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Dieser Sammelband beinhaltet das Beste der deutschen Poesie. Hunderte von ausgesuchten Gedichten von Goethe, Fallersleben, Hofmannsthal, Löns, Claudius, Mörike, Uhland und vielen vielen mehr.
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Seitenzahl: 777
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Die schönsten deutschen Gedichte
Inhalt:
Was ist Poesie?
Winters Flucht
Vorfrühling
Frühlings Auferstehung
Frühlingsbotschaft
Am ersten Maimorgen
Er ist's
Frühlingsglaube
Ganymed
Die Frühlingsfeier
Frühlingsbotschaft
Gekommen ist der Maie
Der Postillon
Weißer Flieder
Mainacht
Der Sommerabend
Sommerabend
Pastors Abendspaziergang
Sommernacht
Die Sommernacht
Gang durch die Nacht
Wetterleuchten
Über die Heide
Herbst
Septembermorgen
Oktoberlied
Herbstlich sonnige Tage
Herbstgefühl
Das gelbe Laub erzittert
Herbstdämmerung
Spruch
Ein Lied hinterm Ofen zu singen
Die Kinder im Schnee
Harzreise im Winter
Der Eislauf
Winternacht
Vom Kirschbaum
Hoffnung
Spruch
Morgenlied
Morgenlied
Morgenlied
Morgengebet
Sonntagsfrühe
Sonnenaufgang im Mai
Mittagszauber
Abendsonne
Abend
Abendgebet
Abendlied
Wiegenlied
Abendlied
Vor Schlafengehen
Ein geistlich Abendlied
Sehnsucht
Spruch
Nacht
Wandrers Nachtlied
Wandrers Nachtlied
Die frühen Gräber
An den Mond
In der Nacht
Gode Nacht
Um Mitternacht
Manche Nacht
In der Nacht
Die Nacht
Wächterruf
An den Schlaf
Der Bach
Der Strom
Mahomets Gesang
Gesang der Geister über den Wassern
Die Weser
Wassersnot
Johanna Sebus
Das Lied vom braven Mann
Die Brück' am Tay
Spruch
Schilflied
Der Zürchersee
Meeresstille
Glückliche Fahrt
Wir saßen am Fischerhause
Die Ozeaniden
Der Gesang des Meeres
Ol Büsum
Der Taucher
Feldeinsamkeit
Vor der Ernte
Gebet der Ähre
Abseits
Das Haus in der Heide
Heidenacht
Hünengrab
Der Knabe im Moor
Heide im Winter
Die Heideschenke
Der Heideknabe
Waldlied
Aus dem Walde
Holzflöße
Jetzt rede du!
Der Harz
Der Alpenjäger
Sprüche
Preis der Tanne
Ein Fichtenbaum steht einsam
In der Stadt
Die Wettertanne
Das Birkenbäumchen
Einkehr
Der Kirschbaum
Die Lotosblume
Das Veilchen
Klage des Ceres
Sprüche
Löwenritt
Das treue Roß
Das Häslein
Schwalbenlied
Die Sperlinge
Die Frösche
Das Spinnlein
Die Lerche
Junge Brut
Der Stieglitz
Der Panther
Die Größe der Welt
Ballade
Sonnenuntergang
Stille der Nacht
Die Erde
Sprüche
Der getreue Eckart
Erlkönig
Der Fischer
Lorelei
Die Heinzelmännchen
Die wandelnde Glocke
Der Totentanz
Lenore
Frau Hitt
Der Mops und der Mond
Die Katzen und der Hausherr
Feine Leute haben feine Sachen
Das Huhn und der Karpfen
Fuchs und Bär
Der Hirsch und der Fuchs
Der Tanzbär
Fuchs und Pferd
Adler und Taube
Fuchs und Igel
Motten
Die Nützlichen
Ellengröße
Turnen
Die Zaunranke und der Klee
Die Sonne und die Tiere
Blau-Veilchen
Vom Bäumlein, das andre Blätter hat gewollt
Die Ameise
Der Bauer und sein Kind
Rätsel
Guter Rat
Ich will heraus aus dieser Stadt
Der frohe Wandersmann
Wanderlied
Morgenwanderung
Ausfahrt
Wanderlied
Der Wandrer in der Sägemühle
Zwei Heimgekehrte
Der Reisebecher
An die Natur
Radowessische Totenklage
Des Knaben Berglied
Der wilde Jäger
Der weiße Hirsch
Rätsel
Schwert und Pflug
Das eleusische Fest
Das Riesenspielzeug
Im Heu
Eigen Land
Mondüberschimmert
Erntelied
Der Sämann
Der güldene Ring
Lied der Kohlenhauer
Der Bohrturm
Der Tod im Schacht
Spruch
Der Kaufmann
Die ganze Welt
Junker Dampf
Der Blitzzug
Hohe Station
Steinkohlenlied
Lokomotive
Auf der Straßenbahn
Auf der Straßenbahn
Sprüche
Die Trommel
Soldaten-Morgenlied
Inschrift
Tod in Ähren
Schlachtgesang
Großmutting, hei is dod!
An Anfrag
"So einer war auch Er!"
Rätsel
Der Lotse
John Maynard
In Sturmes Not
Salas y Gomez
"Een Boot is noch buten!"
Die Schiffersfrau
Jan Bart
Der siebzigste Geburtstag
O, hast du noch ein Mütterchen
Das Erkennen
Meiner Mutter
Vom Grab meiner Mutter
Bei dem Grabe meines Vaters
Ein Grab
Die beschränkte Frau
Beim Tode meines Bruders
Ein Friedhofsgang
Der Sohn der Witwe
Das Kind am Brunnen
Gut Nacht
Auf meines Kindes Tod
Die Bürgschaft
Lied der Freundschaft
Es ragt ins Meer der Runenstein
Sprüche
Freund und Feind
Das Herzensschlüsselein
Gruß
Willkommen und Abschied
Liebesfrühling
Seit ich ihn gesehen
Mailied
Du bist wie eine Blume
Die Beiden
Die Nachtigall
Abreise
Elisabeth
Das verlassene Mägdlein
Das zerbrochene Ringlein
Hochzeitslied
Im stillen Hafen
Helfe Gott mir
Nun hast du mir den ersten Schmerz getan
Epilog
Rückkehr in die Heimat
Heimkehr
Die alte Rathausuhr
In der Heimat
Daheim
Abschied
Die Stadt
Ein Freund ging nach Amerika
Die Auswanderer
Vereinsamt
Nachklang
Heimweh
Aus der Jugendzeit
Die Stadt
Das Schloß Boncourt
Das alte Haus
Min Port
Sprüche
Deutscher Trost
Vaterlandslied
Warum ruf' ich?
Frühlingsgruß an das Vaterland
An das Vaterland
Mein Vaterland
An das Vaterland
Unsere Sprache
An die Sprache
Muttersprache
Uns' plattdütsche Sprak
Wert der Muttersprache
Ein Gleichnis
Wort und Schrift
Rätsel
Sprüche
Der Schatzgräber
Der Schatzgräber
Die Schatzgräber
Die alte Waschfrau
Einem Tagelöhner
Lied eines Armen
Arbeit
Arbeit
Arbeit
Der Arbeitsmann
Für meine Söhne
Ehre
Die Ideale
Sprüche
Hab Sonne!
Da aber liegt's
Der Jünger
Sprüche
Der Prozeß
Die Rache
Der Bettler und sein Hund
Sprüche
Die zwei Gesellen
Das Glück
Glück
Du hast mich beschenkt
Täglich zu singen
Die Sorglichen
Es war einmal
Über ein Stündlein
Der törichte Jäger
Das Postmaidlein
Das Glück und die Weisheit
Beherzigung
Sprüche
Der Glockenguß zu Breslau
Die Sonne bringt es an den Tag
Der König
Auf die Reise
Sprüche
Am ersten Sarge
Meine Gräber
Die Uhr
Spuk
Der Tod und das Kind
Zu spät
Cita mors ruit
Denk' es, o Seele!
Das Kind
Der Liebe Dauer
Chor der Toten
Sprüche
Die Worte des Glaubens
Die Worte des Wahns
Der Vorhang
Prooemion
Was quälst du dich ihn zu finden?
Dem unbekannten Gott
Im Schutz des Herrn
Sprüche
Der bessere Teil
Grenzen der Menschheit
Vom Beten
Wie oft Gott zu danken sei?
