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Um einen wertvollen Diamanten wegzunehmen, brach Theo bei seinem angeberischen Nachbarn Wolfram ein, rein zu dem Zweck ihn zu necken. Doch der erwischte und bedrohte ihn. Theo stieß Wolfram dabei so unglücklich von sich, dass dieser, mit dem Hinterkopf, auf die Ecke seines Tresors fiel und starb. Die hartnäckige Kommissarin die den Fall bearbeitete und Theo vernehmen wollte, kam am Fenster seines Hauses vorbei und erblickte einen Indio-Teenager darin. Dieser tauchte unvermutet auf, als Theo den Stein, Beweis seiner Schuld, vernichten wollte. Der Diamant, Bruchstück eines Meteors, der vor Jahrmillionen in Mittelamerika niederging, erwies sich als kristallines Wesen mannigfaltiger Macht. Ungeahnte Erlebnisse und Abenteuer folgten, denn die Kommissarin verfolgte eisern alle Spuren. Wahrheiten unseres gesellschaftlichen Alltags lassen die Hauptperson dieser Geschichte reifen und verdeutlichen ihm, dass auch große Macht keine Heimat mit sich bringt.
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Seitenzahl: 166
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Inhaltsangabe
Um einen wertvollen Diamanten wegzunehmen, brach Theo bei seinem angeberischen Nachbarn Wolfram ein, rein zu dem Zweck ihn zu necken. Doch der erwischte und bedrohte ihn. Theo stieß Wolfram dabei so unglücklich von sich, dass dieser, mit dem Hinterkopf, auf die Ecke seines Tresors fiel und starb.
Die hartnäckige Kommissarin die den Fall bearbeitete und Theo vernehmen wollte, kam am Fenster seines Hauses vorbei und erblickte einen Indio-Teenager darin. Dieser tauchte unvermutet auf, als Theo den Stein, Beweis seiner Schuld, vernichten wollte. Der Diamant, Bruchstück eines Meteors, der vor Jahrmillionen in Mittelamerika niederging, erwies sich als kristallines Wesen mannigfaltiger Macht. Ungeahnte Erlebnisse und Abenteuer folgten, denn die Kommissarin verfolgte eisern alle Spuren.
Wahrheiten unseres gesellschaftlichen Alltags lassen die Hauptperson dieser Geschichte reifen und verdeutlichen ihm, dass auch große Macht keine Heimat mit sich bringt.
Impressum
Texte: © Copyright by Heinrich HerbordtUmschlaggestaltung: © Copyright by Heinrich Herbordt und Oliver Oppawsky
Verlag:Heinrich [email protected]
Vertrieb: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin
Präludium
Lange, sehr lange vor Entstehung unseres Sonnensystems, in einer weit entfernten Galaxie, zersprengte ein gewaltiger Asteroid den von kohlenstoffbasierten, kristallinen Wesen belebten Planeten Diodor. Jahrmillionen trieben dessen Bruchstücke und Partikel durch Raum und Zeit. Einige dieser belebten Fragmente prallten wie gewöhnliche Meteoriten in gerade entstehende Sternsysteme, um ihrer Zeit zu harren. Sie brachten all ihr so fremdartiges Regiment mit sich, das nur durch Okupation bestehen kann. Doch das Schicksal spielt andere Töne auf seiner Klaviatur und nicht nur eine Art brachte die Evolution in den Galaxien hervor! Kann gottgleiche Macht ein alleiniger Herrschaftsanspruch sein?
Theo und sein Widersacher
Ich lernte vor Jahren Theodor Amand ganz zufällig in einem kleinen Lokal in meiner Heimatstadt beim Abendessen kennen. Wir unterhielten uns angeregt und nichts deutete an dem Abend darauf hin, welche unglaublichen Erlebnisse er dann im Laufe unserer sich entwickelnden Freundschaft nach und nach preisgab. Doch lassen Sie mich am Anfang beginnen.
