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Herbert George Wells (meist abgekürzt H. G. Wells; geboren 21. September 1866 in Bromley; gestorben 13. August 1946 in London) war ein englischer Schriftsteller und Pionier der Science-Fiction-Literatur. Wells, der auch Historiker und Soziologe war, hatte seine größten Erfolge mit den beiden Science-Fiction-Romanen (von ihm selbst als "scientific romances" bezeichnet) "Der Krieg der Welten" und "Die Zeitmaschine". Wells ist in Deutschland vor allem für seine Science-Fiction-Bücher bekannt, hat aber auch zahlreiche realistische Romane verfasst, die im englischen Sprachraum nach wie vor populär sind.
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Seitenzahl: 186
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Mit Genehmigung des Grafen Hermann Keyserling schicke ich seine Kritik dieses Buches der deutschen Ausgabe als Einleitung voraus.
Wells behandelt das Problem der Rettung unserer Kultur und kommt zum Ergebnis, dass wir Westländer entweder untergehen oder aber uns zu einer höheren Einheit zusammenschliessen müssen. Er geht von der These aus, dass die Grundursache des heutigen Chaos darin besteht, dass unser politischer Organismus den neuen Lebensbedingungen in keiner Weise mehr angepasst sei. Bei der Schnelligkeit der modernen Verkehrsmittel, der wechselseitigen ökonomischen Abhängigkeit, der bald alles Leben gefährdenden Vernichtungskraft der modernen Kriegsmittel seien die bisherigen Staatsgrenzen unhaltbar; entweder sie würden aufgehoben oder aber mir müssen alle miteinander zugrunde gehen. Und die einzige zweckmässige politische Zusammenfassung sieht Wells schon heute – alle Zwischenglieder überspringend – im Weltstaat. Der Schwierigkeiten, die seiner Konstituierung entgegenstehen, ist Wells sich wohl bewusst. Er glaubt weder an den Völkerbund, noch an irgend ein ähnliches Palliativ. Belehrt durch die Kriegserfahrungen, will er die Schwierigkeiten nicht von aussen, sondern von innen her überwinden: durch Erziehung zu einem Weltbürgertum, demgegenüber der bisherige Patriotismus ebenso selbstverständlich verschwände, wie der regionale Patriotismus im Nationalstaat aufgegangen ist. – Auf die vorgeschlagenen Mittel, z. B. das einer neuen Bibel, will ich hier nicht näher eingehen. Ich persönlich glaube weniger als Wells an die Allmacht der Beeinflussung durch die Schulerziehung, weil letztere im ganzen doch nur »Wissen« einflösst und »Verstehen« allein innerlich verwandelt. Aber sicher kommen für eine fernere Zukunft auch Wells' Heilmittel in Frage; es gibt keines, das alles zu leisten vermöchte, jedwedes muss angewandt werden, und es schadet auch nichts, wenn das Äussere dem Inneren zeitweilig vorauseilt. Eins steht jedenfalls fest: Wells' Grundgedanke, dass unser politischer Organismus den neuen Verhältnissen nicht mehr angepasst sei, und dass, solange solche Anpassung nicht eintrete, Katastrophe auf Katastrophe erfolgen müsse, ist wahr. Der Nationalstaat als letzte Synthese ist unhaltbar geworden.«
Der gegenwärtige Ausblick auf die menschlichen Dinge gehört zu denen, die weiteste Verallgemeinerung gestatten und weiteste Verallgemeinerung zu verlangen scheinen. Wir befinden uns in einer jener Erfahrungsphasen, die in der Geschichte ausschlaggebend werden. Eine Reihe unermesslicher und tragischer Ereignisse hat die Selbstgefälligkeit der Menschheit zertrümmert, sie hat Willen und Einsicht herausgefordert. Jener leichte allgemeine Fortschritt menschlicher Dinge, der mehrere Generationen hindurch den Glauben an ein notwendiges, unbezwingliches Wachstum zu rechtfertigen schien, ein Wachstum zu grösserer Macht, grösserem Glück und fortschreitender Lebenserweiterung, ist gewaltsam gehemmt und möglicherweise gänzlich aufgehalten worden. Die Katastrophe des grossen Krieges hat in unserer äusserlich gedeihlichen Gesellschaft eine Anhäufung von Vernichtungsgewalten