Dem Erlöser
Abendgebet
Sprüche
Gottes Wort
Schäfers Sonntagslied
Friede auf Erden
Knecht Ruprecht
Gebet eines kleinen Knaben an den heiligen Christ
Des fremden Kindes heiliger Christ
Die Hirten
Die Könige
Weihnachtslied
Weihnacht
Weihnachten auf fremdem Meere
Zum neuen Jahre
Ostermorgen
Pfingstlied
Der Gang nach dem Eisenhammer
Der Dorfkirchhof
De Garn
Sprüche
Der Maler
Natur und Kunst
Meine Göttin
Die Phantasie vor Gericht
Steinerne Tierskulptur
Begeisterung
Sprüche
Pegasus im Joche
Freie Kunst
Die Alten und die Jungen
Wenn ein Kind im Dunkeln bang
Sprüche
Die Teilung der Erde
Der Sänger
Des Sängers Fluch
Das Distichon
Das Epigramm
Der Reim
Der Reim
Arten der Dichtung
Dramaturgische Epistel
Gegenmächte
Sprüche
Von des Kaisers Bart
Die Eichelsaat
Böser Markt
Tragische Geschichte
Der Junker und der Bauer
De Reknung ahn Wirt
De Koppweihdag'
Oh, Jöching Päsel, wat büst du för'n Esel!
Restauration
Frühlingslied
Vom Pythagoräischen Lehrsatz
Die Schule von Athen
Plato
Die Ideen
Die Weisheit der Stoa
Die Gärten des Epikur
Sprüche des Konfuzius
Eure Weisheit
Archimedes und der Schüler
Wahrheit
Einem jungen Freunde, als er sich der Weltweisheit widmete
An die Transzendenten
Sprüche
Das Göttliche
Das Ideal und das Leben
Bildung
Ein fester Standpunkt
Unser Gedächtnis
Sprüche
Die vier Alter
Die Blütenfee
Das Gewitter
Der Mensch
Die Winterwasser rauschen
Eingelegte Ruder
Mit vierzig Jahren
Die Jahre
Abendlied
Greisenglück
Hoffnung
Sprüche
Die Herrgottskinder
Der Spaziergang
Menschheit
Das Lied von der Glocke
Schicksalslied
Gesang des Lebens
Weltmitte
Deutsche Hymne
Weine nicht
Spruch
Parabel
Das Kind der Sorge
Die Kreuzschau
Altdeutsches Rätsel
Die tote Erde
Das verschleierte Bild zu Sais
Der Zauberlehrling
Brahmanische Erzählung
Chidher
Harmosan
Mose im Nil
Pharao
Goliath und David
Belsazer
Legende vom Hufeisen
Petrus
Der gerettete Jüngling
Die wiedergefundenen Söhne
Prometheus
Antigone
Kassandra
Das Siegesfest
Der Ring des Polykrates
Die Kraniche des Ibykus
Der kleine Hydriot
Sprüche
Ver sacrum
Der Gesang der Parze
Drusus' Tod
Der Tod des Tiberius
Pompeji und Herkulanum
"Ave Caesar, morituri te salutant!"
Die Sehnsucht des Weltweisen
Der Tod des Carus
Lied der Legionen
Die Römerstraße
Mignon
Das Glück von Edenhall
Die traurige Krönung
Taillefer
Archibald Douglas
Das Herz von Douglas
Shakespeare
Sprüche
Das Geisterroß
Graf Richard Ohnefurcht
Bertran de Born
Bretagne
Die Grenadiere
Schlafwandel
Die drei Zigeuner
Die Werbung
Die Walküren
Das Schloß am Meere
Der blinde König
Der König in Thule
Die sterbenden Helden
Der Läufer von Glarus
Tells Tod
Hunnenzug
Gotentreue
Das Grab im Busento
Das Schwert
Siegfrieds Schwert
Volkers Nachtgesang
Hagens Sterbelied
Gudruns Klage
Von Kaiser Karl dem Großen
König Karls Meerfahrt
Das Pferd als Kläger
Klein Roland
Roland Schildträger
Heinrich der Vogelsteller
Herrad
Die Kaiserwahl
Im Lager von Akkon 1190
Mittelalter seit der Hohenstaufenzeit
Barbarossa
Sage und Geschichte
Schwäbische Kunde
Die Johanniter
Der Graf von Habsburg
Graf Eberhard der Rauschebart
Der Überfall im Wildbad
Die drei Könige zu Heimsen
Die Schlacht bei Reutlingen
Die Döffinger Schlacht
Der Kaiser und der Abt
Der Kampf mit dem Drachen
Der Handschuh
Das Münster
Reformation
Der fremde Reiter
Huttens letzte Tage
Bauernaufstand
Alte Landsknechte
Wartburg-Dämmerung
Der Rappe des Komturs
Der Pilgrim vor St. Just
Tilly
Der 6. November 1632
Schloß Eger
Die Friedenseiche
Der alte Derffling
Bei Eröffnung des Feldzuges
Wer weiß wo?
Der Choral von Leuthen
Seydlitz
Der alte Zieten
Zieten
Die Exekution
Das Feuer im Walde
Sanssouci
Schill
An die Königin Luise von Preußen
Vor Rauchs Büste der Königin Luise
Fluchtlied
Anno Domini 1812
Andreas Hofer
Geharnischte Sonette
Aufruf
Lied zur feierlichen Einsegnung des preußischen Freikorps
Wer ist ein Mann?
Bundeslied vor der Schlacht
Gebet während der Schlacht
Abschied vom Leben
Lützows wilde Jagd
Auf Scharnhorsts Tod
Die Leipziger Schlacht
Blücher am Rhein
Der deutsche Rhein
Wann, o wann?
Bei Wörth
Die Trompete von Vionville
Die Rosse von Gravelotte
Des deutschen Knaben Tischgebet
Am dritten September (1870)
Aus den Liedern aus Frankreich. 1870
"Unter den Linden"
In einer Winternacht
Sage und Geschichte
Dem Fürsten Bismarck
Wo Bismarck liegen soll
Der Tod Moltkes
Deutschland und die Welt
Ostpreußischer Landsturm
Reservistenlied
Nun gehen viele Füße
Der Feldsoldat
Unsere Verwundeten
Brüder
Spielmanns Tod
Soldatengrab
Vermißt
Tod im Krieg
Todesbotschaft
Des Liebsten Grab
Die Flüchtlinge
An die Soldaten des großen Krieges
Kriegskameraden
Vergiß der Opfer nicht!