Theodor, groß, kräftig, ohne dick zu sein, blauen Auges und klaren Blickes, schon deutlich ergraut, besaß ein Zweifamilienhaus am Rande der Stadt oberhalb eines Baches, der mäandernd dem Main zustrebt. Die ganze obskure Geschichte begann mit dem Einzug eines neuen Nachbarn, der das Haus und das Grundstück neben dem meines Freundes erwarb. Fortan stellte dieser Mensch einen ständigen Stein des Anstoßes für Theo dar.
Da sich das Nachbargrundstück, eine ehemalige Gärtnerei mit in Beton eingefassten Beeten ohne jeglichen Baum- oder Buschbestand, sich eher einer Wüste gleich zeigte, beabsichtigte der neue Eigentümer einen japanischen Garten anlegen zu lassen. Baumaschinen wie Bagger, Presslufthammer und all diese Lärmgeräte randalierten wochenlang. Dagegen lästerte der Newcomer über den Gartenzaun hinweg von einem ‚Dschungel‘, wie er sich ausdrückte, nur weil Theo der Natur freien Lauf ließ und vielen Trieben, die sich durch die Vögel oder Windflug selbst ansäten, eine Chance gab.
Auch sonst schien Theodor der neue Nachbar, Wolfram Bertold, ein ziemlicher Angeber zu sein. Dies drückte sich nicht nur in dessen Kleidung aus – er trug stets eine auffallende Fliege zum Anzug und Brillant-bestückte Fingerringe, zwei an jeder Hand – sondern er protzte auch mit seinem riesigen Ami-Geländewagen. Oft ließ er diesen nachlässig, wenn er selbst fuhr, halb in Theos Einfahrt ragend, vor dem Haus stehen. Auffallend zeigte sich auch seine gestelzte Ausdrucksweise und er sprach meinen Freund nie mit Namen an, sondern stets nur als ‚Herr Nachbar‘ oder manchmal auch als ‚Na, Sie da‘. Sein Äußeres könnte man eher als unscheinbar bezeichnen: klein, füllig, um nicht zu sagen fett, mit schütterem Haar, an den Schläfen ergraut und mit kleinen braunen Schweinsäuglein. Sein Alter könnte man mit knapp über 50 Jahren schätzen.
Wenn Theodor in seinem Garten den Rasen mähte oder die Hecke beschnitt, beobachtete der Großkotz ihn oft am Gartenzaun stehend, um ihn dann belehrend über sein Tun Anweisungen zu geben oder ein belangloses Gespräch aufzudrängen. Bei solchen unfreiwilligen Plaudereien erfuhr er, dass Herr Bertold sich zur Ruhe gesetzt hatte, um seinen Liebhabereien nachzugehen. Das Anwesen erwarb er wegen dem großen Garten dahinter und der beschaulichen Lage oberhalb des gewundenen Baches. Der Neuanlieger hatte auch einen hübschen jungen Sekretär angestellt, der auch als Chauffeur diente und mit im Haus lebte, was Theo ein wissendes „Aha“ entlockte.
Als endlich der japanische Garten vollendet und der Lärm der Baumaschinen abgeschlossen war, marschierte der stolze Besitzer mit geschwellter Brust darin umher. Während Theo beim Unkrautjäten sich den Schweiß von der Stirn wischte, trat der Angeber wieder einmal an den Zaun:
„Na, Herr Nachbar, was sagen Sie dazu?“, und deutete auf sein Reich.
Etwas verärgert erhob sich der Angesprochene von seiner knienden Tätigkeit und trat ebenfalls an den Zaun.
„Sie haben die Betonwüste durch eine Kieswüste ersetzt, mit ein paar Felsbrocken und verschrumpelten Bäumchen darin.“
Wolfram schnappte nach Luft.
