Die Muschelsammlerin. Tora - Der Ruf von Xerax - Charlotte Richter - kostenlos E-Book

Die Muschelsammlerin. Tora - Der Ruf von Xerax E-Book

Charlotte Richter

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Beschreibung

Tora genießt ihr Leben in vollen Zügen - wann und mit wem sie will. Momentan verbringt sie ihre Zeit vor allem mit Janol. Als dieser ihr allerdings während des Purpurfestes gesteht, dass er bis zum Kamelienritual mit ihr - und nur mit ihr - zusammen sein will, wird ihr alles zu eng. Schließlich geht es darum, Erfahrungen zu sammeln, eine feste Bindung ist undenkbar. Obwohl Janol sie tiefer berührt, als irgendjemand zuvor, will Tora weiterhin vor allem eins: ihre Freiheit. Doch wird sie die finden, wenn in zwei Jahren am Tag der Verbindung ihr Seelenpartner zu ihr nach Amlon kommt? Oder sehnt sie sich vielmehr nach einem Ort, den alle anderen fürchten: Xerax, die Insel der Sonderbaren, der Verstoßenen.

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Seitenzahl: 59

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Impressum
Tora
Zwei Jahre später
Leseprobe: Die Muschelsammlerin – Deine Bestimmung wartet

Roman

Digitale Originalausgabe

Impressum

Ein Imprint der Arena Verlag GmbH Digitale Originalausgabe © Arena Verlag GmbH, Würzburg 2018 Covergestaltung: Arena Verlag GmbH,

unter Verwendung von Gestaltungselementen von Anna Dittmann und Carolin Liepins Alle Rechte vorbehalten E-Book-Herstellung: Arena Verlag 2018 ISBN: 978-3-401-84037-6www.arena-verlag.dewww.arena-digitales.de Folge uns!www.facebook.com/digitalesarenawww.instagram.com/arena_digitaleswww.twitter.com/arenaverlagwww.pinterest.com/arenaverlag

Tora

Die Droge wirkt nicht mehr.

Kein Kräuterkram und kein Alkohol, der bevorzugte Kick der Erwachsenen, auch wenn ich nichts gegen einen Cocktail hin und wieder habe. Keine Pilze und kein Atem der Götter.

Meine Droge heißt Janol, liegt neben mir auf dem Bauch und schnarcht leise vor sich hin. Zehn Sekunden nach dem Sex einschlafen, das ist eines der Klischees, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie sich in neunzig Prozent aller Fälle erfüllen.

Er lässt sich nicht stören, während ich ihn betrachte. Sein sandfarbenes Haar ragt strubbelig in die Höhe. Den Kopf hat er auf die Seite gedreht, das Kissen, das er sich unter die Wange geschoben hat, knautscht seine linke Gesichtshälfte und seine Lippen zusammen, sodass sein Mund wie ein Fischmäulchen aussieht. Abgestützt auf einen Arm studiere ich die Tätowierung, die seinen Rücken ziert und die ich noch immer völlig absurd finde.

Als sich Janol zum ersten Mal für mich ausgezogen hat und ich seine sonnenbraune Kehrseite bewundern durfte – wie aus einem Guss, nicht mal in der Po-Region wird seine Haut heller –, habe ich ihn gefragt, wessen Gesicht das sein soll.

Er hat mir über die Schulter zugezwinkert. »Was glaubst du denn? Das Gesicht meiner Seelenpartnerin natürlich.«

»So stellst du sie dir vor?«

»Genau so.« Er hat gelacht. »In einem Jahr schlägt für mich die Stunde der Wahrheit. Mal sehen, ob ich recht behalte.«

Also, wenn das auf seinem Rücken der Typ Mädchen ist, auf den er steht, einschließlich wallender Haare und Schlafzimmerblick, muss man sich schon fragen, warum er mit mir ins Bett geht.

Einfache Antwort: Das eine ist die Fantasie, das andere die Realität. Und letztere ist meistens besser, oder?

Das Gesicht auf Janols Rücken sieht jedenfalls total künstlich aus. Als hätte es jemand glatt gezogen und alles Leben darin überpinselt. Die Haut ist eben und makellos, von Pickelchen und Poren keine Spur, Perlmutt ist nichts dagegen. Die Finger würden abrutschen, wenn man eine solche Wange streichelt. Und einen Mund wie den kriegst du nur, wenn sie dich in ein Haus der Wandlung schleifen und dir diesen Honig draufschmieren, von dem deine Lippen für ein paar Stunden anschwellen wie Gummischläuche.