Frühlingsglaube
Ihr wollt zurück uns führen
Soldatenfriedhof
Märchen
Walter von der Vogelweide
Erklärung eines alten Holzschnittes, vorstellend Hans Sachsens poetische Sendung
"Prinz Eugen, der edle Ritter"
Die beiden Musen
Lessing
Lessing
Schiller
Die deutsche Muse
Am Grabe Höltys
Zueignung
Münstersage
Seefahrt
Ilmenau
Karl August
Goethes Gartenhaus
An Goethe als er den Mahomet von Voltaire auf die Bühne brachte
Epilog zu Schillers Glocke
Schillers Bestattung
Abends bei Goethe
Unter ein Bildnis Goethes
Goethe
Die Märchenbrüder
Eichendorff
Ludwig Uhland
Emanuel Geibel
Sprüche
Die schönsten deutschen Gedichte, Jürgen Beck
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849614799
www.jazzybee-verlag.de
Poesie (griech., von poiein, »machen, schaffen«) oder Dichtkunst ist die Kunst der ästhetisch wertvollen Darstellung durch Worte. Ästhetisch wertvoll ist eine solche Darstellung dann, wenn sie in letzter Linie darauf ausgeht, die Gefühlsinhalte des Lebens zu erschließen, und wenn sie weder der logischen Erkenntnis, noch dem ethischen Wollen dienstbar gemacht wird. Als Kunst der Darstellung durch Worte ist die P. nächstverwandt der Musik, die ja auch in Lauten, nicht in sprachlichen, aber in musikalischen Lauten zu uns redet. Sie ist eben damit in gewissem Sinne, wie die Musik, eine Kunst der Sukzession, d. h. eine Kunst, welche die Teile des Darzustellenden nicht gleichzeitig, sondern nacheinander uns entgegenführt. Aber die Sukzession ist doch in beiden Fällen wesentlich verschieden: während nämlich in der Musik ein in sich geschlossenes Gebilde nur durch die vollständige Abfolge der in sich einheitlichen und zusammengehörigen Tonreihen zustande kommt, vermag die P. durch den Inhalt der Worte ein Ganzes (etwa die Vorstellung eines Schlosses, einer Person oder auch eines Geschehnisses) vorwegzunehmen, um erst hierauf allmählich die Einzelheiten des Gegenstandes oder Vorganges durch Beschreibung oder Erzählung auszumalen oder zu vervollständigen. Sie setzt ihre Gebilde nicht mosaikartig zusammen, sondern sie weiß unsre Phantasie zwischen Gesamtvorstellungen und Teilvorstellungen gefällig hin und her zu lenken. Die P. unterscheidet sich von der Musik weiterhin dadurch, dass sie nicht, wie diese, nur Inneres, sondern auch Äußeres (sinnlich Wahrnehmbares), nicht lediglich Stimmungen oder allgemeinste Weisen der seelischen Erregung, sondern konkrete Objekte, Vorgänge, individuelle Erlebnisse, inhaltlich vollbestimmte Gedanken, Gefühle etc. zu Gegenständen der Darstellung hat. In dieser Hinsicht tritt die P. mit den bildenden Künsten, Plastik und Malerei, auf eine Linie. Anderseits steht sie im Gegensatz zu diesen Künsten dadurch, dass die P. alles, was sie durch ihr Darstellungsmittel, die Worte, ausdrückt, sei es Äußeres oder Inneres, lediglich unsrer Phantasie vorführt, nicht wie Plastik und Malerei Formen und Farben der Außenwelt unmittelbar den Sinnen darbietet. Auch darf die P. in weit größerem Umfang als die bildenden Künste den abstrakten Gedanken Ausdruck verleihen, wenn diese nur der konkreten Gesamtanschauung dienstbar und untergeordnet bleiben. Ferner ist die P. als Kunst der Sukzession den bildenden Künsten auch in der Darstellung des Äußern insofern überlegen, als sie nicht nur beharrendes Dasein und momentane oder dauernde Zustände, sondern auch Bewegungen, Veränderungen, Vorgänge, Handlungen unmittelbar, obzwar nur für die Phantasie, darzustellen vermag, während die bildenden Künste sich begnügen müssen, aus den dargestellten Zuständen oder Momenten die Bewegungen oder Veränderungen erschließen zu lassen. Die P. kann demnach, was sie verliert, indem sie nur an die Phantasie sich wendet, ganz oder teilweise dadurch wiedergewinnen, dass sie die Darstellung des Geschehens sich angelegen sein lässt. Sie vermag auf diese Weise alles das Schöne und Erhabene, das erst in einem Geschehen oder einem Wechsel des Geschehens, vor allem in seinem eignen sukzessiven Sich ausleben und -Auswirken, sei es überhaupt, sei es vollständig, zutage tritt, zum Gegenstand der Darstellung zu machen und sich so über alle andern Künste hinaus zu erweitern und zu vertiefen. In der sukzessiven Darstellungsweise der P. liegt aber auch eine Gefahr, nämlich die Gefahr, dass wir bei der ihr entsprechenden sukzessiven Auffassung des Dargestellten beständig eins über dem andern verlieren, dass dasjenige, was uns jetzt beschäftigt, die Aufmerksamkeit dem Folgenden entzieht oder umgekehrt von ihm völlig verschlungen wird, dass also für unsre Phantasie nur ein bunter Wechsel von Inhalten, niemals ein einheitliches Ganze zustande kommt. Damit diese Gefahr vermieden werde, bedarf es in der P. mehr als in den bildenden Künsten der inneren Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen. Es müssen solche Beziehungen die Aufmerksamkeit einerseits nach vorwärts, anderseits eben sowohl nach rückwärts leiten, also Früheres mit Späterem verbinden und zu Einem verweben. Und es genügt nicht, dass das Einzelne mit Einzelnem durch solche Beziehungen verbunden sei, sondern es müssen ebensolche Beziehungen im großen die Verknüpfung herstellen. Trotz aller solcher das Einzelne zum Ganzen verwebender Beziehungen bleibt aber doch in der poetischen Darstellung das Einzelne, weil es nur für die Phantasie besteht und auch an ihr nur vorüberzieht, an sich relativ bedeutungslos. Die einfache Nennung etwa eines Merkmals, eines Dinges oder einer Persönlichkeit im Verlaufe der poetischen Darstellung hat an sich geringe Kraft. Diesem Mangel vermag die P. zu begegnen, indem sie das zu Charakterisierende, statt es nur einfach zu bezeichnen, sukzessive in mannigfacher Weise beleuchtet, es sich entwickeln und jetzt unter diesen, jetzt unter jenen Umständen sich betätigen, jetzt nach dieser, jetzt nach jener Seite seine Eigenart kundgeben lässt. Indem die P. solche verschiedenartige Momente der Darstellung Eines und Desselben nicht nur aneinanderreiht, sondern zugleich durch jene Beziehungen miteinander verwebt, bewirkt sie zugleich, dass diese Momente nicht nur als einzelne wirken, sondern auseinander hinweisen, sich wechselseitig erleuchten, modifizieren, korrigieren und in diesem Zusammenwirken trotz der Sukzession ein sicheres Bild ergeben. Endlich hat die relative Kraftlosigkeit des Einzelnen in der poetischen Darstellung noch die wichtige Folge, dass in der P. das an sich Hässliche oder ästhetisch Unbefriedigende in ungleich höherem Grade möglich, d. h. in ungleich höherem Grade zu positiver, ästhetischer Wirkung verwertbar ist, als in andern Künsten. Je mehr das einzelne Hässliche, wie alles Einzelne überhaupt, an sich zurücktritt, um so mehr kann es Durchgangspunkt werden für ein Schönes, Hintergrund, von dem ein Schönes oder ästhetisch positiv Wertvolles sich abhebt, Boden, aus dem ein solches erwächst, Objekt, an dem es sich betätigt, dem es standhält, oder das durch das positiv Wertvolle überwunden wird und so die Macht des letzteren erweist. Vor allem gelangt die Tragik, der Humor und jede Art des Konfliktes erst in der P. zu voller Bedeutung. Jede Tragik, jeder Humor, jeder Konflikt schließt ja ein an sich Unbefriedigendes oder (im weitern Sinne des Wortes) Hässliches in sich.
Alles in allem erscheint so die P. als die umfassendste, reichste und freieste unter allen Künsten, vor andern dazu befähigt, weite Zusammenhänge des Lebens zu umspannen, anderseits in die Tiefe zu gehen und überall das ästhetisch Wertvolle zu finden und aus Licht zu ziehen. Außer den bezeichneten Mitteln, eine solche Wirkung zu üben, hat die P. im einzelnen noch allerlei andre Mittel. Als Kunst der Sukzession vermag sie in mannigfacher Weise Erwartung zu erregen und bald unmittelbar zu befriedigen, bald zu spannen und eine erhöhte Befriedigung zu erzeugen; sie kann bald rasch vorwärts drängen, bald zurückhalten, jetzt starke Wirkungen häufen, jetzt ein wirkungsvolles Moment ins Einzelne sich ausgestalten und auswirken lassen, einmal lebhaft erregen, dann den Wellenschlag der seelischen Erregung im Hörer in ruhige Bahnen lenken, bald stürmen, bald träumen etc. Der Reichtum der poetischen Sprache, besonders der »ästhetischen Apperzeptionsformen«, setzt sie in den Stand, mit großer Freiheit in diesem oder jenem Punkte zu beleben, zu steigern, Phantasie und Gefühl in besonderer Weise anzuregen, die Aufmerksamkeit zu lenken, Wesentliches zu betonen etc.; die poetische Form, die gebundene Rede, auch schon der freiere, durch keine strenge Regel gebundene Rhythmus und Wohlklang schaffen für die Darstellung eine Stimmung, geben ihr ein Kolorit, einen elementaren Gefühlshintergrund, eine begleitende, verstärkende und vereinheitlichende Resonanz. Wie jedes Kunstwerk, so bedarf das poetische der Einheit und der Einheitlichkeit, d. h. des sich Zusammenschließens aller Gedanken oder Motive in einem Punkte oder des Abzielens auf einen solchen, und des Zusammenwirkens aller Elemente der Darstellung, des Stoffes, der Sprache, der äußern Form etc. zu einem in sich einstimmigen Ganzen. Es bedarf anderseits der Gliederung. Wie bei jedem Kunstwerk, so findet auch beim poetischen eine Auswahl dessen statt, was in ihm zur Einheit sich verbindet und in die Gliederung eingeht; ein Herausheben des Bedeutungsvollen, anderseits ein »ästhetisches Negieren«. Das Mittel zu solchem Negieren ist bei ihr das denkbar einfachste; es besteht im Verschweigen. Übrigens kann die P. wegen des Reichtums verknüpfender Beziehungen, die ihr zu Gebote stehen, und wegen der Freiheit in ihrer Verwendung in besonderem Maße nicht nur vieles, sondern auch räumlich, qualitativ und schließlich selbst zeitlich weit Entlegenes zur Einheit verbinden, Fäden da und dort scheinbar zusammenhangslos anspinnen und schließlich doch sie alle in einen einheitlichen Zusammenhang verweben. Auch dies ist dem poetischen Kunstwerk mit andern gemein, dass es ein in sich abgeschlossenes Ganze sein muss, d. h. vor allem so beschaffen, dass es ohne Hinzudenken oder Hinzudichten seitens des Hörers oder Lesers aus sich selbst verständlich ist und keine Frage, deren Beantwortung zur einheitlich abgeschlossenen ästhetischen Wirkung erforderlich ist, in ihm unbeantwortet bleibt. Die Art der Einheit und Abgeschlossenheit, wie überhaupt jede an das poetische Kunstwerk zu stellende Forderung modifiziert sich je nach der Besonderheit der poetischen Gattung. Die Grundgattungen sind die lyrische, die epische, die dramatische und die didaktische Dichtung. Über sie wie über ihre Unterarten (Lyrik, Epos, Roman, Novelle, Märchen, Drama, Lehrgedicht etc.) vgl. die betreffenden Artikel.
