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Düstere Geheimnisse und lautloser Hass begleiten Eva so lange wie sie denken kann. Verstörende Flashbacks und grauenvolle Bilder aus der Vergangenheit überfallen Eva ohne Vorwarnung. Fassungslos und geschockt sieht sie in einen Spiegel. Bin ich ich? Oder ist es der eiskalte Blick des Teufels? Auf der Reise in ihre Vergangenheit begegnet sie Personen, an die sie eigentlich nicht mehr erinnert werden möchte und muss doch immer wieder gezwungerermaßen tief in die Absurditäten der menschlichen Psyche eintauchen. Gefühle wechseln im Sekundentakt. Personen tauchen auf und verschwinden wieder. Wut, Leere, Enttäuschung und dann wieder Hoffnung und Verbissenheit. Die Sicht in die eigenen dunklen Ecken ihres Lebens, bringen sie oft den Rand des Unerträglichen....
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Seitenzahl: 225
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Table of Contents
DIE SIEBEN MASKEN DES TEUFELS
WIDMUNG
VORWORT
ER, DES TEUFELS STELLVERTRETER
DES TEUFELS GESPIELIN?
KOPFPENDLER
KOPFKINO
EXPLOSIVE WÄNDE IN WEISS
HÖLLENFENSTER
BIN ICH ICH?
KINOKOPF
EXPRESS IN DIE HÖLLE
HEISSES EIS
ANGST
ERFRORENE SEELE
TEUFLISCHE GEGENWART
DER LANGE SCHATTEN DES TEUFELS
DER WAHNSINN KOMMT UND GEHT
DES TEUFELS KIND?
WOMIT BEGINNT EIN ANFANG?
DIE FRATZE DES BÖSEN
TIERISCHE SPIELE
KINDERSCHICHT
TEUFELSNÄCHTE
DIE BEKLOPFTE BANK
ERZENGEL SELMA
GLEICHSCHRITT MIT DEM TEUFEL
DER TEUFEL HAT EINEN NAMEN –
ERFENBERGER
TEUFELSBRUT
MINUSGRADE IN DER HÖLLE
ENTMENSCHLICHT
HÖLLENFEUER
WOHER KAM DER TEUFEL WIRKLICH?
DER AUSBRUCH
RUSSISCH-ROULETTE
GRENZWERTIG
MIT VOGEL ODER VOGELFREI?
WIE EINE STREUNENDE KATZE ...
TAUSENDUNDEIN PUZZLETEIL
AUF DER SUCHE NACH MIR SELBST
WIEDERSEHEN & ABSCHIED
TEUFLISCHE BEKENNTNISSE
DER WAHRHEIT LETZTER SCHLUSS
ERLÄUTERUNGEN
IMPRESSUM
WEITERE VERÖFFENTLICHUNGEN
.
DIE SIEBEN MASKEN DES TEUFELS
ODER
BIN ICH ICH?
von
EVA SIEBENHERZ
Für meinen Mann und meine Kinder.
»Hört immer auf euer Herz. Das wird euch in schwierigen Situationen helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.«
Liebe Leser,
ehe Sie anfangen dieses Buch zu lesen, möchte ich Ihnen ein paar Worte mit auf den Weg geben.
Dass was Sie da lesen werden, ist zum größten Teil sehr verstörend und wahrscheinlich für viele von Ihnen quasi unvorstellbar. Sicher wird es auch einige unter Ihnen geben, die diese Ereignisse für so unglaubhaft halten, dass sie diese im Bereich der Fantasie ansiedeln werden. Meine wirren Albträume verstärken diesen Eindruck wahrscheinlich eher, als ihn abzuschwächen.
Ich versichere Ihnen, das Nichts davon erfunden ist. Allerdings muss ich zugeben, das einige Geschehnisse im Zusammenhang mit Flashbacks und Albträumen mit Sicherheit mutiert und ausgeartet sind. Doch leider konnte ich das nicht kontrollieren und habe es so aufgeschrieben, wie ich es wahrgenommen habe. Jeder Mensch hat seine eigenen Wahrnehmungen. Es gibt normale, verändernde und verzerrte Wahrnehmungen. All diese Variationen finden sich mit Sicherheit in diesem Buch.