Der perfekte Eindruck wird natürlich durch die Kratzspuren auf der Stirn empfindlich gestört. Ich muss grinsen. Die stammen von meinen Fingernägeln. Was die Leidenschaft betrifft, kann ich mich über Janol echt nicht beklagen. Auch meine Schultern ziert schon ein Kratzer – der erste Tribut an eine wilde Nacht.

Im Grunde ist Janol das große Los. Er hat was im Kopf, er ist witzig und sieht vieles nicht so eng. Ihm macht es nichts aus, dass ich mich auch mit anderen Jungs in den Purpurzimmern oder am Strand oder sonst wo treffe; er selbst ist ja ebenfalls kein Kind von Traurigkeit. Doch vor allem – und das war bisher das Beste – will er nicht, dass ich so werde, wie er es gern hätte.

Aber jetzt ist was passiert. Genau genommen sind zwei Dinge passiert. Und diese zwei Dinge sorgen dafür, dass meine Janol-Droge ihre Wirkung verloren hat.

Ding Nummer eins: Ich muss fast ständig an Janol denken. Er geht mir nicht mehr aus der Birne, andere Jungs interessieren mich nur noch am Rande und, Schock: Ich habe angefangen, mit Fino über ihn zu sprechen. Das muss man sich mal vorstellen. Ist gerade erst letzte Woche passiert. Fino hat mich aus seinen dunklen Augen ruhig angesehen – definitiv die schönsten Augen der Welt – und hat leise gewiehert. Damals habe ich die Botschaft nicht kapiert. Aber jetzt, hier und heute Nacht, kapiere ich sie.

Weißt du echt nicht, was mit dir los ist, Tora? Du hast dich in Janol verliebt, das ist los.

O Götter.

Ding Nummer zwei: Bevor Janol vorhin eingeschlafen ist, hat er was gesagt, das mich noch nachträglich zusammenzucken lässt:

»In einem Jahr lerne ich meine Seelenpartnerin kennen. Und es gibt was, das ich total schön fände, Tora. Wenn wir in diesem letzten Jahr zusammenblieben. Richtig zusammen. Eine echte Verbindung, mit Treue und allem. Denk mal darüber nach.«

Dann hat er sich auf den Bauch gedreht und ist eingepennt.

Das absolut Erschreckende daran war, dass ich einen Moment lang gezögert habe; ich habe gedacht: He, Janol, genau das will ich auch. Abends mit dir einschlafen, morgens neben dir aufwachen, ein Jahr lang nur mit dir.

Immerhin war ich noch so klar, das nicht laut zu sagen.

Fino hat recht. Ich habe mich verliebt – und darum muss ich weg von Janol. Am besten im vollen Galopp. Verliebt sein bringt nur Ärger. Mit Janol und mir muss Schluss sein, das habe ich jetzt kapiert, ich muss ihn loswerden, ihn aus meinem Leben rauskicken und mir jemand Neuen suchen. Bewerber gibt es genug.

Während ich auf Janols tätowierten Rücken starre, wird mir so richtig und Stück für Stück klar, wie absurd die Situation ist. Ich, Tora Nerwad, in einen Jungen verliebt und mit ihm fest verbunden – hallo? Geht’s noch? Du liebe Götter, da habe ich echt andere Pläne. Schlimm genug, dass in zwei Jahren auch bei mir alles anders werden soll – wenn ich meinen Seelenpartner kennenlerne. Die meisten werden danach treu wie sonst was, sehen andere Männer und Frauen kaum noch an, haben nur noch Lust auf den einen oder die eine, was ich mir absolut schrecklich vorstelle. Langweilig wie der Tod. Ganz ehrlich? Ich brauche keinen Seelenpartner, ich will, dass es weitergeht wie bisher: Rummachen, mit wem ich will und wie lange ich will, Spaß haben, frei sein und diese Freiheit in vollen Zügen genießen. Bloß keine festen Geschichten.

Ich betrachte Janols im Schlaf leicht zerknautschten Mund, der mich erstaunlicherweise trotzdem enorm anzieht, und beschließe, mich vom Acker zu machen. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Sofort. Runtergehen und mich umschauen, wer dort an potenziellen Nachfolgern herumtanzt. Darum geht’s schließlich auf einem Purpurfest: befreite Lust, Erfahrungen sammeln. Oder?

