Die letzte Meise - Alex Gfeller - E-Book

Die letzte Meise E-Book

Alex Gfeller

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Beschreibung

Ständig wendet sich die Meise im Gehen unwirsch um, hält manchmal kurz und ungehalten inne und blickt verärgert zurück. Man sieht ihr die tiefe Beunruhigung und Besorgnis deutlich an, denn die Würmer folgen ihr betont gemächlich und demonstrativ gelassen. Sie halten dabei immer fein säuberlich diese obligaten zehn Meter Abstand zu ihr ein, in einem betont lockeren Gewürmknäuel halb auf dem Gehsteig, halb auf der Straße dahinschlurfend, also vermeintlich acht- und sorglos und für Außenstehende wie absichtslos und vor allem scheinbar inoffensiv. In Wahrheit aber handelt es sich hierbei um einen sehr bedrohlichen Pulk, um ein überaus angriffiges Rudel, um eine besonders für Unbeteiligte und Unbedachte ausnehmend feindselige Horde. Alex Gfeller, Schriftsteller und Landschaftsmaler, geboren 1947 in Bern, lebt in Biel

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für Bruno Schulz

1892 - 1942

Ständig wendet sich die Meise im Gehen unwirsch um, hält manchmal kurz und ungehalten inne und blickt verärgert zurück. Man sieht ihr die tiefe Beunruhigung und Besorgnis deutlich an, denn die Würmer folgen ihr betont gemächlich und demonstrativ gelassen. Sie halten dabei immer fein säuberlich diese obligaten zehn Meter Abstand zu ihr ein, in einem betont lockeren Gewürmknäuel halb auf dem Gehsteig, halb auf der Straße dahinschlurfend, also vermeintlich acht- und sorglos und für Außenstehende wie absichtslos und vor allem scheinbar inoffensiv. In Wahrheit aber handelt es sich hierbei um einen sehr bedrohlichen Pulk, um ein überaus angriffiges Rudel, um eine besonders für Unbeteiligte und Unbedachte ausnehmend feindselige Horde. Man merkt deshalb sofort, dass es der Meise alles andere als wohl ist, denn sie sieht präzise aus, als befände sie sich auf dem Weg zu ihrer eigenen Hinrichtung, und ein aufmerksamer, vielleicht sogar eingeweihter Beobachter erkennt bestenfalls auf den ersten Blick, dass der überaus zänkische Wurmausschuss und die bestimmt friedfertige Meise zwei geradezu entgegengesetzte Elemente ein- und derselben hoffnungslosen Unternehmung sind, zwei unvereinbare Gegensätze, die gerade deshalb nichts miteinander zu tun haben wollen, vor allem aber überhaupt nicht zusammenpassen, noch vereint gehen und schon gar nicht miteinander übereinstimmen, in keiner Weise. Das ist völlig richtig beurteilt, denn sie haben tatsächlich nichts mit-einander gemein, die Meise und die Würmer; man versteht sofort, dass das deutlich ameisoide Gewürm gar nicht zu dieser hoffnungslosen Unternehmung passt, noch jemals dazugehören möchte, obwohl es groteskerweise sehr wohl dazugehört; das ist überhaupt erst die Ausgangslage dieses wahrhaft dramatischen Dilemmas, von dem wir jetzt in aller Ausführlichkeit erfahren werden. Doch abgesehen davon: Wo sollte denn ein solch widerlicher Wurmausschuss überhaupt jemals hinzugehören wollen oder können, ausgerechnet er, der in seiner kümmerlichen Wurmhaftigkeit aus Prinzip alles ablehnt, was wie eine An- und Zugehörigkeit ausschaut oder auch nur von weitem nach einer bindenden Mitgliedschaft röche, und wo sollte er, der Widerwärtige, der Überflüssige, der Unerwünschte, der Ungebetene und allseits entschieden Abgelehnte, überhaupt jemals Anschluss oder gar Anerkennung finden können, wenn nicht an dieser unverbindlichen Stelle? Könnte es sein, so fragt sich die Meise zögerlich, dass das dreckige Pack, das ihr doch eher unverpflichtet, also völlig unverbindlich und somit gänzlich zwangslos folgt, als dass sie es jemals dazu nötigen könnte, ihr zu folgen und das sie längst nur noch als einen ungebetenen, ungezügelten und restlos unerwünschten Wurmhaufen, bestenfalls als einen sehr lockeren Wurmschwarm, meist aber als eine dunkle, amorphe Wurmmasse, also als ein widerlich klebriges, schleimiges, oft bedrohlich nach Tabak, Haschisch, Bier und ordinären Schnaps stinkendes, kloakenhaftes Konglomerat oder, noch trefflicher, noch bezeichnender, als rundweg überflüssigen Wurmfortsatz wahrnimmt, der auch während dieser doch eher spontanen, also unnötigen und somit völlig nutzlosen Unternehmung ständig neue Handelspartner, frische Warentransaktionen und somit ausnehmend lukrative Geschäftsbeziehungen sucht, seine einzige und wahre Berufung übrigens, seine leidenschaftlich ausgeübte und scheinbar angeborene Beschäftigung, und dass er bei dieser offiziellen meisischen Unternehmung nur deshalb überhaupt erst mit dabei ist? Die äußerst verschworene und absurderweise gleichzeitig ständig in sich zerstrittene Wurmbüchse ist immer und pausenlos auf der Suche nach dem dringend benötigten Wurmstoff, eine emsig betriebene Tätigkeit, die ihr längst zur nüchternen Gewohnheit und somit zur leidenschaftslosen Routine geworden ist, und wenn nicht direkt nach Betäubungsmitteln aller Art gesucht wird, dann zumindest nach deren potentieller Käuferschaft und einer kaufkräftiger Kundschaft für selbige, also nach den lokalen Drogenkonsumenten und solchen, die es noch werden sollen, werden wollen oder werden müssen, in bedachtsamer Umgehung der örtlichen Drogenclans, die ihre einträglichen Reviere natürlich auch hier mit Argusaugen überwachen und hüten, oder aber, mit Blick auf besonders schnelles Geld, wenn möglich gleich bei den labilen Päderasten, devoten Pädophilen und allerlei mehr als subtilen Wurmliebhabern der widerlichen Sorte, wie die Würmer sie unweigerlich in fast allen abgelegenen Parks und öffentlichen Toilettenanlagen antreffen, aufgreifen und sofort hemmungslos ausnehmen, vielleicht sogar bei pathologischen Wurmfressern oder aber, bei besonders dringendem Bedarf, bloß aus allerhand Handschuhfächern, versteckten Garderoben, sträflich offengelassenen Kassen, leicht zu knackenden Getränke- und Billettautomaten, lockeren Brieftaschen, unbeaufsichtigten Damenhandtaschen, leichtfertig stehengelassenen Einkaufstaschen oder notfalls auch nach anderswie Verwertbarem – eigentlich und prinzipiell nach rundweg allem, was immerhin einen gewissen Verkaufs- oder Eintauschwert haben könnte, was sich also ganz unauffällig entwenden und somit gleich anschließend schnell und anonym verscherbeln ließe und somit auch nur entfernt nach Barem röche. Die Meise hat es nämlich leider – wir merken es gleich – mit schon recht früh verpfuschten Wurmleben zu tun, unablässig und deutlich unstet in Bewegung wie gefangene Raubtiere, auf der ständigen, ruhelosen Suche nach irgendwas Verwertbarem: So sieht das Leben eines ganz gewöhnlichen Wurmausschusses und beliebigen Wurmfortsatzes heute aus, nur deswegen ist er derart rastlos unterwegs, der Verdorbene, der Ausfällige, der Hemmungslose, der Unbeherrschte, pausenlos umhergetrieben, unruhig, fahrig, aufgeregt bis hektisch, gleichzeitig auch noch ständig von dritter oder vierter Seite herumgeschoben und herumgestoßen und deshalb kaum jemals in einem nur halbwegs erträglichen Ruhezustand, also kaum jemals in mittlerweile unerträglich gewordener Regungslosigkeit, das heißt kaum jemals in absolut wirkungsloser Tatenlosigkeit und somit in extrem unprofitabler, also unnötiger Untätigkeit. Wie auch?

Tag und Nacht äußerlich geistig abwesend jeden erreichbaren Müll in sich hineinstopfend, als würde ihn unausgesetzt ein aufgeregter, innerer Hunger beharrlich plagen und zwingend vorantreiben, eine allerdings nur für ungeübte Außenstehende undurchschaubare Dringlichkeit, doch gleichzeitig eine unübersehbare Eile, eine stete Anspannung und eine zerstörerische Unrast: So sieht ein ganz gewöhnlicher Wurmhaufen heute aus. Die Katzen streiten diese Tatsachen zwar immer vehement und eisern ab und glauben ernsthaft, es handle sich auch hierbei nur um ganz gewöhnliche Würmer, wie sie immer behaupten, um Würmer, denen zudem ständig massiv Unrecht angetan würde, weil man sie nicht verstehen wolle. Nur kennt kaum jemand die tatsächlichen Tatsachen, die effektiven Fakten, die wahren Gründe, die wirklichen Umstände, nur weil nicht sein kann, was nicht sein darf und weil man das gar nicht sehen will, nicht hören will, noch wissen will und selbstverständlich auch nicht erkennen kann und deshalb alles tut, um dessen nicht ansichtig werden und somit nicht eingestehen zu müssen, dass ihre teure Brut längst verdorben ist und am Abgrund steht. Wir haben hier nämlich eine eindeutige Wirklichkeitsverweigerung größten Ausmaßes vor uns, auf die wir im Verlaufe dieser Erörterungen bestimmt noch einige Male zurückkommen werden. Ein würmischer Ausschuss kann eben nicht stille sein, ebenso wenig, wie er sich jemals auch nur für kurze Zeit ruhig verhalten möchte, geschweige denn, dass er für einmal aufmerksam zuhörte oder gar ganz ungewohnt konzentriert wäre. Vergessen Sie das, vergessen Sie das gleich! Das kann er sich gar nicht mehr leisten, denn das Gift macht ihn gezwungenermaßen absolut unberechenbar, macht ihn immerfort flatterig, macht ihn überaus unruhig, ungesund angespannt und ausgesprochen fahrig, kurz, es macht ihn unbrauchbar für sich selbst und auch für alle andern, völlig unnütz und zudem längst wertlos, überflüssig halt, wie schon erwähnt. Ausschuss. Abfall. Dreck. Müll. Schlamm.

