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Diese Festschrift zu Ehren von Albert Raasch zu einem 90. Geburtstag deckt zentrale Bereiche des wissenschaftlichen Wirkens des Jubilars ab. So beschäftigt sie sich unter anderem mit der jüngeren Geschichte der Angewandten Linguistik, der Sprach- und (Aus-)Bildungssituation in Grenzregionen, Mehrsprachigkeit im Allgemeinen und im Besonderen, Sprachpolitik, Übersetzungswissenschaft sowie fremdsprachendidaktischen und kulturorientierten Reflexionen. Enthalten sind Beiträge von Peter Blumenthal, Rudi Camerer, Uwe Dethloff, Eva Martha Eckkrammer, Karl-Heinz Eggensperger, Hermann Funk, Heidrun Gerzymisch, Hans Giessen, Lutz Götze, Norbert Gutenberg, Britta Hufeisen, Wolfgang Kühlwein, Hans-Jürgen Krumm, Eynar Leupold, Georges Lüdi, Heinz-Helmut Lüger, Franz-Joseph Meißner, Christiane Nord, Sabine von Oppeln, Claudia Polzin-Haumann, Jürgen Quetz, Christina Reissner, Nadine Rentel und Christine Sick. Die hier publizierten Aufsätze vermitteln einen Einblick in die (romanische) Philologie der vergangenen Jahrzehnte und sind gleichzeitig von hoher Aktualität.
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Seitenzahl: 635
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Prof. Dr. Thomas Tinnefeld / Dr. Bärbel Kühn
Die Menschen verstehen - Grenzüberschreitende Kommunikation in Theorie und Praxis
Festschrift für Albert Raasch zum 90. Geburtstag
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
Umschlagabbildung: Große Gruppe von Menschen in Form einer Chat-Blase. © tai11, shutterstock, Stock-ID: 285219005.
© 2020 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.narr.de • [email protected]
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ISBN 978-3-8233-8454-0 (Print)
ISBN 978-3-8233-0244-5 (ePub)
Professor Dr. Albert Raasch
Dem verdienten Linguisten und Fremdsprachendidaktiker Professor Albert Raasch meinen ganz herzlichen Glückwunsch zu seinem 90. Geburtstag. Es erfüllt uns alle – und ich spreche hier bewusst auch im Namen von Bärbel Kühn und allen Beiträgern und Beiträgerinnen zu diesem Band – mit großer Freude und Dankbarkeit, eine Festschrift zu einem solch hohen Geburtstag herausgeben bzw. zu dieser beisteuern zu dürfen, was wissenschaftshistorisch unzweifelhaft eine große Rarität darstellt. Dass ein Wissenschaftler ein solches Alter erreicht, ist schon nicht selbstverständlich; noch viel weniger erwartbar ist, dass er auch in diesem Alter in seiner Disziplin aktiv ist. Albert Raasch ist somit nicht nur als Mensch und als Romanist herausragend, sondern darüber hinaus stellt das Faktum, dass er sein jahrzehntelang erworbenes und immer mehr verfeinertes Wissen auch weiterhin der (wissenschaftlichen) Öffentlichkeit zur Verfügung stellt und dieser damit die Chance gibt, daran auch lange nach seiner Emeritierung teilzuhaben, ein weiteres Verdienst Albert Raaschs dar.
Es würde sicherlich zu weit führen und lediglich ein höchst unvollkommenes Ergebnis zeitigen, wollte man versuchen, an dieser Stelle Albert Raaschs Leben nachzuzeichnen. Daher mögen hier lediglich einige sehr subjektiv ausgewählte Schlaglichter genügen, die den meisten Romanisten wahrscheinlich ohnehin bekannt sein dürften. Als Hochschulprofessor seit Ende der 1960er und ordentlicher Professor an der Universität des Saarlandes für Angewandte Linguistik und das damals sehr neue Fach Sprachlehrforschung Anfang der 1970er Jahre überblickt Albert Raasch mehr als 50 Jahre der Geschichte seiner Lehr- und Forschungsgebiete und darf somit ohne Übertreibung gleichsam als wandelnde Enzyklopädie dieser angesehen werden. Dabei war er sich zu keinem Zeitpunkt zu schade, auch die Praxis des Fremdsprachenunterrichts fördernde Werke zu veröffentlichen, deren Existenz vielen zu früheren Zeiten und ebenso heute tätigen Romanisten aus eigener Anschauung und / oder eigener Nutzung heraus bekannt sein dürfte. Ob es sich dabei um den französischen Mindestwortschatz oder die französische Mindestgrammatik handelt, den französischen Anfangsunterricht, das Wie der Erlernung von Fremdsprachen oder besonders leichte Zugänge zu diesem – immer ging und geht es Albert Raasch darum, Fremdsprachen als zugängliche Größen zu verstehen und zu beschreiben und sie in ihrer grenzüberschreitenden Funktionalität zu fördern. Persönlich aus dem „hohen Norden“ Deutschlands kommend und diesem nach wie vor geographisch und emotional verbunden, setzt er sich bis heute folgerichtig für das Saarland – hier sei nur der von ihm gegründete Sprachenrat Saar erwähnt – und die Großregion SaarLorLux ein, deren Charakter einer Grenzregion ihm besonders am Herzen lag und liegt. Seine Publikationen – ob in Buchform, in Herausgeberschaften oder auch in Aufsatzform – decken die Angewandte Linguistik und die Sprachlehrforschung in der jeweiligen Praxis, aber natürlich auch in der dieser zugrundeliegenden Theorie, in beeindruckender Manier ab. Seine Tätigkeit in Verbänden und Vereinigungen, die nicht zuletzt dazu verhalfen, angewandt-linguistische und fremdsprachendidaktische Erkenntnisse zum Nutzen einer breiteren Öffentlichkeit umzusetzen, zeugen von seinem politischen Bewusstsein und ebenso seiner Fähigkeit, die sprichwörtlichen „dicken Bretter“ zu bohren, die es zu einer derart erfolgreichen Umsetzung bedarf. In diesem Zusammenhang sei hier lediglich die Gesellschaft für Angewandte Linguistik erwähnt, zu deren Gründungsvätern Albert Raasch gehörte und die – was für eine Dimension – vor zwei Jahren ihr fünfzigjähriges Bestehen gefeiert hat. Das Faktum, dass Albert Raasch in seinem bisherigen Leben zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat, die ihn zu einem hochdekorierten Wissenschaftler machen, ist somit hochgradig verdient und zeigt gleichzeitig, dass er in seiner Arbeit immer auf der Höhe der Zeit gewesen ist – woran sich bis heute nichts geändert hat.
Die vorliegende Festschrift ist aufgrund einer recht spontanen Initiative von Bärbel Kühn entstanden. In einem Moment der unmittelbaren Begeisterung habe ich diesen Vorschlag der Zusammenarbeit für den verehrten Jubilar sehr gern angenommen, und wir sondierten die Lage, um auf diese Weise zu erfahren, ob sich ein solches Vorhaben realisieren lassen würde. Als dessen Realisierbarkeit sich immer mehr herauskristallisierte, machten wir uns an die Arbeit und fanden zahlreiche Kollegen aus früheren und ebenso neu(er)en Zeiten, die ihre Zusammenarbeit unmittelbar zusagten, wofür wir ihnen an dieser Stelle herzlich danken.
Obwohl Bärbel Kühn und ich diesen Band miteinander zusammengetragen haben, haben wir uns dazu entschlossen, hier je ein getrenntes Vorwort beizusteuern, da uns unterschiedliche Kontexte mit dem Jubilar verbinden und wir diese so konsistenter beschreiben können.
Albert Raasch ist mir zwar seit Jahrzehnten – bereits als Student – auf der Basis seiner Schriften bekannt, tiefer persönlich kennengelernt haben wir uns jedoch erst im Jahre 2011 auf der – wenn dies hier hinzugefügt werden darf – von mir organisierten und geleiteten 1. Saarbrücker Fremdsprachentagung. Albert Raasch erwies nicht nur dieser Tagung die Ehre, sondern ebenso allen vier, bisher auf jene folgenden Tagungen der gleichen Reihe wie auch drei Symposien zum Französischen, die ebenfalls in Saarbrücken stattfanden. Zudem begegneten wir beide uns immer wieder auf verschiedenen anderen, teilweise sprachpolitischen Veranstaltungen und zum Teil von ihm selbst (mit)organisierten oder geleiteten Veranstaltungen, die in den vergangenen zehn Jahren im Saarland stattfanden, und entwickelten während der zahlreichen Gespräche, die wir zu diesen Anlässen führten, eine sehr herzliche persönliche Beziehung zueinander. Dabei beeindruckte Albert Raasch mich ein um das andere Mal mit seiner persönlichen Ruhe, seiner tiefen Menschlichkeit und Freundlichkeit und nicht zuletzt mit einer Bescheidenheit, die nur den wirklich Großen zu eigen ist, sowie mit seiner Beharrlichkeit in der Verfolgung der wissenschaftlichen und (sprach)politischen Ziele, die ihm am Herzen lagen und liegen. Kurzum: Albert Raasch ist mir in den vergangenen zehn Jahren sehr ans Herz gewachsen, wenn dies hier so persönlich ausgedrückt werden darf, und ich freue mich, einen kleinen Beitrag dazu leisten zu dürfen, ihm im Kontext des vorliegenden Bandes eine kleine Freude bereiten zu können.
