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So funktioniert Marketing mit Promis, Celebrities und Influencern Wo früher nur mit Stars und Promis geworben wurde, sehen wir heute auch Gesichter von Celebrities und Influencern. In der Markenkommunikation eröffnet uns das neue Möglichkeiten vom klassischen Product Placement bis hin zum Influencer Endorsement im Social Media Marketing. Gleichzeitig kämpfen Marketingentscheider mit der wachsenden Komplexität durch stetig neue potentielle Kooperationspartner. Daher gehen Shamsey Oloko und Alexander Schimansky in ihrem Buch den großen Herausforderungen für erfolgreiches Celebrity- und Influencer-Marketing nach. Mit Hilfe vieler Experten aus der Praxis und Wissenschaft schließen sie die aktuelle Erkenntnislücke: •Stars, Promis, Celebrities und Influencer – was ist der Unterschied und warum folgen Ihnen die Fans? •Passende Influencer finden, Marketingziele erreichen •Celebrity Marketing im Recht - was ist erlaubt in der Promi-Werbung und was gehört in den Vertrag? •Die wahren Stars der Marke – Mitarbeiter als Markenbotschafter •Vom Jedermann zum Meinungsführer: Mehr Authentizität mit Nano-Influencing Social Marketing, ganz nah an der Zielgruppe Die Bedeutung von Celebrities und Microinfluencern hat im Marketing signifikant zugenommen. Dabei ist es die Mischung aus Normalität und Besonderem, die sie auf Instagram und YouTube zelebrieren, die sie zu wirksamen Testimonials in der Werbung macht. Ihr Auftritt spiegelt die Bedürfnisse und Begehrlichkeiten der Zielgruppe wider, die lieber YouTube als Fernsehen schaut und häufiger Blogs als Zeitschriften liest. Daher ist es unabdingbar, dass sich Manager und Kreative mit Celebrity Marketing und der Bedeutung von Influencern auseinandersetzen. Dieses Buch hilft Ihnen, die richtigen Entscheidungen für ihre Kampagnen zu treffen!
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Seitenzahl: 377
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Alexander Schimansky
Shamsey Oloko
Von Celebrities bis zu Influencern
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Copyright: FAZIT Communication GmbH
Frankfurter Allgemeine Buch, Frankenallee 71 – 81,
60327 Frankfurt am Main
Umschlag: Stefanie Schwary
Titelgrafik: VasjaKoman / Getty Images
Grafikdesign & Satz: Zarka Ghaffar
Druck: CPI books GmbH, Leck
Printed in Germany
1. Auflage, Frankfurt am Main 2020
ISBN 978-3-95601-226-6eISBN 978-3-96251-105-0
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.
Inhalt
Die Macht der Meinungsführer
A. Celebrities und Influencer – was macht sie aus und warum wirken sie?
Die Bedeutung von Celebrities und Top-Influencern für das moderne Marketing
Prof. Dr. Alexander Schimansky, Dr. Shamsey Oloko & Dr. Magdalena Bekk
Was bewegt uns an Celebrities? Eine psychologische Reise zu den neuen Meistern der „Pröffentlichkeit“
Jens Lönneker, rheingold salon, Köln
Besser für die Marke – Celebrity-Selektion mit dem Human-Brand-Ansatz
Daniel Althaus, Splendid Research, Hamburg
Mit Celebrity zum Werbeerfolg? Eine Analyse der Effie-Siegerkampagnen
Simone Reifenberger, GWA, Frankfurt am Main
B. Prominente in Werbung und Marketing – was spricht dafür, was dagegen?
Das Ich der anderen - Sinn und Unsinn im Geschäft mit Marken-Persönlichkeiten
Thomas Strerath, Berater, Hamburg
Hand aufs Herz: Warum braucht eine gute Werbestrategie (k)eine Celebrity?
Stephan Rebbe, Gründer von Kolle Rebbe, Hamburg
Zahlt sich Prominenten-Werbung für meine Marke aus? Das „Celebrity - Credo“ von Grey
Alessandro Panella, Grey, Düsseldorf / Serviceplan Consulting Group, Berlin
Die größten Irrtümer im Celebrity-Marketing
Henner Mamane, Think Out of the Box, Berlin
C. Die neue Celebrity-Elite? Fußballer und Musiker als Top-Werbestars
Celebrities im Sport – Fußballer zu Top-Marken aufbauen
Toan Nguyen, Jung von Matt/sports, Hamburg
Celebrities in der Musik – Musikstars gewinnen den Super Bowl
Jan Voss, Universal Music Group & Brands, Berlin
D. Influencer als neue Celebrities – wer sind sie und was macht sie besonders?
Top-Influencer – erfolgreiches Marketing mit den neuen Celebrities
Mandy Sarnoch-Möller, Territory webguerillas, München
Die wahren Stars der Marke – Mitarbeiter als Influencer
Dr. Kerstin Hoffmann, www.markenbotschafterschmiede.de
Nano-Influencing – Jeder ist ein Star
Mark Leinemann, MR. WOM | Word of Mouth Marketing, Schweiz
E. Celebrity-Marketing im Recht – was geht in der Promi-Werbung, wo liegen die Grenzen?
Vertrauen ist gut, ein guter Vertrag noch besser. Einvernehmliche Vertragsgestaltung zwischen Unternehmen und prominenten Testimonials
Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M., Schickhardt Rechtsanwälte, Ludwigsburg
Wenn es hart auf hart kommt. Zur Haftbarkeit von Celebrities bei werblichen Auftritten
Christian-Oliver Moser, IRLE MOSER Rechtsanwälte, Berlin
Epilog: Ich in der Werbung – Reflexionen eines Prominenten
Günther Jauch
Die Macht der Meinungsführer - von Celebrities bis zu Influencern
In einer sich immer schneller drehenden Welt sind es Stars, die vielen Menschen Halt, Mut und Glaube geben. Sie bieten die Projektionsfläche für vielfältige Wünsche und Sehnsüchte. Dafür werden sie geliebt und verehrt. Wie die Sterne am Firmament sind sie weithin sichtbar und doch unerreichbar. Wahrnehmung und Rollenverständnis von Celebrities mögen sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt haben, aber die Asymmetrie zwischen dem bekannten und beliebten Star einerseits und den Menschen andererseits bleibt als wesentliches Merkmal bestehen.
Dieses Beziehungsverhältnis trifft auch auf das noch junge Phänomen der Influencer zu, weshalb Unterschiede zwischen Celebrity und Influencer im Grunde kosmetischer Natur sind. Beiden ist gemein, dass sie aus der breiten Masse, aus den vielen herausstechen – und beiden ist gemein, dass ihnen daraus eine Deutungshoheit erwächst, was Zeitgeist ist. Ob es sich um das Outfit bei einer Oscar-Verleihung, einer Hochzeit des britischen Königshauses oder einem selbstgedrehten YouTube-Video handelt, in jedem Fall wird ein Statement zum Lifestyle gesetzt, das großen Einfluss haben kann. Dieser Einfluss bleibt nicht auf Moden beschränkt, sondern kann ebenso die politische Meinung betreffen, die Haltung zu Klimawandel, zu Frieden oder gesunder Ernährung – zum Zeitgeist eben.
In unserer modernen Konsumgesellschaft spielt eine solche Deutungsmacht eine sehr große Rolle, lenkt und verstärkt sie doch die Bedürfnisse und Vorlieben der Menschen. Selbst wenn die roten Teppiche der Oscar-Verleihung nur noch in Teilen der Gesellschaft Bedeutung haben, während sie in anderen Teilen den humorvollen „Pranks“ der Influencer gewichen sind, so gilt doch nach wie vor, dass jede Kooperation zwischen Celebrity oder Influencer und Marken(-Unternehmen) bestimmten Erfolgsregeln folgen muss, denen wir in diesem Buch nachgehen wollen. Wir laden Sie herzlich ein, Marketing mit Celebrities und Influencern aus den verschiedenen Perspektiven und Positionen zahlreicher Meinungsmacher und Experten zu erfahren.