Denn kaum hat er endlich etwas gefunden, was er verwerten kann, ist er bereits wieder auf der Suche nach dem Nächsten, immerfort nur das nächstfolgende geschäftliche oder toxikomanische Ereignis vor Augen, den kommenden Handelsabschluss, den baldigen Konsum, die zwingende Vorsichtsmaßnahme, die unabwendbare Umsicht, das überaus sorgsam geplante Ausweichmanöver, die geschickte Täuschung, die unumgänglich kecke Verleugnung, die weitsichtig vorsorgliche Vertuschung, die überraschend kreative Umgehung und, vor allem andern, die krasseste Verschleierung, die man sich vorstellen kann, immer in fiebriger Erwartung des nächsten Ereignisses oder des zukünftigen Geschehens und seiner durchaus absehbaren Folgen oder auch seiner stets unabsehbaren Konsequenzen. Hinzu kommt, dass es gar keinen Sinn mehr hat, sich bei ihm zu erkundigen, ihn höflich danach zu fragen, ihn zu bitten oder ihn gar um-ständlich auszufragen, denn natürlich lügt der würmische Ausschuss, jederzeit, überall und immerdar, und das massiv, denn das Gewürm täuscht laufend, umgeht bedachtsam, lenkt geschickt ab, erfindet sauber, schauspielert durchdacht und beseitigt stets punktgenau und zweckgerichtet verräterische Spuren, verwischt schnell alle Beweise und lenkt geschickt ab, ganz selbstverständlich, automatisch und ausnehmend gekonnt. Er hat das drauf, und er kann gar nicht anders, weil dies ein wichtiger Teil seines ganzen Geschäfts ist. Für Würmer sind nüchternes Lügen und kalkuliertes Täuschen zwei ganz normale Verhaltensweisen, sind praxisbezogene Ablenkungs- und somit vitale Verteidigungsvorgänge, ebenso selbstverständlich und anstrengungslos ausgeführt wie das Stehlen und das Hehlen. Das sind zwei gewöhnliche Werkzeuge in seiner Hand, wie gesagt, das sind ganz alltägliche Mittel zum Zweck, die von zehnmal mindestens neunmal vorzüglich klappen, was als Quote völlig ausreichend ist, und sie sind allein deshalb ein durchaus übliches Verhalten mit bewusst akzeptierter Schadensbegrenzung, alles in allem nichts anderes als eine kaltblütig, professionell, punktgenau und beherrscht angewandte Wahrscheinlichkeitsrechnung der wahren Ober- und Sonderklasse. Ununterbrochenes Lügen und Betrügen muss heute jeder gewöhnliche Wurmausschuss beherrschen; er muss diese notwendigen Werkzeuge zudem jederzeit blindlings einsetzen können, naturgemäß, folgerichtig und gezwungenermaßen; etwas anderes als das kennt er mitt-lerweile gar nicht mehr, denn lügen und betrügen sind zwei seiner wichtigsten Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen, wie es übrigens auch das unablässige Beschimpfen, Beleidigen, Bedrohen und Erpressen als die einzigen und wahren Durchsetzungshilfen sind. Das ist alles nur eine Frage der aufmerksamen Planung, der umsichtigen Vorsorge, der konzeptuellen Voraussicht, der geschäftlichen Umsicht und somit der bedachtsamen Kalkulation. Die Wurmbüchse selbst hat kein moralisches Problem damit, denn sie hat diese Methode längst den Katzen abgeschaut, die diese allgemein übliche Taktik der Verschleierung, Vertuschung, Verneinung, Verdrehung und Verhüllung in einem weitaus größeren Umfang täglich betreiben; das sind sozusagen der auffällige Grundton und die unausweichliche Grundlage der ganzen Wurmheit in ihrer gegebenen Gesellschaft an sich.

Das ist ihre unauffällige Hintergrundmusik zum traurigen Endlosfilm über das aktuelle Wurmtum als solchem, ist somit auch das wichtigste Werkzeug eines ganz gewöhnlichen Wurmdaseins bis hin zum abgesicherten Geschäftserfolg und somit bis zur dringend benötigten Achtung und pausenlos gesuchten Anerkennung in der Wurmbüchse selbst, ist also die unabdingbare Grundlage einer generellen Wurmhaftigkeit überhaupt und des umfassenden Wurmseins an sich, ist wurmhafter Alltag halt und einzig eine Frage der würmischen und somit gleichzeitig auch der ameisischen, also der unausweichlich gegen die Meisen gerichteten Routine, das ist alles. Jetzt stehen die Würmer alle im Kreis und bewegen sich nicht mehr, bemerkt die Meise besorgt, und das ist kein gutes Zeichen. Sie sind unvermittelt mitten auf dem Gehsteig stehen geblieben und versperren den vielen eiligen Passanten unbekümmert den Weg, so dass diese wortlos und mit gesenktem Kopf auf die stark befahrene Fahrbahn ausweichen müssen, tunlichst ohne das fremde Gewürm direkt anzublicken, nur um es nicht zu unvorhersehbaren Reaktionen zu provozieren, also äußerst umsichtig und vielleicht sogar aus mehrfach überstandenen, schlechten Erfahrungen mit solch unerfreulichen Ansammlungen von Würmern. Die Würmer, von denen hier unablässig die Rede ist, verhandeln ganz offensichtlich ungewöhnlich aufgeregt, stellt die Meise, die sich erneut ungeduldig umgedreht hat, besorgt und verärgert fest; sie tuscheln verhalten, aber äußerst intensiv, denn Würmer müssen sich immerzu gegenseitig absprechen, müssen immerdar die schwierigen Lagen peilen und die heiklen Situationen abschätzen, müssen die laufenden Angebote checken und zugleich ihre spärlichen Möglichkeiten abwägen, und dies alles gleichzeitig und synchron, müssen sich somit immerfort geschäftsmäßig besprechen, müssen ständig kreditmäßig ihre Barschaften und übrigen Geldmittel umverteilen, müssen umdenken und um drei Ecken herum die stets sich verändernden und naturgemäß überhaupt sehr wandelbaren Marktchancen pausenlos in andere Währungen und Werte umrechnen, müssen genaue Mengen bewerten und berechnen können und folglich die sehr variablen Preise, verbunden mit ihren immerzu stark eingeschränkten Ankaufs- oder Weiterverkaufschancen, müssen Risiken einkreisen, abschätzen und begrenzen können, müssen aber auch gleichzeitig ihre eigenen Gewinnprozente überschlagsmäßig ausrechnen, denn Würmerausschüsse stehen gewöhnlich vierundzwanzig Stunden am Tag im Dauerbeschaffungsstress. Also verhandelt der Wurmausschuss konsequenterweise auch während dieser Unternehmung, stellt die Meise wieder einmal sachlich fest, denn wer den Stoff beschafft und somit die Preise kennt, ihn folglich neuverteilen und umverteilen, also wieder loswerden und möglichst einträglich verkaufen kann, hat nun mal gleichzeitig und unausweichlich die ganze Wurmbüchse in der Tasche, hat den überaus wichtigen Einfluss auf das Gesamtgewürm als solches und die einzig richtige Bedeutung in der Gruppe, nämlich die wirtschaftliche Macht und somit das alles entscheidende Gewicht der wahren bedeutungsvollen Einflussnahme, denn einzig die Hierarchie zählt, und somit hat nur dieser Aspekt die korrekte Geltung in der gesamten Wurmheit als solcher. Der Besitzer von gutem Stoff macht nun mal den goldenen Schnitt; dies ist das eiserne Gesetz in der Branche, einzig der Mann mit dem guten Stoff sitzt an den Schalthebeln der Macht und ist der wahre Boss, der anerkannte King, der absolute Champ und der strahlende Sieger in einer Person, wenn auch immer nur vorübergehend, das heisst, bis der Stoff aufgebraucht ist. Doch allein dies zählt, nur dies; wer die Macht hat, macht die Preise und somit den Gewinn – so einfach läuft dieses einträgliche Geschäft Tag für Tag. Dieses unumstößliche Gesetz gilt hier nicht anders als in jedem anderen Geschäftsgeschehen eines jeden anderen professionellen Geschäftsbereiches; es wickelt sich somit als gültige Transaktion exakt wie jede andere Kaufmannspraxis in jeder hehren Banken- und Handelswelt ab. Da ist keine Zeit für lange Diskussionen, da ist auch keinerlei Bedarf nach unnötiger Verzögerung oder auch nur nach überflüssigen Überlegungen, hinderlichem Zögern oder wirkungslosem Zaudern, und schon gar nicht Raum für allfällige, völlig sinn- und nutzlose Zeitverschwendung irgendwelcher Art, wie Grundsatzdiskussionen, generellen Auseinandersetzungen, Machtdemonstrationen und sinnstiftenden Überlegungen. Würmische Entscheide fallen deshalb jeweils sehr schnell, sehr endgültig, sehr vorbehaltlos und immer äußerst präzise, denn das, was die Wurmbüchse ständig umtreibt, ist lauterstes unternehmerisches Denken, reinstes, tatkräftigstes Anpacken und fleckenlosestes kaufmännisches Handeln – und somit makelloseste Kaufmannschaft der Spitzenklasse, wenn man so will, zudem ausschließlich im völlig illegalen Bereich, versteht sich, und somit sehr gefährlich, wie so viele andere Geschäftsbereiche der Spitzenklasse auch. Doch das macht die Professionalität erst aus; Großbanken und Großkonzerne bewegen sich auch nicht anders. Jedes Mal, wenn sich die Meise nach den Würmern umdreht, wundert sie sich über die auffallend großen Taschen an den tiefhängenden und viel zu weit geschnittenen Beinkleidern, doch irgendwo muss das ganze Material, muss das ganze Business gelagert, versorgt, transportiert, versenkt und versteckt werden können, versteht sich.