Dabei hatte ich die Ehre und das Vergnügen, mich der Aufsätze der folgenden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen annehmen zu dürfen, welche im Anschluss kurz beschrieben werden sollen – und dies in der Hoffnung, damit nicht die Spannung der Lektüre der Volltexte vorwegzunehmen, sondern diese im Idealfalle vielleicht sogar noch ein wenig weiter aufzubauen.
Im wahrsten Wortsinn spannend ist ein persönlicher Blick in die Geschichte, den uns Wolfgang Kühlwein vermittelt und der sich auf die Gesellschaft für Angewandte Linguistik und somit auch auf einen wichtigen Abschnitt des gemeinsamen Lebensweges des Autors und des Jubilars bezieht. Im Beitrag wird deutlich, wie visionär Albert Raasch und seine Mitstreiter vor 50 Jahren waren und wie weitsichtig sie agierten, ohne dabei den weitläufigen historischen Kontext Ihres Tuns aus dem Blick zu verlieren. Es liegt hier ein wichtiges Zeitzeugnis vor, das solchen Lesern, die damals mit von der Partie waren oder auch im näheren oder weiteren Umfeld der Akteure wirkten, viele wertvolle Erinnerungen (und oft vielleicht auch inzwischen Vergessenes) wachruft, sich aber auch für jüngere Leser als hochgradig inspirierend erweist und ihnen nicht zuletzt auch einen gewissen Respekt vor den Leistungen ihrer (Vor)Vorgänger einflößt.
Einen Einblick in die Sprachenpolitik der Großregion SaarLorLux gibt Claudia Polzin-Haumann mit Blick auf die berufliche Bildung in dieser Grenzregion, die Albert Raasch, wie erwähnt, traditionell sehr am Herzen liegt. Der hier gegebene Einblick in vorhandene Strukturen, aufgelegte Programme und nicht zuletzt die jeweils gültige Nachbarsprachenpolitik vermitteln einen anregenden Eindruck von konkreten Herausforderungen dieser von hoher grenzüberschreitender Mobilität und (nicht selten) der Beherrschung der Sprache der jeweils „Anderen“ geprägten Region, und das von der Autorin gezogene Fazit hinsichtlich des bisher Erreichten stimmt hoffnungsfroh – auch und besonders in dem Bewusstsein, dass dieser Prozess naturgemäß ein nie enden wollender ist und ein immer neuen Herausforderungen ausgesetzter sein wird.
Ganz im Sinne des Jubilars sieht Eva-Martha Eckkrammer die Mehrsprachigkeit als den Normalfall an – und dies umso mehr in einer Zeit wie der gegenwärtigen, in der eher (sprach)kulturelle Konvergenz als Divergenz herrscht. Aufbauend auf Wilhelm von Humboldt und seiner Philosophie einer jeweils eigenen Weltsicht, die sich über eine jeweils andere Sprache erschließt, hält sie – nicht zuletzt in historischer Perspektive und unter besonderer Berücksichtigung des Französischen – ein leidenschaftliches wissenschaftliches Plädoyer zugunsten der sprachlichen Vielfalt, wobei sie besonders der Vorherrschaft des Englischen als Wissenschaftssprache kritisch gegenübersteht und ein Mehr an Selbstvertrauen vonseiten der übrigen Wissenschaftssprachen – z.B. des Französisch oder auch des Deutschen – einfordert, wohl wissend, dass sich hier auf den unterschiedlichsten Ebenen hochkomplexe Konstellationen ergeben, die keinerlei einfacher Lösungen harren.
Franz-Joseph Meißner befasst sich mit der romanischen Mehrsprachigkeit – und in diesem Bereich mit dem Beitrag des Englischen zum Erwerb eines romanischen Kernwortschatzes. In gewissem Sinne liegt hier eine komplementäre Sichtweise zu der kultur- bzw. bildungspolitisch kritischen Position der Konkurrenz zwischen dem Englischen einerseits und den romanischen Sprachen andererseits vor, indem das Englische als potentielle Chance betrachtet wird, bei Fremdsprachenlernern zu einer Erweiterung ihrer Interkomprehension im Bereich der romanischen Sprachen beizusteuern. Wie aufwendig diese Arbeit ist, wird deutlich, wenn man sich die Ausführungen des Autors zu der Datenbank Kernwortschatz der romanischen Mehrsprachigkeit (KRM) vor Augen führt. Dabei ergeben sich erhebliche Transferschnittstellen zwischen dem Englischen einerseits und den Sprachen der Romania andererseits – ein Eindruck, den wir alle, die wir uns lehrend und lernend in diesem Bereich bewegen, mit Sicherheit bereits gehabt haben, der hier jedoch auf eindrucksvolle Weise wissenschaftlich bestätigt wird. Die hier vorgenommenen Beschreibungen und Analysen unterstreichen die seit Jahren erhobene Forderung der curricularen Integration der Interkomprehension in den Fremdsprachenunterricht. Im Sinne einer das Englische einbindenden Didaktik der romanischen Mehrsprachigkeit würden sich dabei ungeahnte Synergie-Effekt ergeben.
Mit dem Themenfeld individuelle Mehrsprachigkeit beschäftigt sich Nadine Rentel, die auf der Basis eines Leitfadeninterviews die sprachliche Biographie einer multikulturell und multilingual sozialisierten Sprachwissenschaftlerin nachzeichnet und analysiert. Erhoben und anschaulich ausgewertet werden dabei deren individuelle Sprachlernmotivation, ihre Einstellung zu den jeweiligen Fremdsprachen und ihr jeweiliger Spracherwerbs- und Sprachverwendungskontext. Besonders mit Blick auf den zuletzt genannten Gesichtspunkt stellt die Autorin in Frage kommende Einflussfaktoren in den Raum, die zwar von Individuum zu Individuum variieren können, sich bei der Mehrheit ähnlich sozialisierter Sprecher jedoch sicherlich in der einen oder anderen Form ebenfalls manifestieren.
Auf der Basis von Überlegungen des Jubilars aus den vergangenen Jahrzehnten diskutiert Karl-Heinz Eggensperger mögliche Wissens- und Sprachminima, die zu der Entwicklung und Sicherstellung eines curricular verankerten, funktionalen Ausdrucksvermögens führen. Dabei geht es um die Frage, wie nicht nur ein begrenzter Gesamtwortschatz vermittelt werden kann, sondern auch ein begrenzter Wissensausschnitt, und mit diesem die zu dessen Versprachlichung notwendigen Ausdrucksmittel. Exemplarisch wird als ein solcher Wissensausschnitt der droit des obligations (Schuldrecht) herangezogen. Dabei veranschaulicht der Autor in höchst praktischer Manier, wie ein solches Sachfeld ausgegrenzt werden kann und auf welche Weise Lernprozesse für die Rezeption entsprechender Fachtexte unterstützt werden können. Es bleibt zu hoffen, dass das eigentliche Anliegen des Autors gelingt, mit seinem Beitrag eine Diskussion über Sprachökonomie und Wissensökonomie im Fremdsprachenunterricht anzustoßen, was besonders, aber nicht ausschließlich, mit Blick auf einen effizienten Fachsprachenunterricht sicherlich hochgradig nützlich wäre.
Eine auf Französisch verfasste, linguistische Analyse zu spezifischen, in der frankophonen afrikanischen und französischen Presse belegten lexikalischen Ko-Okkurrenzen steuert Peter Blumenthal bei. Dabei konzentriert er sich auf affektive Basislexme wie désir, tristessse, solitude oder volonté und wendet eine probabilistisch ausgerichtete statistische Analyse auf diese an, die aufgrund von deren jeweiligem Kotext Rückschlüsse auf die inhaltliche Verwendung dieser Lexeme erlaubt. Dabei ergibt sich nach Einschätzung des Autors die – in weiterer Forschung zu verifizierende – prinzipielle Möglichkeit, auf der Ebene der lexikalischen Kombinatorik und der Konzeptualisierung von Wörtern konkrete Konvergenzen und Divergenzen in der Entwicklung der Frankophonie aufzuspüren, wobei manche Unterschiede in der Verwendung des Französischen in Frankreich und Afrika durchaus aufschlussreich sind.