offenbart, die wenige von uns sich hätten träumen lassen; sie hat ebenfalls die tiefe Unfähigkeit bewiesen, diese Mächte zu behandeln und sie zu zähmen. Die zwei Jahre des allgemeinen Mangels, der Unordnung und Unentschlossenheit, die dem Weltkrieg in Europa und Asien folgten, die Ungewissheit, die sogar das verhältnismässig ungestörte Leben in Amerika beunruhigt haben, erscheinen dem wachsamen Verstande noch verhängnisvoller, für unsere soziale Ordnung, als der Krieg selbst. Was geschieht mit unserer Rasse? fragt man sich. Bedeutet der Wohlstand und die zuversichtlichen Hoffnungen, mit denen das 20. Jahrhundert begann, nichts mehr, als den Gipfel zufälliger Glückserscheinungen? Hat sich der Kreis von Wohlstand und Fortschritt schon geschlossen? Wohin wird uns dieses Taumeln, Stolpern, werden uns diese Missgriffe, die feindseligen Ereignisse der Jetztzeit führen? Steht die Welt im Beginn solcher Zeiten des Unglücks und der Verwirrung, wie sie den Untergang des weströmischen Reiches verursachten und in China das Ende der Handynastie? Und wenn dies der Fall sein sollte, wird sich das Unglück auch auf Amerika erstrecken? Oder ist das amerikanische System selbständig genug, durch die Entfernung genügend gesichert, um eine eigene Fortschrittsbewegung beizubehalten, wenn die alte Welt zusammenbricht.
Irgend eine Antwort, wenn auch eine noch so allgemeine und unbestimmte, muss ein jeder von uns auf diese Fragen finden, bevor wir ein einsichtsvolles Interesse an fremden Angelegenheiten nehmen oder eine wirksame Stimme abgeben können. Auch wenn es jemandem nicht möglich sein sollte, eine bestimmte Ansicht zu formulieren, so muss er doch zum mindesten eine stillschweigende Überzeugung besitzen, ehe er in diesen Dingen handeln kann. Ist es ihm nicht gelungen, zu einer klaren Entscheidung zu gelangen, so wird er sich von instinktiven Forderungen des Unterbewusstseins leiten lassen. Es ist sehr viel nützlicher, dass er diese in die Beleuchtung des klaren Gedankens stelle.
Die Unterdrückung der kriegerischen Ereignisse steht, der allgemeinen Anschauung nach, im Mittelpunkt unserer zeitgenössischen Probleme. Der Krieg ist jedoch der menschlichen Erfahrung nichts Neues, jahrhundertelang konnte die Menschheit trotz häufiger Kriege fortbestehen. Die meisten Staaten und Reiche befanden sich in den Zeiten ihres Wohlstandes und ihrer Festigkeit stets in abwechselnde Kriege verwickelt. Aber ihre Kriegsführung war eine andere als heutzutage. Das was die Energie der fortschrittlichen Entwicklung der verflossenen anderthalb Jahrhunderte zu so plötzlichem Stillstand gebracht hat, ist nicht die alte bekannte Kriegführung; die Kriegführung hat sich durch die neuen Bedingungen seltsam verändert und verschärft. Es ist daher diese Veränderung der Bedingungen, nicht der Krieg an sich, die wir als Tatsache ins Auge zu fassen haben, in ihrer Wirkung auf unsere politischen und sozialen Ideen. Die Grossmächte Europas entschlossen sich im Jahre 1914 zum Kriege, wie sie's bei so vielen früheren Anlässen getan hatten, um gewisse Streitpunkte zu schlichten. Dieser Krieg griff mit unerwarteter Schnelligkeit um sich, bis die ganze Welt hineingezogen war. Er entwickelte eine zerstörende Gewalt, ungeheuerlich und grauenhaft, und vor allen Dingen einen Mangel ausschlaggebender Entscheidungskraft, der allen vorhergehenden Kriegen ganz ungleich war. Diese Ungleichheit ist das Wesen der Sache. Was man auch zur Rechtfertigung früherer Kriege vorbringen kann: dass unter den neuen Bedingungen der Krieg nicht mehr ein gangbares Mittel ist, internationale Händel zu schlichten, ist jetzt Vielen klar geworden. Diese Erkenntnis liegt an der Oberfläche. Der Gedanke eines Völkerbundes, mit einem obersten kriegsersetzenden Schiedsgerichtshof erwachte nicht an irgendeinem besonderen Ort, sondern brach gleichzeitig hervor, wo einsichtsvolle Leute zusammen waren.