Da Celebrity-Marketing und Influencer-Marketing für uns als Celebrity#Influencer-Marketing zusammengehören, beginnen wir mit einer Systematik, die beide vereint, und zeigen strategische Potenziale und neue Inszenierungsmöglichkeiten auf. Jens Lönneker, Daniel Althaus und Simone Reifenberger folgen mit vertiefenden Betrachtungen zur Wirkungsweise und zum erfolgreichen Einsatz von Celebrities und Influencern. Das Für und Wider von Prominenten in Werbung und Marketing steht dann im Mittelpunkt der ausgewiesenen Experten Thomas Strerath, Stephan Rebbe, Alessandro Panella und Henner Mamane. Da in heutigen Zeiten Fußballer und Musiker zu den gefeierten Stars zählen, befassen sich Toan Nguyen und Jan Voss mit deren Besonderheiten für das Marketing. Weiter geht es zu den neuen Göttern im Olymp, den Influencern. Auf die Superstars in den sozialen Medien, die Top-Influencer, geht Mandy Sarnoch-Möller ein. Kerstin Hoffmann begibt sich zu den Mitarbeitern in Unternehmen und entdeckt die wahren Stars der Marke. Den Influencer-Schwerpunkt rundet Mark Leinemann mit der steilen These ab, ob Nano-Influencing nicht die kopernikanische Wende im Marketing bedeutet. Im Anschluss wird Recht gesprochen von Ralf Kitzberger und Christian-Oliver Moser. Die beiden Juristen erläutern, was ein Vertrag berücksichtigen sollte, um Streitigkeiten bei einer Markenkooperation zu vermeiden, und behandeln die derzeit viel diskutierte Frage nach den Grenzen der Werbeaktivitäten von Celebrities und Influencern im Hinblick auf deren Haftbarkeit. Wir freuen uns, dass mit Günther Jauch die bei den Deutschen über Jahre beliebteste Celebrity den Reigen mit seinem Nachwort versöhnlich schließt.
Viel Freude und Erkenntnis für mehr Meinungsführerschaft wünschen Ihnen ganz herzlich
Alexander Schimansky & Shamsey Oloko
A. Celebrities und Influencer – was macht sie aus und warum wirken sie?
Die Bedeutung von Celebrities und Top-Influencern für das moderne Marketing
Prof. Dr. Alexander Schimansky, Dr. Shamsey Oloko & Dr. Magdalena Bekk
Was bewegt uns an Celebrities? Eine psychologische Reise zu den neuen Meistern der „Pröffentlichkeit“
Jens Lönneker, rheingold salon, Köln
Besser für die Marke – Celebrity-Selektion mit dem Human-Brand-Ansatz
Daniel Althaus, Splendid Research, Hamburg
Mit Celebrity zum Werbeerfolg? Eine Analyse der Effie-Siegerkampagnen
Simone Reifenberger, GWA, Frankfurt am Main
Die Bedeutung von Celebrities und Top-Influencern für das moderne Marketing
Prof. Dr. Alexander Schimansky, Dr. Shamsey Oloko & Dr. Magdalena Bekk
Wissen Sie noch, welche Marken Sie in den letzten Tagen gesehen haben? Wenn ja, haben diese Marken etwas Entscheidendes besser gemacht als alle anderen, die ebenfalls um Ihre Aufmerksamkeit und Gunst buhlten. Sie haben es geschafft, aufzufallen, aus der Masse hervorzustechen, sich merklich von der Konkurrenz zu differenzieren. Dieses Ziel ist in Zeiten von Information Overload, Attention Economy, Ad Blockern und Multi-Channeling ungleich schwerer zu erreichen als noch vor wenigen Jahren, zumal Internet, Mobile Apps und Social Media im Lebensalltag nicht nur da, sondern omnipräsent geworden sind. Umso stärker müssen Unternehmen Mittel und Wege finden, um ihre Angebote noch erfolgreich bei den Menschen zu positionieren.
Von den zahlreichen Marketinginstrumenten zählt der Einsatz prominenter Persönlichkeiten als werbende Fürsprecher von Marken zu einer der bevorzugten Maßnahmen: 2005 arbeitete jede fünfte Kampagne der 500 größten werbetreibenden Unternehmen mit einem Prominenten, 2015 war es in einer Untersuchung von TV-Spots sogar annähernd die Hälfte.1 Der Grund: Von dem hohen Aufmerksamkeits- und Sympathiefaktor einer Celebrity soll die Wahrnehmung und Differenzierungskraft der beworbenen Marke profitieren.2 Ganz gleich, ob es sich im Einzelnen um George Clooney oder Lukas Podolski, um Helene Fischer oder Kim Kardashian handelt, es wird immer zur Kenntnis genommen, mit welcher Marke das persönliche Idol auftritt – und mit welcher nicht.
Das gute Geschäft mit der Begeisterung für Stars und Sternchen wird durch zahlreiche TV-Formate belegt, die erfolgreich auf den Promi-Faktor gesetzt haben – von Reality Shows (Promi Big Brother, Promi Dschungelcamp) über Game Shows (Wer wird Millionär? Das Prominenten-Special) und Soaps (Der Bachelor, Die Geissens) bis hin zu Talent-Castingshows (Germany’s Next Topmodel, The Voice of Germany). Diese massenmedialen Laufstege für Prominente haben sicherlich ein Mehr an Präsenz und Nähe zwischen den Menschen und ihren Stars gefördert und einer breitenwirksamen Begeisterung Vorschub geleistet. Dass Promis in der Gesellschaft ein begehrtes Thema geworden sind, ist wiederum bedeutsam für Werbetreibende, denn je größer das Interesse an Stars und Sternchen, desto beliebter ist auch Werbung mit Celebrities. So finden zwei von drei Deutschen Prominente in der Werbung interessant und jedem vierten Deutschen gefällt Werbung mit Prominenten besser als normale Werbung.3
Die mediale Popularisierung des „Promitums“ hat in der jüngsten Vergangenheit zusätzlichen Schub durch den weltweiten Siegeszug des Internets erfahren. Der freie Zugang zu Twitter, YouTube, Facebook und Instagram mit schier unbegrenzten Reichweiten beschert nicht nur klassischen Stars wie Ronaldo, Jay-Z oder Heidi Klum nahezu ubiquitäre Rund-um-die-Uhr-Präsenz, sondern ermöglicht jedem Menschen quasi über Nacht ein gewisses Maß an Berühmtheit.
Das Aufblühen von Social Media in den letzten Jahren hat eine neue Art Star hervorgebracht, den (Top-)Influencer. So war Justin Bieber 2007 noch ein unbekannter kanadischer Junge von 13 Jahren und ist heute ein globales Jugendidol. Allein mit seinen 76 Millionen Fans auf Facebook bietet er werbetreibenden Unternehmen Zugangsmöglichkeiten zu jungen Menschen auf der ganzen Welt, wie es kaum ein Medienkonzern bewerkstelligen kann.4 Immer mehr Celebrities und Influencer verfügen über eigene reichweitenstarke Online-Kanäle, die wiederum von werbenden Unternehmen genutzt werden können, woraus neue Spielarten der Medienproduktion als auch der Markeninszenierung resultieren.
Neben Promi-Hype, neuen Stars und Markenkanälen ist die Erkenntnis wichtig, dass sich die Art und Weise der Kommunikation zwischen Celebrities und Menschen grundlegend verändert hat. Seit den Anfängen prominenter Testimonialwerbung vor fast 100 Jahren mit Ginger Rogers und Marlene Dietrich für die Seife Lux bis in die heutige Zeit lässt sich ein Wandel im Erfolg versprechenden Auftreten des Fürsprechers einer Marke nachzeichnen: Nach und nach ist die Rolle des dominant auftretenden Meinungsführers verlassen worden, der weiß, was für andere gut ist, hin zu einer Art freundschaftlichem „Buddy“-Multiplikator, der nichts vorschreibt, sondern unprätentiös vorlebt.
Spätestens mit dem Aufkommen der Influencer geht es werblich nicht mehr um schnödes Anpreisen, Ausloben, Behaupten und Beweisen. Vielmehr hat sich Markenkommunikation wie die Empfehlung eines lieben, guten, alten Freundes anzufühlen. Um diese Rolle glaubwürdig zu füllen, hat sich die Form der (Selbst-)Inszenierung weiterentwickelt. Für ein authentisches Erscheinungsbild geben immer mehr Prominente insbesondere in den sozialen Medien mitunter tiefe Einblicke in ihr Privatleben. Die Teilhabe am Alltag der Stars befriedigt das in der Gesellschaft gewachsene Bedürfnis nach „Pröffentlichkeit“ (wie Jens Lönneker in seinem Beitrag erläutert).