Ebenfalls mit Konvergenzen und Divergenzen, jedoch mit einem ganz anderen Bezugsfeld, untersucht Heidrun Gerzymisch, in enger fachlicher Anlehnung an Albert Raasch, die vielfältigen Beziehungen zwischen der Angewandten Linguistik und der Übersetzungswissenschaft in begrifflicher Hinsicht und mit Blick auf ihre jeweiligen Beschreibungskategorien – insbesondere das Operationalisieren, die Mittlung vs. Vermittlung von Text und Botschaft sowie Vergleich und Transfer – wobei sie nicht zuletzt aufschlussreiche Berührungspunkte zwischen beiden herausarbeitet. Mit Blick auf die Mehrsprachigkeit ergibt sich für die Autorin in diesem Kontext die Frage der – zumindest theoretischen – Möglichkeit einer Verknüpfung von universaler Kommunikation mit gemittelter Kommunikation, in der dann auch die Angewandte Linguistik und die Translationswissenschaft sowie die Kommunikations- und die Kulturwissenschaft verortbar wären.
Mit der Unsicherheit im Übersetzungsprozess und ihrem Umgang, durch die das Übersetzen – als fortgesetzter Entscheidungsprozess – naturgemäß geprägt ist, beschäftigt sich Christiane Nord. Die Autorin beschreibt und analysiert hierarchisch von oben nach unten – also vom Allgemeineren zum immer Konkreteren –, auf welche Weise diese verschiedenen Arten der Unsicherheit, die sich dem Übersetzer in seiner Verantwortung gegenüber dem Autor und dem Leser, aber auch gegenüber dem Auftraggeber, stellen, verringert – wenn auch nicht gänzlich vermieden – werden können. Typologisch ergibt sich dieser Weg aus der grundlegenden Wahl des Übersetzungstyps (dokumentarisch oder instrumentell) und sprachlich aus der schrittweisen Lösung von Problemen, ausgehend von der Pragmatik, über Kultur und Sprache bis hin zu einzelnen Wörtern und Morphemen. Die jeweils konkret gegebenen Beispiele lassen diesen Beitrag zu einer instruktiven Lektüre für jeden an der praktischen Seite der Übersetzung Interessierten werden.
Christine Sick beschreibt in ihrem Beitrag die neueste Entwicklung Ihres Sprachlernprogramms TechnoPlus Englisch von dessen computerbasierter hin zu seiner mobilen Version. Dabei ergeben sich interessante Einblicke hinsichtlich der bei einer solchen Entwicklung zum Tragen kommenden Faktoren, wie z.B. der didaktischen Konzeption, der Zielgruppe oder auch einer entsprechenden Bedarfsanalyse. Durch die Beschreibung der einzelnen Komponenten des Programms und der auf diesem basierenden Wortschatz-Trainer-App erhalten die Leser einen Eindruck von dessen Wirkungsweise, von seinem didaktischen Potential, von seiner technischen Dimension und nicht zuletzt von seinem Nutzen für die Zielgruppe: die Studierenden der Ingenieurwissenschaften der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes.
Mit Bezug auf die literaturwissenschaftliche Seite Albert Raaschs beschäftigt sich Uwe Dethloff mit Jean-Jacques Rousseau und der Veränderung des Verständnisses der Natur in der literarischen Landschaftsdarstellung. Vor dem Hintergrund der neuen Naturkonzeption im 18. Jahrhundert in Frankreich entwickelt der Autor Jean-Jacques Rousseaus Pionierrolle aus dem Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes und den Rêveries du promeneur solitaire und analysiert die literarische Landschaftsgestaltung im französischen Roman ab etwa der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts anhand von Rousseaus Julie ou la Nouvelle Héloïse und Senancours Oberman sowie Bernardin de Saint-Pierres Roman Paul et Virginie und Chateaubriands Novelle René. Hochinteressant ist zudem die Spiegelung der hier vorgenommenen Analysen des Autors mit seiner Einschätzung des Naturverständnisses im 21. Jahrhundert, durch die dieser eigentlich historische Beitrag eine gleichsam unerwartete Aktualität erhält.
In seinem ebenfalls historisch ausgerichteten, aber an der Gegenwart orientierten Beitrag beschäftigt sich Heinz-Helmut Lüger vor dem Hintergrund des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GeR) und der Bologna-Reform mit geschichtlichem Kontextwissen und frankreichkundlicher Textarbeit. Anhand seiner Analyse zweier Reden – derjenigen des damaligen Pariser Bürgermeisters Jacques Chirac anlässlich des Amtsantritts des damals neu gewählten Staatspräsidenten François Mitterrand vom 21. Mai 1981 und dessen Antwort – zeigt der Autor anschaulich auf, dass es bei weitem nicht hinreicht, lediglich über Wortschatz- und Grammatikwissen zu verfügen, wie dies im GeR abgebildet wird, sondern dass fundierte Geschichtskenntnisse, kulturelle Kenntnisse, das Wissen um die politischen Hintergründe und die Biographien der beiden im Mittelpunkt stehenden Personen etc. vorhanden sein müssen, um die verschiedenen explizit und implizit ausgedrückten Sachverhalte, die im Text gemachten Anspielungen und die im Gesagten enthaltenen Präsuppositionen dekodieren zu können. Gerade, weil hier bei Muttersprachlern – in diesem Falle also Franzosen, die ihre Geschichte zudem recht gut kennen – und Nicht-Muttersprachlern, die nicht in der gleichen Kultur sozialisiert worden sind, im Allgemeinen erhebliche Unterscheide in der Verständnistiefe bestehen, erachtet der Autor landeskundliches und kulturorientiertes Lernen als unabdingbar für das Textverstehen und die erfolgreiche Kommunizierung von Kontextwissen, wobei ihm sicherlich unproblematisch zugestimmt werden kann.
Allen Beiträgern und Beiträgerinnen sei an dieser Stelle sehr für Ihre Aufsätze gedankt, mit denen Sie Albert Raasch ehren.
Schließlich danken Bärbel Kühn und ich Christine Sick, die ihre Mailinglist aktiviert hat und dank derer es uns möglich wurde, die tabula gratulatoria zu vervollständigen.
Schließlich bitten wir bei all denjenigen Begleitern Albert Raaschs auf seinem Lebensweg, die wir im Zusammenhang mit dieser Festschrift nicht kontaktiert haben, um Verständnis: Sollte dies vorgekommen sein, so ist es in keinem einzigen Fall mit Absicht geschehen. Zudem sei auch all jener Lebensbegleiter Albert Raaschs gedacht, die nicht mehr physisch unter uns sind und die unter anderen Umständen hier ebenfalls vertreten wären. Schließlich geht der Dank auch an diejenigen, die gern zu diesem Band beigetragen hätten, dies jedoch aus gesundheitlichen Gründen leider nicht tun konnten.
In diesem Sinne Dir, lieber Albert, weiterhin frohes Schaffen und vor allem viel Gesundheit, Lebensfreude und das wunderschöne Bewusstsein, dass Du heute ebenso wie früher von uns allen und darüber hinaus von unzähligen weiteren Menschen geschätzt, bewundert und geliebt wirst.
Saarbrücken, im Juli 2020 Thomas Tinnefeld
Beginnen möchte ich meine kleine Ergänzung zum Vorwort von Thomas Tinnefeld mit einer Frage, mit der ich nicht allein dastehe unter den Beiträger*innen dieser Festschrift. Und auch Albert Raasch hat sie uns beiden schon gestellt: Seit wann kennen wir uns eigentlich schon?
Zur Beantwortung dieser Frage muss ich lediglich die alten Lehrpläne für die Goethe-Institute in Deutschland aus meinem Regal ziehen: Auf Seite 3 steht Goethe-Institut 1996, auf Seite 4 steht Prof. Dr. Albert Raasch (Universität Saarbrücken) als Mitglied im Projektbeirat und Dr. Bärbel Kühn als Mitglied in der Projektgruppe. Ich weiß nicht mehr, ob wir erst 1995 mit der Arbeit an diesen Lehrplänen begonnen haben oder schon 1994; aber ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mein Kollege in der Projektgruppe, Dr. Hans-Dieter Dräxler, dem Goethe-Institut vorschlug, Prof. Albert Raasch, den er aus der Linguistik kannte, als Berater hinzuzuziehen. Die Lehrpläne wurden, wie Albert Raasch weiß, zu einem wichtigen Vorläufer für den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen.
In meiner Erinnerung sprach Albert schon damals vom Sprachenrat Saar, der 1991 gegründet wurde; es kann aber auch später gewesen sein, denn wir blieben in Kontakt und als ich 2009 in Bremen vorschlug, einen Sprachenrat zu gründen, kam die Idee natürlich von ihm und natürlich stand er uns beratend zur Seite. Und so ging es weiter mit uns: Ich hatte inzwischen das Goethe-Institut als Arbeitgeber mit den Hochschulen im Land Bremen getauscht, wo wir im Sprachenzentrum gemeinsam mit dem Arbeitskreis der Sprachenzentren alle zwei Jahre ein internationales Symposion veranstalteten. Selbstverständlich war Albert Raasch stets der Ehrengast und nie werde ich seine Formel für die Einleitung seiner Fragen im Plenum vergessen: „Ich möchte ja noch lernen, daher möchte ich fragen…“
Einmal hat er mich auch auf eine wunderschöne Reise mitgenommen: im Oktober 2004 in die Slowakei nach Banská Bystrica. Auf einer Konferenz an der dortigen Matje-Bel-Universität durfte ich einen Vortrag über das e-Portfolio EPOS halten, das wir in Bremen entwickelt hatten. Erst dort erfuhr ich, dass er seit 1994 Träger einer Medaille dieser Universität ist. Das ist Albert Raasch: Aus seiner Ehrung dort entwickelte er eine Förderung für mich. Danke, Albert!