Dazu kommen Ihre eigenen Wahrnehmungen beim Lesen. Und die Wirkung dieser Wahrnehmungen auf Sie.
Beurteilen Sie bitte nicht nur, dass was Sie lesen. Beziehen Sie Ihre eigenen Gefühle mit ein. Schreiben Sie mir Ihre Eindrücke.
Vielen Dank. Eva Siebenherz
Ich döste auf meiner Liege im Garten vor mich hin. Sah den blauen Himmel und die langsam dahinziehenden Wolken. Drei einzelne Wölkchen schoben sich in mein Blickfeld und verdeckten für einen Augenblick die Sonne. Als sie langsam wieder hervorlugte, tauchte sie die ganze Umgebung in ein helles Licht. Die Gegend hier im Burgenland war für mich genauso traumhaft schön wie andere schöne Landschaften. Jede hat ihren besonderen Reiz und jeder Augenblick ist anders. Die Sonne hatte die drei kleinen Wolken von sich weggeschoben und sandte ihre gesamte Wärme zu mir herunter und machte mich schläfrig.
Und plötzlich verwandelte sich die Helligkeit. Ich sah weißes Licht. Klein. Rot. Heiß. Nichts mehr. Ein Schrei. Hoch. Langgezogen. Schrill. Übergehend in ein jämmerliches Wimmern. Ich versuchte zu sprechen.
Ich bewegte die Lippen, doch es kam kein Ton aus meiner Kehle. Wieder versuchte ich es und fasste mir an den Hals. Das heißt, ich glaubte das zu tun. Es geschah etwas sehr Merkwürdiges.
Ich sah eine Hand und ich sah sie auf mich zu schweben. Dann blieb sie stehen. Die Hand. In der Luft. Ich sah sie mir ganz genau an.
Und erschrak. Es war meine Hand. Wieso sah ich sie? Wieso spürte ich sie nicht? Das war alles irrational. Ich versuchte in mich hinein zu spüren. Doch da war nichts. Die Hand war weg. Ich versuchte sie zu finden, versuchte mich zu bewegen
Wieder hörte ich dieses schreckliche Wimmern und gleich-zeitig explodierte ein Feuerball in meinem Kopf und ich versank wieder in der Dunkelheit. Irgendetwas ließ mich unruhig werden. Ich versuchte die Augen zu öffnen, doch meine Lider fühlten sich an wie festgeklebt. Nachtschwarz. Bleischwer.
Mit aller Macht riss ich sie auf und starrte in gleißendes Licht.
Geblendet drehte ich den Kopf zur Seite. Und sah ein Auge, ein Auge in einem Auge, ein halbes Gesicht. Irgendetwas stimmte nicht. Hier stimmte gar nichts. Ich hörte keinen Ton und trotzdem war diese Stille furchtbar laut. Stumme Schreie. Sich rasant steigernd zu einem Orchester grausamer Geräusche.
Sie setzten sich fest. In den Haaren, auf der Zunge. Überall.
In jeder Faser meines Körpers.
Diese Stille hatte tausend Stimmen und alle schrien durcheinander. Ich konnte diese Schreie sehen, hören konnte ich sie nicht.
Über meinem anderen Auge tauchte eine Gestalt auf, eine bedrohliche, fürchterliche Fratze mit einer Fackel in der hoch erhobenen Hand.
Und dieses Ungeheuer stand direkt hinter mir. Ich schloss meine Augen und wieder war da dieser Schrei. Ich wusste weder wo ich war, noch ob ich wach war oder träumte. Es konnte auch sein, das ich gerade eben starb. Dieser Schrei machte mich wahnsinnig. Er war jedes Mal anders. Diesmal war der Schrei sehr dunkel und tief, als wenn er von ganz unten und tief drinnen käme. Der Schrei nahm an Intensität schnell zu und bekam unmenschliche Züge. Als wenn ein Tier in allerhöchster Not um Hilfe riefe und furchtbare Schmerzen hätte. Ich hatte so etwas schon einmal gehört. Mir jagte es einen Schauer über den Rücken und gleichzeitig kam ein zweiter Schrei dazu.