Dem Winter wird der Tag zu lang, Ihn schreckt der Vögel Lustgesang; Er horcht und hört's mit Gram und Neid, Und was er sieht, das weckt ihm Leid. Er flieht der Sonne milden Schein, Sein eigner Schatten macht ihm Pein, Er wandelt über grüne Saat Und Gras und Keime früh und spat: "Wo ist mein silberweißes Kleid, Mein Hut mit Demantstaub bestreut?" Er schämt sich wie ein Bettelmann Und läuft, was er nur laufen kann, Und hinterdrein scherzt jung und alt In Luft und Wasser, Feld und Wald; Der Kiebitz schreit, die Biene summt, Der Kuckuck ruft, der Käfer brummt; Doch weil's noch fehlt an Spott und Hohn, So quakt der Frosch vor Ostern schon.
Hoffmann von Fallersleben
Es läuft der Frühlingswind Durch kahle Alleen, Seltsame Dinge sind In seinem Wehn.
Er hat sich gewiegt, Wo Weinen war, Und hat sich geschmiegt In zerrüttetes Haar.
Er schüttelte nieder Akazienblüten Und kühlte die Glieder, Die atmend glühten
Lippen im Lachen Hat er berührt, Die weichen und wachen Fluren durchspürt.
Er glitt durch die Flöte Als schluchzender Schrei, An dämmernder Nöte Flog er vorbei.
Er flog mit Schweigen Durch flüsternde Zimmer Und löschte im Neigen Der Ampel Schimmer.
Es läuft der Frühlingswind Durch kahle Alleen, Seltsame Dinge sind In seinem Wehn.
Durch die glatten Kahlen Alleen Treibt sein Wehn Blasse Schatten.
Und den Duft Den er gebracht, Von wo er gekommen Seit gestern nacht.
Hugo von Hofmannsthal
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche Durch des Frühlings holden, belebenden Blick; Im Tale grünet Hoffnungsglück; Der alte Winter in seiner Schwäche Zog sich in rauhe Berge zurück. Von dorther sendet er, fliehend, nur Ohnmächtige Schauer körnigen Eises In Streifen über die grünende Flur.Aber die Sonne duldet kein Weißes; Überall regt sich Bildung und Streben, Alles will sie mit Farben beleben; Doch an Blumen fehlt's im Revier, Sie nimmt geputzte Menschen dafür. – Kehre dich um, von diesen Höhen Nach der Stadt zurück zu sehen. Aus dem hohlen, finstern Tor Dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern; Sie feiern die Auferstehung des Herrn. Denn sie sind selber auferstanden; Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, Aus Handwerks- und Gewerbesbanden, Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, Aus der Straßen quetschender Enge, Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht Sind sie alle ans Licht gebracht. – Sieh nur, sieh, wie behend sich die Menge Durch die Gärten und Felder zerschlägt. Wie der Fluß in Breit' und Länge So manchen lustigen Nachen bewegt; Und, bis zum Sinken überladen, Entfernt sich dieser letzte Kahn. Selbst von des Berges fernen Pfaden Blinken uns farbige Kleider an. Ich höre schon des Dorfs Getümmel; Hier ist des Volkes wahrer Himmel, Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!
Wolfg. Goethe (Faust, entst. 1775)
Hoch oben auf dem Eichenast Eine bunte Meise läutet Ein frohes Lied, ein helles Lied; Ich weiß auch, was es bedeutet.
Es schmilzt der Schnee, es kommt das Gras, Die Blumen werden blühen; Es wird die ganze weite Welt In Frühlingsfarben glühen.
Die Meise läutet den Frühling ein, Ich hab' es schon lange vernommen; Er ist zu mir bei Eis und Schnee Mit Singen und Klingen gekommen.
Hermann Löns
Heute will ich fröhlich, fröhlich sein, Keine Weis' und keine Sitte hören; Will mich wälzen, und für Freude schrei'n, Und der König soll mir das nicht wehren;
Denn er kommt mit seiner Freuden Schar Heute aus der Morgenröte Hallen, Einen Blumenkranz um Brust und Haar Und auf seiner Schulter Nachtigallen;
Und sein Antlitz ist ihm rot und weiß, Und er träuft von Tau und Duft und Segen – Ha! mein Thyrsus sei ein Knospenreis, Und so tauml' ich meinem Freund entgegen.
Matthias Claudius
Frühling läßt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte; Süße, wohlbekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen. – Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab' ich vernommen!
Eduard Mörike (1820)
Die linden Lüfte sind erwacht. Sie säuseln und weben Tag und Nacht, Sie schaffen an allen Enden. O frischer Duft, o neuer Klang! Nun, armes Herze, sei nicht bang! Nun muß sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Man weiß nicht, was noch werden mag, Das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Tal: Nun, armes Herz, vergiß der Qual! Nun muß sich alles, alles wenden.
Ludwig Uhland
Wie im Morgenglanze Du rings mich anglühst, Frühling, Geliebter! Mit tausendfacher Liebeswonne Sich an mein Herz drängt Deiner ewigen Wärme Heilig Gefühl, Unendliche Schöne!
Daß ich dich fassen möcht' In diesen Arm!Ach, an deinem Busen Lieg' ich, schmachte, Und deine Blumen, dein Gras Drängen sich an mein Herz. Du kühlst den brennenden Durst meines Busens, Lieblicher Morgenwind! Ruft drein die Nachtigall Liebend nach mir aus dem Nebeltal.
Ich komm', ich komme! Wohin? ach, wohin?
Hinauf! Hinauf strebt's. Es schweben die Wolken Abwärts, die Wolken Neigen sich der sehnenden Liebe. Mir! Mir! In euerm Schoße Aufwärts! Umfangend umfangen! Aufwärts an deinen Busen, Allliebender Vater!
Wolfgang Goethe
Nicht in den Ozean der Welten alle Will ich mich stürzen! schweben nicht, Wo die ersten Erschaffnen, die Jubelchöre der Söhne des Lichts, Anbeten, tief anbeten und in Entzückung vergehn!
Nur um den Tropfen am Eimer, Um die Erde nur will ich schweben und anbeten! Halleluja! Halleluja! Der Tropfen am Eimer Rann aus der Hand des Allmächtigen auch!
Da der Hand des Allmächtigen Die größeren Erden entquollen, Die Ströme des Lichts rauschten und Siebengestirne wurden, Da entrannest du, Tropfen, der Hand des Allmächtigen!
Da ein Strom des Lichts rauscht' und unsre Sonne wurde, Ein Wogensturz sich stürzte wie vom Felsen Der Wolk' herab und den Orion gürtete, Da entrannest du, Tropfen, der Hand des Allmächtigen!
Wer sind die tausendmal Tausend, wer die Myriaden alle, Welche den Tropfen bewohnen und bewohnten? und wer bin ich? Halleluja dem Schaffenden! mehr wie die Erden, die quollen, Mehr wie die Siebengestirne, die aus Strahlen zusammenströmten!
Aber du Frühlingswürmchen, Das grünlichgolden neben mir spielt, Du lebst – und bist vielleicht Ach, nicht unsterblich!
Ich bin herausgegangen anzubeten, Und ich weine! Vergib, vergib Auch diese Träne dem Endlichen, O du, der sein wird!
Du wirst die Zweifel alle mir enthüllen, O du, der mich durch das dunkle Tal Des Todes führen wird. Ich lerne dann, Ob eine Seele das goldene Würmchen hatte.
Bist du nur gebildeter Staub, Sohn des Mais, so werde denn Wieder verfliegender Staub, Oder was sonst der Ewige will!
Ergeuß von neuem du, mein Auge, Freudentränen! Du, meine Harfe, Preise den Herrn!
Umwunden wieder, mit Palmen Ist meine Harf umwunden! ich singe dem Herrn! Hier steh' ich. Rund um mich Ist alles Allmacht und Wunder alles!