Und noch mit unserer Festschrift entwickelte es sich für mich ähnlich: Autorinnen und Autoren, die ich bisher häufig nur ihren Namen nach kannte, die ich jetzt jedoch um einen Beitrag bitten durfte, wurden zu Kommunikationspartner*innen. Die gemeinsame Bekanntschaft mit Albert Raasch war unsere Vermittlerin. Mit einer kleinen Vorbereitung auf sie und ihre Beiträge möchte ich daher meinen Teil der Einführung abschließen.
Britta Hufeisen schreibt ihren Beitrag aus der gemeinsamen Geschichte mit Albert Raasch im Engagement für Mehrsprachigkeit in der Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL). Was Anfang der neunziger Jahre noch über die Bildung einer Arbeitsgruppe in der GAL thematisch verfolgt werden konnte, ist heute als zu formulierendes Projektvorhaben mehr und mehr abhängig von der Frage der Finanzierung und damit auch von den Forschungsinstitutionen oder auch den Stiftungen, bei denen eine solche beantragt werden muss.
Hans Giessen zeigt am Beispiel der Höflichkeitsformel „bitte“, dass zur angewandten Linguistik landeskundliche und kulturelle Themen ebenso gehören wie grammatikalische und lexikalische. In diesem Zusammenhang kritisiert er ein für die Fremdsprachendidaktik hinderliches „nur bedingt“ einheitliches Vorgehen von Wörterbüchern.
Die hohen Potentiale von Grenzregionen für das Lernen der Nachbarschaftssprachen verdeutlicht Christina Reissner an einem Beispiel aus der grenzüberschreitenden Primarschullehrerausbildung an der Universität der Großregion. Sie berichtet von einem deutsch-französischen Projektseminar im Wintersemester 2019 / 20, in dem Lehramtsstudierende beider Länder, ausgestattet mit einem „Lernkoffer“ zu unbeliebten Tieren, die andere Sprache zugleich als Unterrichtsgegenstand und als Kommunikationsmittel erfahren konnten.
In seinem Beitrag zu „Sprachenlernen als Grenzerfahrung“ betont Hermann Funk, dass Sprachbedarfe nicht einfach aus der Situation von Grenzregionen heraus entstehen. So lässt auch dort die Bedeutung des Englischen als internationale Berufssprache das Lernen der Nachbarsprache als unnötig erscheinen. Aber auch diese Erfahrung hat ihre Grenzen. Das zeigt die neue Bedeutung von Herkunfts- und Nachbarsprachen, etwa von Arabisch im Elsass und Portugiesisch in Luxemburg.
Mit dem Beitrag von Sabine von Oppeln sind wir wieder in der Grenzregion, diesmal bei ihren sozialpolitischen Besonderheiten. Wie dieser Beitrag zeigt, ist Sozialpolitik ein guter Seismograf dafür, wie es um Europa steht. Die sozialpolitischen Belange Gesamteuropas zu beachten, wie es Albert Raasch schon immer tut, setzt voraus, egoistische nationale Interessen zurückzustellen. Gerade mit Corona, so von Oppeln, ist Solidarität in sozialpolitischer Hinsicht zu einer Kernfrage für ein einiges Europa geworden.
Mit Norbert Gutenberg überschreiten wir – zumindest ich – eine Brücke von einem (mir)noch recht vertrauten Ort didaktischer Anwendung, der Sprecherziehung, zu einem Ort mit dem Namen Sprechwissenschaft, wo (mir) die meisten Begriffe völlig neu sind. Hier ist nicht der Satz die entscheidende Kategorie, sondern der Sinnschritt und die Sinnintention, aus der er sich ergibt. Und nicht die Satzgrammatik bestimmt den Sinnschritt, sondern die Erfordernisse des „reihenden“ Sprechens, also (in meiner Interpretation) der gesprochenen Alltagssprache.
Georges Lüdi geht aus von den „additiven Modellen“ von Mehrsprachigkeit, wie sie etwa noch das Konzept des europäischen Sprachenportfolios des Europarats geprägt haben. Die „integrativen Modelle“, die er ihnen gegenüberstellt, waren lange verpönt als Sprachenmischung, gerade auch in seinem Herkunftsland, der viersprachigen Schweiz. Dem gegenüber demonstriert er mit dem Ausschnitt aus einer empirischen Untersuchung ein Konzept von Mehrsprachigkeit, die sich als „sozio-kognitiver“ Prozess entwickelt.
Eynar Leupolds geht hinter Saarbrücken zurück auf Albert Raaschs Professur in der Romanistik an der Universität Kiel, wo der Autor ihn 1969 als frisch eingeschriebener Student kennenlernte. In den kommenden Jahren erlebte er, wie Albert Raaschs wissenschaftliche und publizistische Arbeiten sowie sein sprachenpolitisches Engagement im Hochschul-, Schul- und Volkshochschulbereich die Entwicklung und Profilierung des Faches Angewandte Linguistik einerseits und ihre Anwendung auf die Fremdsprachendidaktik andererseits maßgeblich beeinflussten – bis hin zur Entwicklung neuer Lernmethoden wie der „Tandem-Methode“.
Der Beitrag von Hans Jürgen Krumm betont „in Anlehnung an die Überlegungen von Albert Raasch“ zur Verhinderung von Bildungsnachteilen die Notwendigkeit der besseren Verankerung der Sprachen von Kindern aus zugewanderten Familien im Bildungssystem als „Begegnungs- und Nähesprachen“. Wie dies zu erreichen ist, zeigt er mit der Vorstellung seines Mehrsprachigkeitscurriculums, das im Auftrag des österreichischen Unterrichtsministeriums entwickelt wurde.
Rudi Camerer und Jürgen Quetz widmen ihren Beitrag dem Thema Mediation im Companion, dem gerade erst (2020) auch auf Deutsch erschienenen neuen Begleitband zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GeR) Albert Raasch, weil er es ist, den sie vor sich sehen, wenn sie gemäß Companion Team Management als wichtiges Bezugsfeld für Kompetenzen der Mediation beschreiben. Hinführend zeigen sie, wie sich das Konzept des Companion im Vergleich zum GeR geändert hat, wird doch mit dem Konzept von Mediation erstmals auch die Beziehungsebene als eine Ebene kommunikativen Handelns einbezogen. Wie gerne schließe ich mich ihrer Widmung an!
Saarbrücken, im Juli 2020 Bärbel Kühn
Mit herzlichen Grüßen und den besten Wünschen von:
Prof. Gerhard W. Bleymehl (i.R.)
Professur für Angewandte Sprachen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen), Saarbrücken
Pr. Peter Blumenthal
Professeur émérite de Linguistique des langues romanes à l’université de Cologne
Ursula Brettar
Sekretärin am Lehrstuhl von Herrn Professor Dr. Raasch „Angewandte Linguistik und Sprachlehrforschung Französisch“ an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken (von 1973-1998)
Dr. Wolfgang Bufe
Akademischer Oberrat a.D. an der Universität des Saarlandes; Vorsitzender der Vereinigung zur Förderung der Zweisprachigkeit e.V.
Peter Bühler
Studiendirektor für Englisch, Französisch und Politik am Saarlouiser Gymnasium am Stadtgarten und Fachleiter für Englisch am Staatlichen Studienseminar für die Sekundarstufen I und II an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen des Saarlandes
Dr. Livia Burkhardt
Dozentin im Fachbereich Onlinekommunikation an der Hochschule Darmstadt
Uta Cappel
Redakteurin, Hauptabteilung Spielfilm und Fernsehfilm, ARTE
Dr. Rudi Camerer
Leiter elc – European Language Competence, Frankfurt am Main.
Prof. Dr. San-lii Chang
Professur für Deutsche Sprache und Deutsche Kultur an der Fu Jen Universität, Taiwan
Christine Christmann
Stud.Dir.‘in, Fachleiterin Französisch am Studienseminar für Gymnasien des Saarlandes, Vorsitzende der Landesfachkonferenz Französisch i.R.
