard Kaiser, der sie regelrecht verfolgt hatte. Sie hatte nichts mehr von ihm gehört, und die Angst vor seinen Nachstellungen war nach und nach gewichen. Jetzt, nach gut drei Monaten, war sie fest davon überzeugt, dass sie ihn abgeschüttelt hatte.
Draußen brach endgültig der Tag an und die Wärme trocknete den Tau auf den Gräsern und lockte Bienen, Hummeln und Schmetterlinge auf die Wiesen, wo köstlicher Nektar darauf wartete, von ihnen abgeholt zu werden.
Nachdem sie zwei Tassen Kaffee getrunken und etwas Obst gegessen hatte, suchte Elena ihr Atelier auf. Im Hof war das Knattern eines Mopeds zu vernehmen und Alma begann zu bellen. Elena schenkte dem keine Beachtung, denn sie wusste, dass ihr lediglich der Zeitungsmann den ›Kurier‹ vor die Tür gelegt hatte. Tatsächlich entfernte sich das Motorengeräusch wieder.
Elena schaute sich die Entwürfe und Skizzen an, die sie am Tag zuvor in freier Natur gefertigt hatte. Es waren Landschaften, die ihr beim Herumstreifen im Tal ins Auge gestochen waren. Insgesamt vier Blätter ihres Zeichenblocks hatte sie dafür verwendet. Sie schaute sich die Zeichnungen nacheinander an und entschied sich schließlich für eine, mit der sie im Laufe des Tages die Arbeit an der Staffelei beginnen wollte. Zunächst aber wollte sie einen Blick in den ›Kurier‹ werfen.
Sie holte sich die Zeitung, legte sie auf den Küchentisch, goss sich noch eine Tasse Kaffee ein und begann zu blättern. Die eine oder andere Überschrift erregte ihr Interesse und sie las den dazugehörigen Artikel durch. Ein Bericht fesselte sie besonders. Die Überschrift lautete: ›Golftourismus im Wachnertal!‹. Der Untertitel fragte: ›Wird das Wachnertal ein Tummelplatz für die Reichen und Schönen?‹
Elena las: Ein Landwirt aus St. Johann wollte auf seinem Land einen Golfplatz bauen, und zwar mit einem eigenen Hotel, um Menschen mit viel Geld, für einen Luxusurlaub anzulocken. Der Artikel brachte zum Ausdruck, dass der Plan des Landwirts von Bürgermeister Bruckner und seiner Fraktion im Gemeinderat für gut befunden worden war, dass aber der Pfarrer von St. Johann, Sebastian Trenker, mit allen Mitteln dagegen vorgehen werde, da die Planungen Natur- und Umweltschutz total außer Acht ließen.
Riesige Flächen von Golfrasen und die Rodung von Bäumen und Sträuchern würden natürliche Lebensräume zerstören. Außerdem würden voneinander abhängige Lebensräume zerschnitten werden. Der Einsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln sowie eine Vielfalt anderer Chemikalien, die als Färbemittel und Bodenhärter dienen, würden in den See gelangen …
Sie spürte, wie sie auf diesen engagierten Pfarrer neugierig wurde. Elena kannte den Pfarrer nicht, denn sie hatte noch keinen Drang verspürt, die Kirche in St. Johann zu besuchen. Das Göttliche, an das sie glaubte, war jene Kraft, die sich für jegliches Leben auf der Erde verantwortlich zeichnete: Die Natur!
Der Artikel weckte ihr Interesse und beunruhigte sie, denn Elena war erklärte Naturschützerin. Sie spendete für den Erhalt des Regenwaldes und an mehrere Organisationen, die sich der Rettung bedrohter Natur und Tierarten verschrieben hatten. Sie konnte sich das leisten, denn ihre Bilder wurden in vielen großen und bekannten Galerien in München, Köln und Berlin angeboten und zu hohen Preisen gehandelt. Sogar ein Kunsthändler aus Paris hatte schon Interesse an ihren Bildern signalisiert.