Noch schauerlicher als der Andere und diese Schreie kamen näher.
Meine Nackenhaare stellten sich auf. Kerzengerade. Und bohrten sich wie Schwerter mit aller Kraft in meine Haut.
Ich versuchte mir die Ohren zuzuhalten, aber ich konnte die Arme nicht heben. Nichts konnte ich bewegen. Mich befiel Panik und ich drehte völlig durch.
»Eva! Eva!«. Ich wurde geschüttelt, immer und immer wieder. Dann versetzte mir jemand eine schallende Ohrfeige und ich riss die Augen auf.
Max, mein Mann, und meine Tochter Louisa standen vor mir und sahen mich vollkommen entsetzt an. »Was ist denn los?«.
Ich starrte beide verständnislos an. Zwingend schaute Max mir in die Augen. »Wo warst du gerade? Was hast du geträumt?«.
Ich wusste, dass da etwas gewesen war, aber erinnern konnte ich mich nicht. Fragend sah ich zu Max und meiner Tochter. Sie wussten es nicht, aber ich sah an ihren Gesichtern, dass es grauenvoll gewesen sein musste. Ich sah mich im Raum um und erlebte innerhalb von Sekunden eine Zeitreise über mehrere Jahrzehnte.
Vom Gefühl her musste ich in diesem Albtraum irgendwo Ende der siebziger Anfang der achtziger Jahre gewesen sein. Jetzt befand ich mich in der Gegenwart.
Und die Gegenwart war Januar 2015 und ich war in unserem Haus im Burgenland in Österreich.
Mit Max war ich seit 2002 verheiratet und mit meinen zwei jüngsten Kindern Louisa und Juan nach Öster-reich ausgewandert.
Max.
Immer wenn ich an ihn dachte und er in meiner Nähe war, durchzog mich ein warmes wohliges Gefühl und ein liebevolles Lächeln glitt über mein Gesicht.
In meinem Leben vor Max hatte ich immer irgendwelche Partner und Ehemänner und doch fühlte ich mich immer allein und einsam.
Sicher kannte ich gute und auch schlechte Ehen, aber keine war dabei, die irgendwie »anders« war.
Also waren alle Beziehungen, die ich kannte, egal wie die Partner miteinander umgingen, für mich normal. Ich musste fast 42 Jahre alt werden, um zu erfahren, dass
»Schmetterlinge im Bauch« KEINE Erfindung von Teenagern waren. Dass Sex nicht gleich Liebe ist, aber Sex Hörigkeit erzeugen kann. Für mich ist Max Liebe und Liebe ist Max. Nicht mehr und nicht weniger und doch alles.
»Für immer dein« - das sind unsere Worte. Immer und ewig. Es ist völlig egal, ob diese Ewigkeit 5 oder 50 Jahre dauert.
Letztendlich war es dann für uns die Ewigkeit, denn Zeit ist relativ.
Immer wieder tauchten traumschwangere Nebelschwaden auf. Mal schwarz und undurchsichtig, mal weißlich-durchlässig mit hässlichen Fratzen. Und dann wieder gleißend hell, heiß und unerträglich.
Aber alle – still. Und dann wochenlang gar nichts. Ruhiger, tiefer, gleichmäßiger Schlaf. Traumlos, erholsam.
Es wäre vorbei, glaubte ich. Eine Woche später
erwischte mich die Keule mit voller Wucht. Unvorbereitet. Lautlos. Furchtbar. Gnadenlos.
Es war kalt, eiskalt. Überall weiße Wolken, die aussahen wie schwebende Wattebällchen mit Eiskristallen durchsetzt. Ich wollte sie anfassen.
Doch schon der Versuch der kleinsten Bewegung löste einen schier unerträglichen Schmerz aus und ich schwebte mit diesen Wattewolken auf einer Schmerzwelle davon. Als ich wieder zu mir kam, sah ich mich selbst. Völlig irritiert schloss ich für einen Moment die Augen. Ich öffnete sie wieder und sah dasselbe Bild. Das heißt, ich sah meinen Kopf und eine Wand. Eine Eiswand.
Wieder versuchte ich mich zu bewegen und wieder waren die Schmerzen furchtbar. Eisige Kälte durchzog meinen ganzen Körper.