Prof. Dr. Nicole Colin
Professorin für Germanistik, Universität Aix-Marseille
Elke Derdouk
Fachleiterin für Französisch am Staatl. Studienseminar für Gymnasien und Gemeinschaftsschulen des Saarlandes
Prof. Dr. Uwe Dethloff
Apl. Professor für Romanische Philologie an der Universität des Saarlandes mit den Schwerpunkten französische Literaturwissenschaft und Grammatikographie (bis 2005)
Dr. Hans-Dieter Dräxler
Leiter Sprache Goethe-Institute Bangkok, Buenos Aires, Madrid und São Paulo
Prof. Dr. Eva Martha Eckkrammer
Inhaberin des Lehrstuhls für Romanische Sprach- und Medienwissenschaft am Romanisches Seminar der Universität Mannheim
Dr. Karl-Heinz Eggensperger
Stellvertretender Leiter (i.R.) des Geschäftsbereichs Sprachen am Zentrum für Sprachen und Schlüsselkompetenzen der Universität Potsdam sowie Bereichsleiter Französisch
Dr. Hélène Fau
Dozentinin der Romanistik der Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Michael Forster
Oberstudiendirektor a.D., ehemaliger Schulleiter am Peter-Wust-Gymnasium Wittlich, Fächer: Französisch, Deutsch
Pascale Frénot-Schmachtel
Französisch-Dozentin an der VHS Lübeck und im Sprachenzentrum der Universität zu Lübeck
Prof. Dr. Hermann Funk
Inhaber des Lehrstuhls für Didaktik und Methodik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. Dr. Anemone Geiger-Jaillet
Professeure des universités en sciences du langage à l’université de Strasbourg
Prof. Dr. Heidrun Gerzymisch
Inhaberin des Lehrstuhls für Sprach- und Übersetzungswissenschaft an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken (bis 2009)
Prof. Dr. Hans W. Giessen
Apl. Professor an der Universität des Saarlandes. Seit 2015 Professor an der Universität Helsinki, Finnland, seit 2018 zudem an der Universität Kielce, Polen
Walter Glössner
Präsident der Renassance française – Délegation de Sarre
Prof. Dr. Lutz Götze
Professor (i.R.) für Deutsch als Fremdsprache an der Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Norbert Gutenberg
Leiter des Fachgebiets Sprechwissenschaft und Sprecherziehung an der Universität des Saarlandes (bis 2016). Vorsitzender des Sprachenrats Saar (bis 2019)
Prof. Dr. Alain Jaillet
Professeur des universités en sciences de l’éducation à l’université de Cergy-Pontoise
Rudolf Hahn
Leiter des Bildungs- und Medienzentrums der Stadt Trier (i.R.)
Prof. (em.) Dr. Klaus Hartenstein
Professur für Sprachlehrforschung (Russisch) an der Universität Hamburg
Prof. Dr. Britta Hufeisen
W3-Professorin für Sprachwissenschaft / Mehrsprachigkeit an der Technischen Universität Darmstadt
Reiner Jung
Stellvertretender Direktor des Historischen Museums Saar, Saarbrücken
Prof. (em.) Dr. Wolfgang Kühlwein
Lehrstuhl für Englische Philologie, Universität Trier
Betina Lang
Lehrkraft für besondere Aufgaben Englisch an der HTW Saar
Dr. Michael Langner
ehem. Professor und Lehr- und Forschungsrat –Universität Luxemburg und Freiburg/CH
Barbara Kunz
Oberstudienrätin für Französisch und Deutsch an der Berufsbildenden Schule Donnersbergkreis, Eisenberg/Pfalz
Prof. Dr. Hans-Jürgen Krumm
Ordentlicher Universitätsprofessor für Deutsch als Fremdsprache, Institut für Germanistik der Universität Wien (seit 2010 Emeritus)
Prof. Dr. Eynar Leupold
Professur für Didaktik der französischen Sprache und Literatur an der Pädagogischen Hochschule Freiburg (emeritiert)
Prof. Dr. Georges Lüdi
Emeritierter Professor für Französische Sprachwissenschaft, ehem. Leiter des Departements Sprach- und Literaturwissenschaften und Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel
Prof. Dr. Heinz-Helmut Lüger
Professur für Romanistik an der Universität Koblenz-Landau (bis 2011)
Prof. Dr. Hans-Jürgen Lüsebrink
Seniorprofessor für Romanische Kulturwissenschaft und Interkulturelle Kommunikation an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Prof. Dr. phil. Dr. h.c. mult. Wolfgang Mackiewicz
Honorarprofessor am Institut für Englische Philologie der Freien Universität Berlin
Christof Magar
Studiendirektor a.D. am Edith-Stein-Gymnasium Bretten, anerkannte UNESCO-Projektschule, Baden-Württemberg
Prof. Dr. Franz-Joseph Meißner
Lehrstuhl für die Didaktik der romanischen Sprachen an der Justus-Liebig Universität in Gießen (emeritiert)
Prof. Dr. Olivier Mentz
Präsident der Deutsch-Französischen Hochschule; Professor für französische Sprache und Literatur und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg; Präsident des Gesamtverbandes Moderne Fremdsprachen
Prof. Dr. Matthias Neufang
Professur für Mathematik an der Carleton University, Ottawa (Kanada) und Professur für Mathematik an der Université de Lille (Frankreich)
Prof. Dr. Dr. h.c. Christiane Nord
Professur für Angewandte Sprachwissenschaft sowie Fachübersetzen (Spanisch) im Fachbereich Kommunikation und Medien an der Hochschule Magdeburg-Stendal (bis 2005)
Dr. Yvonne Petter
Programmbereichsleiterin Fremdsprachen Ernst Klett Verlag, Stuttgart
Dr. Sabine von Oppeln
Politikwissenschaftlerin. Bis 2017 Leiterin verschiedener deutsch-französischer Studiengänge an der Freien Universität Berlin
Prof. Dr. Patricia Oster-Stierle
Professur für französische Literaturwissenschaft an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Prof. Dr. Claudia Polzin-Haumann
Inhaberin des Lehrstuhls für Romanische Sprachwissenschaft (Schwerpunkt Angewandte Linguistik und Didaktik der Mehrsprachigkeit) an der Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Jürgen Quetz
Professor (i.R.) für Didaktik der Englischen Sprache an der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Dr. Astrid Reich
Leiterin des Zentrums für Fremdsprachenausbildung (ZFA) der Ruhr-Universität Bochum
Dr. Susanne Reichrath
Beauftragte der Ministerpräsidentin für Hochschulen, Wissenschaft und Technologie der Staatskanzlei des Saarlandes, Saarbrücken
Prof. Dr. Rainer Reisel
Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes i.R.; ehem. Direktor des Deutsch-Französischen Hochschulinstituts (DFHI)
Dr. Christina Reissner
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft von Frau Professor Claudia Polzin-Haumann an der Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Nadine Rentel
Professur für Romanische Sprachen (Schwerpunkt Wirtschaftsfranzösisch) an der Westsächsischen Hochschule Zwickau
Svenja Riva, geb. Knölke
Oberstudienrätin für Französisch und Spanisch an der Ricarda-Huch-Schule, Hannover
Prof. Dr. Bernd Rüschoff
Lehrstuhl für Angewandte Linguistik/Fachdidaktik Englisch an der Universität Duisburg-Essen
Reinhard Schlunke
Studiendirektor i.R., Fachleiter für Französisch und Sport am Staatl. Landesseminar für das Lehramt an beruflichen Schulen im Saarland
Peter Schmachtel
Chevalier des Palmes Académiques, Oberstudienrat a.D. für Französisch und Geographie an der Oberschule zum Dom, Lübeck
Horst Schreier
Studienrat für Französisch und Deutsch am Berufsbildungszentrum St. Wendel (Saarland)
Dr. Angelika Schulz
Projektleitung Internet, Grisebach GmbH, Berlin
Prof. Dr. Dres. h.c. Wolfgang Schweickard
Inhaber des Lehrstuhls für Romanische Philologie (Sprachwissenschaft) an der Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Christine Sick
Angewandte Sprachen, CALL (Computer-Assisted Language Learning), Multimedia und Distance Learning. Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, Saarbrücken
Prof. Dr. Karlheinz Stierle
Lehrstuhl für Romanische Literaturen und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Konstanz; Honorarprofessor an der Universität des Saarlandes
Dr. Peter Tischer
Leiter des Sprachenzentrums der Universität des Saarlandes; seit 2014 Vorsitzender des Arbeitskreises der Sprachenzentren an Hochschulen (AKS)
Dr. Joachim Umlauf
Leiter der Goethe-Institute Lyon und Marseille
Dr. Thomas Vogel
Geschäftsführer des Sprachenzentrums der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)
Subjektiver Rückblick auf Impulse zur fachdidaktischen Reflexion und Arbeit in den ersten Studienjahren
Nos vies sont toutes de sable,
nos vies sont toutes des fables
et c’est seulement dans la manière
de les conter que se dévoilent
leurs lumineuses trames.