Worin bestand die Veränderung der Bedingungen, die die Menschheit vor die verblüffende Notwendigkeit stellte, auf den Krieg zu verzichten? Denn verblüffend ist es sicherlich. Bis zum heutigen Tage war, in allen Gesellschaftsschichten, Krieg ein herrschender, angenommener Begriff; nur wenige werden dies bestreiten wollen. Politik hat sich in sehr naher Beziehung zum Begriff des Krieges entwickelt; die äussere Form der Staaten ist durch Angriff und Abwehr geschaffen worden, wie sich ihre innere Organisation durch den Zwang des Zusammenschlusses entwickelte. Fasst man nun plötzlich den Entschluss, Kriegsführung überhaupt aufzugeben, so wird man zur Entdeckung gelangen, dass dieser Entschluss die weitgehendsten, eingreifendsten Veränderungen in politischen, sozialen Begriffen, die auf den ersten Blick gar keine Beziehung zu kriegerischer Betätigung zu haben scheinen, mit sich bringt.
Die drei folgenden Aufsätze behandeln das allgemeine Problem, welches sich aus diesen Betrachtungen ergibt; die Frage: was soll den Krieg ersetzen, falls dieser aus dem menschlichen Dasein ausscheidet? und das Problem, was soll geschehen, wenn er in der Zukunft auf ewig aus den Möglichkeiten und Erfahrungen unseres Geschlechts gestrichen werden soll? denn wir wollen der Wahrheit ins Auge sehen: die Abschaffung des Krieges ist kein leichter, selbstverständlicher Schritt, nicht der Bruch mit einer altertümlichen, barbarischen, nun veralteten Sitte; die Abschaffung des Krieges wird, falls wir soweit kommen können, nicht nur eine vollständige Wandlung des bisherigen menschlichen Daseins, sondern auch der allgemeinen Naturordnung bedeuten, einer Ordnung, die auf Streit und Vorherrschaft basiert. Es wird eine neue Phase in der Geschichte des ganzen Daseins sein, nicht bloss eine neue Seite in der Geschichte der Menschheit. In diesem kurzen Aufsatz wird versucht werden, der Menschheit die ganze Grösse der sie erwartenden Aufgabe vor Augen zu halten, falls der Krieg wahrhaftig beseitigt werden soll, und zu beweisen, dass das Projekt, den Krieg durch gelegentliche Versammlung eines Völkerbundes und dergleichen aus der Welt zu schaffen, ebensoviel Wahrscheinlichkeit des Gelingens bietet, als der Vorschlag Hunger, Durst, Tod durch einen kurzen, gesetzlichen Beschluss abzuschaffen.
Wir wollen erstlich die Veränderungen der menschlichen Daseinsbedingungen prüfen, die den Krieg um sein normales Aussehen brachten, den eines Daseinskampfes innerhalb der menschlichen Gesellschaften, und ihn in einen Schrecken und eine Bedrohung für die gesamte Gattung verwandelten. Die Veränderung liegt wesentlich in einer Änderung der menschlichen Zwecken erreichbaren Machtmittel, sie liegt spezieller in der Anhäufung materieller Macht, die einem einzigen Individuum unterworfen sein kann. Bis vor ein paar Jahrhunderten besass die menschliche Gesellschaft hauptsächlich das Menschen- und Pferdekraftsystem, dazu kam ein beschränktes Mass von Wind- und Wasserkraft. Die ersten Anzeichen der Umwälzung begannen vor sieben Jahrhunderten mit dem Auftreten der Explosivstoffe. Im 13. Jahrhundert machten die Mongolen sehr wirksam Gebrauch des von den Chinesen entdeckten Schiesspulvers. Sie eroberten den grössten Teil der damals bekannten Welt und die Einführung eines geringgradigen Explosivs, zu Kriegszwecken, vertilgte schleunigst die Vorherrschaft fester Städte und Burgen, vernichtete das Rittertum und zerstörte vollständig die Bewässerungsanlagen Mesopotamiens, vor der Geschichtsschreibung, einst eines der fruchtbarsten, bevölkertsten Länder. Die damaligen noch sehr bedingten Kenntnisse der Metallbehandlung beschränkten den Umfang und die Tragweite der Kanonen. Erst im 19. Jahrhundert machte die grössere Produktionsmöglichkeit von Gussstahl und die Erweiterung chemischer Kenntnisse verschiedentliche Explosivstoffe militärischen Zwecken dienlich. Die systematische Ausbreitung menschlicher Macht begann im 18. Jahrhundert mit der Nutzbarmachung von Dampf und Kohle. Damit begann ein Wachstum auf dem Gebiet der Entdeckung und Erfindung, das der Menschheit immer neue, sich anhäufende materielle Macht in die Hände spielte. Auch heute hat dieses Wachstum vielleicht noch nicht seinen Höhepunkt erreicht.