Für Marketingverantwortliche, die nach einem Erfolg versprechenden Werbepartner für die eigene Marke suchen, wird die Entscheidung nicht nur durch die unüberschaubare Zahl an Celebrities und Influencern erschwert, sondern auch durch die Vielzahl an Medien-, Format- und Inszenierungsmöglichkeiten. Daher wollen wir zunächst vorstellen, welche Arten von Celebrities und Influencern bei einem werblichen Einsatz für Marken sinnvollerweise unterschieden werden sollten, um uns dann einer wirkungsbezogenen und strategischen Betrachtung für ein modernes Celebrity#Influencer-Marketing zuzuwenden.
Als „Prominente“ bzw. „Celebrities“ können Persönlichkeiten gelten, die einer breiten Öffentlichkeit nicht nur bekannt sind, sondern sich zudem einer hohen Popularität erfreuen, was auf verschiedenen Faktoren wie Lebensleistung, Expertise, Reputation, Aura, Status, Herkunft, Ruhm oder Charakter beruhen kann.5 Celebrities im klassischen Sinne sind Berühmtheiten wie Schauspieler, Sportler, Musiker oder Modeikonen, aber auch bekannte Politiker, Wissenschaftler und Unternehmergrößen. So hat Mike Krüger für Hagebau als Hobbybastler renoviert, Cristiano Ronaldo zeigt sich seinen 320 Millionen Followern in Jubelpose für Nike, Gorbatschow bereiste für Louis Vuitton die Welt, Unternehmer Claus Hipp preist die von ihm hergestellte Babykost, und Thomas Gottschalk hat für Haribo alle Langzeitrekorde als Markenbotschafter gebrochen.
Auch fiktionale Charaktere können als Celebrities aufgefasst werden, wenn beispielsweise ein Schauspieler, der als James Bond berühmt geworden ist, diesen auch in einer Werbung verkörpert. Im weitesten Sinne können selbst abstrakte Figuren, die mediale Beliebtheit erlangt haben, werblich eingesetzt werden, wie etwa Meister Yoda, Sponge Bob oder Homer Simpson. Hinzu kommen prominente Markenikonen, die extra für kommerzielle Zwecke geschaffen worden sind, wie Ronald McDonald oder Meister Proper.6 Im Folgenden soll es aber ausschließlich um reale Personen gehen.
Der Begriff „Influencer“ (to influence: beeinflussen) bezeichnet Personen mit starker Präsenz in den sozialen Medien, die neben einer mittleren bis hohen Reichweite in aller Regel auch über große Wertschätzung in ihrer Community bzw. bei den eigenen Followern verfügen, so dass daraus ein hohes Einflusspotenzial für die Bewerbung und Vermarktung von Marken und deren Produkten resultiert.7 Im Werbekontext hat sich für Celebrities und Influencer als Oberbegriff „Testimonial“ (to testify: bezeugen, empfehlen) eingebürgert, der sich auf bekannte wie unbekannte Personen bezieht, die in klassischen wie digitalen Werbeformaten auftreten, um ein Produkt oder eine Dienstleistung vorzuführen, zu testen und zu empfehlen, wodurch die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft von Werbebotschaft bzw. Markenversprechen erhöht werden soll.8
Dieser Zuordnung wird aus Gründen der Konvention in diesem Buch gefolgt. Allerdings soll zumindest an dieser Stelle herausgearbeitet werden, dass eine andere Gliederung und Bezeichnung sinnvoller wäre. Trotz seiner häufigen Verwendung ist „Testimonial“ kein geeigneter Oberbegriff, da er in Zeiten klassischer Werbung eingeführt worden ist und auf die Beeinflussungsart der konkreten Fürsprache für ein (Marken-)Produkt beschränkt bleibt, das offiziell und direkt empfohlen wird. In dieser Fassung wird der Terminus weder indirekten, subtilen Formen der Beeinflussung wie Branded-Content-Formaten im Social-Media-Bereich gerecht, noch kann er Gültigkeit für komplexe Engagements beanspruchen, wie es längerfristige, medienübergreifende Aktivitäten von Markenbotschaftern darstellen.
Als Oberbegriff wäre „Influencer“ sinnvoll, weil er auf jegliche Form der Einflussnahme abhebt, die Personen im werblich-persuasiven Kontext ausüben, unabhängig davon, ob die werbende Person berühmt ist (Celebrity) oder aber ein wenig bekannter Kunde oder Mitarbeiter, und ebenso unabhängig davon, ob es sich um eine offizielle Empfehlung handelt (Testimonial) oder um eine Brand Appearance bei einem Gala-Empfang oder einen freundschaftlichen Rat. Testimonials, die sich werblich für die Qualität, Nützlichkeit oder Preiswürdigkeit eines Produkts aussprechen, stellen demnach einen Subtyp des Influencers dar. Als Ersatzbezeichnung für (Social-Media-)Influencer hat es Sinn, den in jüngster Zeit immer häufiger verwendeten Begriff „(Content-)Creator“ aufzuwerten, der mit der Erstellung von persönlichen Inhalten und deren Verbreitung über Online-Kanäle viel stärker auf das Wesen der (Social-Media-)Influencer abhebt.9
Eine Systematik, die „Influencer“ als übergeordnete Klammer begreift, kann verschiedene Beeinflussungstypen integrieren, die über das klassische Werbe-Testimonial hinausgehen, wie etwa der Experten-Blog eines Mitarbeiters oder der selbst produzierte Trailer eines Creators, der sich als Markenenthusiast outet. An die Stelle der klassischen Testimonials, die als Star, Experte oder Laie werben, treten vier Beeinflussungstypen: Celebrity, Creator, Customer und Colleague.10 Bei nahezu jedem dieser vier Typen können Stars, Experten und Laien auftreten. Durch weitere Binnendifferenzierung enthält die Systematik Merkmalskategorien, die für die Werbe- und Marketingpraxis relevant sind, wie Abbildung 1 zeigt.
Abb. 1: 4C-Systematik werblicher Beeinflussungstypen
Der Influencer-Typ der Celebrity zeichnet sich ganz besonders durch den erreichten Berühmtheitsgrad aus, der das Produkt aus hoher (Gesichts-)Bekanntheit und Beliebtheit bildet. Im Unterschied zu den anderen Typenbezeichnungen erlaubt der Begriff Celebrity eine Aussage zu der Art der Beziehung zwischen Prominenten und Gesellschaft: Angesehen, mitunter bewundert oder sogar verherrlicht, kann eine Celebrity durch Worte und Taten eine Vielzahl von Menschen beeinflussen. In der Systematik sind deshalb in der Celebrity-Spalte die wesentlichen Bereiche und Funktionen aufgeführt, in denen werblich auftretende Personen zu Berühmtheit gelangen. Der Berühmtheitsgrad kann aus unterschiedlichen Quellen stammen, aber er speist sich bei klassischen Celebrities üblicherweise aus den Bereichen Sport, Musik, Mode sowie Film & Fernsehen.
Zu den beliebtesten Celebrities zählen bei den Deutschen prominente Schauspieler, gefolgt von Musikern und schließlich Fußballern.11 International wird die Celebrity-Landschaft überwiegend von Musikern und Schauspielern dominiert, die durch Hochglanzveranstaltungen wie Grammy oder Oscar global gefeiert werden (wobei Jan Voss in seinem Beitrag besonders die Musikstars behandelt). Seit David Beckham und Cristiano Ronaldo auch neben dem Spielfeld als Weltstars auftreten, drängen immer mehr Fußballer als Marke ins Rampenlicht (wie Toan Nguyen in seinem Beitrag erläutert).
In der Systematik zeigen Celebrity-Subkategorien wie Model, Starlet, Reality Star und Show-Koch, dass Prominenz als Produkt aus Bekanntheit und Beliebtheit ein immer leichter zu erreichendes Gut geworden ist. So wird der Begriff „prominent“ inzwischen recht weit gedehnt. Oft haben TV-Moderatoren, Society-Darlings und Finalisten von Castingshows überschaubare Fan-Zahlen und eine geringe Bekanntheit in der breiten Bevölkerung vorzuweisen. Für einen Werbeauftritt kommen sie aus Sicht vieler Unternehmen dennoch in Frage, denn mitunter geht es nicht um eine strategische Aufwertung der Marke mit „Ruhm, Glanz und Glamour“, sondern um eine taktische Markenaktualisierung durch Nutzung des Momentums. Promis, die nur kurzzeitig im Rampenlicht stehen, sind kostengünstiger und deren Popularität muss meist nur wenig länger vorhalten als die Dauer der Werbekampagne. Dass deren Name und Promi-Hintergrund dann als Untertitel in der Werbung zusätzlich angegeben werden muss, stört Werbetreibende in diesen Fällen wenig.