Und wieder war die Situation irrational. Ich spürte die Kälte und die Schmerzen, aber ich fühlte mich nicht. Ich sah mich und doch war ich nicht Ich.
«DAS« war ein Wesen, das aussah wie ich und dass ich sein könnte, aber instinktiv nicht sein wollte. Also versuchte ich irgendwie klarer zu werden, was gar nicht so einfach war. Denn ich konnte nicht unterscheiden, ob es eine reale Situation oder eine irreale Zwischenwelt war. Ich spürte etwas, aber ich konnte nicht definieren, was ich spürte, was es war, oder woher es kam. Aber es musste sein. Ich öffnete die Augen und riss den Kopf ruckartig nach oben.
Und erstarrte. Obwohl ich eigentlich schon erstarrt war, und das im wörtlichen Sinne. In einem riesengroßen Wandspiegel sah ich eine nackte Frau, breitbeinig und mit ausgestreckten Armen an eine Wand gelehnt. Es war bitterkalt.
»Wenn du die nächsten zwei Stunden stillstehst, ist dir zwar kalt, aber es tut nicht weh. Und wenn du in diesen zwei Stunden keinen Ton von dir gibst, passiert auch nichts weiter. Dann kommt die Sonne raus und eine Stunde später kannst du ohne weiteres weggehen«.
Ich hörte die Stimme und die Worte, nur der Sinn erschloss sich mir nicht. Im nächsten Moment fiel ein Lichtschein in den Spiegel. Die nackte Frau war ich und die Wand hinter mir glitzerte.
Mich traf die Erkenntnis wie ein Faustschlag in die Magengrube. Ich lehnte nicht an der Wand. Ich klebte an ihr! Aber warum?
Weshalb? Aber vor allem, wer? Ich wollte meinen Kopf bewegen, um mich umzusehen. Es ging nicht mehr.
Ich holte tief Luft und bewegte meinen Kopf mit einem Ruck nach vorn. Und schrie und schrie und schrie. Dann lief mir etwas Warmes über die Schulter, zwischen meinen Brüsten weiter nach unten. Blut. Ich konnte es im Spiegel sehen. Vermutlich hatte ich mir ein Stück Kopfhaut abgerissen.
»Ich hatte gesagt, wenn du still bist passiert dir nichts. Jetzt ist es deine Schuld«. Alkoholischer Atem vermischte sich mit der abgestandenen Luft und der Eiseskälte im Zimmer. Die Tür schlug zu. Sekunden später vernahm ich Schreie, die mir durch Mark und Bein gingen. Ich begriff, dass dort Menschen gequält wurden und schrie mit, so laut ich konnte.
Die Tür sprang auf und mir wurde ein Tuch ins Gesicht gedrückt, das mit einer übel riechenden Flüssigkeit getränkt war.
Mein Kopf pendelte zwischen meinen Schultern hin und her. Krampfhaft versuchte ich mich in den Griff zu bekommen. Ich sah hoch und sah direkt in die Augen meines Mannes Max.
»So geht das nicht weiter. Auch wenn du dich am nächsten Morgen an nichts mehr erinnern kannst, du brauchst Hilfe und ich mittlerweile auch. Du erlebst in deinen Albträumen Grauenvolles und ich kann deine entsetzlichen Schreie und offensichtlichen Qualen nicht mehr hören, geschweige denn verarbeiten.«
Er hatte recht, und inzwischen wusste ich auch, dass mein Körper intuitiv reagierte und sich zu meinem eigenen Schutz nicht erinnern wollte. Aber das war nur die eine Seite der Medaille. Eigentlich wollte ich wissen, was da passierte bzw. passiert ist. Auf der anderen Seite waren diese Erinnerungen mit unerträglichen Schmerzen und einer furchtbaren Wahrheit verbunden. Ich ahnte das. Und doch wollte ich es wissen, genauso heftig, wie ich es eigentlich nicht wissen wollte.
Mein Hirn arbeitete auf Hochtouren und versuchte Türen in meinem Kopf zu öffnen und Wände einzureißen.
Doch hinter jeder Tür war schwarzer Nebel und hinter jeder Wand sah ich fiese Grimassen in weißen Wolkenfetzen.