Aber wenn man den Ausschuss ganz direkt danach fragt, zeigt er geschickt, gekonnt und sichtlich zerknirscht eine angebrochene Zigarettenpackung, ein paar wertlose Münzen oder auch nur eine Handvoll zerknüllter Kaugummipapierchen vor, denn mehr braucht es nicht, um eine zerstreute Meise oder eine schusselige, zudem restlos desinteressierte Katze zu täuschen. Diese einstudierten und fleißig eingeübten Gesten, diese knallhart kalkulierten Risiken, dieser blitzschnelle Handgriff schützt den Wurm erfahrungsgemäß in mindestens neun von zehn Fällen sicher vor weiteren, zudem lästigen und unangenehmen Nachforschungen und restlos unerwünschten Nachfragen. Zwar gilt danach als minderjähriger Raucher, wer eine angebrochene Packung Zigaretten mit sich herumträgt, das ist klar und das steht jeweils sofort fest, und dazu braucht es nicht einmal eine Erklärung, also eine spontan erfundene Ausrede. Doch wer ist das nicht, ein Raucher, oder wer ist das zumindest nicht schon mal gewesen? Und was soll das überhaupt, Rauchen als moralischer Vorwurf, also gewöhnlicher Nikotingenuss als offenbar schwerwiegendes Delikt? Aber für ein aufgebrachtes Katzenprotektorat sind harmlose Zigaretten erfahrungsgemäß mehr als nur ein empörender Beweis der moralischen Verkommenheit und zudem bereits ein nachhaltiger Grund, eine völlig unbeteiligte Meise entrüstet zu maßregeln – nicht etwa einen Wurm, denn die Meise ist schuld. Die Meise ist immer schuld, und deshalb kann und muss allein die Meise verantwortlich dafür gemacht werden, dass Würmer rauchen; wir werden später noch einmal auf dieses recht bemerkenswerte Phänomen zurückkommen, denn es geht hierbei um die Phänomenologie der Schuldhaftigkeit. Das juvenile Rauchen von Zigaretten genügt den Katzen hinlänglich für eine nachhaltige Verurteilung einer Meise, und zwar als meisisches Vergehen, als meisische Entgleisung und auch als meisisches Delikt an sich, versteht sich, auch und vor allem als meisische Nachläßigkeit in aller meisischen Verantwortungslosigkeit, und zudem lenkt dieser Verlauf der Auseinandersetzung elegant von allen anderen Problemen ab und ist in der Regel für ein ahnungsloses Protektorat ein gebührender Anlass für eine dauerhafte, also nachhaltige Meisenschelte, wie schon erwähnt. Ausreden sind nicht gefragt, Ausflüchte werden gar nicht erst gesucht, denn über Zigaretten und Zigarettenkonsum kann sich das Katzentum bereits ausreichend und sogar über mehrere Jahre hinweg ausgiebig entrüsten, darf sich darob also zur Genüge empören, mag es doch gleich im Anschluss daran oder auch viel später befriedigt strenge Beschlüsse fassen und strikte Entscheide fällen, wird zudem völlig ungeeignete Schritte androhen oder sogar tatsächlich durchziehen wollen, darf drakonische Maßnahmen anordnen, will vielleicht sogar „ein- für allemal mit starker Hand entschieden durchgreifen” – was immer sich die Katzen darunter vorzustellen belieben. Das kurzsichtige Protektorat kann sich für einmal in seiner aufgebläht ameisischen Katzenhaftigkeit öffentlich und für alle ersichtlich deutlich und markant in Szene setzen, kann sich also wichtigtuerisch durchsetzen und unumstößliche Eckpunkte setzen, wenn nicht gar sich selbst unentbehrlich machen, und es gilt danach in den Augen aller anderen Katzen erst noch als absolut vorbildlich und mustergültig. Was will man als Katze also mehr erreichen? Falsches Lob von falscher Seite reicht völlig aus, denn das wäre dann schon wieder gutes Lob. Überhaupt muss man sich immer wieder wundern, wie wenig es braucht, um jedes durchschnittliche Katzenprotektorat nachhaltig zu täuschen, dauerhaft abzulenken und sogar für eine Weile in aller Empörung emotional zufrieden zu stellen, denn ein ganz gewöhnliches Gewürm entwickelt seine brauchbaren und nützlichen Strategien weitaus schneller, als Katzen (oder auch nur verängstigte Meisen) darüber jemals nachzudenken vermöchten. Es arbeitet sie mit schlafwandlerischer Sicherheit intuitiv richtig aus und lässt sie anschließend durch die bereits erstaunlich vielfältige Erfahrung eines zwar noch reichlich jungen, doch hinlänglich strafbaren, also kriminellen und allein deshalb schon deutlich verdorbenen Wurmlebens ausführlich bestätigen. Nur auf diese Weise kommt es zu seinem unaufholbaren, ständigen und lebenswichtigen Vorsprung, und das ist in jedem Fall eine grundsolide Taktik, denn nur so können ihm die täppischen Katzen niemals auf die Schliche kommen, noch jemals gefährlich werden, und überdies durchschaut der geneigte Wurm als gerissener Wurmfortsatz an sich seinen natürlichen Gegner, also vor allem die Katzen (und zuweilen auch die doch eher harm- und bedeutungslosen Meisen) im Nu, durchleuchtet sie wie mit dem modernsten Tomographen und hat sie somit immer sicher im Griff. Das muss aus der Sicht der Würmer unbedingt so sein und auch so bleiben, denn in diesem komplexen Geschehen steht in der Regel allein die Meise ständig im Regen; sie muss jedenfalls stets alle Konsequenzen tragen – und nur sie. Solcherart ist das geplant, geleitet und gefertigt, nämlich wie ein Naturgesetz: Die harmlose und völlig unbeteiligte Meise trägt ganz grundsätzlich und jederzeit alle Schuld. Der natürliche und nahezu ausnahmslose Feind eines jeden würmischen Ausschusses und somit einer jeden stürmischen Wurmbüchse, also eines jeden immerzu verdeckt operierenden Wurmgesindels, weil mehrheitlich lichtscheuen Würmertums überhaupt und einer jeden mehr als kümmerlichen Wurmheit selbst in seiner ganzen kläglichen Wurmhaftigkeit ist nicht etwa das inoffensive Meisentum, das sich mit den Würmern gewissermaßen beruflich auseinanderzusetzen hat – oder zumindest auseinanderzusetzen hätte, wenn es sich denn mit ihnen überhaupt jemals auseinandersetzen könnte oder möchte, sondern doch eher und wirklich erstaunlicherweise, aber streckenweise sogar fast ausschließlich das rachsüchtige kätzische Protektorat mit all seinen antimeisischen Vorurteilen, mit all seinen meisophoben Möglichkeiten, mit all seinen ameisischen Aversionen und mit all seinem antiwürmischen Ermessensspielraum. Aber es ist für die Würmer sehr leicht zu entlarven, nicht nur auf Grund der gemeinsamen Privatsphäre, also aus einem ungewöhnlich kenntnisreichen und deshalb detailgenauen Privat- und Familienleben heraus, das Würmer und Katzen naturgemäß irgendwie teilen, das heißt, juristisch gesehen sogar teilen müssen. Das gesellschaftliche und soziale Umfeld ist für die gesamte Wurmitüde viel leichter zu erkennen, viel schneller zu definieren, viel sauberer zu analysieren und deshalb auch besser zu verstehen als zum Beispiel für professionelle Provokationswühlmäuse oder verdeckte Ermittlungsmaulwürfe der Katzenpolizei, ebenso wie für außeramtliche Schnüffelfahnder und langjährige, bereits grauhaarige V-Schleicher und besoldete Informanten, für nichtöffentliche Grottenolme oder halbstaatliche Schleimdenunzianten, private Aufpasservögel und ganzstaatliche Leckschnüffler der politischen Schmierenoper, für plumpe Massenkontrollorgane auf der Basis von schlecht bezahlten Hühnerhilfskräften, für die stets streitsüchtige Vogelverwandtschaft als Ganzem, für ständig misstrauische Käfignachbarn, für neidische Zellenkollegen und für ganz gewöhnliche WC-Spanner aus der örtlichen Überwachungspolizei, oder aber für neuzeitliche, überaus raffinierte, von bloßem Auge kaum sichtbare elektronische Überwachungsanlagen der nationalen und multinationalen Konzerne und für total durchcomputerisierte, also unfehlbare, weil digitalisierte Kontrollmechanismen der öffentlichen Dienstleistungs-, Kommunikations- und Konsumgesellschaft an sich, oder aber für allerlei artfremde, also fremdartige Späherwürmer aus ganz anderen Wurmpopulationen, vor denen auch ein gewitzter Wurmausschuss immer auf der Hut sein muss, weil auch andere Wurmpopulationen aus anderen, nicht einmal angrenzenden Gegenden, sogar aus anderen Kontinenten natürlich exakt dieselben vertrackten Kampfmittel einsetzen und mit denselben gefährlichen Waffen operie-ren können wie sie selbst. Andere, also fremde Wurmausschüsse sind denn auch die einzigen Organe und Mechanismen, die ein jedes herkömmliche Gewürm sehr gründlich durchschauen können und auch tatsächlich durchschauen müssen, falls jemals Bedarf vorhanden wäre, denn eine simple Meise spielt in diesem Theater im Grunde genommen eine völlig untergeordnete Rolle, nicht einmal eine Nebenrolle, sondern bestenfalls eine Charge, und überdies kann das Meisenhirn an sich je nach Lage bis zu vierzig Prozent wachsen oder schrumpfen, wie uns die ornithologische Anatomie tatsächlich bestätigt. Das ist ein eindeutiger und unschätzbarer organischer Vorteil, muss man dazu neidvoll anfügen, denn das Volumen der Hirnmasse ist gerade bei Meisen schon von Anfang an sehr gering und ursprünglich eigentlich nur von den bescheidenen meisischen Bedürfnissen geprägt und somit nur von ihnen abhängig.

Etwas Wehwehchen hier, etwas jammern da, etwas Bobochen dort, dazu etwas Kabelfernsehen, etwas Billigauto fahren, bitte sehr, dazu etwas gut eingeführter Erlebnisurlaub in den Alpen und gleichzeitig immer etwas bescheidenes Einkaufen allenthalben, und schon ist restlos jede durchschnittliche Meise an und für sich, also persönlich und privat, wunschlos zufriedengestellt und folglich richtig glücklich, wirklich richtig glücklich, denn mehr braucht es tatsächlich nicht zu einem gewöhnlichen Meisenleben, und kleine Konsumkredite richten’s für die Sonderwünsche füglich. Vielleicht wird auch das stets himmelschreiend forsch, überaus unangenehm selbstsicher und zudem geradezu unerträglich selbstherrlich auftretende Katzenprotektorat vom Wurmausschuss nur deshalb als ebenso bedeutungslos und mindestens ebenso harmlos wie Durchschnittsmeisen empfunden, weil es aus obgenannten Gründen ebenso leicht zu durchschauen ist, denn Katzen wollen den Würmern aus Gründen, die noch zu erläutern sind, kaum jemals wirklich etwas anhaben – den geplagten Meisen allerdings schon, wie wir spätestens ab jetzt vermuten dürften. Der Ausschuss folgt der Meise kontinuierlich, doch verdeckt durch das Gewühl und Gewimmel der belebten Straße, aber immer so, als gehöre er gar nicht dazu. Das ist längst nicht mehr das ganze Gewürm, was sie da hinter sich herzieht, stellt die Meise schon jetzt, also schon zu Beginn dieses weiteren sinnlosen Unternehmens erschrocken fest, und sie weiß zunächst gar nicht und in der Folge nie mehr, wo sich der ganze Rest eigentlich befinden mag. Ist das noch normal? muss man sich an dieser Stelle fragen dürfen; darf die Meise einen halben Wurmfortsatz einfach so leichtfertig aus den Augen verlieren? Und wo treibt sich in einem solchen Falle bitte sehr die andere Hälfte unbeaufsichtigt herum?