Als Creator sollen hier die klassischen Influencer gelten, die in erster Linie durch Aktivitäten in Social Media bekannt geworden sind und eine mittlere bis hohe Reichweite in ihrer Fanbase erzielen. Kommt einem Creator sogar Experten- oder Vorbildstatus durch hohe Anerkennung und Wertschätzung bei vielen Followern zu, wird er auch als Key Influencer bezeichnet. In Deutschland haben die erfolgreichsten Creators Einfluss auf mehrere Millionen Follower. Als Creator sind u. a. Politiker, Sportler, Journalisten, Prominente und Schauspieler aktiv.
Wichtige Charakteristika sind der Content-Schwerpunkt, das Selbstverständnis des Creators und der Hero-Kanal. Je nach Leitmedium unterscheiden sich zum Beispiel Blogger (schriftlich) von Vloggern bzw. YouTubern (audiovisuell), was zwangsläufig das Format bei einer Markenkooperation bestimmt. Hinzu kommt die thematische Affinität zu einem bestimmten Genre wie Lifestyle, Mobilität oder Ernährung, für das ein Creator in erster Linie bekannt ist, weil sich daraus die Art des Contents ableitet, der im Falle einer Zusammenarbeit mit einem Markenunternehmen produziert wird. Denn nur relevanter Content erzeugt auch die nötige Resonanz bei der Community, um sich intensiver mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Ein Creator entfaltet mit seinem Content die größte Wirkungskraft für eine Marke, wenn Reichweite, Relevanz und Resonanz in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.12
Genauso entscheidend ist das Selbstverständnis des Creators, denn es macht einen großen Unterschied, ob ein Creator als „Reichweitenbringer“ auftritt oder als „Markenenthusiast“ begeistert für eine Marke aktiv wird (wie Mandy Sarnoch-Möller in ihrem Beitrag über Top-Influencer aufzeigt). Als reiner Multiplikator kann ein Creator Produkten zum schnellen Durchbruch verhelfen, als Enthusiast das Image eines Unternehmens und seiner Marke stärken. Ebenso wichtig für ein Unternehmen bei der Planung einer Markenkooperation ist die Klärung, ob ein Creator von seinem Rollenverständnis her eher als „Experte“ in einer Produktkategorie auftritt oder aber eher als „Kritiker“ fungiert.
Der Customer ist ein weiterer wichtiger Influencer-Typ, da Kunden oft andere Kunden beeinflussen. Zwar haben Customers nicht annähernd so eine große Reichweite wie Celebrities oder Creators, dafür wird ihnen von Konsumenten in aller Regel die größte Glaubwürdigkeit zugesprochen. Ihre Meinung wirkt gerade wegen ihrer Normalität näher am Kunden. Customer werden vor allem im Innovationsmanagement und für Word-Of-Mouth-Advertising eingesetzt. So können Customer als Co-Creator, Lead User oder Early Adopter wichtige Unterstützung bei der Entwicklung, Testung und Einführung von innovativen Markenprodukten leisten.
Auch in der werblichen Kommunikation sind Customers in vielfältiger Weise einsetzbar. Die klassische Form stellt der Testimonial-Einsatz als fiktiver oder realer Kunde dar, wie in den Werbespots von Fielmann oder wirkaufendeinauto.de. Weitergehende Möglichkeiten ergeben sich für eine Marke, wenn sich ein Customer als Nano-Influencer engagiert und andere Menschen aus seinem persönlichen Netzwerk „evangelisiert“ (wie Mark Leinemann in seinem Beitrag ausführt). Zudem sind Nano-Influencer meist von einer Marke überzeugt und begeistert, so dass es für den Wirkungserfolg von Celebrity-Werbung für die Marke bedeutsam ist, dass die Customer auch Fans der eingesetzten Celebrity sind (wie Daniel Althaus in seinem Beitrag belegt). Im schlimmsten Fall wenden sie sich als Hater der Celebrity von der Marke ab.
Dem Influencer-Typ des Colleague wurde von Unternehmen lange Zeit zu wenig Bedeutung beigemessen. Statt in den eigenen Reihen zu suchen, wurden Testimonials und Celebrities für teures Geld von außen angeheuert. Eine Ausnahme bilden Unternehmer, die als Gesicht ihrer Firma in PR und Werbung auftreten. Dabei können Mitarbeiter durch ihre Persönlichkeit, Expertenmeinung und Erfahrung die Meinungsbildung und Kaufentscheidung von Kunden wirkungsvoll beeinflussen.13 Ähnlich wie beim Customer zeichnet sich auch der Colleague durch eine geringe Reichweite aus, kann aber potenziell eine hohe Authentizität und Nähe erreichen, weshalb er auch als Peer Influencer bezeichnet wird.
Naheliegende Einsatzformate von Colleagues ergeben sich aus den Unternehmensfunktionen als Sprachrohr und Kontakter, also in Werbung, PR und Sales. So setzte die Commerzbank in ihrer Werbung lange Zeit auf Lena Kuske, eine Filialleiterin aus Hamburg, um ihre Werbebotschaften authentisch zu inszenieren. Nicht selten verfolgt das Unternehmen damit die Absicht, sich auf diese Weise als menschlich und nahbar zu präsentieren. In Zukunft sollten Mitarbeiter insbesondere in den Bereichen Rockstar, Weiser und Faces noch systematischer zu Markenbotschaftern aufgebaut werden, um gezielt starke Personenmarken, Autoritäten und gut vernetzte Persönlichkeiten im Unternehmen zu fördern (wie Kerstin Hoffmann in ihrem Beitrag fordert).
Die Kategorisierungen zeigen wesentliche Charakteristika für jeden Typus auf, die natürlich auf der Individualebene nicht trennscharf sind. So verschmilzt die „alte Welt“ der Celebrities mehr und mehr mit der „neuen Welt“ der Social-Media-Influencer – die Celebrity will Influencer werden und umgekehrt. Während es Influencern um mehr Sichtbarkeit über den Tellerrand von YouTube, Instagram & Co. hinaus geht, wollen Celebrities eigene Reichweiten aufbauen, um neben einem zweiten beruflichen Standbein höhere Gagen bei Werbekampagnen fordern zu können. Hinzu kommt, dass mit einer eigenen hohen Reichweite die Wahrscheinlichkeit steigt, als Schauspieler neue Rollen oder als Sportler bessere Gehälter zu erhalten. Denn Regisseure wie Vereinsmanager achten zunehmend darauf, in welchem Ausmaß der neue Star eine eigene vermarktungsrelevante Reichweite mitbringt, die zusätzlich den Kinobesuch oder die Trikotumsätze steigert.
Mit dieser Systematik werden vier verschiedene Typen, die das Markt- und Kommunikationsgeschehen gezielt beeinflussen können, transparent gemacht, um strategische Entscheidungen zu Art und Einsatz von Celebrities, Creators (Influencer), Customers und Colleagues zu unterstützen. Im Folgenden wollen wir aufzeigen, warum Celebrities bzw. Influencer als werbliche Fürsprecher von Marken überhaupt wirken und was es für den Wirkungserfolg zu beachten gilt.
Für Unternehmen gehört im Markenmanagement zu den zentralen Herausforderungen, die Identität der eigenen Marke mit möglichst alleinstellenden Eigenschaften auszustatten und als Image in den Köpfen und Herzen der Zielgruppe so positiv zu verankern, dass die Marke gegenüber den Wettbewerbern bevorzugt wird.14 Die hohe Austauschbarkeit der Qualitätsnachweise und funktionalen Nutzenversprechen von Produkten und Dienstleistungsangeboten erfordert künftig mehr denn je den Aufbau von starken Marken als Rettungsschirme, die eine einzigartige Persönlichkeit ausstrahlen und erstrebenswerte Glückszustände verheißen, die ihren Zielgruppen Erfüllung geben, Unverwechselbarkeit verleihen, Zugehörigkeit versichern und Wertschätzung schenken bis hin zu dem exklusiven Gefühl, mehr sein zu können.15
Der ökonomische Mehrwert von Marken beruht letztlich auf dieser psychologischen Kraft, durch die Menschen den Versprechen von Marken glauben, von ihnen fasziniert werden, sie lieben, ihnen Vertrauen schenken und über lange Zeit unverbrüchlich zu ihnen stehen. Vor diesem Hintergrund dient Celebrity#Influencer-Marketing prinzipiell dazu, die Vorteile der Marke und ihres Besitzes in der Zielgruppenwahrnehmung zu erhöhen.16 Mit dem finanziellen Mehr an Investment ist das unternehmerische Mehr an Erwartung verbunden, dass Celebrities wie Influencer durch ihr Auftreten für die Marke die Ziele zur Steigerung der Bekanntheit, Sympathie und eines bestimmten positiven Markenimages schneller und stärker erreichen als ohne ihren Einsatz. Daher muss der Nachweis angetreten werden, ob diese Wirkungsvorteile tatsächlich gerechtfertigt sind und sich auszahlen.