„Aber sehen Sie denn nicht die ausgewogene klare Schönheit, die den Geist inspiriert?“
„Ich verstehe nichts von ‚Feng Shui‘ oder wie der Schmarrn heißt. Viel Grün ist mir lieber.“
„Ja, so jedem das Seine! Ich wollte Sie eigentlich zur Feier der Vollendung zu einem Abendessen einladen.“
„Können Sie denn kochen?“
„Ich, nein, aber mein Sekretarius.“
„Sekretarius? Ha!“
„Ja, der kocht ausgezeichnet. Darf ich Sie dann um 19 Uhr willkommen heißen?“
Theo dachte:
‚Der hat wohl nicht viele Freunde, dass er ausgerechnet mich einlädt.‘
Und laut:
„Was gibt’s denn?“
„Tillmann hat eine frische Ente gekauft.“
„Oh, ich liebe Entenbraten.“
„Dann sind Sie also heute Abend mein Gast!“
Die Bemerkung wirkte eher wie ein Befehl denn wie eine Einladung, aber so war eben Wolframs Wesen. Ein Entenbraten reizte meinen Freund schon sehr. Er lebte nach dem Tod seiner Frau vor etwas über zehn Jahren allein. Kochen und die ganze Hausarbeit fiel ihm schwer. Auch wollte er gern die neue Einrichtung des Nachbarhauses in Augenschein nehmen. So fand er sich pünktlich bei Herrn Bertold zu besagter Zeit ein, der ihm freudig erregt öffnete:
„Guten Abend, Herr Nachbar. Wenn Sie einzutreten belieben.“
„Guten Abend, Herr Bertold. Ich hab einen Frankenwein mitgebracht.“
Theo hielt seinem Gastgeber etwas verlegen den Bocksbeutel entgegen, den er seit Jahren in der Speisekammer herumstehen hatte. Ein Werbegeschenk der Sparkasse zum Abschluss eines größeren Geldgeschäftes. Er mochte den Sauerampfer, wie er Weißwein zu bezeichnen pflegte, nicht.
„Oh, Würzburger Stein, sehr schön! Den bevorzugte schon Goethe.“
„Ach ja?“
„Kommen Sie doch herein. Wenn ich vorgehen darf.“
Das Innere des Hauses hatte sich sehr verändert. Mauern wurden herausgebrochen, um großzügigere Räumlichkeiten zu schaffen. Edle Seidentapeten zierten die Wände, an denen nun so manches scheinbar wertvolle Gemälde hing. Die Möblierung war zwar sparsam, aber von ausgesuchter Qualität, vorwiegend im Stil des Bauhauses mit vereinzelten Biedermeier-Ergänzungen. Nichts erinnerte mehr an die alten, eher bäuerlichen Vorbesitzer dieser ehemaligen Friedhofsgärtnerei. Im Esszimmer, auf dem schön gemaserten Kirschbaumtisch, war mit Platzdeckchen für drei Personen gedeckt und mittig ein herrlicher Strauß Pfingstrosen, deren schwere Köpfe blutrot leuchteten – der Hausherr, zwar ein aufgeblasener Angeber, aber einer mit Geschmack.
Ein appetitanregender Bratenduft drang von der offenen Küchentür herein, in der der wohlgestaltete ‚Sekretarius‘ mit einer lustig bedruckten Schürze stand und dem Gast ein freudiges ‚Grüß Gott‘ entbot. Daraufhin deutete Theo einen leichten Diener an, während der Gastgeber ihn bat, sich zu setzen, indem er einen der Biedermeierstühle vorhielt. Nun schenkte Wolfram einen französischen Rotwein in die Bleikristallgläser, wobei er meinte:
„Dieser Merlot passt wohl am besten zur Ente.“
Was aber Theodor ziemlich gleichgültig war – wie gesagt, er mochte keinen Wein. Nun kam der Sekretär mit der Bratenplatte aus der Küche. Der belustigte Gast konnte nicht umhin, dessen gezierten Gang zu bemerken. Sogleich begann Tillmann – was für ein Name – mit der bereitliegenden Geflügelschere die Ente zu zerteilen und Gast und Gastgeber sowie sich selbst vorzulegen. Dann lief er in seinem weibischen Gang zurück in die Küche, wobei er aufgeregt rief:
„Ach, ich vergaß die Beilagen!“
Die Mahlzeit selbst bereitete Theo ein echtes Vergnügen. Die gebratene Ente mit Blaukraut und Kroketten, ja sogar der Rotwein schmeckten ihm vorzüglich, besonders die anschließend gereichte Platte diverser französischer Käse. Er, der Altgeselle, des Kochens unkundig, speiste meistens in einer nahen Gastwirtschaft Hausmannskost einer erfahrenen älteren Köchin.