A. Cadéo
Der portugiesische Schriftsteller Fernando Pessoa stellt die Frage: „Wer von uns kann, wenn er sich auf seinem Weg umdreht, auf dem es keine Rückkehr gibt, sagen, er habe ihn verfolgt, wie er ihn verfolgt haben mußte?“ (Pessoa 1985: 45)
Mit zunehmendem Alter erfolgt das „Sich umdrehen“ oft. Aber so klar die Antwort auch erscheinen mag, so vielfältig auch die Gründe für Mäander auf dem beruflichen Lebensweg sein mögen, es sind vor allem Menschen, die maßgeblich durch ihre Person und ihr Wirken einen richtungweisenden Einfluss nehmen. Meine Immatrikulation in den Fächern Romanistik, Germanistik sowie Philosophie und Pädagogik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Sommersemester 1969 führte zu der Begegnung mit Prof. Dr. Albert Raasch. Der nachfolgende persönliche Rückblick auf einzelne Momente der ersten Studienjahre im Sinne eines berufsbiographischen Ansatzes ist nicht nur Ausdruck einer dankbaren Reminiszenz an den Hochschullehrer, sondern er ist auch verbunden mit der Absicht, Begegnungsinstanzen mit einer Disziplin, nämlich der Fremdsprachendidaktik, aufzuzeigen, an deren Entwicklung und Profilierung in Deutschland Professor Raasch einen maßgeblichen Anteil hat.
Eine „Beratungswoche Erstsemester“, wie sie heute von zahlreichen Hochschulen angeboten wird, gab es im Sommersemester 1969 nicht. Und dies nicht nur wegen der insgesamt unruhigen Zeit.
Als Student fühlte man sich vor dem ersten Semester fast verloren. Die Anschläge am Informationsbrett des Romanischen Seminars der Universität Kiel – überwiegend in französischer Sprache abgefasst – waren in Unkenntnis der internen Organisation sowie der damit verbundenen Anforderungen für einen Studienanfänger kaum verständlich.
Auf zwei Wegen versuchte ich, Orientierungen für das Studium im ersten Semester zu bekommen. Mit dem Vorlesungsverzeichnis in der Hand wandte ich mich erstens an eine Beratungsstelle für das Lehramt an Gymnasien, die vom schleswig-holsteinischen Kultusministerium eingerichtet war. Die freundliche Dame riet mir, doch auf jeden Fall Veranstaltungen von Professor Raasch zu besuchen. Er sei sehr freundlich, er verfüge selber über Schulpraxis, und seine Seminare seien für Studienanfänger gut verständlich und sehr nützlich.
Geleitet von der diffusen aber wohl richtigen Vorstellung, dass ein Studium mit der Verfügbarkeit über Fachbücher verbunden sei, klopfte ich zweitens vor Semesterbeginn an die Tür des Büros der Wissenschaftlichen Hilfskräfte am Romanischen Seminar an und fragte, welche Bücher sie mir als künftigem Erstsemester zur Anschaffung raten könnten. Einer der Mitarbeiter, Peter Scherfer1, beriet sich kurz mit den anderen beiden Kommilitonen, um mir dann die Anschaffung der folgenden drei Bücher zu empfehlen: Das einsprachige Wörterbuch Le Petit Larousse, die Grammatik von Maurice Grevisse mit dem Titel Le bon usage sowie die deutsche Übersetzung eines Buches von André Martinet mit dem Titel Grundzüge der Allgemeinen Sprachwissenschaft.
Zu Beginn des Studiums im Sommersemester 1969 konnte ich noch nicht ahnen, dass sowohl die personale Empfehlung als auch der Buchtipp sich bald als richtungweisend für das weitere Studium herausstellen sollten.
1969 erfolgte von Albert Raasch die Veröffentlichung des Buches „Französischer Mindestwortschatz“. In dem von ihm im SS 1969 angebotenen Seminar „Wortschatz der französischen Gegenwartssprache“ wurde nicht nur das Wissen der Studierenden für die sprachwissenschaftlichen Grundlagen der Bestimmung und Auswahl eines Grundwortschatzes – auch in ihrer historischen Dimension – gelegt, sondern auf dem Wege der Analyse des Wortschatzes in Lektionstexten gängiger Lehrbücher für das Fach Französisch wurde auch das Bewusstsein geschärft z.B. für Fragen danach, was eigentlich ein Wort sei, welchen Unterschied es zwischen code oral und code écrit gebe, und welche Bedeutung der Authentizität von Lehrwerktexten, gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Berücksichtigung unterschiedlicher niveaux de langue, zukomme.
Der Brückenschlag von dem Einzelwort hin zu komplexeren lexikalischen Strukturen erfolgte in dem von Albert Raasch parallel angebotenen Seminar mit dem Titel Ausgewählte Probleme der Angewandten Sprachwissenschaft. Das Wissen um die Grundlagen der strukturalistischen Syntaxtheorie wurden am Beispiel der Arbeiten von André Martinet und Lucien Tesnière vermittelt, und zugleich wurde immer wieder der Bezug zum schulischen Fremdsprachenunterricht hergestellt.
Dieser Studienbeginn war geprägt von dem Kennenlernen „systemlinguistischer“ Arbeiten. Fachdidaktische Bezüge im Sinne eines Einbezugs unterrichtsbezogener Fragestellungen und Exkurse gab es, aber sie erfolgten gleichsam als post scriptum unter Rückbezug auf linguistische Arbeiten und Erkenntnisse. Bei den Studierenden bildete sich ein erster, naiver Eindruck vom Gegenstandsbereich der „Angewandten Linguistik“.
Die Herausbildung eines überzeugenden Praxisbezugs war folgendem Umstand geschuldet. Die Einrichtung von Sprachlabors an Schulen und Hochschulen war verbunden mit einem methodischen Vorgehen, der so sogenannten pattern practice im Rahmen der Sprachausbildung. Die Einbeziehung der behavioristischen Lerntheorie in die Diskussion um syntaktische bzw. semantische Einheiten ergab insgesamt einen plausiblen theoretischen Rückhalt mit deutlicher Praxisanwendung.
Das theoretische Wissen um die Bedeutung prosodischer Einheiten, das ausgebildete Bewusstsein für den Unterschied von syntagmatischen und paradigmatischen Beziehungen in einer Äußerung im Vergleich zu anderen waren wichtige Voraussetzungen für erfolgreiches Arbeiten in der Übung zur Aussprache sowie der Übung zur Grammatik, die freitags im Sommersemester 1969 jeweils halbstündig um acht Uhr morgens (!) von Professor Raasch angeboten wurden. Beide Übungen fanden im neu eingerichteten Sprachlabor der Universität statt und dienten der Verbesserung der Sprachkompetenz der Studierenden. Zum besseren Verständnis dieses neuen Mediums erfolgte auf Anraten eines Kommilitonen der Kauf des gerade erschienenen Buches von Reinhold Freudenstein zum Unterrichtsmittel Sprachlabor.
Grundlage der Übungen im Sprachlabor waren Sprachprogramme zur französischen Aussprache und Grammatik, die die Studierenden über Kopfhörer zugespielt bekamen und die sie autonom bearbeiten konnten. Einhilfe, Korrektur und gegebenenfalls klärende Hinweise der überwiegend nach dem traditionellen Muster des 4-Phasen Drills angelegten Übungssequenzen erfolgten zusätzlich durch Professor Raasch.
Dieser nutzte die ruhige und konzentrierte Arbeitsatmosphäre im Sprachlabor auch für Informationen z.B. zu einzelnen Vortragsveranstaltungen der Deutsch-Französischen Gesellschaft-Kiel oder zu Hinweisen auf Begegnungsprogramme des 1963 ins Leben gerufenen Deutsch-Französischen Jugendwerks.
Es geschah im Anschluss an eine sensibel übermittelte sprachliche Korrektur, dass Albert Raasch mich auf ein Austauschprogramm für deutsche und französische Lehramtsstudierende aufmerksam machte. Mein Interesse war geweckt, und so konnte ich im Herbst 1969 zu einem vierwöchigen Studienaufenthalt an die Ecole Normale d’Instituteurs de Paris fahren. Vor der Abreise erhielt ich von Professor Raasch noch die Anregung, doch mit Professor André Martinet von der Sorbonne Kontakt aufzunehmen. Dass dieser sicherlich gut gemeinte Ratschlag angesichts der Schwierigkeiten, die allein das Verstehen des Buches von André Martinet mit der ungewohnten Terminologie mit sich brachte, von mir als Student im Anfangssemester eher zurückhaltend aufgenommen wurde, werden Kenner des linguistischen Strukturalismus verstehen.