Es gäbe für die arme Meise schon jetzt sehr viele, vielfältige und nachhaltige Gründe, um auf der Stelle in tiefste Verzweiflung auszubrechen und die gewohnte Untröstlichkeit zu markieren. Doch was heißt hier, in aller Bescheidenheit, „noch normal“? Hier ist in Tat und Wahrheit längst nichts mehr normal und wohl auch noch gar nie normal gewesen, möchte die erfahrene Meise zunächst einmal betont wissen, denn hier läuft prinzipiell nichts normal ab, niemals, und zwar aus dem einfachen Grund, weil hier noch gar nie etwas normal abgelaufen ist – was immer man unter „normal“ begreifen möchte und wann immer man geneigt wäre, die Abläufe jemals als „normal“ zu verstehen. Hier wird bestimmt nicht „normal“ gehandelt, noch wird hier jemals ein „normales“ Wurmverhalten an den Tag gelegt, und es wird auch nicht „normal würmisch“ reagiert, gerade dies ganz und gar nicht, denn es sind sich in diesem alles andere als normalen Unternehmen, wie wir bereits zu diesem frühen Zeitpunkt leichterdings verstehen zu können glauben, ganz grundsätzlich, systembedingt und konstellationsbezogen alle drei Teile dieses teuflischen Dreiecks grundsätzlich spinnefeind, also die Meisen den Katzen und den Würmern, die Würmer den Katzen und den Meisen und die Katzen den Würmern und den Meisen, ganz besonders aber und vor allem die Meisen den Würmern und den Katzen gemeinsam, übereinstimmend, parallel, intensiv, symbiotisch, synergetisch und meist auch noch gleich in extremis, wie wir erkennen zu müssen uns allmählich vorbereiten sollten. Diese doch eher bedauerliche Tatsache ist längst bekannt und auch aktenkundig, und sie ist bereits die ganze Ursache an sich, also die Hauptursache für rundweg alles, was fürderhin eine Rolle spielen wird, eine unumgängliche Gegebenheit also, die uns allein deshalb unbedingt noch ausführlich und gründlich beschäftigen muss. Die ganze altbewährte Verhaltensforschung ist diesbezüglich längst alarmiert, und die besten Verhaltensforscher der Welt rotieren bereits unkontrolliert durch diesen bescheidenen Text: In einer Unternehmung wie dieser steht neuerdings, wie auch sonst und überhaupt, die viel besungene und oft zitierte Normalität, was immer das sein mag oder jemals gewesen sein könnte oder vielleicht tatsächlich einmal gewesen sein mochte, viel zu weit hinten an, um überhaupt in Betracht gezogen werden zu können, und genau dies ist es denn auch, was klassische Verhaltensforscher nie begreifen werden: Die so genannte Normalität – und somit ein an sich berechenbarer Verhaltensstandard – gibt es nämlich gar nicht; sie war, sie ist und sie bleibt ein perpetuelles Phantom der Quasiwissenschaft und somit der ewige Wunschtraum einer rein wissenschaftlich verblendeten Katzenheit, also eines gesellschaftlich fatal irregeführten Katzentums in seiner ganzen Banalität, Ignoranz, Inkompetenz und – sprechen wir es ruhig offen aus – sprichwörtlichen Debilität. Der Wurmausschuss folgt der Meise, wie bereits erwähnt, mit einem gewissen, doch präzisen Sicherheitsabstand, möglicherweise sogar aus Rücksicht auf die Meise selbst. Das mag uns jetzt etwas überraschen, doch vielleicht wird im Gehen nur wie üblich gesoffen, geraucht, geschluckt, gesnifft, gespritzt und gekifft, also polytoxikomanisch genossen, wie man sich unter Genossen mit einer gewissen Verbitterung ausdrücken möchte, und die Meise soll das Ganze einfach nicht mit ansehen müssen, beschwichtigt sich die Meise selbst halbherzig. „Ich brauche das nicht zu sehen“, behauptet sie deshalb keck und trotzig, „Ich habe das nicht nötig.“ Vielleicht wird in einem stillen, unbewachten Hauseingang nur schnell die Nase gepudert, oder es wird hinter einem Treppenvorsprung kurz gedrückt, oder es kann auch, wie überall üblich, selbst im Gehen gekonnt konsumiert, also geraucht, geschluckt, gespritzt oder auch nur tüchtig gedealt werden. Fliegende Straßenhändler kommen und gehen unausweichlich ständig und überall vorbei, wo sich Würmer ansammeln, kühn, mutig, frech, forsch, unerschrocken, direkt, schnell, leise, unauffällig und geschickt, also unerkannt und vor allem unerfasst von verdeckten Fahndern, getarnten Detektiven, versteckten Kameras, unsichtbaren Aufpassern und unauffälligen Bewegungsmeldern. Eventuell wechselt soeben viel Geld in vielen zerknüllten Scheinen die Besitzer, manchmal in erstaunlichen, geradezu unvorstellbaren Mengen, meist in dicken Bündeln, Büscheln oder Rollen, seltener aber in anständigen, sauberen, elektronischen Transaktionen von Bank zu Bank, wie man das als Profi heutzutage macht. Vielleicht geht der längst vorgewarnte Wurmfortsatz nur auf kluge Distanz zur misstrauischen Meise und somit auch über die Meise hinweg zum ahnungslosen Katzenprotektorat, umsichtig vorausschauend und natürlich vorsichtig, also weise achtsam und überaus bedacht, immer außerordentlich aufmerksam und extrem wachsam, ein schlichter, doch längst angelernter Verhaltensreflex, eine nahezu unvermeidliche, doch ungemein wichtige Verhaltensreaktion, ein intuitiver Verhaltenskodex, wenn nicht gar ein bereits genetisch bedingtes Verhaltensmuster aus langjähriger, wenn nicht gar generationenlanger Sozialisation, wenn Sie so wollen. Alles ist heute diesbezüglich möglich, denn es gibt ausgesprochen viele Verhaltensrätsel im stets nur für Außenstehende rätselhaften Verhalten einer jeden durchschnittlichen Wurmitüde, und oft ist dieses Muster für die Würmer lediglich eine Frage der Ehre, der Rang-, der Hack- oder der Pickordnung, wenn man so sagen kann, nicht mehr und nicht weniger – da kann die Meise jeweils nur wortlos staunen, Brehms Tierleben halt, mit einem Schuss Mendel und einigen Tropfen Darwin. Doch sie weiß mittlerweile genau, dass es sich nimmer lohnen würde, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn überaus raffinierte, würmische Verhaltensstrategien finden sich zuhauf, zudem im ständigen Wechsel mit all den neunmalklugen Verhaltenstaktiken und den eher undurchschaubaren, doch permanenten Ehrenhändeln unter Würmern, die es natürlich zuhauf gibt, nebst allerlei naivem Getue und äußerst kindischem Verhalten, das einfach dazu gehört, meist aus der Glotze abgeschaut und gekonnt kopiert, offensichtliche Versatzstücke aus billigen Serien und debilen Soapoperas, manchmal tatsächlich getarnt als plattester Humor in seiner ganzen Massentauglichkeit, also banalste Witzlosigkeiten, die, geschickt eingesetzt, ausschließlich zur Ablenkung allfälliger Aufpasser dienen. Hinzu kommen auch noch und immer wieder all die unübersehbaren und meist sehr ernstzunehmenden, schwerwiegenden Verhaltensstörungen, die sich oft breit und vor allem quer zu jeder naheliegenden Vernunft legen, schwer, breit und quer zu jedem sich anbietenden Verstand, aber auch viele gewöhnliche, doch sehr unangenehme Verhaltensauffälligkeiten, dazu ständig die inkonsequenten und meist unerklärbaren Verhaltensfehlleistungen, all die desaströsen und dekonzertanten Verhaltensmuster und die stets kontraproduktiven Verhaltensabnormitäten, sowie etliche vielleicht sogar gutgemeinte, doch absolut harmlose, weil völlig wirkungslose Verhaltensregeln oder auch nur gewöhnliche, unverständliche Verhaltensweisen und andere unverschämte Unverhältnismäßigkeiten ohne Zahl, immerzu und unausweichlich aus frühwürmischen Defiziten, wurmoïden Traumata, vermisischen Psychosen und bilaterischen Neurosen, in sehr deutlich und offensichtlich vernachlässigten Wurmnestern geboren, auch wenn sich diese würmischen Herkünfte betont gediegen und aufgeschlossen zu geben belieben (ganz besonders die!) – mehr gewiss nicht. Aber nicht nur das. Wie ist das denn früher gewesen? muss man sich jetzt angesichts dieses mehr als deplorablen Desasters völlig zu Recht fragen dürfen. Hat sich die ganze Wurmpopulation früher nicht stolz an die Katzen oder gar an die Meisen selbst gedrängt? Hat das heute Undenkbare einst nicht tatsächlich und real stattgefunden? Haben die Würmer damals, also in den goldenen Frühzeiten ihrer tatsächlich noch ganz unschuldigen Wurmhaftigkeit, nicht rührende Vertrauensseligkeit an den Tag gelegt, grenzenlose Zutraulichkeit gezeigt und stolz selbstverständliche Verlässlichkeit demonstriert? Und dazu jede Menge leichter Zugänglichkeit? Absolutes Vertrauen? Unbedingte Zuneigung gar? Haben die frühen Würmer, die Urwürmer also, in ihrer entwicklungsgeschichtlichen Ur- und Frühzeit nicht eine geradewegs entwaffnende Arglosigkeit bei eingestandenermaßen gleichzeitiger Ahnungslosigkeit an den Tag gelegt, als ein typisches Merkmal ihrer wurmhaften Eigenart und ihres biologischen Entwicklungsstandes? Die Meise erinnert sich tatsächlich an nicht wenige, wenn auch unverbindliche Zutraulichkeiten, die heute absolut undenkbar und unvorstellbar wären, wie zum Beispiel offen zur Schau getragene Zuneigung den Meisen gegenüber, freundliches Händchenhalten auf Ausflügen gar, sogar liebenswürdiges Haarestreicheln und herzliches Wangentätscheln, aber auch an eine rundweg umwerfende Offenherzigkeit und überaus entwaffnende Arglosigkeit, an eine fleckenlose Unverdorbenheit halt, wie es sie heutzutage gewiss nicht mehr gibt und wie sie heute nicht mehr vorstellbar wäre. Du meine Güte, das waren noch Zeiten! Heute gälte dies alles sofort als körperliche Bedrängung, als seelische Nötigung, als emotionelle Misshandlung oder gar als sexuelle Belästigung und wäre als eindeutig moralischer Vorwurf und als fixfertige juristische Anklage durchaus ausreichend, um eine gewöhnliche Meisenexistenz nachhaltig und unwiederbringlich zu zerstören. Richtige Wellen von öffentlich zur Schau gestellter Empörung und Wogen von meisenfeindlichen Massenhysterien machen sich heutzutage diesbezüglich blitzschnell breit, und Fluten von Persekutionsdelirien pflegen sich neuerdings in den gespreizten Katzenprotektoraten ungebremst und natürlich absolut unreflektiert auszudehnen!