Wir brauchen die altbekannten Geschichten von der daraus folgenden Aufhebung jeder Entfernung, nicht noch einmal zu wiederholen: wie durch Radiogramm und Telegramm jede in der Welt sich ereignende wichtige Begebenheit gleichzeitig zu einem Ereignis für jeden Einzelnen werden kann; wie Reisen, die früher Monate und Wochen in Anspruch nahmen, jetzt in Tagen oder Stunden erledigt werden können, oder wie Papier und Buchdruckerkunst die allgemeine menschliche Bildung gehoben haben usw. Noch wollen wir den Einfluss dieser Erscheinungen auf die Kriegsführung schildern. Das was uns dabei interessiert ist dieses: vor dem Zeitalter der Erfindungen stritten und kämpften die verschiedenen menschlichen Gemeinschaften, wie unartige Kinder in einem überfüllten Kinderzimmer,innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeit. Sie verletzten, verwundeten sich, aber es ist selten vorgekommen, dass eines das andere vollständig vertilgt hätte. Ihre Händel mögen auch viel Unglück verursacht haben, sie waren jedoch noch immer erträglich. Man kann diese früheren Kriege sogar als gesundende, kräftigende lebenserneuernde Konflikte betrachten. In diese Kinderstube aber trat nun die Wissenschaft, sie drückte den Kindern vergiftete Rasierklingen in die Faust, Explosivbomben von erschreckender Sprengkraft, ätzende Flüssigkeiten und dergleichen. Der verhältnismässig harmlose Streit der Kinder ist nun plötzlich mit so fürchterlichen Mitteln ausgerüstet, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann sich die Kinderstube früher oder später in einen Leichenhaufen verwandeln oder in die Luft gesprengt werden wird. Eine wirkliche Kinderstube, in die eine gewissenlose Person, solche Gabe verteilend, eindränge, würde bald durch das Eingreifen der Kinderfrau gerettet werden. Aber die Menschheit besitzt keine solche Pflegerin, sie besitzt nichts, als ihre eigene armselige Einsicht. Und ob diese armselige Einsicht sich zur Höhe wirksamen Eingriffs aufraffen kann, das ist heutzutage das wesentliche Problem der weltgeschichtlichen Dinge. Die todbringenden Erfindungen nehmen ihren Fortgang. Von 1914 bis zum Beginn des Jahres 1918 kann man in den Kriegsmitteln ein beständiges Anwachsen der fürchterlichen Zerstörungskraft bemerken; Material- und Energiemangel milderten diesen Fortgang; aber seit dem Waffenstillstand hat sich die Kriegswissenschaft wesentlich entwickelt. Man versichert uns, dass der nächste, gut organisierte Krieg sehr viel rascher und ausgiebiger wirken wird, namentlich auf die Zivilbevölkerung. Die Heere werden sich nicht mehr auf Strassen fortbewegen, sondern in Linien ausgerollt, auf schweren Tanks, durch die von ihnen überschwemmten Gegenden, dieselben vollständig aufpflügend, sich heranwälzen; der Luftkampf wird mit Bomben, die jede einzeln eine kleine Stadt vernichten kann, tausende von Meilen hinter der Front geführt werden, und die See wird durch Minen und Unterseeboote von jeglicher Schiffahrt gesäubert werden. Es wird kein Unterschied zwischen Kämpfenden und Nichtkämpfenden gemacht werden, weil jeder gesund gestaltete Bürger, männlichen oder weiblichen Geschlechts, als wirksamer Erzeuger von Nahrungs- und Munitionsmitteln gilt, und wahrscheinlich werden in diesem allgemeinen Untergang nur die Hauptquartiere der streitenden Heere das bestgeschützte und sicherste Obdach gewähren. Von dort aus werden militärisch hochgeschulte Leute von sehr beschränktem Horizont das Zerstörungswerk über das Mass ihres eigenen Verständnisses hinaus, vollenden. Die rauhe Kriegslogik, die den Sieg stets dem