Im Kern geht es um die Frage, welche Wirkungsbeziehungen für den Markenerfolg wie ausgeprägt sein müssen zwischen der werblich auftretenden Celebrity auf der einen, der beworbenen Marke auf der anderen und der Zielgruppe auf der dritten Seite, bei der die Marke positioniert werden soll. Das komplexe Wechselspiel zwischen diesen drei Größen veranschaulicht Abbildung 2, welche wesentliche Annahmen und Variablen der einschlägigen Erklärungsmodelle zur Wirkung von Celebrities und Influencern in der werblichen Kommunikation integriert. All diese Ansätze gehen von drei psychologischen Konstrukten aus, die sich gegenseitig bedingen: Übertragung – Ähnlichkeit – Passung.17 Während die Übertragung den grundlegenden kognitiven Prozess beschreibt, gibt die wahrgenommene Ähnlichkeit die Transferrichtung vor, deren Zielzustand die erlebte Passung darstellt, die wiederum wesentliche Erfolgsgrößen der Werbe- und Markenwirkung beeinflusst. Bevor wir diesen Prozess näher betrachten, wollen wir auf einen wichtigen Aspekt eingehen, den Abbildung 2 ebenfalls verdeutlichen soll – den Einfluss kultureller Bedeutungen auf den Wirkungsprozess.
Abb. 2: Modell zur Wirkung von Celebrities und Influencern in der Markenkommunikation
Für den Erfolg von Celebrity#Influencer-Marketing muss auf Seiten der Zielgruppe prinzipiell eine dreifache Transferleistung hinsichtlich der Ähnlichkeitsbeurteilung und Passungsbewertung erbracht werden: Passen Celebrity und Marke zueinander? Ist die Marke etwas für mich? Wie stehe ich zur Celebrity?18 Dabei geht es nicht um ein einfaches Bejahen oder Verneinen, sondern um die persönliche Zuschreibung und Gewichtung von Bedeutungen: Was macht für mich diese Marke eigentlich aus? Und weshalb ist mir die Celebrity sympathisch? Das klingt nach viel Aufwand und konzentrierter Schwerstarbeit, jedoch werden diese Fragen in Millisekunden meist nahezu unbewusst und automatisch gelöst.19
Denn Menschen leben in aller Regel für einen längeren Zeitraum in einer bestimmten Kultur und fühlen sich in einer Gesellschaft zu Hause, in der sie bezüglich der Werte, Normen und Trends sozialisiert und integriert sind. Infolgedessen können sie unmittelbar und leicht die vermittelten Bedeutungsinhalte von Dingen, Zeichen, Gesten, Redewendungen usw. aus ihrem näheren und weiteren Umfeld erkennen und verstehen, ihren Sinn interpretieren und passend bewerten. Wie automatisch dieser Prozess abläuft, wird bewusst, wenn eine bestimmte Bedeutung nicht der erwarteten Zuschreibung entspricht, wie zum Beispiel bei der Farbe „weiß“, die in westlichen Kulturen für das Reine und Unberührte steht (Brautkleid) und in östlichen Kulturen wie Japan den Tod symbolisiert.
Insofern hängt der Einfluss von Celebrities und Influencern, die zugunsten von Marken auftreten, von den Bedeutungsinhalten ab, die für den jeweiligen soziokulturellen Kontext gültig sind und bei der Zielgruppe aktiviert werden können.20 Zu den kulturellen Bedeutungsinhalten mit hoher Einflusskraft zählen Alter, Geschlecht, sozialer Status, Lebensleistung, Persönlichkeit und Lebensstil. Prominente können besondere kulturelle Bedeutung erlangen, wenn sie in einer Gesellschaft ein Stück weit durch ihre Standpunkte, Weltanschauungen, aber auch Moden und Habitus vorleben und mitdefinieren, wie Schönheit, Erfolg, Stil und ein erfülltes Leben gehen. Auf diese Weise werden sie zu Leitbildern für Menschen. Ein Beispiel für diese besondere zusätzliche Bedeutung ist der „Promi-Status“, den Menschen bereits einfachen Dingen zuschreiben, die prominenten Personen gehört haben und für die sie bereitwillig einen höheren Preis zahlen würden.21 Als Repräsentanten und Übermittler solcher für viele Menschen wünschenswerten Eigenschaften sind Prominente auch für die Werbung attraktiv, weil oftmals das (Konsum-)Verhalten an erwünschten Leitbildern orientiert wird.
Kommen wir nun zu den drei zentralen Bestandteilen des Wirkungsprozesses von Celebrity-Werbung: Übertragung - Ähnlichkeit - Passung. Die kognitive Fähigkeit der Übertragung dient als Mittel zur assoziativen Bildung von Wissensstrukturen durch Vergleich, Zuordnung und Kategorisierung.22 Nicht nur einfache Merkmalseigenschaften wie Farbe, Form und Aussehen werden von Gegenständen und Lebewesen auf andere übertragen, sondern auch abstrakte, symbolische Bedeutungen im Sinne von Metaphern und Analogien. Für Marken und Celebrities bzw. Influencer sind zwei besondere Übertragungsqualitäten wichtig: Animismus und Stereotypisierung.
Der Animismus beschreibt die Tendenz von Menschen, die materielle Welt zu „beseelen“ und sie dadurch zugänglicher, emotionaler zu machen, indem Dingen, aber auch Phänomenen, Pflanzen und Tieren Namen verliehen und Persönlichkeitseigenschaften zugeschrieben werden.23 So können wir uns vorstellen, dass es einen „Stein der Weisen“ gibt und magische Orte der Wunderheilung, dass Tarotkarten in die Zukunft blicken lassen, der Wolf bösartig und das Schaf dumm ist, ja selbst ein unheilvolles Sturmtief einen Vornamen tragen kann – mit absurden Folgen: Hurrikane mit weiblichen Vornamen werden als weniger risikoreich eingeschätzt, so dass Menschen weniger Schutzmaßnahmen treffen als bei Luftwirbeln mit männlichen Namen.24
Für Marketing und Werbung eröffnet das Bedürfnis zur Vermenschlichung noch größere Freiheiten in der assoziativen Verknüpfung von Eigenschaften mit Produkten und Marken, die weit über den funktionalen Erfahrungshorizont hinausgehen. So können relativ unproblematisch für die Glaubwürdigkeit einfacher Produkte fantastisch anmutende Qualitäten wie „verführerisch zart“, „blütenweiß rein“, „gefühltes Gold“ oder „himmlisch leicht“ angedichtet werden. Noch wichtiger sind die Implikationen der Seelenverleihung für das Wesen von Marken: Sie können mit spirituellen Bedeutungen aufgeladen werden und Persönlichkeitszüge erhalten, die sie sympathisch und einzigartig profilieren. Ein schlauer Fuchs weiß um geldwerte Finanzvorteile, BMW tritt ehrgeizig und temperamentvoll auf, Beck’s macht Lust auf Abenteuer, die Allianz besitzt einen ordnungsliebenden, soliden Charakter, Haribo macht Spaß, und Apple ist das Synonym für einen kreativen Lebensstil.