Alma hatte gefressen und kam nun zu Elena, legte ihren Kopf auf deren Oberschenkel und schielte zu ihr in die Höhe. »Tja, meine Süße«, murmelte Elena lächelnd und strich Alma über den Kopf, »ich bin nicht von Bonn hierher gezogen, um tatenlos zuzuschauen, wie die wundervolle Natur meiner Wahlheimat zerstört wird. Daher werde ich mich wohl der Bewegung anschließen, die dieser Pfarrer ins Leben gerufen hat, und mich als erklärte Golfplatzgegnerin outen.«
Alma bellte einmal.
»Du hast recht«, murmelte Elena. »Gehen wir ein Stück.«
Es war jeden Morgen das gleiche Ritual. Elena und ihre Hunde begaben sich hinaus in die Natur, wobei die junge Künstlerin nie vergaß, Zeichenblock und Stift mitzunehmen. Es waren die schönsten Stunden, in denen sie sich so frei fühlte wie ein Vogel in der Luft.
*
Über dem Wachnertal hing ein flirrender Hitzeschleier, der die Konturen verschwimmen ließ. Elena befand sich inmitten blühender Wiesen. Alma und Wolferl tollten ausgelassen herum, bellten hin und wieder, kämpften spielerisch miteinander, wobei der Wolfshund die wildesten Sprünge vollführte.
Rund um das Tal erstreckten sich bewaldete Berge, dahinter erhob sich das Hochgebirge mit seinen vegetationslosen Gipfeln. Die Wälder waren von einem satten Grün, auf den Wiesen blühten roter und weißer Klee, Johanniskraut, Schafgarbe, Fingerkraut, Disteln und, und, und … Die Luft roch würzig, und wenn der Wind günstig stand, trug er den Geruch der Wälder heran.
An ihre Zeit in Bonn dachte Elena nur noch ganz selten. Im Wachnertal hatte sie gefunden, wonach ihr schon seit langer Zeit der Sinn gestanden hatte. Ruhe, Ausgeglichenheit – Einsamkeit! Der Gedanke, gefunden zu haben, wonach sie sich gesehnt hatte, versetzte sie manches Mal in einen regelrechten Glückstaumel. Sie war frei und unabhängig, hatte in der Einsamkeit ihr inneres Gleichgewicht zurückerhalten, und würde das Leben, das sie im Moment führte, gegen nichts eintauschen.
Sie ging ein Stück weiter, sanft stieg das Terrain an. Am Waldrand angelangt, setzte sich Elena ins Gras und ließ ihren Blick über das Tal schweifen. Alma und Wolferl waren mit sich beschäftigt. Sie wurden nicht müde, sich spielerisch zu jagen und miteinander zu balgen.
Sie zog die Beine an und legte den großen Zeichenblock auf ihre Oberschenkel. Ihr Blick wanderte suchend in die Runde. Schließlich hatte sie ein Motiv gefunden, und sofort begann ihre Hand mit dem Zeichenstift über das Papier zu fliegen.
Sie hatte ein Auge für das Schöne, für Perspektiven und Räume und beherrschte es, dem Bild jene Tiefenwirkung zu verleihen, die ein Landschaftsbild erst realistisch erscheinen lässt.
Die Skizze war schließlich fertig, Elena legte Block und Stift auf die Seite und versuchte, völlig abzuschalten. Doch der Zeitungsartikel über den beabsichtigen Bau des Golfplatzes im Wachnertal wollte ihr nicht aus dem Sinn gehen. Sie stellte sich ein riesiges, eingezäuntes Areal vor, Freizeit- und Wirtschaftswege würden an den Zäunen des Golfgeländes enden. Wanderer, Radfahrer und auch die Landwirte mit ihren Traktoren würden gezwungen sein, weite Umwege in Kauf zu nehmen. Im Tal würden sich möglicherweise zwei völlig unterschiedliche Gesellschaftsgruppen bilden. Die eine würde aus Einheimischen und den Touristen bestehen, die hier Ruhe und Entspannung suchten, aus normalen Menschen also, die sich den Aufenthalt in einem exklusiven Golfhotel gar nicht leisten konnten. Die Luxuswelt des Golfresorts würde von Mitgliedern der sogenannten High Society bevölkert werden, die sich hier ihre eigene Welt schaffen und weitgehend unter sich bleiben würden. Die Lokale und Geschäfte außerhalb des Golfgeländes würden also gar nicht davon profitieren.