Viele naturaufgeregte Katzen fordern heute nichts weniger als das Ende sämtlicher zivilisatorischen Errungenschaften, also den Schluss aller zivilisierten Rechtsgrundlagen und deren unwiederbringlichen Abgang, also die Auflösung aller demokratischen Rechtsprinzipien, und gewisse Katzen einer besonders hinterhältigen Sorte wollen heute immer gleich das ganze Rechtssystem als solches, gleich das Rechtswesen überhaupt und somit den ganzen Rechtsstaat an sich aushebeln, ausbremsen, umstürzen und abschaffen, nur um für alle ersichtlich im Recht zu sein, nur um recht zu haben und recht zu bekommen; man möchte also bedenkenlos rundweg alles plattmachen, was über lange Epochen der historischen Entwicklung tapfer, unerschrocken und überaus mühselig aufgebaut worden ist. Selbst nach der Wiedereinführung der Folter und der Todesstrafe wird deswegen lauthals gerufen, wo doch jede anständige Meise heute bereits eine simple, dreckige Denunziation wegen angeblicher Ungerechtigkeit, deutlich vorgeschobener Parteilichkeit, lauthals vorgehaltener Pflichtvergessenheit, öffentlich vorgeworfener Würmerprovokation oder gar wegen sexueller Nötigung bei den nach schnellen, billigen, aber sehr wirkungsvollen Verdächtigungen, Anschuldigungen und Denunziationen geradezu lechzenden Katzen fürchten muss! Wir verstehen jetzt: So gesehen sind das sorgfältig eingehaltene, fürsorgliche Abstandnehmen und das vorsorgliche Abstandeinhalten durch den integralen Wurmfortsatz eine ganz persönliche Wohltat für die Meise und zudem eine äußerst wichtige und vielleicht sogar juristisch relevante Notwendigkeit, zumindest aber ein recht angenehmes und fast freundlich zu nennendes Entgegenkommen seitens eines überaus wachsamen Wurmausschusses. Ist es nicht so? Dies wäre überdies der vielleicht einzig richtige Weg zu einem gesunden Schlaf ohne all die sublimierten Ängste, ständigen Befürchtungen, traumatischen Erinnerungen, absurden Gedankenkapriolen und kaum verdrängten Katastrophen, also zu einem Schlaf ohne Albträume, wenn Sie so wollen. Wenn auch die Meise aus verständlichen Gründen nicht selbst Abstand nehmen kann, zumal nicht äußerlich und vor allem nicht für jedermann ersichtlich, so doch immerhin die komplette Wurmheit als Ganzes – und genau das tut sie denn auch vorsätzlich und mit Bedacht, also durchaus vorsorglich, mit einer gewissen ungewollten Rücksichtnahme und somit richtig ungewohnt taktvoll, wenn auch nicht reinen Herzens und arglosen Sinnes, wie man als positiv denkender Beobachter jetzt fälschlicherweise gutgläubig vermuten möchte. Doch ihr, also der gesamten Wurmbüchse als solcher, sieht man diese ganz offensichtliche Reserviertheit, also dieses demonstrative Distanzbedürfnis jederzeit nach, denn bei ihr ist diese überaus bedachtsame, abständische Haltung durchaus verständlich und in einem gewissen Sinne sogar schlüssig: Sie kann es sich überdies leisten, ihre ganze Ignoranz offen herumzutragen, laufend damit anzugeben und damit aufzutrumpfen und somit nicht nur allen Zuschauern ihre äußere, sondern auch noch ihre innere Verkommenheit stolz herzuzeigen; sie kann es sich sogar offen erlauben, ihr grenzenloses Desinteresse mehr als deutlich an den Tag zu legen und ihre abgrundtiefe Abscheu öffentlich zur Schau zu stellen, denn das gehört einfach zum guten Ton, so liegen die Dinge. Die Meise selbst müsste diesbezüglich immerhin noch eine gewisse meisische Anteilnahme heucheln, müsste zumindest ein bescheidenes meisisches Interesse andeuten, müsste zudem jederzeit ein vorgegebenes meisisches Leistungssoll vorweisen oder zumindest ein korrektes meisisches Pflichtbewusstsein vorzeigen können; das erwartet das grundsätzlich ameisische Komplettprotektorat nun mal von ihr, ohne jede Vorwarnung übrigens, auf Kommando gewissermaßen, sogar im Angesicht einer jeden analphabetischen Katze – es ist kaum zu glauben. Im Verlaufe einer unfreiwilligen Unternehmung geht dieses künstlich aufgesetzte Pflichtbewusstsein allerdings erfahrungsgemäss immer mehr als gründlich in die Binsen, das steht längst fest, denn die Meise selbst verliert in diesen schrecklichen Augenblicken ihrer Existenz ihre mehr oder weniger anvertrauten und zumindest theoretisch, also wenigstens auf dem Papier noch vorhandenen Ansprechpartner und die aufgezwungenen Demonstrationsobjekte, nämlich die mehr als deutlich distanzierten Würmer selbst; sie muss froh sein, wenn sie wenigstens ihre eigenen Wünsche und überhaupt ihre persönlichen Bedürfnisse irgendwie andeuten kann, denn sie verliert im Verlaufe dieser bemühenden Zeiten rundweg alles an allfälligen privaten Ansprüchen und muss sich damit abfinden, dass während einer beliebigen Unternehmung sämtliche gutgemeinten Vorsätze, aber auch alle Abmachungen und Absichten einfach außer Kraft gesetzt sind und außer Kraft gesetzt bleiben. Hier und jetzt herrscht nur noch das totale Chaos, und nichts anderes sonst, denn das Gewohnheitsrecht – oder zumindest dessen kümmerliche Überreste – also das hergebrachte Tun und Lassen oder allenfalls das fragmentarische Treiben, das noch übriggeblieben ist, die üblichen Verhaltensmuster also, die gewöhnlichen Reflexe, sie gelten eigentlich nur noch unter kaum noch existenten regulären Bedingungen und unter kaum noch als „gewöhnlich“ zu bezeichnenden Voraussetzungen. So liegen die bedauerlichen Dinge.

Auch deshalb ist die Meise jetzt froh, dass ihr der lästige Wurmfortsatz nicht ständig an der Schürze hängt und an den Sohlen klebt, dass er ihr nicht fortwährend auf die Pelle rückt oder sie mit völlig sinnlosen Anschuldigungen, krassen Lügen, idiotischen Behauptungen, offenen Drohungen und ver-steckten Erpressungsversuchen löchert. Ganz außer Zweifel steht zudem, dass allfällige An- und Nachfragen sowieso restlos überflüssig wären; solcherlei würde längst nur noch pro forma gestellt, bestenfalls in gekonnter rhetorischer Rabulistik, um nötigenfalls einen gewissen Anschein von Korrektheit aufrecht zu erhalten. Sie könnten im Übrigen jederzeit sofort wieder vergessen und verdrängt werden, denn sie erheischen nicht einmal den Anflug ei-ner Antwort. Ein Wurmausschuss würde gar nicht erst hinhören, wenn korrekt und angemessen geantwortet wür-de, kaum hätte er eine dieser rein mechanischen Fragen an die Meise gestellt, Fragen überdies, die von brüllender Banalität, schreiender Ignoranz und kreischender Imbezillität nur so strotzten. Und was sollte die Meise auf kalkulierten Stumpfsinn schon antworten? Jegliche Antwort wäre überflüssiger als die blödsinnigste Frage; das wissen beide Seiten ganz genau. Seriöse Fragen zu beantworten, steht deshalb schon lange nicht mehr im Programm einer Meise; die Meise selbst macht längst nur noch kurz angebunden äußerst vage Angaben in höchst unvollständigen Halbsätzen, in meist in der Mitte abgebrochenen Imperativsätzen, in belanglosen Resten von halbherzig angefangenen Konsekutivsätzen und in überaus schütteren Trümmerteilen von an sich simplen Interrogativsätzen. Diese nur noch bruchstückhaften Signale einer Kommunikation müssen den diesbezüglich völlig anspruchslosen Würmern schließlich reichen, und sie reichen ihnen denn auch völlig in all ihrer rudimentären inhaltlichen Bescheidenheit – in der Regel. Alles andere wäre bereits zuviel gesagt, wäre zudem zuviel des Guten, wäre viel zu viel Mitteilung, wäre bare Verschwendung und, vor allem, reinste Überforderung und bliebe ihnen deshalb rundweg unverständlich, das heißt, alles andere würde die Würmer nur sinnlos überraschen, wenn nicht gleich überfordern und zudem unnötig belasten, würde sie deshalb sogleich misstrauisch werden lassen, würde sie vielleicht sogar abschrecken und bestimmt gleichzeitig übernutzen und überlasten, wie so vieles andere auch, was, nur nebenbei angedeutet, postwendend nichts als unnötigen Stress und endlosen Ärger für die Meise mit sich brächte, nur weil absehbar auch Überflüssiges von den Würmern vielleicht sogar zu Recht als klare Provokation angesehen würde. „Sie hat uns wieder provoziert“, würden sie später in ihrer ganzen Unlauterkeit stur behaupten und stumpfsinnig murmeln, nachdem sie die Meise zuvor mit ihren Baseballschlägern erbarmungslos totgeschlagen hätten, genauso, wie sie diesen unumkehrbaren Vorgang bereits unzählige Male im Fernsehen gesehen haben, oder das würde ihnen zumindest ausreichen, um nächtens straffrei fremde Autos zu zerkratzen, Pneus zu zerstechen, Briefkästen anzuzünden, vor den Hauseingang zu scheißen, Blumenrabatten zu zertrampeln, Türen aufzubrechen oder Scheiben einzuschlagen – wenn nicht gar mehr, was Katzen übrigens in der Regel mit der üblichen Häme „geschieht der blöden Meise ganz recht“ quittieren würden. „Sie hat es selbst so gewollt“, würden sie angewidert behaupten dürfen, und „Sie hat es nicht besser verdient.“ Die geistige Überforderung beginnt schon sehr früh und kennt bekanntlich keine untere Grenze, sowohl bei den Würmern nicht, als auch, vielleicht zunächst etwas überraschend, bei den Katzen nicht, und zwar erstaunlicherweise in exakt demselben Ausmaß – man kann da in seiner ganzen Arglosigkeit nur noch staunen. Sie kennt auch keine Alters- und Geschlechtergrenzen, auch keine Zeitlimite, noch soziale Schranken, die eh nur hypothetisch bleiben, denn wenn man das Katzenprotektorat über einen längeren Zeitraum beobachtet, versteht man bald einmal, warum den mentalen, also intellektuellen Möglichkeiten, sowohl von Würmern, als auch von Katzen, meist brutale Grenzen gesetzt sind. Man versucht deshalb als vorsichtige Meise gar nicht erst, an diesen natürlichen Beschränkungen jemals zu rütteln; man wahrt voller Einsicht lieber vorsorglich Abstand zu diesem bedauerlichen und bedenklichen Phäno-men. Die Meise geht in dieser Frage sogar so weit, dass sie die geistigen Kapazitäten der Katzen in einem deutlich bescheideneren Rahmen sieht als diejenigen des diesbezüglich in ihren Augen noch nicht einmal sonderlich geschädigten, also verdorbenen Wurmausschusses. Das ist verwunderlich und für einige neutrale Betrachter möglicherweise nur schwer verständlich, zumal Katzen zumindest theoretisch auf einen ganz anderen Lebenshintergrund und somit auf eine deutlich längere Lebenserfahrung zurückblicken könnten als die diesbezüglich doch noch völlig unausgegorenen Würmer, wie man durchaus vermuten möchte. Die Meise argwöhnt sogar, dass auch dies früher ganz anders gewesen sein mag, aber sie ist sich hierüber nicht sicher: Ihre abgrundtiefe Abneigung bezieht sich hierbei nicht nur auf die ganz erstaunlich eng gefassten geistigen Möglichkeiten eines ganz durchschnittlichen Katzentums in seiner plakativen, katzoïden Ameisigkeit, sondern rundweg und unumwunden auf die ganze Katzenheit schlecht-hin, auf die Katzenhaftigkeit generell, also auf die heimtückischen Katzen insgesamt, im durchaus selben Maße übrigens wie natürlich auch auf die geistig eingeschränkte Wurmheit, will heißen, auf das banale Wurmtum in seiner weniger als nur beschränkten Wurmhaftigkeit, also auf die hoffnungslos glotzendegenerierten und definitiv und unumkehrbar TV-infantilisierten Würmer insgesamt und schlechthin; das versteht sich von selbst. So gesehen kann, darf und muss hier gar nicht erst von einem „fehlenden objektiven Urteil“, von einem „allzu subjektiven Empfinden“ oder gar von einer „krassen persönlichen Fehleinschätzung“ gesprochen werden; sowas können Sie gleich vergessen, das ist nichts als rhetorischer Schmarren und theoretischer Schwachsinn. Die Meise und die Würmer haben somit, obschon sie sich beide gegenwärtig durchaus in derselben unerwünschten Unternehmung befinden – was für Außenstehende und Unbeteiligte überhaupt nicht offensichtlich zu sein braucht, wie wir bereits dargebracht haben – tatsächlich nichts miteinander zu tun, noch haben sie ganz grundsätzlich etwas gemein. O nein!