energischsten und gewaltätigsten Kämpfer erteilt, wird die Kriegsführung mehr und mehr aus einem um Beute und Eroberungssucht geführten Unternehmen, in einen Vorgang verwandeln, der die endgültige Vernichtung des Gegners zum Zwecke hat. Beharrliche und unnachgiebige Tapferkeit ist für kriegerische Zustände charakteristisch. Krieg ist Krieg und Ungestüm liegt in seinem Wesen. Man muss immer so stark als möglich losschlagen. Offensive und Gegenoffensive gewinnen die Oberhand über die blosse Verteidigung. Im nächsten grossen Kriege wird der Sieger nicht weniger als der Besiegte aus der Luft bombardiert, ausgehungert und weissgeblutet werden. Sein Sieg wird kein leichter sein; es wird der Triumph des Erschöpften, Sterbenden über den Toten sein.
Man hat beweisen wollen, dass ein so lang vorbereiteter, gut organisierter Krieg wie der, den die Welt von 1914-1918 erlebte, sich, wegen der Schäden, die die soziale Stabilität dadurch erlitten, in absehbarer Zeit wahrscheinlich nicht wieder so bald ereignen kann. Es wird vielleicht ein paar zufällige, kurze Kriege geben, ungenügend vorbereitet, so urteilen diese hoffnungsfrohen, oberflächlichen Kritiker, aber keine noch so in sich gefestigte, der Bevölkerung sichere Staatsführung kann einen wissenschaftlich geführten Krieg vorbereiten und unternehmen. Diese Aussicht bietet der Menschheit jedoch keinen befriedigenden Ausblick, denn es läuft daraus hinaus, dass solange die Menschheit so verarmt und ungeordnet ist, sie sich zu der Höhe eines gutgeführten Krieges, nicht mehr aufschwingen kann. Augenscheinlich wird dies aber nur solange dauern, als sie sich in so verarmten und zerrütteten Verhältnissen befindet. Kaum genesen, wird sie sich von neuem erheben, um das frühere Unheil heraufzubeschwören, mit all den modernen Vervollkommnungen und Erfindungen, die der menschliche Geist in der Zwischenzeit ersonnen haben mag. Die neue Phase von Streit, Unordnung, sozialer Auflösung, in der wir uns befinden, dieser Zustand des Verfalls, den wir den anwachsenden, zunehmenden Verwüstungs- und Zerstörungsmitteln, über die die Menschheit verfügt, verdanken, muss daher solange anhalten, als die auf veralteten Konfliktsvorstellungen beruhenden Spaltungen währen; und sollte der Niedergang zeitweilig aufgehalten scheinen, so wird es nur dazu dienen, um unter dem Einfluss jener Ideen, neuen Kriegsstoff anzuhäufen, genugsam zerstörend, verheerend, um den Auflösungsprozess von neuem herbeizuführen.
Wofern die Menschheit ihre sozialen und politischen Begriffe nicht auf dieses wesentlich neue Faktum der ungeheueren, vergrösserten Machtmittel einstellt, wofern sie ihre Streitsucht nicht einschränkt und bändigt, scheint uns keine andere Möglichkeit, als Verfall offen zu stehn, wenigstens bis zu einem solchen Grad des Rückschritts, dass wir alle wissenschaftlichen und industriellen Vorzüge unserer Zeit dabei einbüssen und vergessen. Wenn alle Möglichkeiten auf ihre frühere, primitive Stufe herabgesunken sein werden, dann wird sich unsere Rasse vielleicht in einer Art von Gleichgewicht zwischen den Vorteilen und Schäden von Krieg und Frieden halten können. Da unser dekadentes Geschlecht aber sehr viel weniger Lebensfähigkeit und Widerstand besitzt als in früheren, primitiven Zeiten, so wird es vielleicht auch irgend einem animalischen Feind zum Opfer fallen oder durch eine Seuche vernichtet werden, die durch Ratten, Hunde, Insekten oder dergleichen verbreitet wird, die dazu bestimmt sein mögen, die Erben unserer heutigen modernen, rostenden Städte, Höfe, Brücken, Strassen zu werden.