Nach dem Essen bat der Hausherr ins Rauchzimmer, das von einer riesigen englischen Ledergarnitur beherrscht wurde. Tillmann verabschiedete sich, da er mit Bekannten in einer Diskothek verabredet war. Wolfram bot seinem Gast aus einer Zigarrenkiste seine bevorzugte Sorte Brasil an, die der jedoch ablehnte und lieber eine seiner selbstgedrehten Zigaretten rauchte.
Nur mühsam entwickelte sich eine Unterhaltung, zu ungleich Besucher und Hausherr, der sich redlich mühte und auch nicht vergaß, den Merlot in die Gläser nachzuschenken, die sie aus dem Esszimmer mitgebracht hatten.
„Was haben Sie denn für Hobbys?“
„Oh, ich reise gerne mit meinem Wohnmobil.“
„Sie meinen den alten Transporter in Ihrem Carport?“
„Ja, den habe ich ausgebaut.“
„Ist der nicht ein bisschen klein?“ Wieder zeigte sich Wolframs Hochmut.
„Für mich reicht‘s.“ Antwortete Theo etwas verschnupft.
„Hmh…“
„Und was haben Sie für einen Zeitvertreib?“
Erleichtert, dass endlich ein Thema angeschlagen wurde, bei dem er glänzen konnte, ließ den Angeber strahlen.
„Unter anderem sammle ich edle Steine.“
„Ach, Sie klauben herumliegende Kiesel auf?“
„Nein, nein, ich meine Diamanten, Smaragde, Rubine und dergleichen.“
„Ach so, Edelsteine, so wie Ihre Ringe.“
Herr Bertold schaute stolz auf seine beiden vorgestreckten Handrücken.
„Genau, aber ungefasst.“
„Wie, ungefasst?“
„Na, die Steine an sich ohne was drumherum.“
Wieder ein hochmütiger Blick auf seinen begriffsstutzigen Gast.
„Also keine Schmuckstücke, sondern die Klunker pur?“
„Ja, am besten, ich zeige es Ihnen.“
Er stand auf und ging zur Treppe in den ersten Stock. Es dauerte eine Weile, bis er wieder erschien. In den weiß behandschuhten Händen hielt er stolz ein Tableau mit mehreren Unterteilungen wie bei einem Setzkasten, den er vorsichtig vor Theodor auf dem Rauchtisch abstellte. Die bunten Edelsteine blinkten in allen Farben. Wolfram nahm einige einzeln heraus und reichte sie seinem Gast zur Betrachtung, der sie allerdings nicht von gefärbtem und geschliffenem Glas zu unterscheiden wüsste:
„Dies ist zum Beispiel ein Aquamarin mit fast 40 Karat, völlig rein.“
„Aha.“
So gab er unserem verwunderten Betrachter so manchen Stein der Sammlung.
„Der große Rote da, ist das ein Rubin?“
„Nein, ich vermute ein Granat. Den fand ich einmal auf einem Flohmarkt für nur 70,- Euro. Schauen Sie, er ist nicht so richtig rot, sondern hat einen leicht bräunlichen Einschlag. Den muss ich noch zur Bewertung und zum Schleifen geben. Sehen Sie, dies hier ist wirklich ein Rubin, ein helleres Rot.“
Doch einen großen, gelben Brocken bewahrte er bis zum Schluss auf.
„Ja, und das gelbe Ding da?“
„Das ist die Krönung meiner Sammlung, ein naturbelassener Diamant, die ‚Sonne von Nampur‘!“
Bei diesen Worten reckte er seine Brust voraus und schaute seinen Gast hoheitsvoll an, als er ihm das Juwel reichte.
„Ich denke, Diamanten sind weiß?“
Dieser dümmlichen Frage folgte ein gönnerhafter Blick.