Und immer wieder tauchten dazwischen Türen auf, die anders waren. Anders aussahen. Auf diesen Türen prangte ein großes »W«.
Während ich auf eine dieser Türen zuging, wurde dieses »W« breiter und nahm andere Formen an. Erreichte ich dann endlich diese Tür, stand dort ein Fragewort. An allen sieben Türen ein anderes.
Wann? Warum? Was? Wer? Wessen? Wie? Wo? Wann war was passiert? Warum wurde mir das angetan? Was war passiert? Wer hat das getan? Wessen Schuld ist das? Wie lange? Wo ist das geschehen?
Jede dieser Fragen ließ neue Fragen aufkommen. Aber alle Fragen hatten eines gemeinsam: Für keine dieser Fragen gab es eine Antwort für mich. Noch nicht. Später vielleicht. Vielleicht auch niemals.
Je mehr ich mich mit diesen Fragen auseinandersetzte, umso mehr hatte ich das Gefühl, wahnsinnig zu werden.
Ab sofort nahm ich wieder Schlaftabletten. Ein paar Nächte ging alles gut, dann waren sie wieder da ... die Albträume. Stärker als je zuvor.
Ich fühlte mich leicht und schwerelos, schwebte durch Zeit und Raum und hörte unverständliche Laute. Meine Augen rollten hin und her. Ich spürte einen Stich und so nach und nach lichtete sich der Nebel.
Je mehr Zeit verstrich, umso mehr spürte ich meinen Körper. Auch mein Verstand fing an, langsam wieder zu arbeiten, und ich versuchte mich zu erinnern. Spiegel, Eiswand, Schreie ...
Weiter kam ich nicht. Ich wurde hochgerissen, taumelte und bemerkte, dass man mir die Augen verbunden hatte. Jemand zog mir ein Kleid über den Kopf. Meine Lippen wurden geschminkt. All das geschah lautlos. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, da legte sich eine Hand darüber und
gleichzeitig zog mir jemand den Slip aus. In mir machte sich Panik breit.
»Du hast nicht das getan, was er dir befohlen hat. Durch deine Schreie kam alles raus und er wurde bestraft.
Jetzt wirst du bestraft.« Ich hatte diese Stimme schon irgendwann einmal gehört, hatte aber kein Gesicht dazu. Zeit zum Weiterdenken hatte ich nicht. Er zog mich hoch und stieß mich vor sich her. Die unverständlichen Laute kamen näher. Jetzt konnte ich viele Stimmen hören und ich konnte sie verstehen. Sie sprachen Russisch! Soldaten! Was? ...Oh nein! Ich hatte Russisch in der Schule gelernt und ich hatte verstanden! Der Mann hinter mir hatte erkannt, dass ich schreien wollte. Er hielt mir den Mund zu und gab mir eine Spritze.
Ich fiel sofort um und konnte mich nicht mehr bewegen und auch nicht sprechen.
Aber ich nahm alles um mich herum deutlich wahr. Der Mann trug mich in das Zimmer zu den Soldaten, legte mich auf einen Tisch und ging hinaus. Dann nahm mir jemand die Augenbinde ab.
Ich war allein mit ca. 30 russischen sexhungrigen Soldaten. Das konnte ich spüren. Und sehen. Und riechen.
Ein Offizier trat aus der Runde heraus, stellte sich vor mich hin und knöpfte sich langsam und genussvoll den Hosenlatz auf. Er sah sich dabei Beifall heischend um. Ein Chor aus Anfeuerungsrufen antwortete ihm. Ich sah ihn an und bettelte mit meinen Augen um Gnade. Vergebens.
Er vergewaltigte mich unter lautem Gejohle der Anderen brutal. Er gab den anderen ein Zeichen, das wie ein Startschuss wirkte. Nach dem dritten Soldaten ließ die Wirkung der Spritze nach, doch noch machte ich mich nicht bemerkbar. Mir war mehr als bewusst, dass ich in einer ausweglosen Situation war. Plötzlich wurde ich hochgehoben und ein Soldat mit herunter gelassener Hose und einem riesigen aufgerichteten Glied legte sich auf den Tisch. Ein Soldat hielt mich an den Oberarmen fest, ein zweiter meine Beine. Sie trugen mich wieder zum Tisch und ein dritter trat hinzu. Jetzt wehrte ich mich heftig. So heftig, dass der eine Soldat meine Beine fallen ließ und ich um mich trat wie eine Wilde.