Um diesen Rückschritt zu verhindern, scheint es mir nur eine Möglichkeit zu geben, und das ist der sorgsame, systematische Neuaufbau der menschlichen Gesellschaft. Die Welt ist für die Gemeinschaft geschaffen, und mit der Zeit wird der menschliche Verstand auch fähig werden, dieses einzusehen und sich der Tatsache anzupassen. Es wird der Menschheit gelingen, sich von Krieg und Kriegsführung abzukehren und sich in einem unendlichen, weltumfassenden Streben gegenseitiger Mitwirkung, Duldung und Hilfe zusammenzuschliessen. Sie werden Kraft finden, um ihre alte Gewohnheit in getrennten Staaten zu leben, aufzugeben, sie werden ihre Rauflust und die Zerstörungsmittel ihrer traditionellen Feindseligkeit zu bändigen wissen und ihre Lebensbedingungen in ein einziges Gesetz und in einen Frieden einigen. Diese neuen, in der Natur noch vergeudeten Kräfte, die ihnen verliehen worden sind und die, falls ihre Ziele streitsüchtig und ungeeint bleiben, sicherlich ihren Ruin herbeiführen werden, werden dann ein Mittel sein, um eine neue Ordnung, ein kaum vorstellbares Glück, Nutzen und Vollendung herbeizuführen. Aber ist unsere Rasse zu solch einer Anstrengung fähig, zu einer solchen Umkehr ihrer angeborenen, instinktiven Impulse? Können wir in dem heutigen politischen, geistigen Leben Vorzeichen finden zu solch kühnem, umstürzlerischem Bestreben? Inwieweit dienen wir, Leser und Schreiber dieser Zeilen, z. B. diesen grossen, neuen Lebenszielen? Halten wir sie getreulich im Herzen? Und wie ist es mit unserer Umgebung? Lassen wir uns und das ganze menschliche Geschlecht nicht von der Strömung der Umstände treiben wie vor 1914? Ohne eine gewaltige Anspannung unsererseits (oder seitens irgend eines andern) wird diese Strömung, die unser Geschlecht zeitweilig in einen Sonnenschein von Hoffnungen und Glücksfällen gezogen hat, die Menschheit sicherlich unrettbar in neue Kriege, neues Elend, Hunger, Mangel, soziales Unglück reissen, und entweder vollständiger Vertilgung oder weit über unser gegenwärtiges Verständnis reichender Erniedrigung entgegentreiben.