Niemand käme allein aufgrund der deutlich widersprüchlichen Erscheinungsformen und des asozialen Fehlverhaltens seitens der Würmer auf die mehr als absurde Idee, zwischen den beiden offensichtlichen Gegensätzlichkeiten einen wie auch immer gearteten Zusammenhang herstellen zu wollen, denn sowohl optisch, als auch akustisch und selbstverständlich auch biologisch-morphologisch sind das zwei völlig anders definierte Organismen, zwei ganz gegesätzlich programmierte Körperschaften und zwei absolut unterschiedlich konzipierte Welten von geradezu widersetzlicher Wesenhaftigkeit und von entgegengesetzter Art, ganz zu schweigen von all den rein anatomisch-taktilen Unterscheidungen und all den übrigen ornithologisch-genetischen, morphologisch-tektonischen oder neurobiologisch-funktionalen, also generell phänomenologischen und auch ideellen Un-vereinbarkeiten und Unversöhnlichkeiten – nebst allen ethischen und moralischen Gegensätzlichkeiten und Inkompatibilitäten, die wahrhaftig nicht größer sein könnten. Selbst die idioplasmatischen Inegalitäten lassen sich nicht verheimlichen, noch verbergen; das steht längst fest. Und wenn wir jetzt auch noch die Katzen als solche hinzuziehen, dann haben wir es hier tatsächlich mit drei ganz offensichtlich völlig gegensätzlichen Welten zu tun, die absolut nichts miteinander zu tun haben und deren friedvolles Zusammengehen mehr als fragwürdig ist und offenbar auch mehr als fraglich bleiben muss, wenn Sie verstehen, was alles an wahrer Dramatik und anderen Emotionalitäten damit gemeint sein könnte. Immer wieder dreht sich also die Meise im Gehen um, nur um sich zu vergewissern, dass ihr der Rest des bedauerlichen Unternehmens überhaupt zu folgen vermöchte, falls er ihr denn überhaupt folgen möchte. Eine merkwürdige Art und Weise, sich fortzubewegen, muss ein skeptischer Außenstehender und stiller, doch verwunderter Beobachter dazu anmerken, und, überhaupt, eine bemerkenswert umständliche Methode, sich den durchwegs bescheidenen Lebensunterhalt zu verdienen, in der Tat! Es besteht, neben der fehlenden Verbindlichkeit, absolut keinerlei optisch auffällige Verbindung zwischen den beiden so gegensätzlichen Teilen, auch nicht auf einer eher ungebundenen Meta-Ebene, weder biologisch, wie gesagt, also artentypisch, noch konzeptionell oder gar intellektuell, auch nicht strukturell, genetisch oder prinzipiell – nicht einmal finanziell und generell oder auch nur klassenspezifisch – keineswegs. Besonders aber der große Altersunterschied deutet auf keinen schlüssigen Zusammenhang zwischen den Würmern und der Meise hin, so dass füglich davon ausgegangen werden kann, dass in der derzeitigen, also laufenden Unternehmung tatsächlich zwei völlig unvereinbare Elemente von denkbar größter Gegensätzlichkeit unterwegs sind, und dies unter der Ägide eines wiederum ganz gegensätzlichen und zudem auch noch ständig abwesenden Katzenprotektorats. Es ist dies eine strukturelle Dreipoligkeit, deren gegenseitige Berührung sich schon rein elektrophysikalisch verbietet, denn die tripolare Abstoßung ist nur allzu deutlich sichtbar und heute sogar sprichwörtlich. Man befindet sich gegenwärtig auf einem zentralen und somit sehr belebten Gehsteig, den der Wurmfortsatz hemmungslos in seiner ganzen Breite nutzt und dadurch die vielen anderen gefiederten Passanten auf sehr unangebrachte Weise behindert, bedrängt und natürlich auch bedroht, wie schon erwähnt, oft sogar die angrenzende Fahrbahn in ihrer Gänze belegend und deshalb auch den dichten, innerstädtischen Straßenverkehr hemmend, aber auch und nicht zuletzt sich selbst gefährdend, leichtsinnig, unsinnig, schwachsinnig und blödsinnig, wie der Wurmausschuss nun mal in seiner ganzen, deutlich zur Schau gestellten, wurmartigen Gedankenlosigkeit und wurmhaften Unzuverlässigkeit ist, während sich unsere sichtlich besorgte Meise um die Fortsetzung des absolut inadäquaten, intransparenten und inkonsequenten Geschehens in seiner sich laufend selbst zersetzenden Zusammenhangslosigkeit kümmern muss. Das ist wahrlich keine leichte Aufgabe und durchaus kein nachahmenswertes Unterfangen, denn die einmal nur widerwillig angefangene und mehr als unfreiwillig fortgesetzte Unternehmung muss zwingend weitergehen, trotz aller hermann-burgerschen Nebelhaftigkeit, denn vom Nebel sollen wir lernen, nicht vom Leben. Genau dies wird denn auch von der Meise imperativ verlangt und demonstrativ erwartet:

Der dichte Nebel als einzig wahres Lebenselixier. Niemand fragt jemals nach dem Sinn und dem Zweck des Ganzen, noch nach einem schlüssigen Grund oder gar nach einer plausiblen Begründung, auch nicht nach der Bedeutung und dem allfälligen Inhalt der gegenwärtigen Unternehmung, also nach dem Grund, dem Zweck und dem Ziel des Ganzen. Bewahre! Es gibt keinerlei Begründung, nirgendwo, denn wir haben es hierbei – und das dürfen wir niemals außer Acht lassen – mit einer restlos durchritualisierten Sinnlosigkeit, mit einer nahezu verstaatlichten Geratewohligkeit und mit einer umfassend institutionalisierten Bedeutungslosigkeit ohnegleichen zu tun.

Würde die arme Meise zum Beispiel unvermittelt aufgeben, würde sie sich jetzt stillschweigend in die nächstgelegene Bar verziehen wollen, um, sagen wir mal, daselbst forsch ein scharfes, aber erfrischendes Getränk zu bestellen, natürlich nur für sich selbst und nur um sich endlich beruhigen und sammeln zu können, um sich also angemessen zu konzentrieren und vielleicht sogar um sich mental zu stärken oder um sich ganz einfach in ihrer ganzen, durchaus verständlichen Mut- und Trostlosigkeit auch nur etwas Mut oder Trost anzutrinken, und geschähe dies nur aus einem mehr als dringenden Bedürfnis nach befreiendem Unmut heraus, würde sie also der ganzen Unternehmung überraschend den Rücken kehren wollen – etwas, was sie jetzt mit Bestimmtheit und mit größter Gewissheit am liebsten täte – dann müsste sie gleich anschließend und unausweichlich mit den allergrößten Beschwernissen rech-nen, und zwar womöglich für ihr ganzes, restliches, verpfuschtes Leben. Professionelle Pflichtvergessenheit! würde das Todesurteil lauten, und der versammelte Katzenchor würde lauthals und vielstimmig Jubilate! Jubilate! singen. An sich unzulässige Behinderungen und eindeutig unangebrachte Verschlimmerungen, verbunden mit lebenslangen Beschimpfungen stünden alsbald und umgehend an, nichts weniger als das. Erschwerungen und Einschränkungen, Verschärfungen und richtige Verheerungen hätte die Meise zu erwarten. Und nicht nur dies: Sie müsste gar um ihr Leben fürchten! Um ihr ganzes Dasein! Um ihre bescheidene Vogelhaftigkeit! Um ihre eigene Artenvielfältigkeit! Um ihre originale Meisitüde! Denn die unerbittlichen Katzen nähmen ihr diese eindeutig flagrante Pflichtverletzung jedenfalls sofort sehr, sehr übel, das steht längst fest, mehr als übel sogar, freudvoll übel, böswillig übel, boshaft übel, und sie wären gewiss mutwillig in ihrem ganzen Übelnehmen und würden ihr zudem ständig unüberhörbar und unübersehbar deutlich machen können, dass dieser schandbare Akt der schreiend akuten Verantwortungslosigkeit, diese flagrant pflichtvergessene Ungeheuerlichkeit so nicht hingenommen werden könne.