Mit tiefer Ehrfurcht schau' ich die Schöpfung an, Denn du, Namenloser, du Schufest sie.
Lüfte, die um mich wehn und sanfte Kühlung Auf mein glühendes Angesicht hauchen, Euch, wunderbare Lüfte, Sandte der Herr, der Unendliche!
Aber jetzt werden sie still, kaum atmen sie. Die Morgensonne wird schwül! Wolken strömen herauf! Sichtbar ist, der kommt, der Ewige!
Nun schweben sie, rauschen sie, wirbeln die Winde! Wie beugt sich der Wald! Wie hebt sich der Strom! Sichtbar, wie du es Sterblichen sein kannst, Ja, das bist du, sichtbar, Unendlicher!
Der Wald neigt sich, der Strom fliehet; und ich Falle nicht auf mein Angesicht? Herr! Herr! Gott! barmherzig und gnädig! Du Naher, erbarme dich meiner!
Zürnest du, Herr, Weil Nacht dein Gewand ist? Diese Nacht ist Segen der Erde. Vater, du zürnest nicht!
Sie kommt, Erfrischung auszuschütten Über den stärkenden Halm, Über die herzerfreuende Traube. Vater, du zürnest nicht!
Alles ist still vor dir, du Naher! Ringsumher ist alles still! Auch das Würmchen, mit Gold bedeckt, merkt auf. Ist es vielleicht nicht seelenlos? ist es unsterblich?
Ach, vermöcht' ich dich, Herr, wie ich dürste, zu preisen! Immer herrlicher offenbarest du dich! Immer dunkler wird die Nacht um dich Und voller von Segen!
Seht ihr den Zeugen des Nahen, den zückenden Strahl? Hört ihr Jehovas Donner? Hört ihr ihn? hört ihr ihn, Den erschütternden Donner des Herrn?
Herr! Herr! Gott! Barmherzig und gnädig! Angebetet, gepriesen Sei dein herrlicher Name!
Und die Gewitterwinde? sie tragen den Donner! Wie sie rauschen! wie sie mit lauter Woge den Wald durchströmen! Und nun schweigen sie. Langsam wandelt Die schwarze Wolke.
Seht ihr den neuen Zeugen des Nahen, den fliegenden Strahl? Höret ihr hoch in der Wolke den Donner des Herrn? Er ruft: Jehova! Jehova! Und der geschmetterte Wald dampft!
Aber nicht unsre Hütte! Unser Vater gebot Seinem Verderber, Vor unsrer Hütte vorüberzugehn.
Ach, schon rauscht, schon rauscht Himmel und Erde vom gnädigen Regen! Nun ist, wie dürstete sie! die Erd' erquickt Und der Himmel der Segensfüll' entlastet.
Siehe, nun kommt Jehova nicht mehr im Wetter; In stillem, sanftem Säuseln Kommt Jehova, Und unter ihm neigt sich der Bogen des Friedens!
Friedr. Gottlieb Klopstock (Kopenhagen 1759)
Leise zieht durch mein Gemüt Liebliches Geläute; Klinge, kleines Frühlingslied, Kling hinaus ins Weite.
Kling hinaus bis an das Haus, Wo die Blumen sprießen. Wenn du eine Rose schaust, Sag' ich laß sie grüßen.
Heinrich Heine (Zuerst gedruckt 1831)
Gekommen ist der Maie, Die Blumen und Bäume blühn, Und durch die Himmelsbläue Die rosigen Wolken ziehn.
Die Nachtigallen singen Herab aus der laubigen Höh', Die weißen Lämmer springen Im weichen grünen Klee.
Ich kann nicht singen und springen. Ich liege krank im Gras; Ich höre fernes Klingen, Mir träumt, ich weiß nicht was.
Heinrich Heine (Aus dem "Neuen Frühling")
Lieblich war die Maiennacht, Silberwölklein flogen, Ob der holden Frühlingspracht Freudig hingezogen.
Schlummernd lagen Wies' und Hain, Jeder Pfad verlassen; Niemand als der Mondenschein Wachte auf der Straßen.
Leise nur das Lüftchen sprach, Und es zog gelinder Durch das stille Schlafgemach All der Frühlingskinder.
Heimlich nur das Bächlein schlich, Denn der Blüten Träume Dufteten gar wonniglich Durch die stillen Räume.
Rauher war mein Postillon, Ließ die Geißel knallen, Über Berg und Tal davon Frisch sein Horn erschallen.
Und von flinken Rossen vier Scholl der Hufe Schlagen, Die durchs blühende Revier Trabten mit Behagen.
Wald und Flur im schnellen Zug Kaum gegrüßt – gemieden; Und vorbei, wie Traumesflug, Schwand der Dörfer Frieden.
Mitten in dem Maienglück Lag ein Kirchhof innen, Der den raschen Wanderblick Hielt zu ernstem Sinnen.
Hingelehnt an Bergesrand War die bleiche Mauer, Und das Kreuzbild Gottes stand Hoch, in stummer Trauer.
Schwager ritt auf seiner Bahn Stiller jetzt und trüber; Und die Rosse hielt er an, Sah zum Kreuz hinüber:
"Halten muß hier Roß und Rad, Mag's Euch nicht gefährden; Drüben liegt mein Kamerad In der kühlen Erden!
Ein gar herzlieber Gesell! Herr, 's ist ewig schade! Keiner blies das Horn so hell, Wie mein Kamerade!
Hier ich immer halten muß, Dem dort unterm Rasen Zum getreuen Brudergruß Sein Leiblied zu blasen!"
Und dem Kirchhof sandt' er zu Frohe Wandersänge, Daß es in die Grabesruh Seinem Bruder dränge.
Und des Hornes heller Ton Klang vom Berge wider, Ob der tote Postillon Stimmt' in seine Lieder. –
Weiter ging's durch Feld und Hag Mit verhängtem Zügel; Lang mir noch im Ohre lag Jener Klang vom Hügel.
Nikolaus Lenau (1899)
Naß war der Tag – die schwarzen Schnecken krochen. Doch als die Nacht schlich durch die Gärten her. Da war der weiße Flieder aufgebrochen, Und über alle Mauern hing er schwer.
Und über alle Mauern tropften leise Von bleichen Trauben Perlen groß und klar – Und war ein Duften rings, durch das die Weise Der Nachtigall wie Geld geflochten war.
Borries von Münchhausen.
Noch denke ich manche Stunde Jener Tage am Ostseestrand, Wenn in den grauen Schluchten Jeder Baum in Blüte stand.
Ich denke der stillen Nächte, Am offnen Fenster durchwacht; Ferne Gewitter rollten Im Westen die ganze Nacht.
Und über den Lindenwipfeln Führten im Blitzesschein Die alten Preußengötter Ihren ersten Frühlingsreih'n.
Herden und Saaten segnend. Schwanden sie über das Meer; Ihre hohen Bernsteinkronen Blitzten noch lange her.
Agnes Wiegel
(Ins Hochdeutsche übertragen von Robert Reinick)
O sieh, wie ist die Sonne müd', Sieh, wie sie still nach Hause zieht! O sieh, wie Strahl um Strahl verglimmt, Wie sie ihr Tüchelchen da nimmt, Ein Wölkchen, blau mit rot vermischt, Und sich damit die Stirne wischt!
Wahr ist es, sie hat schlimme Zeit, Im Sommer gar! Der Weg ist weit, Und Arbeit find't sie überall: In Haus und Feld, in Berg und Tal Drängt alles sich nach ihrem Schein Und will von ihr gesegnet sein.
Manch Blümlein hat sie ausstaffiert, Mit Farben prächtig ausgeziert. Dem Bienchen gibt sie seinen Trunk Und sagt zu ihm: "Hast auch genung?" Kam noch ein Käferchen in Eil', Gewiß bekam es auch sein Teil.
Manch Samenhülschen sprengt sie auf Und holt den Samen draus herauf. Wie bettelten die Vögelchen, Wie wetzten sie die Schnäbelchen! Und keins geht hungrig doch zu Bett, Das nicht sein Teil im Kröpfchen hätt'.
Der Kirsche, die am Baume lacht, Hat rote Backen sie gemacht. Und wo im Feld die Ähre schwankt, Und wo am Pfahl die Rebe rankt, Gleich kümmert sich die Sonne drum, Hängt ihnen Laub und Blüten um.
Und auf der Bleiche, seht doch an! Macht sie sich Arbeit, wo sie kann; Das hat dem Bleicher schon behagt, Doch hat er nicht "Gotts Lohn!" gesagt. Ist irgend Wäsche wo im Ort, Sie trocknet hier, sie trocknet dort.