„Auch Diamanten gibt es in verschiedenen Färbungen. Dieser Rohdiamant hat fast 150 Karat und ist unglaublich wertvoll. Ich möchte ihn bald schleifen lassen, damit er seine volle Pracht und Feuer entfalten kann.“
In dem Moment, als er das sagte, war es Theo, als beginne der Stein in seiner Hand zu glühen, ihm die Finger zu verbrennen. Erschrocken ließ er ihn fallen.
„Passen Sie doch auf!“
Wolfram sprang aus seinem Sessel auf, beugte sich, hob den Diamanten auf und legte ihn sorgfältig zurück in den Setzkasten. Dabei blickte er seinen Gast an, als wolle er ihm Böses. Wie der Besitzer der Kostbarkeit da so vor ihm stand, dabei weltentrückt in die Ferne schaute und dann auf sein Juwel, erschien er Theo wie die absonderliche Zwergengestalt aus ‚Herr der Ringe‘: ‚Mein Schatz…!‘
Angewidert wandte mein Freund den Blick ab.
„Es ist schon spät. Ich glaube, ich geh dann mal.“
Immer noch starrte der verzückte Wolfram sein Kleinod an, ehe er seinen Gast bemerkte.
„Moment, ich bringe Sie noch zur Tür. Das müssen wir mal wiederholen.“
„Ja, ich danke Ihnen für das ausgezeichnete Mahl – gute Nacht.“
„Auf Wiedersehen.“
Theodor dachte auf dem kurzen Heimweg:
‚Das Essen war zwar super, aber ich weiß nicht. So ein Snob. Und das Gehabe um den gelben Kiesel – der spinnt doch! Eigentlich sollte man dem Angeber das Ding wegnehmen! Sein Schatz …, ha!‘
Der Raub
In den folgenden Tagen ging meinem Freund der ‚gelbe Kiesel‘ nicht aus dem Kopf. ‚Sonne von Nampur‘ … Ha! Nur ein Stück gepresster Kohlenstoff!
Bei Theos Gartenarbeit trat Wolfram wieder einmal an den Gartenzaun.
„Na, den Dschungel etwas lichten?“
Unser Oldtimer rückte gerade mit einer Astsäge einem von den Eichhörnchen angesäten Haselstrauch zu Leibe. Ärgerlich richtete er sich auf:
„Aber das muss gemacht werden.“
„Na, dann viel Spaß! Ich wollte Sie eigentlich um etwas bitten.“
„So, was denn?“
„Ich fahre mit meinem Sekretarius für ein paar Tage nach Antwerpen zu einer Edelsteinbörse. Wenn Sie vielleicht ein Auge auf mein Anwesen haben könnten. In der Hochhaussiedlung da drüben wohnt so allerhand Kroppzeugs.“
„Kein Problem.“
„Ich danke Ihnen. Tillmann könnte ja wieder mal was kochen, wenn wir zurück sind.“
„Das wäre schön. Wann fahren Sie denn?“
„Morgen früh.“
„Muss ich irgendwas beachten?“
„Nein, nur wenn da so Typen rumschleichen ein Auge draufhaben.“
„Okay, also gute Reise.“
Schon des Öfteren hatte Theo voller Neugier mit einem Fernglas seinen Nachbarn ausspioniert. Dazu begab er sich ins Dachgeschoss an das einzige Fenster seines Hauses, das nach Norden zeigte. Nur hier ergab sich ein Einblick in Wolframs Fenster und in sein Arbeitszimmer, in dem direkt vor dem Fenster sein riesiger Schreibtisch stand. Rechts und links an den Seitenwänden befanden sich Regale mit Aktenordnern. Die Rückwand gegenüber dem Fenster nahm ein etwa ein Meter hoher Tresor neuester Bauart ein. Links daneben eine schöne Biedermeier-Kommode mit einem Gemälde einer New Yorker Stadtansicht darüber. Wiederum links daneben lag die Eingangstür.