Nein, so nicht! Niemals! Nicht unter ehrbaren Katzen! Nicht zum Preise eines mittleren Einkommens in aller Mittelständigkeit und Mittelmäßigkeit und eines unbeschwerten Alters! „Nie und nimmer!“ würden sie empört aufschreien. „Da kennt selbst unser gerechter und ausgewogener Sozialstaat seine natürlichen Grenzen!“ würden sie entrüstet ausrufen, und alsbald würde die ganze Denunziationsmaschinerie mächtig in Gang kommen; man würde geheime Berichte verfassen, geheime Auskünfte erteilen, allerlei geheime Unterlagen beilegen und mitliefern, geheime Referate in geschlossenem Kreise halten und nächtens anonym und geheim herumtelefonieren, dass die Drähte nur so glühten. Die triumphierenden Katzen gäben in ihrer ganzen Häme, also in ihrer angeborenen Rachsucht, in Verbindung mit ihrer ganzen, plakativen Rechthaberei, offensichtlichen Schadenfreude, offenbaren Sturheit und prinzipiellen Unnachgiebigkeit der armen Meise sogleich mehr als nur deutlich zu verstehen, dass eine derart krasse und derart schreiende Verfehlung, also eine derart rundweg unentschuldbare Abirrung unausweichlich schlimme und schlimmste Folgen nach sich zöge, und sei es nur deshalb, weil dieser noch nie dagewesene, empörend drastische Frevel meisenseits in aller Beharrlichkeit unausweichlich, also zwingend drastische Nachwehen, also folgerichtige Folgen haben müsste, allein weil er unabwendbar nach strengen und strengsten Unausweichlichkeiten geradezu schrie. Gerade diese strikte, stringente und strengste Verurteilung einer unentschuldbaren meisischen Verfehlung wäre im komplizierten Selbstverständnis einer ob all der Abwechslung hocherfreuten Katzenwelt absolut konsequent, denn diese mehr als nur fahrlässige, meisische Nachlässigkeit und nahezu unentschuldbare Leichtsinnigkeit meisenseits verlange geradezu nach „harten, aber gerechten“ Maßnahmen der konsequentesten Art und der allerkonsequentesten Wei-se, würden sie in ihrer ganzen Sturheit und Unbelehrbarkeit triumphierend behaupten. Diese angeblich unumgänglichen Konsequenzen fielen, um es mal deutlich zu sagen, für die Meise in der Tat geradewegs verheerend aus; ihre soziale Sicherheit wäre mit einem Schlag dahin, das kostspielige soziale Netz endgültig zerrissen, aller soziale Schutz wäre im Eimer, die Meise abschließend erledigt und ihre Zukunft unwiderruflich dahin. Kurz: Sie stünde mit einem Mal völlig unverschuldet vor dem existenziellen Nichts. Solcherart wären also die mehr als deutlichen Drohungen seitens einer stets nur künstlich, doch nachhaltig aufgebrachten Katzenwelt, welche die Meise unausweichlich zu vergegenwärtigen hätte. Man kann sich füglich darüber etwas wundern, nicht wahr, doch leichthin darüber hinwegzusehen darf man sich hierbei gewiss nicht erlauben, denn für unsere geplagte Meise steht immerhin gleich die ganze, bescheidene Meisenexistenz auf dem Spiel, wie übrigens für jede dusselige Meise überhaupt, die in der Regel nichts von alledem kapiert, was um sie herum abgeht, während für den Wurmausschuss und selbstverständlich auch für das meisophobe Katzenprotektorat überhaupt nichts auf dem Spiele stünde, niemals, nicht einmal etwas so Banales wie eine Abwahl oder ein Ausschluss, was eine Katze beträfe, oder eine Relegation, was einen Wurm belangte, wie eine Verurteilung, der gute Ruf oder das öffentliche Ansehen überhaupt – und schon gar nicht die persönliche Zukunft oder gar einschneidende finanzielle und soziale Konsequenzen. Vergessen Sie das. Dermaßen ungerecht und unausgeglichen sieht es nämlich aus, muss man dazu sagen, derart ungleich sind die Gewichte verteilt, muss man dazu verbittert anmerken, denn so überaus unschön sind die Lebensvoraussetzungen für die geplagte Meise ganz bewusst und aus den unterschiedlichsten Gründen mit Nachdruck ausgearbeitet, kann dazu nur kummervoll festgehalten werden. Da haben wir nämlich bereits den wunden Punkt, da liegt der Kern der Sache begraben.

Das allzeit schadenfrohe Gewürm selbst ist sich dieser pikanten Sachlage natürlich sehr deutlich bewusst, geradezu genießerisch deutlich bewusst, kompensatorisch bewusst jedenfalls, fast neidvoll bewusst in ihrer ganzen Rachsucht und Schadenfreude, wie natürlich auch das unlautere Katzenprotektorat in seiner ganzen, systemimmanenten Verlogenheit und Verkommenheit selbst, versteht sich, und es nützt diese versteckte, aber durchaus nützliche Vormachtstellung und diesen überaus praktischen Vorsprung denn auch weidlich aus, versteht sich, denn das ist der Sinn des ganzen Gefüges. Es spart nicht mit spitzen Bemerkungen oder gar mit ausgesprochen hämischen Kommentaren, auf die besonders in der schadenfreudigen Katzenwelt zu später Stunde in gemütlicher Runde beim letzen Umtrunk oder aber an den Mittagstischen zu Hause üblicherweise mit einem kurzen, doch ausnehmend dreckigen Lachen reagiert wird; man pflegt die verdutzte Meise jeweils offen und genüsslich darauf hinzuweisen, dass sie ohne weiteres auch als Magazinerin im Warenhaus arbeiten könne, als Regalauffüllerin im Einkaufszentrum, als Kühltruhenbetreuerin im örtlichen Supermarkt, als Staplerfahrerin im Lagerhaus eines Großhandels-Konzerns oder in den Kühlräumen eines nahegelegenen Schlachthauses, oder aber als Getränkelageristin im Großverteiler, wenn nicht gar als Frittenkocherin in der Schnellimbissbude an der Ecke, oder aber bestenfalls als Toilettenreinigerin in der Autobahnraststätte – lauter verschmähte Arbeiten also, die vorzugsweise von sozial Randständigen aller Art für ein ausnehmend geringes Entgelt ausgeführt werden müssen. Kurz, auch ein nur durchschnittlich uninformierter Wurm weiß genau, dass er die Meise mit diesem vernichtenden Argument in der Hand hat und jederzeit locker erpressen kann, spielerisch locker sogar, sozusagen mit nichts, wie beiläufig und natürlich juristisch unbelangbar, weil gesetzlich unbehaftbar, das ist klar. Eine saubere und völlig ungefährliche Anwendung, de von jedermann jederzeit bedient werden kann. Somit bestehen das ungeschriebene, aber geltende Gesetz und folglich auch der eiserne Modus vivendi in der Regel darin, dass die ganze, ungeliebte Unternehmung genau wie vorgesehen, also ohne Widerrede durchgeführt und somit stur durchgezogen, also knallhart abgespult wird, dass alle drei Kontrahenten ohne jede weitere Erklärung zuverlässig so tun, als sei alles bestens geregelt und deshalb völlig in Ordnung, was übrigens durchaus der örtlichen Gepflogenheit und dem nationalen Usus entspräche, dass danach, also nach der Unternehmung, niemand die geringsten kritischen Bemerkungen oder gar gehässige Kommentare Dritten gegenüber äußern darf („Das muss unter uns bleiben. Das kommt mir nicht ins Protokoll.“), dass deshalb absolut nichts nach außen sickern soll, noch unabsichtlich aus diesem geschlossenen Kreislauf gelangen könnte, sofern von Seiten der Würmer- oder aus den Reihen der Katzenwelt aus verschiedensten Gründen und gegensätzlichsten Motiven nicht ein gewisser Bedarf nach öffentlicher Anerkennung bestünde, und dass später keinerlei Konsequenzen beiderseits angedroht werden müssen, dürfen oder können, noch jemals angedroht werden sollen, so die natürlich unausgesprochene, also stillschweigende, aber immerwährend gültige Abmachung. Das erübrigt sich von selbst, wenn diese Bedingungen allseits strikte eingehalten werden, was sie geflissentlich tun. O ja!