Und wirklich wahr: allüberall. Wo irgend nur die Sens' im Tal Durch Gras und durch die Halme ging. Da macht sie Heu. Wie geht das flink! Es will was sagen, meiner Treu, Am Morgen Gras, am Abend Heu.
Drum ist sie jetzt so schrecklich müd' Und braucht zum Schlaf kein Abendlied. Kein Wunder ist es, wenn sie schwitzt! Sieh, wie sie auf dem Berg da sitzt; "Schlaft alle wohl!" so ruft sie jetzt Und lächelt noch zu guter Letzt.
Da ist sie weg! Behüt' dich Gott! Der Hahn am Kirchturm, seht, wie rot! Er guckt ihr nach ins Haus hinein. Du Naseweis, so laß es sein! Da hat er es! In guter Ruh' Zieht sie den roten Vorhang zu.
Ich denk', wir gehen auch ins Nest. Wen sein Gewissen ruhig läßt, Schläft sicher ein auch ohne Lied, Die Arbeit macht von selber müd'; So manches ist doch heut vollbracht. Gott geb' uns eine gute Nacht!
Johann Peter Hebel
Klar ruhn die Lüfte auf der weiten Flur; Fern dampft der See, das hohe Röhricht flimmert. Im Schilfe glüht die letzte Sonnenspur; Ein blasses Wölkchen rötet sich und schimmert.
Vom Wiesengrunde naht ein Glockenton; Ein Duft von Tau entweicht der warmen Erde. Im stillen Walde lauscht die Dämmrung schon; Der Hirte sammelt seine satte Herde!
Im jungen Roggen rührt sich nicht ein Halm. Die Glocke schweigt wie aus der Welt geschieden. Nur noch die Grillen geigen ihren Psalm – So sei doch froh, mein Herz, in all dem Frieden!
Richard Dehmel
Das Abendrot brennt an des Himmels Saum, Ich schlendre so, als wie im halben Traum, Zum Dorf hinaus auf grünem Wiesenwege Am Wald hinunter, wie ich täglich pflege.
Rings auf der Wiese wimmelt es und schafft, Vom frischen Heu kommt mit gewürz'ger Kraft Ein süßer Duft auf kühler Lüfte Wogen, Mein alter Liebling, zu mir hergezogen.
Rot, Blau und Gold, ein ganzes Farbenreich, Betrachtet sich im spiegelhellen Teich, Wildenten sieht man durch die Wellen streben Und hoch in Lüften Weih und Sperber schweben.
Ein flüsternd Wehen geht im dunkeln Wald, Die Vögel rufen, daß es weithin schallt. Die Unke will sich auf der Flöte zeigen. Die Grille zirpt und auch die Schnaken geigen.
Studieren wollt' ich einen Predigtplan, Nun hör' ich selbst die große Predigt an, Voll Kraft und Mark, ein Menschenherz zu stärken. Die große Predigt von des Meisters Werken.
Friedrich Thed. Vischer
Es wallt das Korn weit in die Runde, Und wie ein Meer dehnt es sich aus; Doch liegt auf seinem stillen Grunde Nicht Seegewürm noch andrer Graus; Da träumen Blumen nur von Kränzen Und trinken der Gestirne Schein; O goldnes Meer, dein friedlich Glänzen Saugt meine Seele gierig ein!
In meiner Heimat grünen Talen, Da herrscht ein alter schöner Brauch: Wann hell die Sommersterne strahlen, Der Glühwurm schimmert durch den Strauch,Dann geht ein Flüstern und ein Winken, Das sich dem Ährenfelde naht, Da geht ein nächtlich Silberblinken Von Sicheln durch die goldne Saat.
Das sind die Bursche, jung und wacker, Die sammeln sich im Feld zuhauf Und suchen den gereiften Acker Der Witwe oder Waise auf, Die keines Vaters, keiner Brüder Und keines Knechtes Hilfe weiß – Ihr schneiden sie den Segen nieder, Die reinste Lust ziert ihren Fleiß.
Schon sind die Garben festgebunden Und rasch in einen Ring gebracht; Wie lieblich floh'n die kurzen Stunden, Es war ein Spiel in kühler Nacht! Nun wird geschwärmt und hell gesungen Im Garbenkreis, bis Morgenluft Die nimmer müden braunen Jungen Zur eignen schweren Arbeit ruft.
Gottfried Keller
Wenn der Schimmer von dem Monde nun herab In die Wälder sich ergießt, und Gerüche Mit den Düften von der Linde In den Kühlungen wehn:
So umschatten mich Gedanken an das Grab Der Geliebten, und ich seh' in dem Walde Nur es dämmern, und es weht mir Von der Blüte nicht her.
Ich genoß einst, o ihr Toten, es mit euch! Wie umwehten uns der Duft und die Kühlung! Wie verschönt warst von dem Monde Du, o schöne Natur!
Friedr. Gottlieb Klopstock (Kopenhagen 1766)
Durch hohe Wiesen gehen In lauer Sommernacht, Von linder Lüfte Wehen Umatmet liebesacht ...
Der Himmel halb verhüllet, Fern schwacher Silberschein – Die müde Seele füllet Ein süßes Stillesein.
Karl Henkell
Die Sonne ist gesunken, Der Donner schlief schon ein; Nur durch die fernen Wolken Geht noch der Blitze Schein.
Es tropfet von den Zweigen – So schweigend steht die Nacht. Nagend in meinen Gedanken Versunknes Leid erwacht.
Du denkst, es ist verklungen Der alte böse Schmerz – Da zuckt sein Wetterleuchten Noch immer durch das Herz.
Heinrich Seidel
Über die Heide hallet mein Schritt; Dumpf aus der Erde wandert es mit.
Herbst ist gekommen, Frühling ist weit – Gab es denn einmal selige Zeit?
Brauende Nebel geisten umher; Schwarz ist das Kraut, und der Himmel so leer.
Wär' ich hier nur nicht gegangen im Mai! Leben und Liebe, – wie flog es vorbei!
Theodor Storm
Schon ins Land der Pyramiden Floh'n die Störche übers Meer, Schwalbenflug ist längst geschieden, Auch die Lerche singt nicht mehr.
Seufzend in geheimer Klage Streift der Wind das letzte Grün; Und die süßen Sommertage, Ach, sie sind dahin, dahin!
Nebel hat den Wald verschlungen, Der dein stilles Glück gesehn; Ganz in Duft und Dämmerungen Will die schöne Welt vergehn.
Nur noch einmal bricht die Sonne Unaufhaltsam durch den Duft, Und ein Strahl der alten Wonne Rieselt über Tal und Kluft.
Und es leuchten Wald und Heide, Daß man sicher glauben mag, Hinter allem Winterleide Lieg' ein ferner Frühlingstag.
Theodor Storm
Im Nebel ruhet noch die Welt, Noch träumen Wald und Wiesen: Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, Den blauen Himmel unverstellt, Herbstkräftig die gedämpfte Welt In warmem Golde fließen.
Eduard Mörike
Der Nebel steigt, es fällt das Laub; Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden!
Und geht es draußen noch so toll, Unchristlich oder christlich, Ist doch die Welt, die schöne Welt So gänzlich unverwüstlich!
Und wimmert auch einmal das Herz, – Stoß an und laß es klingen! Wir wissen's doch, ein rechtes Herz Ist garnicht umzubringen.
Der Nebel steigt, es fällt das Laub; Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden!
Wohl ist es Herbst; doch warte nur. Doch warte nur ein Weilchen! Der Frühling kommt, der Himmel lacht. Es steht die Welt in Veilchen.
Die blauen Tage brechen an; Und ehe sie verfließen. Wir wollen sie, mein wackrer Freund, Genießen, ja genießen!
Theodor Storm
Herbstlich sonnige Tage, Mir beschieden zur Lust, Euch mit leiserem Schlage Grüßt die atmende Brust.
O wie waltet die Stunde Nun in seliger Ruh! Jede schmerzende Wunde Schließet leise sich zu.
Nur zu rasten, zu lieben. Still an sich selber zu baun Fühlt sich die Seele getrieben und mit Liebe zu schaun.
Und so schreit' ich im Tale, In den Bergen, am Bach Jedem segnenden Strahle, Jedem verzehrenden nach.
Jedem leisen Verfärben Lausch' ich mit stillem Bemühn, Jedem Wachsen und Sterben, Jedem Welken und Blühn.
Selig lern' ich es spüren. Wie die Schöpfung entlang Geist und Welt sich berühren Zu harmonischem Klang.
Was da webet im Ringe, Was da blüht auf der Flur, Sinnbild ewiger Dinge Ist's dem Schauenden nur.
Jede sprossende Pflanze, Die mit Düften sich füllt, Trägt im Kelche das ganze Weltgeheimnis verhüllt.