Ein kleines metallisches Klicken ertönte und ich spürte etwas Kaltes und Hartes an meiner Stirn.
»Stoi!«. Der Offizier hob die Hand und ich konnte aus den Augenwinkeln eine Pistole erkennen. Sofort unterließ ich alle Gegenwehr.
Wieder wurde ich gepackt, der dritte Soldat riss meine Hinterbacken auseinander und man pfählte mich buchstäblich anal auf das erigierte Glied des Soldaten auf dem Tisch. Der Schmerz war so furchtbar, dass ich ohnmächtig wurde. Ein Eimer eiskaltes Wasser brachte mich wieder zurück.
Unter mir bewegte sich der Mann und von vorn kam der nächste. Gleichzeitig ejakulierten mir mehrere Männer ins Gesicht. Und sie wurden immer brutaler. Ich machte meine Augen zu. Die Stimmen um mich herum wurden immer leiser, eine Melodie klang auf und es wurde hell. Als hätte man einen Vorhang beiseitegeschoben. Ich stand im Kinderzimmer bei meinen Großeltern und ging geradewegs auf das Bücherregal zu. Das Märchenbuch «Aschenbrödel« lag
obenauf, ich ergriff es und fing an zu lesen. Auf der nächsten Seite war ein Bild mit Aschenbrödel im Schloss. Je länger ich es ansah, umso mehr verschwammen die Umrisse und Farben und plötzlich war ich mittendrin. Alles war leicht und ich sah meinen Prinzen. Wir lächelten uns an und tanzten durch den Raum und die Gäste klatschten zum Rhythmus der Melodie in die Hände.
Stopp! Irgendetwas war komisch. Die Gesichter der Menschen veränderten sich schlagartig. Sie starrten alle entsetzt zu uns herüber. Ich riss die Augen auf und sah die Soldaten.
Einige verließen fluchtartig den Raum, andere starrten wie hypnotisiert zum Tisch. Ich sah dieses Szenario aus einem ganz eigenartigen Blickwinkel. Von oben, als wenn ich an der Decke kleben würde.
Meine Augen bewegten sich zum Tisch und ich erschrak.
Dort lag eine Frau in einem roten Kleid, das ihr wie ein Schal um den Hals hing. Sie war über und über mit roten Druckstellen, blauen Flecken und einer glitschigen Flüssigkeit übersät, die von ihr herunter auf den Boden tropfte. Dort wo ihre Beine vom Tisch hingen, hatte sich eine große Blutlache gebildet. Die Frau versuchte sich mühsam aufzurichten. In diesem Moment trafen sich unsere Blicke. Auge in Auge. Sie lächelte mir zu, drehte sich zur Seite und fiel vom Tisch. Diese Frau war ich. Der Mann. Wer war er? Ich wusste, dass ich ihn kannte. Aber woher?
War das wirklich geschehen? Einerseits habe ich es gespürt, andererseits war es nicht greifbar. Oder hatten mich meine Dämonen wieder eingeholt? Ich wusste es nicht. Wirklich nicht. Ich schlug die Augen auf. Schwarz. Nicht greifbare Leere.
Nur das gleichmäßige Atmen eines Menschen neben mir. Panik ergriff mich. Ich versuchte die Bettdecke wegzuschieben. Doch sie fühlte sich wie Beton an.
Ich streckte meine Arme in alle Richtungen aus, um zu lokalisieren, was um mich herum war. Plötzlich blendete Licht auf.
»Was ist denn los? Warum zappelst du denn wie eine Wilde im Bett herum?
Hast du wieder einen Restless-Legs Anfall?« fragte mich Max mit schlaftrunkener Stimme.
Ich brauchte eine ganze Weile für den Weg aus der Kaserne bis in unser Schlafzimmer nach Österreich.
Den Eindruck hatte Max auch, denn er schnippte ein paar Mal mit seinen Fingern vor meinem Gesicht.