Die dringende Notwendigkeit einer grossen, schöpferischen Anstrengung in den Menschheitsdingen ist klar ersichtlich. Es ist klar ersichtlich, dass wofern in der Welt nicht eine Zweckseinheit vollendet wird, wofern die immer heftigeren, vernichtenderen Zufälle der Kriege nicht verhütet werden können, wofern nicht eine gemeinsame Oberaufsicht in der unbesonnenen Verschwendung, der beschränkten menschlichen Mittel von Kohle, Öl und moralischer Energie, wie sie jetzt vor sich geht, eingeführt wird, die Geschicke der Menschheit baldigst in einer Art von Untergang enden müssen, in welcher das Elend des grossen Krieges noch überboten werden wird, chaotische soziale Zustände entstehen und der degenerierende Prozess in einer allgemeinen Austilgung gipfeln wird. Soweit scheinen jetzt alle vernünftigen Leute einig. Über die Frage jedoch, wie und in welcher Weise eine Zweckeinheit und gemeinschaftliche Kontrolle aller menschlichen Angelegenheiten eingeführt werden soll, darüber besteht noch eine grosse und bedauerliche Meinungsverschiedenheit und als Folge davon Schwäche und vergeudende Willensspaltung. Fürs erste ist nichts anderes erzeugt worden, als der erwiesenermassen unzulängliche, in Genf tagende Völkerbund und eine Anzahl sehr unbestimmter Bestrebungen allgemeiner Entwaffnung, allgemeiner Weltregeln und dergleichen. Der schwache Punkt aller dieser verschiedenen Bestrebungen ist eine gewisse wohlgesittete Schüchternheit und der fehlende Sinn für den Umfang des uns bevorstehenden Unternehmens. Einer der bedenklichsten Fehler unserer zeitgenössischen Erziehung ist gerade der Mangel an Verständnis für die Bedeutung der Aufgabe. Aus der Notwendigkeit eines ausgedehnten politischen Organs ergibt sich durchaus nicht, dass ein sogenannter Völkerbund, ohne repräsentatives Gewicht, militärische Macht und jede Art von Autorität, ein Bund, aus dem ein grosser Teil der Welt völlig ausgeschlossen ist, diesem Bedürfnis entspricht. Die Leute meinen, es sei besser als garnichts. Aber es kann auch schlimmer sein als garnichts, es kann die welteinigenden Bestrebungen durch Enttäuschung vernichten. Wenn ein toll gewordener Elefant in einem Garten losbricht, so tut man am besten, dem Gärtner eine Flinte zu überantworten, aber es muss auch ein entsprechendes Gewehr sein, ein Elefantengewehr. Ihm eine kleine Büchse in die Hand zu drücken, mit der man Saatkrähen erlegt, ihm zu sagen dies sei besser als garnichts und ihn aufzufordern, es mit dem Elefanten aufzunehmen, wäre jedenfalls das direkte Mittel nicht den Elefanten, sondern den Gärtner loszuwerden. Wenn die Leute nur klarer denken wollten, so würden sie einsehen, dass ein oberster Rat ohne souveräne Macht etwas undenkbares ist, aber den Urhebern dieser frühzeitlichen Welteinigungsbestrebungen fehlt in dieser Beziehung der Mut der Offenheit. Sie befürchteten neue Ausbrüche von tobendem Patriotismus, deshalb versuchten sie selbst zu glauben und die Leute glauben zu machen, dass sie nichts anderes als einen Völkerbund im Auge hätten, während es sich doch in Wahrheit um die Unterordnung aller Nationen und Regierungen unter ein allgemeines Gesetz und eine Führung handelt. Die elementare Notwendigkeit, dass der oberste Rat einer allgemeinen Friedensorganisation, die mehr als eine internationale, sentimentale Geste sein will, nicht nur absolute Erfahrung und Kenntnisse besitze, sondern auch wirksame Kontrolle aller militärischen Hilfsmittel und Einrichtungen ausübe, erschreckt sie. Sie haben nicht einmal um eine solche Kontrolle nachgesucht. Die düstere Dauerhaftigkeit der bestehenden Dinge war stärker; sie wollten Änderung schaffen, aber als es sich darum handelte Hand anzulegen, oh nein! und sie beschlossen lieber die Dinge sich selbst zu überlassen. Sie verlangten nach einer neuen Welt – aber diese neue Welt soll das gleiche enthalten wie die alte.
Aber irren sich diese Intellektuellen nicht in der Einschätzung des gemeinen Mannes? Ist er solch ein hitzköpfiger, leerer Narr, wie sie anzunehmen scheinen? Ist er so patriotisch, wie sie es in Erfahrung gebracht haben? Soll die Menschheit vor dem Untergang bewahrt werden, so muss eine oberste Weltführung entstehen; eine oberste Weltführung ergibt aber eine allgemeine Weltregierung, es ist bloss eine andere Benennung für das Gleiche. Selbstverständlich muss diese Regierung eine Flotte haben, die der englischen Seemacht überlegen ist, eine Artillerie, die stärker ist als Frankreichs Artillerie, Luftstreitkräfte, die alle anderen Luftstreitkräfte ausschalten usw. Anstatt aller Flaggen eine allerhöchste Flagge; erbis terrarum.