Das waren die Gedanken, die Elena beschäftigten. Es ging also nicht nur um Natur- und Umweltschutz, der Golfplatz würde auch andere Probleme mit sich bringen.
Einem spontanen Entschluss folgend, erhob sie sich, steckte Block und Stift ein und rief: »Alma, Wolferl, wir gehen nach Hause!« Sie setzte sich in Bewegung. Die Hunde schienen ihre Aufforderung zu ignorieren, denn sie rauften lustig weiter.
Elena kümmerte sich nicht darum. Als sie sich etwa hundert Meter von ihnen entfernt hatte, folgten ihr die Hunde mit langen, kraftvollen Sätzen.
Zurück in ihrem Haus suchte Elena die Nummer des Pfarramts heraus und rief dort an. Nachdem das Rufzeichen dreimal erklungen war, meldete sich eine angenehme, warme Frauenstimme: »Pfarramt St. Johann, am Telefon Sophie Tappert. Was kann ich für Sie tun?«
»Guten Tag, Frau Tappert. Mein Name ist Elena Grünwald. Ich lebe seit drei Monaten hier im Wachnertal und habe heute im ›Kurier‹ den Bericht über den geplanten Golfplatz gelesen. Ich würde deswegen gern mit Herrn Pfarrer Trenker sprechen.«
»Elena Grünwald«, wiederholte Sophie nachdenklich den Namen. »Sind Sie net die Malerin, die den Hochleitnerhof gekauft hat?«, erkundigte sie sich dann.
»Das stimmt. Ist der Herr Pfarrer zu sprechen?«
»Er ist in seinem Büro. Ich verbind’ Sie. Einen Moment …«
Gleich darauf hatte Elena Pfarrer Trenker an der Strippe. Sie stellte sich vor und erklärte, dass sie den Hochleitnerhof erworben hatte, dann sagte sie: »Ich habe den Artikel über den beabsichtigten Golfplatz gelesen, Herr Pfarrer. Sie wurden darin als erklärter Gegner des Projekts genannt.«
»Das stimmt und ich werd’ sämtliche Hebel in Bewegung setzen, um den Bau zu verhindern«, erklärte Sebastian ohne Umschweife und fragte sich, weshalb die Künstlerin bei ihm anrief.