Das tun sie! Im Idealfall läuft eine Unternehmung deshalb vorsorglich, gleichzeitig und auch gleich anschließend oder abschließend absolut kommentarlos ab, und die diesbezüglich sachliche und fachliche Kommunikation beschränkt sich auf ein durchaus erträgliches Minimum, das heißt: Sie ist de facto inexistent, denn weder spricht die Meise mit den Katzen über das Unternehmen, noch wenden sich diese mit einer Frage oder mit einer Bemerkung an selbige, noch mischen sich die Katzen zuvor oder danach in irgendeiner Weise – und sei dies nur gesprächsweise! – in eine vergangene oder zukünftige Unternehmung ein. So etwas tut man nicht, weil natürlich niemand freiwillig in ein Wespennest stechen will, und somit ist jedermann einverstanden und mit dieser Nullinformation vollkommen zufrieden. Selbstverständlich halten auch die Würmer klug den Mund, sei es gegenüber den Katzen oder auch nur im Angesicht der Meise, auch wenn sie die Unternehmung und alle ihre pikanten Einzelheiten untereinander, also nur unter sich, durchaus zur Sprache bringen mögen – immer in sehr abschätziger und deutlich abwertender Weise, versteht sich; der deutlich verächtliche Ton bleibt immer derselbe. Zwischen den Katzen und der Meise, zwischen den Katzen und den Würmern, sowie zwischen der Meise und den Würmern sollen definitiv, wissentlich und willentlich unüberwindliche Abgründe klaffen, die eine wie auch immer geartete, geformte und geprägte, vielleicht sogar halbwegs funktionierende Kommunikation gleich von vorneherein schlichtweg verunmöglichen sollen. Solcherart ist es zwischen den drei so unterschiedlichen Kontrahenten unausgesprochen ausbedungen, also stumm abgemacht, wortlos übereingekommen, schriftlos festgehalten und stillschweigend akzeptiert; daran halten sich ausnahmlos alle drei, und genau das ist denn auch, wie schon mehrfach dargebracht und ausführlich dargelegt, der ganz gewöhnliche, allgegenwärtige und deshalb übliche korrumpierte Fall, das heißt, der praktische und gängige Idealfall einer jeden erfolgreich abgeschlossenen Unternehmung. Es ist indes nicht so, dass dieser unausgesprochene Idealfall in der Praxis völlig theoretisch und deshalb unerreichbar bliebe oder gar bleiben müsste, dies gewiss nicht; die Meise kann sich an nicht wenige Unternehmungen erinnern, die völlig fehlerfrei und makellos, also ohne jede Kommunikation, Kompensation und Komplikation haben durchgezogen werden können, zur Zufriedenheit aller Würmer und aller Katzen, also absolut ohne jeden gedanklichen Austausch, ohne jede gemeinsame Planung, ohne jede vorangegangene Absprache und, vor allem, ohne jede unternehmerische oder unternehmensinterne Vorbesprechung oder gar Planung. Das waren vorbildliche, also einwandfreie und darum geradezu vollendete Unternehmungen, denn genau so sieht heutzutage eine moderne Unternehmung zumindest in den Augen der Katzenwelt aus, und so muss man sich als unbeteiligter Beobachter eine rundum vollkommene Unternehmung von heute vorstellen: als ein Unternehmen, das absolut nichts zu reden gibt, weder vorher, noch während der Unternehmung, noch nachher. Je weniger man davon hört, desto besser ist es in den Augen aller gelaufen.

Man will einfach nichts wissen und atmet gerne auf. Man hat hier die Konzeptlosigkeit, die Sinnlosigkeit und die Ziellosigkeit als die drei erstklassigen Voraussetzungen für ein gelungenes Unternehmen, und man hat die Kommunikationslosigkeit als die einzige, echte Vorausbedingung für ein problemloses Gelingen einer unausweichlichen Unternehmung der untersten Ordnung oder der primitivsten Gattung, also der untersten Schublade, wenn man so will, eine Unternehmung jedenfalls, die niemand angefordert, noch jemals herbeigewünscht und selbstverständlich auch niemals in Frage gestellt hätte. Davon lässt jedermann tunlichst die Finger; man rührt nicht gerne an Unsagbarkeiten, Unannehmlichkeiten, Unvorhersehbarkeiten und an allerlei Unwägbarkeiten. Auch diese bedingungslose Voraussetzung lässt sich aus der demonstrativen, ablehnenden Körperhaltung eines integralen Wurmausschusses ganz deutlich herauslesen, denn selbige signalisiert der Meise während einer ganzen Unternehmung nichts anderes als abgrundtief ausgelebte Abneigung, sowie grenzenlose Verachtung und uneingeschränkten Widerwillen.

Diese demonstrative Ablehnung äußert sich überdies im absichtlichen Verzögern, im steten Ausweichen, im ständigen Umgehen und Überspringen, sowie in rundweg allen laufenden, offenen und versteckten Straftaten, kurz, in der gesamten, überaus routinierten Kleinkriminalität der ganzen Wurmitüde generell, sprichwörtlich im Vorbeigehen begangen oder im Fluge ausgeübt, stets hinter dem Rücken und somit auch im Schutze der nicht ganz ahnungslosen Meise, wie wir inzwischen vermuten dürfen. Doch die unausgesprochene Abmachung zwischen der Meise und dem Gewürm beinhaltet unter anderem auch absolute Verschwiegenheit, und zwar in ausnahmslos allen Dingen, sowie demonstrative Ahnungslosigkeit in allen praktischen Fällen oder Annahmen von durchaus denkbaren, polizeilichen Verhörmethoden oder auch nur von behördlich angeordneten, meist aber harmlosen Rundumbefragungen und statistischen Erhebungen, selbst bei Untersuchungen unter subtilster Psychofolter, also genau so, wie es vor allem das Katzenprotektorat von der Meise erwartet, denn auch die Katzenwelt gibt sich im Zweifelsfalle ahnungslos bis einsichtslos, genauso, wie es die gesamte Wurmheit mit größter Selbstverständlichkeit seit jeher gelassen vorgeführt bekommen und gleich anschließend selbst vorgeführt hat. Nur so ließe sich plakative Empörung glaubhaft darstellen, falls es entgegen allen Erwartungen jemals zu Folgekonflikten käme. Man bleibt in der Praxis moderat vorsichtig und gibt sich jeweils gerne etwas bedeckt; das ziemt sich, das gebührt sich, das reimt sich, das macht sich gut und das gehört sich vielleicht sogar – auch in den strengen Augen des gesamten Katzenprotektorates. Ganz nebenbei kaschieren die Wendigsten unter den Katzen damit praktischerweise auch noch ihre komplette, also lückenlose Ahnungslosigkeit. Gesetzt der Fall, etwas ginge schief: Der ehrlichen Entrüstung wäre kein Ende. Es würden Sitzungen über Sitzungen in Form von strengen Verhörseancen durchgeführt und strikte Befragungsorgien abgehalten, es gäbe kilometerlange Protokolle in aller Ausführlichkeit, es müssten ellenlange Briefe voller öffentlich geäußerter Erwartungen, allgemeiner Andeutungen, behördlich abgesegneter Mutmaßungen und versteckter, persönlicher Vermutungen in möglichst unverfänglichem und juristisch nicht behaftbarem Stile geschrieben werden; es würden zudem als weiteres Druckmittel bestimmt Unterschriften gegen die Meisenexistenz von Haustür zu Haustür gesammelt werden, und es könnten unter Umständen sogar hasserfüllte Petitionen von aufgebrachten Katzenmassen eingereicht werden, so dass die gedemütigte Meise bald einmal nicht mehr ein noch aus wüsste. Man kann sich als Außenstehender oder als Außenstehende das schreckliche Ausmaß einer derart emotional gefärbten Aufregung in der Katzenwelt gar nicht richtig vorstellen, und es überrascht selbst die durchaus erfahrene Meise immer wieder von Neuem, wie weit die Heuchelei und Verstellung, die Falschheit und durchaus sichtbare Verschlagenheit, die Heimlichtuerei und Hinterhältigkeit, die Verlogenheit und Gemeinheit, sowie die Heimtücke und Bösartigkeit auch eines nur ganz unterdurchschnittlichen, ganz gewöhnlichen Katzenprotektorates im Notfall gehen können, und wieviel überhaupt und generell gelogen, betrogen, beleidigt und verleumdet, diffamiert und diskreditiert werden darf, bis es endlich allen deutlich auffällt und deshalb selbst-entlarvend und eigentorig wirken könnte und folglich vielleicht sogar kontraproduktiv wäre, denn es wird zu guter Letzt rundum immer so getan, als hätten nicht die ahnungslosen Katzen die heimtückische Meise, sondern die verschlagene Meise die gutgläubigen Katzen belogen und betrogen, und als hätte die abgrundtief bösartige Meise die völlig harmlosen und unbescholtenen Würmer beleidigt und misshandelt – und nicht umgekehrt. Es ist nicht zu fassen. Wie bitte? Haben wir richtig gelesen? Wie kann das nur sein?

Kann man Tatsachen so krass verdrehen? Kann man die Situation auch unter erwachsenen Katzen so weitreichend und nachhaltig verfälschen? So unverfroren manipulieren? Die Antwort lautet: Ja, man kann, und zwar leichterdings und leichterhand, leichtfüßig und leichtgängig, geradezu leichtfertig und leichthin, leichtherzig und leichtlich insgesamt in aller Leichtgläubigkeit – und völlig unbehelligt, völlig unangefochten und völlig ungehindert. Für uns Unbeteiligte steht indes bereits jetzt fest: Die Meise allein ist das bedauernswerte Opfer, das unter äußerst zweifelhaften, sehr bedenklichen Arbeitsvoraussetzungen und unter rundweg unzumutbaren Lebensbedingungen wie in einem antiken Dramolett still und einsam vor sich hin leiden muss, denn sie, also die Meise, wird geplagt und gedemütigt, nicht die Katzen oder gar die Würmer! Halten wir das ein- für allemal fest! Doch das interessiert keine Sau, davon kann man getrost ausgehen; nicht eine einzige Katze kümmert sich jemals darum, und rundweg niemand möchte das auch nur von ferne einsehen wollen, weil es einfach nicht ins Konzept passt und auch nicht den Gesetzen der Macht der Gewohnheit folgt, noch entspricht. Somit bleibt die Wahrheit unausweichlich auf der Strecke, und wie so oft interessieren gerade die Fakten absolut niemanden, überhaupt nicht, ganz im Gegenteil! Dies tun sie auch in diesem Falle niemals, denn Tatsachen sind und bleiben stets unerwünscht, denn sie wären einer allgemeinen, öffentlichen und rundum gefälligen Empörung nur hinderlich, wären einer gepflegten Entrüstung gar nicht dienlich und zudem all den wilden würmischen und kätzischen, also generell ameisischen Behaup-tungen ganz offensichtlich und offenkundig diametral entgegengesetzt. Ausgerechnet die nackten Tatsachen würden somit nur für unerfreuliche Missverständnisse, für unerwünschte Fehlschlüsse, für sehr unangebrachte Rückfragen oder gar ganz generell für unnötiges Unverständnis sorgen.

Das will niemand riskieren, so wenig wie eine unabhängige Untersuchung, versteht sich. Man ist nicht blöd, und man will sich nicht unnötig auf die Äste hinausbegeben – Sie verstehen. So aber haben die Katzen das öffentliche Verständnis leichterdings auf ihrer Seite, und zwar immerzu und überall, haben die öffentliche Zustimmung sogar langfristig für sich gepachtet, genau wie ihre Legitimität, denn es tut immer wieder gut, recht zu haben und auch mit Bestimmtheit zu wissen, dass man recht hat, also zu wissen, dass man auf der richtigen Seite der Gesellschaft steht und somit das geltende Recht richtiggehend wohltuend an seinem eigenen Körper verspürt – nicht nur dem