Schweigend blickt's aus der Klippe, Spricht im Wellengebraus, Doch mit heiliger Lippe Deutet die Mus' es aus.
Emanuel Geibel
(Ilfeld 1845)
Fetter grüne, du Laub, Am Rebengeländer Hier mein Fenster herauf! Gedrängter quellet, Zwillingsbeeren, und reifet Schneller und glänzend voller! Euch brütet der Mutter Sonne Scheideblick, euch umsäuselt Des holden Himmels Fruchtende Fülle; Euch kühlet des Mondes Freundlicher Zauberhauch, Und euch betauen, ach, Aus diesen Augen Der ewig belebenden Liebe Vollschwellende Tränen.
Wolfgang Goethe (1775)
Das gelbe Laub erzittert, Es fallen die Blätter herab, – Ach, alles, was hold und lieblich, Verwelkt und sinkt ins Grab.
Die Wipfel des Waldes umflimmert Ein schmerzlicher Sonnenschein; Das mögen die letzten Küsse Des scheidenden Sommers sein.
Mir ist, als müßt' ich weinen Aus tiefstem Herzensgrund; Dies Bild erinnert mich wieder An unsre Abschiedsstund'.
Ich mußte dich verlassen Und wußte, du stürbest bald! Ich war der scheidende Sommer, Du warst der sterbende Wald!
Heinrich Heine
Ein trübes Dämmerlicht beginnt, Die Hand hält an vom Schreiben; Mit Blättern draußen jagt der Wind, Und Regen klirrt an die Scheiben.
So saß ich einstmals auch als Kind Und sah die Blätter treiben – Mir ist, als ob es die gleichen sind – Und Regen schlug an die Scheiben.
Es treibt sein ewiges Spiel der Wind; Wie lang' werd' ich noch bleiben? Der Pendel tickt, die Stunde rinnt, Und Regen klirrt an die Scheiben.
Wilhelm Jensen
Wenn das Laub im Sturme nieder Von der Mauer Ranken weht, Sieht man mit dem Stein auch wieder, Was auf ihm geschrieben steht; Und was mir ins Herz geschrieben, Immer wird mir's, jedes Jahr, Daß ich dich, nur dich kann lieben, In den Stürmen offenbar.
Hermann Lingg
Der Winter ist ein rechter Mann, Kernfest und auf die Dauer; Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an, Und scheut nicht Süß noch Sauer.
War je ein Mann gesund wie er? Er krankt und kränkelt nimmer, Er trotzt der Kälte wie ein Bär Und schläft im kalten Zimmer,
Er zieht sein Hemd im Freien an Und läßt's vorher nicht wärmen Und spottet über Fluß im Zahn Und Grimmen in Gedärmen.
Aus Blumen und aus Vogelsang Weiß er sich nichts zu machen, Haßt warmen Drang und warmen Klang Und alle warmen Sachen.
Doch wenn die Füchse bellen sehr, Wenn's Holz im Ofen knittert, Und um den Ofen Knecht und Herr Die Hände reibt und zittert;
Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht Und Teich' und Seeen krachen: Das klingt ihm gut, das haßt er nicht. Dann will er tot sich lachen. –
Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus Beim Nordpol an dem Strande; Doch hat er auch ein Sommerhaus Im lieben Schweizerlande.
Da ist er denn bald dort, bald hier, Gut Regiment zu führen; Und wenn er durchzieht, stehen wir Und sehn ihn an und frieren.
Matthias Claudius
Ein Winterabend still und kalt. – Drei Kinder wandern durch den Wald.
Sie gingen schon oft den Weg allein – Heut flimmert der Mond mit irrem Schein.
Der Pfad, der sonst so kurz nach Haus, – Heut mündet er nimmer zum Wald hinaus.
Die kleinen Beinchen schreiten voran. Da ragt empor der finstre Tann.
Sie laufen zurück und hin und her – Sie finden im Schnee den Weg nicht mehr.
Es weinen die Kleinen, wohl irrten sie weit. Kalt ist die Nacht und Schlafenszeit!
Sieh dort, unter Wurzeln ein trocknes Hohl, Da bettet das Schwesterchen beide wohl.
Trägt Moos und Laub zu ihrer Ruh' Und deckt mit dem eignen Tüchlein sie zu.
Die Nacht ist kalt, vom Mond erhellt, – Es funkeln die Sterne am Himmelszelt.
Man hat sie gesucht mit Rufen und Schrein, Man hat sie gefunden beim Morgenschein.
Die beiden Kleinen, sie schlafen fest, Aneinandergeschmiegt im warmen Nest.
Den Arm gerafft voll Laub und Moos, So fand man die andre bewegungslos.
So lag sie im Schnee – die Wangen rot. Die hatte geküßt der eisige Tod.
Heinrich Seidel
Dem Geier gleich. Der auf schweren Morgenwolken Mit sanftem Fittich ruhend Nach Beute schaut, Schwebe mein Lied.
Denn ein Gott hat Jedem seine Bahn Vorgezeichnet, Die der Glückliche Rasch zum freudigen Ziele rennt; Wem aber Unglück Das Herz zusammenzog. Er sträubt vergebens Sich gegen die SchrankenDes ehernen Fadens, Den die doch bittre Schere Nur einmal löst.
In Dickichts Schauer Drängt sich das rauhe Wild, Und mit den Sperlingen Haben längst die Reichen In ihre Sümpfe sich gesenkt.
Leicht ist's folgen dem Wagen, Den Fortuna führt, Wie der gemächliche Troß Auf gebesserten Wegen Hinter des Fürsten Einzug.
Aber abseits, wer ist's? Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, Hinter ihm schlagen Die Sträuche zusammen, Das Gras steht wieder auf, Die Öde verschlingt ihn.
Ach, wer heilet die Schmerzen Des, dem Balsam zu Gift ward, Der sich Menschenhaß Aus der Fülle der Liebe trank? Erst verachtet, nun ein Verächter, Zehrt er heimlich auf Seinen eignen Wert In ung'nügender Selbstsucht.
Ist auf deinem Psalter, Vater der Liebe, ein Ton Seinem Ohre vernehmlich, So erquicke sein Herz! Öffne den umwölkten Blick Über die tausend Quellen Neben dem Durstenden In der Wüste!
Der du der Freuden viel schaffst. Jedem ein überfließend Maß, Segne die Brüder der Jagd Auf der Fährte des Wilds Mit jugendlichem Übermut Fröhlicher Mordsucht,Späte Rächer des Unbills, Dem schon Jahre vergeblich Wehrt mit Knütteln der Bauer.
Aber den Einsamen hüll' In deine Goldwolken! Umgib mit Wintergrün, Bis die Rose wieder heranreift, Die feuchten Haare, O Liebe, deines Dichters!
Mit der dämmernden Fackel Leuchtest du ihm Durch die Furten bei Nacht, Über grundlose Wege Auf öden Gefilden; Mit dem tausendfarbigen Morgen Lachst du ins Herz ihm; Mit dem beizenden Sturm Trägst du ihn hoch empor; Winterströme stürzen vom Felsen In seine Psalmen, Und Altar des lieblichsten Danks Wird ihm des gefürchteten Gipfels Schneebehangner Scheitel, Den mit Geisterreihen Kränzten ahnende Völker. Du stehst mit unerforschtem Busen Geheimnisvoll offenbar Über der erstaunten Welt Und schaust aus Wolken Auf ihre Reiche und Herrlichkeit, Die du aus den Adern deiner Brüder Neben dir wässerst.
Wolfgang Goethe (Dezember 1777)
Vergraben ist in ewige Nacht Der Erfinder großer Name zu oft! Was ihr Geist grübelnd entdeckt, nutzen wir; Aber belohnt Ehre sie auch?
Wer nannte dir den kühneren Mann, Der zuerst am Maste Segel erhob? Ach verging selber der Ruhm dessen nicht, Welcher dem Fuß Flügel erfand!
Und sollte der unsterblich nicht sein, Der Gesundheit uns und Freuden erfand, Die das Roß, mutig im Lauf, niemals gab, Welche der Reih'n selber nicht hat?
Unsterblich ist mein Name dereinst! Ich erfinde noch dem schlüpfenden Stahl Seinen Tanz! Leichteres Schwungs fliegt er hin, Kreiset umher, schöner zu sehn.
Du kennest jeden reizenden Ton Der Musik, drum gib dem Tanz Melodie! Mond und Wald höre den Schall ihres Horns, Wenn sie des Flugs Eile gebeut.
O Jüngling, der den Wasserkothurn Zu beseelen weiß und flüchtiger tanzt, Laß der Stadt ihren Kamin! Komm mit mir, Wo des Kristalls Ebne dir winkt!