»Falls Sie noch Unterstützer brauchen, Herr Pfarrer, dann haben Sie in mir eine Mitstreiterin gefunden«, versetzte Elena. »Ich bin nämlich ganz Ihrer Meinung, dass ein Golfplatz mit einem exklusiven Hotel und all den anderen Anlagen, die dem Luxus eines auserwählten Personenkreises dienen sollen, im Wachnertal nichts zu suchen hat.«
»Das freut mich«, verriet Sebastian. »Dann hat der Artikel ja schon etwas Positives bewirkt.«
»Der Gedanke, dass ein so riesiges Projekt das Wachnertal zerschneidet, beschäftigt mich sehr. Kann man denn diesen Landwirt, der das Projekt plant, nicht zum Umdenken bewegen? Er kann sich doch den zahlreichen Argumenten nicht einfach verschließen. Und dass sogar der Bürgermeister für den Bau der Anlage ist, will mir gar nicht in den Sinn. Er muss sich doch im Klaren darüber sein, dass viel von dem zerstört wird, was jene Menschen anzieht, die hier ihren Urlaub verbringen.«
»Unser Bürgermeister ist ein Fall für sich, Frau Grünwald«, versetzte Sebastian. »Sein Bestreben ist es, den Fremdenverkehr anzukurbeln und das Wachnertal in eine der Touristenhochburgen zu verwandeln, wie es sie zu hunderten in den Alpen gibt. Er greift alles auf, was seinen Plänen dienen kann, ohne zu überlegen, welche Auswirkungen sich ergeben.«
»Auswirkungen auf die Natur und die Umwelt, nicht wahr?«
»So ist es. Bis jetzt ist es uns gelungen, seinem Tatendrang zu bremsen. Was den Golfplatz betrifft, bin ich mir leider net sicher, ob sich der Bau verhindern lässt. Wenn wir gezwungen sind, die rechtlichen Mittel auszuschöpfen, wird sich eine Entscheidung zwar über mehrere Jahre hinziehen, in denen die Baupläne auf Eis liegen werden. Aber das bedeutete lediglich einen Aufschub. Ob wir letztendlich erfolgreich sein werden, ist net abzusehen.«
»Wer ist der Landwirt, der dieses fast schon größenwahnsinnige Projekt plant?«, fragte Elena.
»Sein Name ist Reisnecker. Der Hof liegt etwas außerhalb von St. Johann. Bei seiner Frau und seinem älteren Sohn, dem Bernhard, sind schon Zweifel aufgekommen, ob das finanzielle Risiko, das sie eingehen wollen, net zu groß ist. Zum Schluss, fürchten sie, ist alles futsch; der Hof, das Geld, und natürlich auch die Golfanlage. Und es ist wohl tatsächlich net auszuschließen, dass sie sich finanziell übernehmen und eines Tages vor dem absoluten Nichts stehen, weil kein Mensch sagen kann, ob die Golfanlage wirklich ein Erfolg wird.«
»Sie haben vorhin in der Mehrzahl gesprochen, Herr Pfarrer. Gibt es denn schon eine Initiative gegen den Bau der Golfanlage?«
»Es sind viele, die so denken wie ich. Eine offizielle Initiative gibt’s allerdings noch net. Der Bürgermeister und der Reisnecker wissen, dass ich kämpfen werd’, um die Anlage zu verhindern. Ich überlass’ jedoch ihnen den nächsten Zug in dieser Partie. Es ist nämlich einfacher, dann zu reagieren, als vorab irgendwelche Schattenkämpfe auszufechten, die nur Energie kosten, und am Ende möglicherweise müßig sind.«
»Das ist eine gute Strategie, Herr Pfarrer. Na schön. Sie wissen jetzt, dass Sie in mir eine Mitstreiterin gefunden haben, wenn es losgeht. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben. Ich hoffe, Sie bald mal persönlich kennenzulernen.«
»Sie können mich jederzeit im Pfarrhaus besuchen, Frau Grünwald. Ich würd’ mich freuen.«
Elena versicherte, dies bei passender Gelegenheit zu tun, und verabschiedete sich. Sie legte auf und stand einen Moment grübelnd neben dem Board. Ihre Neugier war geweckt. Sie wollte sich ein Bild von den Leuten machen, die das finanzielle Abenteuer mit der Golfanlage eingehen wollten, und zwar ohne Rücksicht darauf, welchen Schaden sie damit anrichteten.
Aber noch etwas hatte ihre Neugierde geweckt …
*
Elena befand sich in ihrem Atelier im Dachgeschoss des Bauernhauses und stand vor der leeren Leinwand.
Alma lag schlafend zu ihren Füßen am Fußboden und hatte den Kopf zwischen die Vorderpfoten gebettet. Eine der Katzen hatte es sich auf dem alten Cocktailsessel in der Ecke bequem gemacht, während die anderen beiden irgendwo in den Schuppen und Scheunen auf Mäusejagd waren. Wolferl hatte sich in irgendeine ruhige Ecke zurückgezogen.