Aber im Verlauf des Aufenthaltes in Paris wurde mit der Hilfe der französischen Gasteltern schließlich ein Brief an Professor Martinet formuliert, in dem ich mit Bezugnahme auf die intensive Rezeption der „Grundzüge“ an der Universität Kiel um ein Interview bat. Dass ich auf meine schriftliche Anfrage wenig später zu einem Gespräch mit Professor Martinet in sein Haus in Sceaux eingeladen wurde und mit ihm ein dreiviertelstündiges Interview führen konnte, gehört zu den unerwarteten positiven Erfahrungen in meinem Leben. Im Gespräch äußerte er sich u.a. auf die Frage, welches die Kriterien seien, die einen Linguisten als Strukturalisten auszeichnen, wie folgt:
Eh bien, à mon sens, c’est étymologiquement, si vous voulez, le fait de considérer qu’une langue est une structure, c’est-à-dire quelque chose où toutes les parties dépendent les unes des autres. Je pense que c’est ceci qui est fondamental, même si certaines écoles structuralistes comme les écoles bloomfieldiennes n’ont pas pris conscience aussi nettement que les écoles européennes de ce travail particulier du structuralisme. (Leupold 1970: 114)
So sehr einerseits das Paradigma eines dem Strukturalismus verpflichteten linguistischen Ansatzes der Sprachbeschreibung dominierte, so deutlich zeichneten sich andererseits durch die Arbeiten von Chomsky u.a. zur Transformationsgrammatik neue Herausforderungen für den Unterricht ab. Und die Arbeiten zur linguistischen Pragmatik von Wunderlich, Austin und Searle beeinflussten Anfang der 1970-er Jahre zunehmend stärker die linguistische und fachdidaktische Reflexion.
Das Referat im Seminar über den Inhalt des Interviews mit Professor Martinet führte nicht nur zu einem Proseminarschein, sondern die Transkription des Gesprächs wurde als Beitrag angenommen und erschien in der ersten Publikation der von Albert Raasch 1969 ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe für Angewandte Linguistik Französisch-Kiel.
Diese Kieler Arbeitsgruppe unter der Leitung von Professor Raasch setzte sich zusammen aus Studierenden der Romanistik, vornehmlich fortgeschrittener Semester, aus Referendarinnen und Referendaren sowie aus interessierten Lehrerinnen und Lehrern im Schuldienst.1 Das gemeinsame Interesse galt der Frage, wie das Lehren und Lernen von Fremdsprachen – insbesondere des Französischen – wirksamer, vor allem unter Einbezug der Arbeiten der Angewandten Linguistik, erfolgen kann.
Die Lehrveranstaltungen von Professor Raasch im Wintersemester 1969 / 1970 mit einem Seminar Einführung in die Angewandte Linguistik sowie Angewandte Linguistik und Französischunterricht an Gymnasien und Realschulen führten durch Inhalte wie:
Analyse der gängigen Lehrwerke in den Bereichen Wortschatz, Phonetik und Grammatik
Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung von adäquaten Übungssequenzen für den Sprachunterricht
Analyse audio-visueller Sprachlernmethoden aus landeskundlicher (heute würde man sagen interkultureller) als auch linguistischer Perspektive sowie
Gestaltung und Einsatz von Tests als möglicher Form der Lernstandsdiagnose
zu einer Profilierung fachdidaktischer Anliegen.
Auch auf den wöchentlichen Zusammenkünften der AALF-Kiel wurden diese Forschungsanliegen intensiv diskutiert. Wochenendseminare und ein Arbeits- und Forschungsaufenthalt der Gruppe am CAVILAM (Centre Audiovisuel de Langues Modernes in Vichy; https://www.cavilam.com) erweiterten das Themenspektrum vor allem im Hinblick auf einen Sprachunterricht mit spezifischen Voraussetzungen.
Die konkrete Umsetzung theoretischer Überlegungen in ein Unterrichtsmaterial, das sowohl dem Stand der Fachdidaktik als auch Erkenntnissen der Angewandten Linguistik Rechnung trug, wurde durch folgenden Umstand eingeleitet. Professor Raasch hatte einen Kontakt zu dem Leiter des Sprachenreferats des Deutsch-Französischen Jugendwerks, Dr. Fritz Kerndter. Diese Institution förderte nicht nur deutsch-französische Aktionen auf regionaler Ebene – so zwischen Schleswig-Holstein und Poitou-Charentes (1975/1976) –, sondern sie subventionierte auch deutsch-französische Jugendbegegnungen. Das besondere Interesse lag dabei auf der Sprachförderung während des Aufenthaltes.
Da es weder eine adäquate pädagogische Methode der Sprachvermittlung gab noch Unterrichtsmaterial, das in seinem Inhalt auf das Alter der Jugendlichen und den zweisprachigen Kontext zugeschnitten war, stellten sich die Mitglieder der AALF-Kiel unter der Leitung von Professor Raasch dieser Herausforderung. Das Ergebnis war die spezifisch für diesen Kontext konzipierte Tandem-Methode. Sie zielte darauf ab, dass sich deutsche und französische Teilnehmer im Sprachunterricht nebeneinandersetzen und sich gegenseitig beim Erlernen der Sprache des Nachbarn helfen. Damit wurde in Kiel ein Methodenansatz kreiert, der später auch in andere institutionelle Kontexte im Zusammenhang mit dem Sprachlehr- und -lernprozess aufgenommen wurde.
Und es wurde Sprachmaterial in deutscher und französischer Sprache erarbeitet, das jeweils zehn Lerneinheiten mit Übungen und Wortschatzliste sowie Hör- und Bildmaterial umfasste und das 1978 jeweils in deutscher und französischer Fassung unter den Titeln Kommen Sie mit nach Deutschland? und La France, on y va! veröffentlicht wurde.2
Diese Methode und das Material wurden 1970 auf einer deutsch-französischen Begegnung mit zwei Schulklassen erprobt, bevor sie dann in den Folgejahren in deutsch-französischen Jugendbegegnungen, die vom Bureau International de Liaison et Documentation (B.I.L.D.) mit Unterstützung des DFJW durchgeführt wurden, zum Einsatz kamen.3
An der Ausbildung der animateurs-interprêtes, die für die Spracharbeit während der Begegnungsaufenthalte verantwortlich waren, wurden immer auch Mitglieder der AALF-Kiel beteiligt, die die sprachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Prinzipien der Methode den künftigen Animateuren erklären und die auf diese Weise erste pädagogische Lehrerfahrungen sammeln konnten.
In den Ausführungen zu den Grundlagen der Methode, die sich an Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren ohne Vorkenntnisse richtet, erfolgt eine konkrete Zielbeschreibung der Methode mit der Nennung folgender Grobziele:
„Die Teilnehmer sollen in der Lage sein,
mündliche Äußerungen in der Fremdsprache zu verstehen,
Grundbedürfnisse (Fragen, Bitten etc.) in der Fremdsprache zu artikulieren,
über den Weg des Abbaus von Sprachhemmungen die Befangenheit gegenüber dem fremdsprachlichen Partner überwinden,
eventuelle vorhandene Vorurteile gegenüber dem Partner und dem Land abzubauen,
Partnerschaftliches Verhalten beim Lösen von Sprachschwierigkeiten zu zeigen,
Hilfsmittel wie Wörterbücher etc. zur Überwindung von Sprachschwierigkeiten zu benutzen.“4
In den Ausführungen zu den Funktionen der einzelnen Teile der Sprachmethode wird im Hinblick auf die Bedeutung der zu den Dialogtexten visuellen Darstellungen auf Klarsichtfolie ausgeführt, dass die visuelle Komponente unentbehrlich sei, „weil sprachliches Handeln immer an Faktoren wie Ort und Zeit der Handlung, Rolle des Partners etc. gebunden ist.“ (Ebd., 9)
Schon diese Liste der Grobziele zeigt, in welchem Maße in den 1970er Jahren Forschungserkenntnisse der linguistischen Pragmatik in die spezifisch fachdidaktische Arbeit der AALF-Kiel zur Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts eingeflossen sind.
Die durch Albert Raasch initiierte Zusammenarbeit mit dem DFJW wurde komplementiert durch seine Arbeit für den Deutschen Volkshochschulverband. Das Wissen der Studierenden um die wegweisende Erarbeitung des VHS-Zertifikats für Französisch (1969) öffnete eine weitere Tür für Überlegungen zur Lernzielbestimmung im Fremdsprachenunterricht, die – konsequenterweise – auch in klar beschriebenen Abschlüssen mit dem entsprechenden Material mündeten.
Die Einladung von Albert Raasch an Studierende zur beobachtenden oder aktiven Teilnahme an von ihm geleiteten Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte der Schulen oder Unterrichtenden an Volkshochschulen vermittelten den Studierenden oft einen nachhaltigen Eindruck davon, wie stark die Kluft zwischen dem unterrichtlichen Handeln in einem traditionellen Unterricht und einem Fremdsprachenvermittlungsprozess war, dessen fachdidaktische Orientierung nach Albert Raasch „in der Ermöglichung optimalen Lernens unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen einer Lehr- / Lerngruppe im Hinblick auf eine reflektierte Lernzielsetzung (lag).“ (Raasch 1981: 46)
Im Kreis der Studierenden und Lehrenden, die aktiv und interessiert die Arbeiten von Albert Raasch verfolgten, machte meistens im Flüsterton, verbunden mit einem Augenzwinkern, das Wortpaar „Kontakte …Kontakte“ die Runde.
Es war einerseits eine Anspielung auf den wiederholten Ratschlag von Albert Raasch an die Studierenden, Kontakte bei der Teilnahme an Fortbildungsseminaren oder Kongressen zu Vortragenden, Zuhörerinnen und Zuhörern oder auch ausstellenden Verlagen zu knüpfen. Es war andererseits anerkennender Ausdruck für die Person, die diese Haltung bei vielfältigen Anlässen überzeugend vorlebte.