Bei diesen nicht sehr feinen Beobachtungen bemerkte mein neugieriger Freund nicht nur die Heftchen mit nackten jungen Männern auf dem Schreibtisch, sondern auch das Tableau mit den Juwelen, das Wolfram seltsamerweise nicht im Tresor aufbewahrte, sondern in einem Geheimfach der Kommode. Selbst den Betätigungsmechanismus dieses Geheimfachs konnte er durch sein Fernglas gut erkennen.
Der Gedanke, dem großspurigen Snob eins auszuwischen, stachelte unseren Spion schon mächtig an. Er wollte ihm seine geliebte ‚Sonne von Nampur‘, seinen ‚Schatz‘, wegnehmen. Was für eine wunderbare Gelegenheit, dass der Sonnenbesitzer fortfuhr. Freudig erinnerte sich Theo an den Kellerschlüssel, den er vom Vorbesitzer des Hauses vor Jahren für Notfälle erhielt. Vielleicht passte der noch.
Wild entschlossen, diese Gemeinheit zu begehen, begab er sich frühmorgens mit seinem Fernglas bewaffnet zu seinem Ausguck im Dachgeschoss. Von hier konnte er das Nachbarhaus, den japanischen Garten, den Vorgarten und die Garage überblicken. Tillmann lud gerade Gepäck in den Ford Rambler und setzte sich dann wartend auf den Fahrersitz. Endlich trat auch Wolfram vor die Tür, schloss diese sorgfältig ab ebenso wie das Törchen des Vorgartens, und stieg auf der Beifahrerseite ein.
Endlich fuhren sie los, das Startsignal für unseren Freizeitdieb. Aufgeregt, noch nie in seinem Leben hatte er etwas gestohlen und dies auch nie nötig gehabt. Denn das Leben meinte es gut mit ihm: Sohn respektabler Eltern, die ihm nicht nur sein Haus vererbt, sondern auch in den letzten 30 Jahren ein Leben als Privatier ermöglicht hatten.
Theo wollte sich nicht bereichern. Einzig das aufgeblasene Wesen Wolframs reizte ihn zu diesem Tun. Er ging in seinen Garten und stieg über den recht niedrigen Zaun. Auf dem sich schlängelnden Kiesweg erreichte er die Kellertür des Nachbarhauses. Der Schlüssel passte noch. Unsicher sah er sich dabei um und mit zittrigen Händen öffnete er die Tür, froh, die gummierten Gartenhandschuhe nicht vergessen zu haben. Ob sich professionelle Einbrecher auch so gehemmt fühlen?
Schnell war das Arbeitszimmer erreicht und der versteckte Mechanismus der Biedermeier-Kommode betätigt. Die schmale Lade ruckte hervor und gab den Blick auf den Schatz frei. Schon griff Theo nach der ‚Sonne von Nampur‘, als er ein Geräusch aus dem Treppenhaus vernahm. Entsetzt sprang er von der Kommode zurück. Sein Blick fiel auf den Schreibtisch, auf dem eine geöffnete Brieftasche lag. Verdammt, er hätte noch etwas warten sollen, denn hier gab es keine Möglichkeit, sich zu verstecken.
Ein Schrei von der Zimmertür ließ den Einbrecher erstarren:
„Du Schwein, wie kannst du es wagen!“
Theo, das Tablett in der linken Hand, den gelben Diamanten in der rechten, ließ erschrocken den Setzkasten fallen, dessen Inhalt sich auf dem Boden verstreute. Mit einem Blick erkannte Wolfram die Situation. Wutentbrannt stürzte sich der kurzbeinige Beklaute mit hoch erhobener Hand, darin noch sein Schlüsselbund, auf den Dieb und wollte ihn so bewaffnet schlagen. Theo fing dessen Arm ab. Ein seltsames Gefühl der Macht erfasste ihn in diesem Moment. Er stieß seinen Kontrahenten mit der Linken von sich, dabei behielt er den ‚Schatz‘ in der rechten Hand fest umklammert. Der Gestoßene stolperte rückwärts, fiel mit dem Hinterkopf auf die stählerne Eckkante des Tresors und glitt zu Boden. Sein Körper erschlaffte, Blut quoll hinter seinem Hemdkragen hervor.