Solange die oberste Weltregierung nicht darauf beruht, so ist sie eben so lächerlich, wie ein Richter, der, sich auf zwei unbewaffnete Polizeidiener, einen Zeitungsreporter und Hofkaplan stützend, seinen Urteilsspruch gegen die schwerbewaffneten Anhänger des Klägers und des Beklagten durchsetzen will. Man hält den gemeinen Mann aber für so blind und hoffnungslos vernarrt in seine englische Flotte, französische Armee oder was sein besonderes Steckenpferd militärischer Gewaltmittel sei, dass es als unmöglich gilt, dies geliebte, vergötterte Spielzeug abzuschaffen. Wenn dies der Fall ist, so ist ein weltumfassendes Gesetz unmöglich, und wir werden gut daran tun, uns mit einem geringen Mass von Glückseligkeit, das wir erhaschen können, zu begnügen, und dem tollen Elefanten im Garten den Willen zu lassen. Aber ist dies wirklich so? Wenn die Masse der gewöhnlichen Leute unheilbar patriotisch und kriegerisch gesinnt ist, warum findet man dann in der gesamten patriotischen Literatur so oft den Ton klagender Warnungsrufe? Warum z. B. schreibt Mr. Rudyard Kipling in seiner Geschichte Englands so streng und scheltend? Für jeden, der sich mit der Zukunftsaussicht der Menschheit beschäftigt, war die allgemeine Entgegnung auf Präsident Wilsons Verteidigung des Völkerbundsgedankens, in seinem ersten Stadium 1918, vor der vernichtenden und erschlaffenden Enttäuschung der Versailler Konferenz, ausserordentlich bedeutsam. Kürzlich noch hatte es den Anschein, als wenn Präsident Wilson vor einer ganz neuen Ordnung der Dinge stände, als wenn er Einsicht, Macht und Willen besässe, um die Fäden von Hass, Nationalismus und Diplomatie, in die die alte Welt verstrickt ist, zu zerreissen. Und damals, als er dazu fähig schien, als er der Welt in diesem Sinne die grössten Versprechungen machte, fand er auch in der ganzen Welt den grössten Anhang und die äusserste Unterstützung. In der letzten Hälfte von 1918 gab es schwerlich in irgend einem Land der Welt nicht Leute, die bereit gewesen wären, für Präsident Wilson zu sterben. Eine grosse Hoffnungsfreudigkeit ging durch die Welt. Sie schwand, schwand wieder rasch dahin. Aber diese kurze Welle des Enthusiasmus, welche die Gemüter in der gesamten Welt, in China, Buchara, in Island, Basutoland, Irland und Marokko, durch denselben grossen Gedanken eines Gerechtigkeitsfriedens in Bewegung setzte, war in der Tat als Faktum vielleicht denkwürdiger, als das Ereignis des grossen Krieges. Es eröffnet die Möglichkeit, dieselben allgemeinen Ideen gleichzeitig in der ganzen Welt zur Ausführung zu bringen, etwas was weit über den Begriff früherer Erfahrung ging. Es bewies, dass die Allgemeinheit der Menschen fähig ist, ebenso friedliebend und kosmopolitisch zu empfinden, wie patriotisch und kriegerisch. In beiden Neigungen liegt eine Ausdehnung und Erhebung, die weit über den Durchschnitt der Empfindung des täglichen Lebens geht, in dem weder das eine noch das andere zu finden ist. Beides sind vergängliche Stimmungen, durch äusseren Antrieb entstanden. Auf diese erste Welle populären Empfindens für ein Weltgesetz als Gegenbewegung gegen die heutige Führung und Diplomatie, nicht auf die schüchterne Gesetzmässigkeit der Urheber des Völkerbundgedankens, müssen wir zurückblicken, wenn wir überhaupt auf eine dauernde Neuordnung der Dinge hoffen. Wir wollen auf den Geist jenes sehr flüchtigen Enthusiasmus, der auf Präsident Wilsons ebenfalls sehr flüchtige Grösse erfolgte, zurückgreifen; wir müssen daran festhalten, ihn zurückrufen, erweitern undfestigen, ihn zu einer Flut weltumfassenden Patriotismus machen, zum Schöpfer neuer Gesinnung, neuer Treue und Aufopferung; aus dem Staub unserer heutigen Einrichtungen heraus neues erbauen und diesem Geist, in der Gestalt eines wahren Weltstaats, neues Leben geben.