Sein Licht hat er in Düfte gehüllt; Wie erhellt des Winters werdender Tag Sanft den See! Glänzenden Reif, Sternen gleich, Streute die Nacht über ihn aus!
Wie schweigt um uns das weiße Gefild! Wie ertönt vom jungen Froste die Bahn! Fern verrät deines Kothurns Schall dich mir, Wenn du dem Blick, Flüchtling, enteilst.
Wir haben doch zum Schmause genung Von des Halmes Frucht? und Freuden des Weins? Winterluft reizt die Begier nach dem Mahl; Flügel am Fuß reizen sie mehr!
Zur Linken wende du dich, ich will Zu der Rechten hin halbkreisend mich drehn; Nimm den Schwung, wie du mich ihn nehmen siehst: Also! nun fleug schnell mir vorbei!
So gehen wir den schlängelnden Gang An dem langen Ufer schwebend hinab. Künstle nicht! Stellung, wie die, lieb' ich nicht, Zeichnet dir auch Preisler nicht nach.
Was horchst du nach der Insel hinauf? Unerfahrne Läufer tönen dorther! Huf und Last gingen noch nicht übers Eis, Netze noch nicht unter ihm fort.
Sonst späht dein Ohr ja alles; vernimm, Wie der Todeston wehklagt auf der Flut! O wie tönt's anders! wie hallt's, wenn der Frost Meilen hinab spaltet den See!
Zurück! laß nicht die schimmernde Bahn Dich verführen, weg vom Ufer zu gehn! Denn wo dort Tiefen sie deckt, strömt's vielleicht, Sprudeln vielleicht Quellen empor.
Den ungehörten Wogen entströmt, Dem geheimen Quell entrieselt der Tod! Glittst du auch leicht, wie dies Laub, ach dorthin, Sänkest du doch, Jüngling, und stürbst!
Friedr. Gottlieb Klopstock (1764)
Vor Kälte ist die Luft erstarrt, Es kracht der Schnee von meinen Tritten, Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart; Nur fort, nur immer fortgeschritten!
Wie feierlich die Gegend schweigt! Der Mond bescheint die alten Fichten, Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt, Den Zweig zurück zur Erde richten.
Frost! friere mir ins Herz hinein, Tief in das heißbewegte, wilde! Daß einmal Ruh' mag drinnen sein, Wie hier im nächtlichen Gefilde!
Nikolaus Lenau
Ist alles ganz kahl und still, Nicht mal im Grase sich's regen will, Steht alles geduckt, Klappert im Frost und muckt Mit dem Winter. Der putzt es mit Rauhreif auf, Aber keines gibt was drauf.
Doch im Garten Sagt einer: Ich kann warten. Ist jemand, du kennst ihn wieder kaum, So dünn ist er worden: der Kirschenbaum. Schläft er nicht? Trau einer dem Wicht! Heute mittag um Uhre eins Gab's mal ein Pröbchen Sonnenscheins: Darin – ich habe Das deutlich gesehn – Mit seinen Knospen Fingerte der alte Knabe, Ein wenig vorsichtig und geziert, Wie man Badewasser probiert – Und über seine Runzeln Ging ein Schmunzeln.
Ferdinand Avenarius
Und dräut der Winter noch so sehr Mit trotzigen Gebärden, Und streut er Eis und Schnee umher. Es muß doch Frühling werden.
Und drängen die Nebel noch so dicht Sich vor den Blick der Sonne, Sie wecket doch mit ihrem Licht Einmal die Welt zur Wonne.
Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht! Mir soll darob nicht bangen, Auf leisen Sohlen über Nacht Kommt doch der Lenz gegangen.
Da wacht die Erde grünend auf, Weiß nicht, wie ihr geschehen, Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf Und möchte vor Lust vergehen.
Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar Und schmückt sich mit Rosen und Ähren Und läßt die Brünnlein rieseln klar, Als wären es Freudenzähren.
Drum still! Und wie es frieren mag, O Herz, gib dich zufrieden! Es ist ein großer Maientag Der ganzen Welt beschieden.
Und wenn dir oft auch bangt und graut, Als sei die Höll' auf Erden, Nur unverzagt auf Gott vertraut! Es muß doch Frühling werden.
Emanuel Geibel (Winter 1840/41)
Der Schneeball und das böse Wort Sie wachsen, wie sie rollen fort; Eine Handvoll wirf zum Tor hinaus: Ein Berg wird's vor des Nachbars Haus.
Wilh. Müller
Wer schlägt so rasch an die Fenster mir Mit schwanken grünen Zweigen? Der junge Morgenwind ist hier Und will sich lustig zeigen.
"Heraus, heraus, du Menschensohn!" So ruft der kecke Geselle, "Es schwärmt von Frühlingswonnen schon Vor deiner Kammerschwelle.
Hörst du die Käfer summen nicht? Hörst du das Glas nicht klirren, Wenn sie, betäubt von Duft und Licht, Hart an die Scheiben schwirren?
Die Sonnenstrahlen stehlen sich Behende durch Blätter und Ranken Und necken auf deinem Lager dich Mit blendendem Schweben und Schwanken.
Die Nachtigall ist heiser fast: So lang hat sie gesungen; Und weil du sie gehört nicht hast, Ist sie vom Baum gesprungen.
Da schlug ich mit dem leeren Zweig An deine Fensterscheiben: "Heraus, heraus in des Frühlings Reich! Er wird nicht lange mehr bleiben."
Wilh. Müller
Die Sterne sind erblichen Mit ihrem güldnen Schein. Bald ist die Nacht gewichen, Der Morgen dringt herein.
Noch waltet tiefes Schweigen Im Tal und überall. Auf frisch betauten Zweigen Singt nur die Nachtigall.
Sie singet Lob und Ehre Dem hohen Herrn der Welt, Der überm Land und Meere Die Hand des Segens hält.
Er hat die Nacht vertrieben: Ihr Kindlein, fürchtet nichts! Stets kommt zu seinen Lieben Der Vater alles Lichts.
Hoffmann v. Fallerleben
Verschwunden ist die finstre Nacht, Die Lerche schlägt, der Tag erwacht, Die Sonne kommt mit Prangen Am Himmel aufgegangen.Sie scheint in Königs Prunkgemach, Sie scheinet durch des Bettlers Dach, Und was in Nacht verborgen war, Das macht sich kund und offenbar.
Lob sei dem Herrn und Dank gebracht, Der über diesem Haus gewacht, Mit seinen heiligen Scharen Uns gnädig wollte bewahren! Wohl mancher schloß die Augen schwer Und öffnet sie dem Licht nicht mehr; Drum freue sich, wer neubelebt Den frischen Blick zur Sonn' erhebt!
Friedr. Schiller (Macbeth)
O wunderbares, tiefes Schweigen! Wie einsam ist's noch auf der Welt! Die Wälder nur sich leise neigen, Als ging' der Herr durchs stille Feld.
Ich fühl' mich recht wie neugeschaffen, Wo ist die Sorge nun und Not? Was mich noch gestern wollt' erschlaffen, Ich schäm' mich des im Morgenrot.
Die Welt mit ihrem Gram und Glücke Will ich, ein Pilger froh bereit, Betreten nur wie eine Brücke Zu dir, Herr, überm Strom der Zeit!
Und buhlt mein Lied, auf Weltgunst lauernd, Um schnöden Sold der Eitelkeit; Zerschlag mein Saitenspiel, und schauernd Schweig' ich vor dir in Ewigkeit.
Joseph v. Eichendorff
I. Alemannisch
Der Samstig het zum Sunntig gseit: "Jez hani alli schlofe gleit; Si sin vom Schaffe her und hi Gar sölli müed und schlöfrig gsi. Und 's goht mer schier gar selber so, I cha fast uf ke Bei me stoh."
So seit er, und wo's zwölfi schlacht, Se sinkt er aben in d'Mitternacht. Der Sunntig seit: "Jez isch's an mir!" Gar still und heimli bschließt er d'Tür. Er düselet hinter d'Sterne no Und cha schier gar nit obsi cho.
Doch endli ribt er d'Augen us. Er chunnt der Sunn an Tür und Hus; Sie schloft im stille Chämmerli; Er pöpperlet am Lädemli, Er rüeft der Sunne: "D'Zit isch do!" Sie seit: "I chumm enanderno." –
Und lisli uf de Zeche goht Und fründli uf de Berge stoht Der Sunntig, und 's schloft alles no; Es sieht und hört en niemes goh; Er chunnt ins Dorf mit stillem Tritt Und winkt im Guhl: "Verrot mi nit!"
Und wemmen endli au verwacht Und gschlofe het die ganzi Nacht,