Die Stereotypisierung ist für das Celebrity#Influencer-Marketing besonders bedeutsam, denn im Unterschied zum Animismus bezieht sich dieser Prozess auf Menschen. Danach kategorisieren Menschen die Intelligenz, Kompetenz und Persönlichkeit anderer Menschen automatisch und unbewusst nach bestimmten, meist äußerlich hervorstechenden Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Körperbau oder Haarfarbe.25 Die Tendenz zur stereotypen Vereinfachung kommt sowohl bei Menschen aus dem persönlichen Umfeld wie auch in entfernten Erfahrungsbereichen zur Anwendung. Bei prominenten Persönlichkeiten wird die Typenbildung meist noch zusätzlich durch die Medien (vor)geprägt. Filmstars werden zu Stereotypen ihrer Rollen, wie Romy Schneider als ewige Sissi, und bekannte Fußballer erfüllen Klischees, wie Lukas Podolski als Deutschlands letzter Straßenfußballer. Als Wunsch-Projektionsfläche kommt es gerade bei besonders populären Celebrities zu idealtypischen Überzeichnungen. Dazu zählt etwa die Superlativierung von Lionel Messi zum (Fußball-)Gott oder auch die Ikonisierung von Angelina Jolie zum globalen Sex-Symbol (2004 als „sexiest woman alive“ trotz mehr als 3,5 Milliarden Frauen auf diesem Planeten).
In Marketing und Werbung sind Stereotype wichtig, weil vereinfachte Sicht- und Deutungsweisen strategisch leichter aufbaubar, steuerbar und vermittelbar sind als komplexe Persönlichkeiten in noch komplexeren Lebenswelten. Celebrities bieten sich insbesondere für den Transfer stereotyper Bedeutungen zur Welt der Schönen und Reichen an, wie den Mann von Welt oder den Stil der Diva. Stereotype Kategorienmerkmale können auch ganz leicht auf Produkte, Marken und Menschen übertragen werden. Paradebeispiel ist der positive Spill-over-Effekt zwischen George Clooney und der Marke Nespresso. Als Stereotyp des charmanten Gentlemans hat er die Marke mit seinen Werbeauftritten erfolgreich zu „dem“ Begleiter für den Mann von Welt in Sachen Kaffeegenuss gemacht.
Das Ähnlichkeitsprinzip bestimmt die Richtung der Übertragung. Ähnlichkeiten ergeben sich grundsätzlich, wenn zwischen Wahrnehmungsinhalten gleichsinnige, konsistente Verbindungen assoziiert werden. Wie bei der Übertragung gilt auch für Ähnlichkeitsbeziehungen, dass sie keinen faktischen Gegebenheiten entsprechen müssen, um als gültig oder „wahr“ erlebt zu werden. Für die Erzeugung einer Ähnlichkeitsbeziehung reicht oft werbetechnisch der Kontingenzeffekt aus.26 Obwohl beispielsweise eine Kreditfinanzierung auf den ersten (und auch den zweiten) Blick nichts mit einem Basketballer zu tun hat, wird die freundliche und natürlich-unverfälschte Art von Dirk Nowitzki durch das wiederholte, gemeinsame Auftreten mit der ING-DiBa mit der Direktbank-Marke assoziiert (mit Erfolg, wie Jens Lönneker und Henner Mamane in ihren Beiträgen finden). Es ist allerdings von Vorteil, die Ähnlichkeitsbeurteilung für die beworbene Zielgruppe weitgehend zu erleichtern, indem Darstellungen auf derselben Vergleichsdimension realisiert werden, wie zum Beispiel zwischen der Spitzenleistung von Fußballstar Ronaldo und den Performance-Ansprüchen von Nike.
Ziel von Ähnlichkeitsbeurteilungen ist die Passung, die tief in dem menschlichen Bedürfnis nach innerer harmonischer Balance durch ein Leben im Einklang mit sich und der Welt verwurzelt ist.27 Prinzipiell geht mit einer hohen wahrgenommenen Ähnlichkeit auch das Gefühl einher, dass es zueinander passt.28 Bei sehr hoher erlebter Übereinstimmung zwischen Konsument und Celebrity kann sich sogar eine Identifikation mit der prominenten Person entwickeln, die dem Gefühl des Einsseins nahekommt.29 So verwundert nicht, dass Julia Roberts in der La vie est belle-Kampagne die Macht zugesprochen wird, die Zielgruppe von Lancôme an einen idealisierten Ort zu zaubern.30 Den besonders positiven Einfluss von Markenwerbung auf die Fans der werbenden Celebrity innerhalb einer Zielgruppe belegt auch Daniel Althaus in seinem Beitrag.
Halten wir fest: Die Wirkung von Celebrities und Influencern in der Markenkommunikation beruht auf der von der Zielgruppe wahrgenommenen Kongruenz im Sinne von Ähnlichkeit und Passung in dem Wirkungsdreieck Marke – Prominenter – Zielgruppe.
Entscheidend ist nun die Klärung der Frage, auf welchen Dimensionen aus dem Universum möglicher Kriterien eine Übereinstimmung zwischen Celebrity, Marke und Zielgruppe erfolgen sollte, um einen positiven Einfluss auf zentrale Erfolgsgrößen der Werbe- und Markenwirkung zu erzielen. Wie Abbildung 2 zeigt, wird das wahrgenommene Image einer Celebrity vor allem durch ihre Attraktivität, Expertise, Vertrauenswürdigkeit und Persönlichkeit bestimmt.31 Ähnlich ist für die Identität einer Marke ihre Leistung, Kompetenz, Persönlichkeit und Wertehaltung wichtig.32 Das Selbstkonzept als dritte Größe besteht aus den zentralen Einschätzungen eines Menschen zur eigenen Persönlichkeit, Intelligenz und Kompetenz, die seine Person im Wesentlichen ausmachen und damit essenziell für sein Selbstwertgefühl und die eigene Identität sind.33 Das Selbstkonzept bildet den zentralen Referenzpunkt für den Ähnlichkeitsabgleich zwischen Marken- und Celebrity-Image im Verhältnis zum Konsumenten selbst.34 Um in der Forschung einen besseren Wirkungsvergleich der Kongruenzen zu ermöglichen, können Selbstkonzept, Markenimage und Celebrity-Image durch ähnliche Persönlichkeitseigenschaften abgebildet werden.35
Betrachten wir den Erkenntnisstand der Forschung zur wahrgenommenen Kongruenz auf den genannten Kerndimensionen in ihrer Wirkung auf Erfolgsgrößen wie die Glaubwürdigkeit der Werbebotschaft, das Gefallen der Werbung, die Markensympathie, das Markenimage sowie Preisbereitschaft und Kaufintention.
Attraktive Celebrities erhöhen die Produkterinnerung, steigern die Identifikation mit der Werbebotschaft und fördern das Kaufverhalten.36 Mehr noch: Einer attraktiven Celebrity werden automatisch weitere positive Stereotype zugeschrieben, die sich auch auf das Produkt übertragen.37 So werden attraktive Personen oftmals auch als intelligenter und sympathischer beurteilt als weniger attraktive Menschen.38 Grund dafür ist das meist unbewusst wirkende Attraktivitätsstereotyp, wonach alles, was schön ist, auch gut ist („what is beautiful is good“).39 Der Attraktivitätseffekt kann sogar noch Tage nach dem Werbekontakt positiv auf die Einstellung zur Marke wirken.40
Die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft einer Werbung hängen wesentlich von der Wahrnehmung ab, ob die Celebrity über besondere Sachkenntnisse in der beworbenen Kategorie verfügt oder gar als anerkannter Experte gilt.41 Je mehr Expertise einem Prominenten zugesprochen wird, desto überzeugender wirkt er als Markenfürsprecher.42 Insbesondere weniger attraktive Celebrities sollten für die notwendige Glaubwürdigkeit eine hohe Expertise für das Produkt vorweisen.43 Kann ein Prominenter keinerlei Spezialkenntnisse vorweisen, sollte er wenigstens als begeisterter Laie auftreten, um ein glaubwürdiger Botschafter für die Marke zu sein, wie etwa der Humorist und Sänger Mike Krüger als Hobbybastler für Hagebaumarkt. Bei den Deutschen scheinen Celebrities einen gewissen Glaubwürdigkeitsbonus zu genießen, denn immerhin 43 Prozent glauben, dass Prominente die Markenprodukte, für die sie werben, auch selbst nutzen bzw. konsumieren.44
Zur Übereinstimmung von Mensch und Marke zeigt sich: Marken profitieren von wünschenswerten Persönlichkeitseigenschaften, wenn diese von der Zielgruppe in Verbindung zum eigenen Selbstbild gebracht werden.45 So steigt die Präferenz für die Marke mit zunehmender Ähnlichkeit zwischen Konsumenten- und Markenpersönlichkeit.46 Konkret konnte für die drei Persönlichkeitsdimensionen Aufrichtigkeit, Erregung (excitement) und Kultiviertheit bei wahrgenommener Ähnlichkeit ein positiver Effekt auf die Kaufbereitschaft nachgewiesen werden.47 Insbesondere bei hohem Markenbewusstsein und Produktinvolvement werden Marken, die mit der eigenen Persönlichkeit übereinstimmen, sympathischer beurteilt und stärker präferiert als Marken, die als unpassend zur eigenen Person gefunden werden.48
Zur Übereinstimmung von Mensch und Celebrity zeigt sich: Positive Auswirkungen auf den Erfolg der beworbenen Marke hat auch die Ähnlichkeit zwischen Celebrity- und Konsumentenpersönlichkeit. Je ähnlicher sich Konsumenten zu einer prominenten Person wahrnehmen, desto positiver wird die Werbung mit ihr empfunden.49 Zudem begünstigt eine hohe Ähnlichkeit die Identifikation mit anderen, so dass die Beziehung zu ihnen intensiver erlebt wird, wie sich an der Begeisterung für Lieblingsmusiker und -schauspieler zeigt.50 Eine starke Identifikation mit Celebrities kann die Kaufwahrscheinlichkeit für viele verschiedene beworbene Produkte erhöhen – von Bankdienstleistungen und Flugreisen über Fotoapparate bis hin zu Sportgetränken und Speiseeis.51 Nicht von ungefähr werden für Marken gern beliebte Musikstars engagiert wie Helene Fischer (Meggle, Garnier, Tchibo), Justin Bieber (Telekom) oder Robbie Williams und Dave Gahan (beide für VW). (Die Vorteile von Musikern vertieft Jan Voss in seinem Beitrag.)