Mit dem Schwerpunkt Deutsch-Französische Verständigung bildeten die ersten konzentrischen Kreise das lokale Engagement für die Deutsch-Französische Gesellschaft-Kiel sowie für die Städtepartnerschaft Kiel-Brest. Es wurde erweitert durch den Kontakt zum Deutsch-Französischen Jugendwerk.
Die Arbeiten für den Deutschen Volkshochschulverband, die langjährige verantwortungsvolle Arbeit für die Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL) sowie die intensive Mitwirkung an den Aktivitäten des Fachverbandes Moderne Fremdsprachen (FMF, später umbenannt in Gesamtverband Moderne Fremdsprachen GMF), waren den Schwerpunkten der Profilierung der Angewandten Linguistik sowie der Qualitätsverbesserung des fremdsprachlichen Lehrens und Lernens in unterschiedlichen institutionellen Kontexten gewidmet. Kontakte zu kulturellen Einrichtungen, zur Wirtschaft und zur Politik führten auf Initiative von Albert Raasch im Jahr 1991 zur beispielhaften Einrichtung des Sprachenrats Saar.1
Kontakte mit der Absicht einer Netzwerkbildung, das war die Idee von Professor Raasch. Und die freundliche Aufforderung an die Studierenden, sich dieses Prinzip zu eigen zu machen, war deshalb überzeugend, weil sie durch stete Rückmeldungen ihres Professors zu institutionellen Entwicklungen sowie in dem Aufzeigen von Prozessen und Entscheidungen auf dem Gebiet der Sprachlehr-/-lernforschung eingebunden waren.
Nicht nur in den von Albert Raasch geleiteten Arbeitsgruppen und in seinen Hochschulseminaren wurde man als Studierender mit den aktuellen Erkenntnissen im Bereich von Fachdidaktik und Angewandter Linguistik konfrontiert. Angesichts der Nichtexistenz des Internets kam den Fachzeitschriften und Kongresspublikationen eine große Bedeutung für das Verfolgen aktueller fachdidaktischer Diskussionsbeiträge und Forschungsbeiträge aus dem Bereich der Angewandten Linguistik zu.
Die Zeitschrift Französisch, später Zielsprache Französisch, die Albert Raasch als Schriftleiter verantwortete, bot interessierten Studierenden erste Möglichkeiten zur Veröffentlichung eigener Forschungsergebnisse. Als Redaktionsmitglied der Zeitschrift des FMF Neusprachliche Mitteilungen ermutigte Albert Raasch Studierende, sich mit einem Beitrag – sei es eine Buchrezension, sei es ein redaktioneller Beitrag – zu beteiligen und sich auf diese Weise in die fachdidaktische Diskussion einzubringen.
Und mancher Student von Albert Raasch, der sich auf einem der Kongresse der Gesellschaft für Angewandte Linguistik mit einem Referat beteiligt hatte, fand seinen Sektionsbeitrag gedruckt als erste Veröffentlichung in einem der Kongressbände, an deren Zusammenstellung Albert Raasch als federführendes Mitglied des Publikationsausschusses der Gesellschaft für Angewandte Linguistik beteiligt war.
SALUS, die Schriften zur Angewandten Linguistik und Sprachlehrforschung der Universität des Saarlandes führten diese in Kiel begründete Tradition universitärer Publikationen für eine interessierte Öffentlichkeit später im Saarland fort.
Von der ersten Publikation der AALF-Kiel unter studentischer Beteiligung mit dem Titel Angewandte Linguistik-Französisch im Jahre 1970 bis zu den Beiträgen des im Jahr 1999 von Albert Raasch & Peter Bühler herausgegebenen Bandes in der SALUS-Reihe mit dem Titel Angewandte Linguistik und Sprachlehrforschung: entdecken, erfahren, erleben spannt sich ein weiter Bogen. Aber das Interessen- und Spannungsfeld, in dem sich Albert Raasch bewegte und von dem hier nur einzelne Facetten beleuchtet werden konnten, war und ist bis heute unverändert. Es ging und geht immer um die wissenschaftliche Profilierung einer Disziplin mit der Perspektive einer Qualitätsverbesserung von fremdsprachlichem Lehren und Lernen in unterschiedlichen institutionellen Kontexten.
Es war für Lehramtsstudierende eine Chance, nicht nur die Entwicklung der fachdidaktischen Positionierung zu Beginn der 1970er Jahre bewusst miterleben zu können, sondern auch die breite Diskussion um Veränderungen des Bildungswesens, wie sie z.B. durch die Veröffentlichung des vom Deutschen Bildungsrat erarbeiteten Strukturplans für das Bildungswesen (1970) ausgelöst wurde, zu verfolgen.
Die Diskussion zum Verhältnis von Fremdsprachendidaktik, Angewandter Linguistik und Sprachlehrforschung sowie zu Aufgaben und Inhalten einer Fremdsprachendidaktik ist auch heute rege und folglich noch nicht abgeschlossen, wie die folgenden Aussagen zeigen.
Nach Bausch, Melzer, Krumm, Krummhorn & Riemer (2016: 1) befasst sich „die Fremdsprachendidaktik schwerpunktmäßig mit dem schulischen Fremdsprachenlernen (…). Im Gegensatz dazu „fokussiert die Sprachlehrforschung dezidiert auch andere institutionelle Kontexte…“. Für Barbara Schmenk hingegen ist „die Aussage, dass FSD (Fremdsprachendidaktik, E.L.) zur Ausbildung von Lehrenden und zur Erforschung schulischen Fremdsprachenunterrichts diene, unzureichend. Sie tut mehr, ihr Gegenstandsbereich ist weiter gesteckt als die unmittelbare Anbindung an die Institution Schule erahnen läßt“. (Schmenk 2019: 17)
Albert Raasch ist es mit seinen Arbeiten, seinem Interesse und seiner Offenheit für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen in ganz unterschiedlichen Kontexten immer gelungen, eine Personen und Positionen vermittelnde Haltung einzunehmen und anstelle einer Konfrontation zwischen Fremdsprachendidaktik und Sprachlehr- und -lernforschung zugunsten einer Verknüpfung der Disziplinen zu plädieren. Dies gelang ihm auch deshalb, weil er sich – und auch das erfuhr man als junger Student sehr schnell – als Fachdidaktiker und Sprachlehr-/-lernforscher einem interdisziplinären Ansatz verpflichtet fühlte, der in fine mit seinem zutiefst menschlichen Anliegen verbunden war, persönlich einen substantiellen Beitrag zur deutsch-französischen Verständigung zu leisten.
AALF-Kiel (Hrsg.) (1970). Angewandte Linguistik – Französisch. Kiel.
Bausch, K.-R., E. Burwitz-Melzer, H. J. Krumm, G. Mehlhorn & C. Riemer (62016). Fremdsprachendidaktik und Sprachlehr-/-lernforschung. In: Burwitz-Melzer, E., G. Mehlhorn, C. Riemer, K.-R. Bausch & H. J. Krumm (Hrsg.). Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Francke, 1-7.
Cadéo, Alain (2015). Zoé. Paris : Mercure de France.
Deutscher Bildungsrat (Hrsg.) (1979). Empfehlungen der Bildungskommission. Strukturplan für das Deutsche Bildungswesen. Stuttgart: Klett.
Freudenstein, Reinhold (1969). Unterrichtsmittel Sprachlabor. Technik, Methodik, Didaktik. Bochum: F. Kamp.
Leupold, Eynar (1970). Interview mit Professor Martinet. In: AALF-Kiel (Hrsg.). Angewandte Linguistik – Französisch. Kiel, 103-113.
Pessoa, Fernando (1985). Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares. Zürich: Amman Verlag, 49.
Raasch, Albert (1981). Die Schlange und das Kaninchen. In: Kühlwein, W. & A. Raasch (Hrsg.). Sprache: Lehren – Lernen. Kongreßberichte der 11. Jahrestagung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik GAL e.V. Darmstadt 1980. Band II. Tübingen: Narr.
Raasch, Albert & Peter Bühler (Hrsg.) (1999). Angewandte Linguistik und Sprachlehrforschung: entdecken, erfahren, erleben. 25 Jahre Angewandte Linguistik und Sprachlehrforschung Französisch an der Universität des Saarlandes. Saarbrücken: Romanistisches Institut.
Schmenk, Barbara (2019). Zum Spannungsfeld der Fremdsprachendidaktik und ihrer Bezugswissenschaften. In: Wilden, E. & H. Rossa (Hrsg.). Fremdsprachenforschung als interdisziplinäres Projekt. Tübingen: Lang, 15-34.
Ein Zufall ist es nicht, wohl aber eine u.E. durchaus begründete Koinzidenz: Albert Raasch 90 und die deutsche Gründung einer [sprich: ‚der‘] Gesellschaft für Angewandte Linguistik