Schockiert beugte sich der Attentäter über sein Opfer und fühlte nach dessen Puls. Nichts! So schwer war die Verletzung nicht, dass dieser gleich starb. Seltsam. Von der Straße vor dem Haus erklang ungeduldiges Hupen. Tillmann! Nichts wie weg hier, war Theodors einziger Gedanke. Rasch stürzte er die Treppen hinab und gerade, als er die Kellertür hinter sich zudrücken wollte, hörte er noch den ungeduldigen Ruf des Sekretärs:
„Mausi, wo bleibst du?“
Nur schnell zurück über den Zaun, zurück in sein eigenes Reich! Erst jetzt bemerkte Theo, dass er noch immer den hühnereigroßen Diamanten in seiner Linken fest umklammert hielt. Wohin damit? Erst einmal ins Haus! Was hatte er nur getan? Er!
‚Ich bin ein Mörder, zumindest ein Totschläger. Aber das wollte ich doch nicht! Verdammte Scheiße!‘
Nach diesen entsetzlichen Gedanken ging Theo ins Dachgeschoss, um von dort, versteckt hinter dem Store, einen Blick auf das Geschehen im Nachbarhaus zu wagen. Merkwürdig, etwas Neues drang in ihn und beherrschte sein Sinnen! Er sei nicht schuld, er stieß den Anderen nur von sich! Doch erst mal schauen, was drüben passiert.
Tillmann stand wie versteinert in der Tür zum Arbeitszimmer, den Blick starr auf das Mordopfer gerichtet. Einige Minuten vergingen, dann kniete sich der junge Mann neben den leblosen Körper und tastete nach dessen Puls. Wieder verging einige Zeit, als würde er nicht begreifen, ehe er sein Smartphone zückte.
Der Sohn der Sonne
Noch immer stand der verstörte Täter bewegungslos hinter der Gardine und spähte auf die Szenerie seines blutigen Frevels. Noch immer hielt er den unförmigen Diamanten in seiner behandschuhten Rechten. Erst als er das herannahende Tatü-Tata der Polizeisirenen und des Krankenwagens vernahm, konnte er eine Entscheidung treffen. Es galt den Beweis seiner Schuld zu beseitigen, nein, zu vernichten! Nur wie? Am besten wohl, das gelbe Ding zu Staub zertrümmern und die Krümel im Bach entsorgen. Kaum hatte er diesen Gedanken gefasst, bemerkte er durch den dicken Gummi seiner Gartenhandschuhe, wie sich der Brocken erhitzte. Wie seltsam! Doch Theo musste schnell handeln und das Beweisstück loswerden. Hurtig lief er die Treppen hinab in den Keller. Dabei wechselte er beständig den heißen Stein von einer Hand in die andere. Er öffnete die Kellertür, um in die ehemalige Garage, die er zu einer Werkstatt umfunktioniert hatte, zu gehen und schloss deren Torflügel auf. Hier legte er den noch immer heißen gelben Brocken auf die Werkbank, der nun in den hereindringenden Strahlen der Morgensonne hell aufleuchtete. Theo ergriff dann seinen schweren Fäustling aus der Wandhalterung, hob ihn an, um kräftig zuzuschlagen und fasste den Stein als Ziel ins Auge. Noch zögerte er, er wusste nicht warum.
Was passierte hier? Vor seinen Augen verschleierte sich sein Ziel. Konturen, Umrisse wurden sichtbar wie ein sich verdichtender Nebel, der Formen annahm, feste Formen, immer dichter. Eine Gestalt bildete sich heraus, eine menschliche Gestalt, in deren Brust ein gelbes Leuchten glomm.
Unser alternder Recke verstand nicht, was geschah. Noch immer hielt er seinen schweren Hammer hoch erhoben, da begann die Gestalt auch noch zu sprechen:
„Du willst mich zerstören?“
Vor dem verdutzten Theodor lag nun ein nackter Jüngling auf der Werkbank. Ein fahles gelbes Glimmen in seiner braunen Brust. Schockiert trat der Befragte einen Schritt zurück und ließ den Arm sinken, der Hammer fiel zu Boden.
„Was bist du denn?“