Zur Übereinstimmung von Marke und Celebrity zeigt sich: Konsumenten haben eine positivere Einstellung zum Produkt und zeigen eine höhere Kaufbereitschaft, wenn die Persönlichkeit der Celebrity zur beworbenen Marke passt.52 Eine positive Wirkung tritt auch bei einer wahrgenommenen Übereinstimmung hinsichtlich der Attraktivität von Celebrity und Marke ein. So zeigen sich Vorteile zur Attraktivität einer Celebrity für beworbene Schönheitsprodukte u. a. auf die Kaufintention.53 Der Match-up-Effekt konnte auch zur Vertrauenswürdigkeit und Expertise aufgezeigt werden.54 Passen Marken- und Prominentenimage nicht zusammen, kommt es zum gegenteiligen Pinocchio-Effekt: Die Werbung erscheint wenig glaubhaft und kommt beim Kunden so schlecht an, dass die Celebrity nach der Kampagne für weniger glaubwürdig gehalten wird als zuvor.55
In letzter Zeit wird kontrovers diskutiert, wie stark Konsumentenselbstbild, Markenimage und Celebrity-Persönlichkeit zueinander passen sollten, um die Werbewirkung und Kaufbereitschaft erfolgreich zu beeinflussen. Die Befunde reichen von positiver Kongruenz über moderate Abweichung bis zu kompletter Inkongruenz.56 Ist eine hohe Ähnlichkeit bzw. Passung nun von Vorteil oder eher von Nachteil? Ist zum Beispiel für Luxusmarken eine hohe Ähnlichkeit zur Marke und Celebrity notwendig oder reicht bereits ein gewisses Faible für Status und Prestige zur Aktivierung von Imagetransfer und Kaufintention aus?57 Für eine Lösung könnte die Richtung des Selbstkonzept-Abgleichs eine wichtige Rolle spielen: Geht es für den Konsumenten um sein Ideal- oder sein Realselbst als Bezugspunkt zur Marke und Celebrity? Für die Bedeutsamkeit dieser Unterscheidung spricht das Ergebnis, dass sich die Kongruenzen zwischen Markenpersönlichkeit und tatsächlichem Selbstkonzept im Vergleich zum Idealselbst unterschiedlich stark auf die Identifikation mit der Marke und die Produktzufriedenheit auswirken.58 Allerdings sind die Ähnlichkeitsausprägungen für das Bedürfnis nach realer Bestätigung im Unterschied zur idealen Ergänzung oder Erhöhung noch wenig untersucht, wie auch der Einfluss verschiedener Strategien zur Stärkung des Selbstkonzepts.59
Ein umfassendes Bild der Wirkungsweisen von Celebrity#Influencer-Kommunikation zeigt nicht nur die Erfolgsseite, sondern auch mögliche Gründe für Wirkungslosigkeit und Misserfolg. Grundsätzlich sollte die Werbepräsenz von Stars eine gewisse Grenze nicht überschreiten, um Wear-out-Effekte zu vermeiden. Selbst wohlwollende Fans eines Stars reagieren auf massive Werbeeinsätze genervt. Wirbt eine Celebrity für mehrere Marken gleichzeitig (wie auch hintereinander weg), leiden Interesse, Sympathie, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft von Werbung, Marke und Celebrity gleichermaßen. Der Werbe-Overkill betrifft nicht nur die klassische Promiwelt, sondern insbesondere auch Top-Influencer in den sozialen Medien.
Für eine Marke ist es zudem nicht immer hilfreich, neben einem absoluten Superstar in Erscheinung zu treten. Es ist zwar vorteilhaft, wenn die Celebrity eine Marke in Richtung des Sollimages stärkt. Ist allerdings der „Kultstatus“ der Celebrity zu hoch, steigt die Gefahr eines Vampireffektes, indem die strahlende Präsenz des Stars die Aufmerksamkeit der Zielgruppe vollständig auf sich zieht und positiv in Erinnerung bleibt, nicht aber die Marke als eigentlicher Star der Werbung. Daher sollten Unternehmen besser eine vergleichbar starke Persönlichkeit und Attraktivität zwischen Celebrity und eigener Marke anstreben, um Vampireffekten vorzubeugen.60
Des Weiteren sollte in der Marketing- und Werbepraxis stärker beachtet werden, dass die Prozesse der Übertragung und Verstärkung von Persönlichkeitseigenschaften und weiteren Merkmalen zwischen Marke, Celebrity und Zielgruppe wechselseitig wirken – positiv wie negativ. Nicht immer dienen Werbeauftritte der Imageverbesserung von Marken, sondern den Prominenten, weil der Medienauftritt eine willkommene Chance bietet, um die Bekanntheit zu steigern und das öffentliche Profil zu aktualisieren, oder weil es für einen guten Zweck ist und die Werbepräsenz einen notwendigen Imagewechsel ermöglicht.61
Umgekehrt finden sich Beispiele, wo ein Prominenter nicht gerne an eine Werbekooperation erinnert wird, da sich sein Image nachteilig entwickelt hat, sei es, weil die Fans oder Community das werbliche Engagement als falsch oder sinnfrei gefunden haben, sei es, weil das Imageprofil der Marke im Vergleich zur Celebrity viel zu altbacken und bieder oder viel zu futuristisch oder rebellisch war, so dass nicht die Marke in Richtung Soll-Image verbessert werden konnte, sondern sich das Celebrity-Image in Richtung Ist-Image der Marke verändert hat. Noch ungünstiger sind Engagements des Prominenten, die sich als moralisch oder ethisch bedenklich herausstellen, so dass neben Imageproblemen auch rechtliche Konsequenzen entstehen (die Christian-Oliver Moser und Ralf Kitzberger in ihren Beiträgen aufzeigen).
Aus Marketingsicht ist natürlich die Übertragung negativer Eigenschaften von der Celebrity auf die Marke problematischer.62 So ist allein das experimentell erzeugte Ergebnis beeindruckend, dass eine Assoziation der Kosmetikmarke Clinique mit Britney Spears, Jessica Simpson und Paris Hilton, die allesamt von den Versuchsteilnehmerinnen als „trashy“ angesehen wurden, dazu geführt hat, dass die Premiummarke ebenfalls als wertlos befunden wurde.63 Neben diesen kurzfristigen Effekten ist für die Glaubwürdigkeit einer Werbepartnerschaft auch auf längere Sicht maßgeblich, dass sich Prominente in ihrem Lebensstil und Imageprofil als verlässliche Partner erweisen. Hier scheitern viele „Marken-Ehen“, zum Beispiel zwischen Pepsi und Britney Spears durch die Coca-Cola-Affäre, zwischen diversen Marken und Tiger Woods aufgrund des Sex-Skandals oder die Scheidung zwischen Mercedes-Benz und Boris Becker infolge seines Lebenswandels (worauf Alessandro Panella in seinem Beitrag eingeht).