Leise stehe ich auf und verschwinde in dem marmorgefliesten Bad nebenan, dusche, trockne mich ab, kehre auf Zehenspitzen zurück, sammle meine Klamotten vom Boden auf und ziehe mich an. In dem abgedimmten Licht, mit dem sie alle Purpurzimmer ausstaffieren, sieht Janol aus wie mit Blut übergossen. Ich betrachte ihn eine Weile, dann hauche ich einen Kuss in die Luft und flüstere: »Mach’s gut, mein Süßer. War schön mit dir.«

Und weil ich nicht anders kann, lege ich meine Hand ein letztes Mal ganz sachte zwischen seine Schulterblätter, wo eine Haarsträhne seiner Seelenpartnerin von einem unsichtbaren Wind in perfekter Weise aus ihrer perfekten Stirn gepustet wird und wo ich das Zucken seiner Muskeln spüre, seinen Atem, der in ihn reingeht und ihn wieder verlässt.

Er klappt die Augen auf. Scheiße.

»Tora.« Er dreht sich leicht zur Seite, guckt zu mir hoch, rollt sich auf den Rücken und streckt die Arme nach mir aus. »Komm her.«

Sein Charme strahlt wie ein Licht aus ihm heraus. So hat er mich beim ersten Mal angesehen, als er mich zu sich heruntergezogen hat, mitten hinein in die bis dahin beste Nacht meines Lebens. Was soll’s. Einmal noch. Weil er Janol ist und weil ...

»Komm her, meine Rose«, flüstert er.

Mir bleibt die Luft weg. Als würde mein Inneres von einem Abfluss eingesogen.

»Was hast du gesagt?«, quetsche ich heraus.

Er lächelt. »Mein Röschen.«

Röschen. Ein Horror, der tief in mir an der Kette liegt. Das Beschissene ist, dass diese Kette sich gerade klirrend löst.

Schön, das war’s. Schluss und aus. Jetzt kann ich wirklich nur noch eins tun.

»Tut mir leid, Janol. Es ist vorbei.«

Stille. Hat er mich nicht gehört?

»Ich mache Schluss«, sage ich, was völlig unbeholfen klingt, aber mir fällt nichts Besseres ein.

Noch mehr Stille. Größer diesmal. Schwerer. Als ich mich gerade abwenden will, höre ich ihn fragen: »Wa... was?«

Seine Stimme klingt verwaschen.

»Hat dir jemand Seetang in die Ohren gestopft?«, blaffe ich ihn an. »Es ist vorbei. Unsere Verbindung ist getrennt. Ab sofort. Ende und aus.«

Er setzt sich auf. »Hab ich irgendwas falsch gemacht?«

»Lass es, Janol. Ich habe einfach keine Lust mehr auf dich.« Während ich das sage, krümmt sich etwas in mir, als hätte ich nicht nur ihm wehgetan.

»Warum, Tora?«, fragt er leise. Und nach einer kurzen Pause: »Warum bist du so?«

»Wie denn so?«

»So grob. So ... feindselig.« Er schüttelt den Kopf. »Warum bist du nicht wie ...«

Meine Fußspitze tippt auf den Boden. »Ja?«

»Wie die anderen Mädchen?«

Nur ein paar Worte. Sie sind wie eine Faust in den Magen. Janol lässt echt nichts aus.

»Frag mich das nie wieder«, zische ich. »Frag mich nie wieder, warum ich nicht wie die anderen Mädchen bin.«

»Was ist denn los mit dir? Hab ich irgendwas falsch gemacht? Bitte erklär’s mir. Ich möchte es gern verstehen.«

Plötzlich habe ich keine Lust mehr auf den Scheiß. Am liebsten würde ich aus dem Zimmer rennen, aber ich beherrsche mich.

»Ich will nicht mehr, das ist los. Ich will nicht, dass … dass wir uns verlieben. Ich will leben. Kapiert?«

»Du tust so, als würden sich Leben und Liebe ausschließen. Das ist doch Schwachsinn. Das gehört doch zusammen.«

»Nicht für mich.«

»Das Einzige, was im Leben zählt, ist die Liebe«, sagt er mit theatralischer Betonung.

»Ich kann echt nicht fassen, was du für einen Mist absonderst. Der Liebe muss man aus dem Weg gehen.«

»Du irrst dich ganz schrecklich, Tora.«

Er wälzt sich aus dem Bett hoch und kommt auf mich zu. Wenn du angezogen bist und der andere ist nackt, da sind die Kräfte irgendwie nicht im Gleichgewicht. Als er eine Hand nach mir ausstreckt, weiche ich einen Schritt zurück. Er bleibt stehen.

»Vielleicht ist das dein Problem«, sagt er so sanft, dass ich losheulen könnte. Sieht mir in die Augen, steht da, offen und schutzlos, die Handflächen zu mir hingedreht, eine Figur wie ein Gott. »Du hast Angst vor der Liebe.«