Da erfolglose Werbekooperationen mit Celebrities von den betroffenen Unternehmen immerhin beendet werden können, wiegt die Übertragung unvorteilhafter Eigenschaften von Konsumenten auf die Marke schwerer. Für eine hochwertige, etablierte Marke kann es zu massiven Imageverlusten kommen, wenn sie von radikalen Subkulturen „gekapert“ wird, die durch Neuinterpretation der symbolischen Bedeutung der Marke und deren Nutzung ihr gesellschaftliches Negativimage auf die Marke übertragen und die angestrebte Zielgruppe damit verprellen. So wurde die englische Sportmarke Lonsdale (wegen der Andeutung von NSDAP im Logo) unbeabsichtigt bei Rechtsradikalen so populär, dass vom Management aktiv dagegen vorgegangen werden musste.64 Ähnlich eklatant verhielt es sich bei dem hochpreisigen italienischen Modelabel Stone Island, das von gewaltbereiten britischen Fußball-Hooligans bevorzugt getragen wurde, um nicht durch Vereinstrikots bei den Ordnungshütern aufzufallen.65
Kommen wir zu einem „wirkungsvollen“ Fazit: Für ein erfolgreiches Celebrity#-Influencer-Marketing sind „Regeln“ zu beachten. Wenn eine Celebrity oder ein Influencer werblich in Erscheinung tritt – sei es in einem TV-Spot oder auf YouTube, sei es ein Bild in einer Zeitschrift, auf Instagram oder eine Botschaft in einem Blog oder Tweet –, sind grundsätzlich eine hohe Bekanntheit und Beliebtheit in der Zielgruppe der Marke entscheidend, um deren Einstellung und Verhalten zur beworbenen Marke positiv beeinflussen zu können. Die Beliebtheit ergibt sich aus den stereotypen Kategorisierungen, die abhängig vom kulturellen Bedeutungsraum einer Gesellschaft kennzeichnen, was das Image einer Celebrity als gefeierten „Rockstar“, „Spitzensportler“ oder „Filmhelden“ ausmacht, natürlich auch als „Stilikone“ oder „Technikfreak“ in den sozialen Medien.
Das Promi-Image wird im werblichen Auftreten nicht nur durch die wahrgenommene Attraktivität, Expertise und Vertrauenswürdigkeit bestimmt, sondern durch die Persönlichkeit, die einen zentralen Einflussfaktor auf die Marke und den Konsumenten darstellt. Für einen erfolgreichen Imagetransfer sollte das Persönlichkeitsprofil der Celebrity dem Soll-Image der Marke entsprechen. Marken werden positiver beurteilt, wenn ihre prominenten Fürsprecher im Hinblick auf relevante Imageeigenschaften im Vorfeld der Kampagne (leicht) besser bewertet werden als die Marke. Die hohe Kunst von Marketing und Werbung besteht darin, den Auftritt der Celebrity für die Marke so zu inszenieren, dass sich der Zielgruppe die unternehmerisch gewünschte Ähnlichkeitsbeziehung zum Soll-Image eindeutig aber intelligent „aufdrängt“.66
Für den Wirkungserfolg ist von der Zielgruppe nicht nur die werblich intendierte Passung zwischen Marke und Prominenten herzustellen, sondern diese auch mit der eigenen Beziehung zum Prominenten und der persönlichen Einstellung zur Marke positiv in Einklang zu bringen. Daher sind Unternehmen bei der strategischen Auswahl von Celebrity bzw. Influencer gut beraten, für den jeweils interessierenden Konsumkontext und Branchenbereich zu bestimmen, welche spezifischen Eigenschaften für die Passung zwischen Marke, Celebrity und Zielgruppe relevant sind.67 Neben dem Celebrity-Image scheint insbesondere die psychografische Analyse der Zielgruppe sowie der wahrgenommenen Persönlichkeitsmerkmale und Werteversprechen der Marke in ihrer Relevanz für das Real- bzw. Ideal-Selbstbild der Zielgruppe lohnenswert, da Ähnlichkeiten bzw. Unähnlichkeiten offensichtlich die Kaufpräferenzen beeinflussen. Abschließend wollen wir auf die strategischen Gestaltungsmöglichkeiten eingehen, die entscheidend für eine erfolgreiche Realisierung von Celebrity#Influencer-Marketing sein können.
In Zeiten digitaler Prädominanz sind die Herausforderungen für das Markenmanagement immens gestiegen – und damit auch für das Celebrity#Influencer-Marketing. Die Digitalisierung zentraler Lebensbereiche hat Social Media im Alltag der Menschen fest etabliert – mit tiefgreifenden Folgen. Nicht nur für Jugendliche ist das Smartphone zum unverzichtbaren Begleiter geworden; für viele Menschen ist der größte Alptraum im Alltag, wenn sie „kein Netz“ haben.68 Produktinfos via Google auf Wikipedia und Testportalen, Unboxing-Filme auf YouTube, User-Bilder auf Instagram und Promotions in Facebook-Communities – das Wechselspiel der Menschen zwischen analoger Lebenswelt und digitaler Medien- und Konsumwelt erfordert ein Umdenken im Branding.69 Ging es jahrzehntelang in der klassischen Markenwerbung um Information, Persuasion und Penetration, wird die Zukunft durch Relation und Collaboration definiert.70
Markenmanagement im digitalen Zeitalter bedeutet das erfolgreiche Führen von echten Dialogen zwischen sich wertschätzenden Kommunikationspartnern und das Initiieren begeisternder Interaktionen, damit Marken die Zielgruppen in deren echtem Leben abholen, auf sie eingehen, sie involvieren und binden.71 Aufgrund der Besonderheiten vernetzter Kommunikationsprozesse müssen Marken dynamischer gemanagt werden, das Zusammenspiel an den Touchpoints muss besser, intensiver und vor allem relevanter werden, um Kunden und Interessenten wirklich nahe zu sein.72 Marken müssen ihre Zielgruppen nicht nur kontaktieren, sondern faszinieren, um Bindungen nachhaltig zu festigen. Nur ein Miteinander als echte Beziehungspartner wird in der Zukunft Markenerfolge begründen – mit Unternehmen und Prosumenten, die sich auf Augenhöhe begegnen, neue Ideen und ehrliche Meinungen offen austauschen, die ausprobieren und testen, um Neues zu pushen und Altes zu verbessern. In nicht allzu ferner Zeit könnten Markenkampagnen zur Normalität gehören, die von Brand Fans initiiert und gesteuert werden, um als Schwarm oder auch Flash Mob organisiert zum analogen oder virtuellen Shopping aufzubrechen für Produkte, die sie selbst mitentwickelt (und mitproduziert) haben.73
Angesichts der gestiegenen Komplexität reichen für die strategische Planung von Markenerfolgen populäre Brand-Funnel- und Werbestufen-Modelle im Celebrity#Influencer-Marketing nicht aus. Das strategische Marketing setzt auf der übergeordneten Steuerungsebene bei kompetitiven Zielsetzungen für operative Weichenstellungen an. Dagegen stehen in der werblichen Realisierungspraxis Konzepte zur konkreten Umsetzung im Vordergrund, es geht um Story-Entwicklung und Kampagnendesign. Daher ist ein Planungsansatz zwischen Marketingstrategie und Kampagnenumsetzung hilfreich, der den Entscheidungsprozess unterstützt. Abbildung 3 zeigt unser „MIIT“-Planungsmodell mit vier Entscheidungsebenen, das bei den Zielsetzungen des strategischen Marketings ansetzt, um diese bis zur Kampagnenumsetzung fortzuführen.
Abb. 3: Strategischer Entscheidungskorridor im Celebrity#Influencer-Marketing
Im Entscheidungsbereich „Markenziele“ geht es um eine weitergehende Ausgestaltung der übergeordneten strategischen Markenpositionierung im Wettbewerb. Die üblichen Marketingziele zur Steigerung von Bekanntheit, Sympathie und Image der Marke, die der Erreichung ökonomischer Erfolgsziele dienen, sind für das Celebrity#Influencer-Marketing zu „übersetzen“ und durch Vertiefung und Ausweitung zu präzisieren. Die Konzeption eines Erfolg versprechenden Zielkorridors hat den Transfer kultureller Bedeutungsinhalte zu verfolgen, die für die Marke und Zielgruppe gleichermaßen wünschenswert wie relevant sind. Dazu müssen für die Marke spezifische Themenfelder bestimmt werden, die sie in der Kommunikation mit der Zielgruppe für sich alleinstellend besetzen kann.