»Huhu, ich bin’s, Max«. Die nächsten Tage rief ich mir diese Szenen immer wieder ins Gedächtnis, so schwer mir das auch fiel. Einfach, um eventuell auf Details zu stoßen, die mir vielleicht eine Standortbestimmung ermöglichten. Wenn man eine Sprache nicht
kontinuierlich spricht, verlernt man sie innerhalb kürzester Zeit. Irgendwann hörte ich ein paar Wörter, die ich kannte: Leninstraße – Artillerieregiment. Der Rest war Google-Suche. 841. SFL-Artillerieregiment in KMST (früher Planitzstraße – zu DDR-Zeiten: Leninstraße – heute: H.- Schütz-Straße). Nur, was brachte mir das Wissen, in welcher Kaserne das Ganze passiert war? Nichts. Noch nicht.
Für manche ist Kopfkino etwas Schönes. Zumeist auch relativ real, denn man ist Initiator und real existierende Person zugleich. Für mich ist dieses Kopfkino, Angst einflößend. Grausam. Körperlich anstrengend. Und doch fördert es manchmal ein Licht aus der sonst so schwarzen Dunkelheit zu Tage. Und manchmal hilft so ein kleines Licht den Weg zur sicheren Wahrheit etwas sichtbarer zu machen.
Aber eben nur manchmal. Oft wird das schwarze Loch nur in ein graues Licht getaucht und man meint, der Wahrheit ein Stück näher gekommen zu sein.
Letztendlich erweist sich das Ganze jedoch wieder als ein Faden aus dem großen Wollknäuel mit einem kurzen Ende und genau das führt (wieder einmal) ins Leere. Und im Prinzip bleibt das Große und Ganze einfach nur rabenschwarz. Ein Trugschluss. Ein vermeintliches Rettungsseil, an das man sich immer wieder klammert wie ein Ertrinkender.
Um nicht immer wieder oder endgültig in einem Meer aus Depressionen, Albträumen, Flashbacks,
Misstrauen und Angst zu ertrinken, lässt man dieses Rettungsseil los und sucht nach dem nächsten Rettungsring.
Und eigentlich ist man sich seiner Hoffnungslosigkeit bewusst, weiß oder vermutet innerlich, dass diese Spurensuche niemals mit dem erhofften Ergebnis enden wird.
Wenn sie denn jemals enden wird. Wahrscheinlich nie. Aber man wird nie aufhören, sich selbst zu suchen, solange man nicht genau weiß, wer man wirklich ist. Wie man ist. Was man getan hat.
Oder was man besser nicht getan hätte.
Es ist müßig und eigentlich sinnlos, denn man kann die Zeit ohnehin nicht zurückdrehen, gemachte Fehler nicht aufheben. Leider.
Hektische Stimmen. Das Klappern von Besteck. Und ein Blubbern. Eine weiche Masse, durchsetzt mit kleinen Bläschen, umgab mich. Ich versuchte das eklige weiche Zeug von mir wegzuschieben. Es gab nach und kam wie ein gummiartiges Geschoss zurück. Ich machte den Mund auf und fuhr mit der Zunge an die Masse. Hahaha, ich war in einem Wackelpudding gefangen. In einem weißen riesengroßen Wackelpudding. Wieso träumte ich so einen Blödsinn? Ich schloss meine Augen und sie gingen wieder auf Wanderschaft. Ein Raum und viele kleine Strichmännchen in weißen Kleidern. Jedes hatte eine Flasche in der Hand, die sie nebeneinander an eine Leine hängten und öffneten. Die gallertartige Masse der Flaschen floss in einen Tunnel, der sich am Ende teilte. An jedem Ende hing ein Arm. Große Arme. Meine Arme. Irgendetwas versperrte mir die Sicht und ein schwacher Ton kam auf, der sich rasch in ein gewaltiges Dröhnen verwandelte. Wie durch ein halbtransparentes Tuch konnte ich die Umrisse eines Kopfes erkennen. Das Dröhnen verwandelte sich urplötzlich in eine dunkle hohle Stimme: »Wir sind noch nicht fertig mit dir.«
Der Spuk war urplötzlich vorbei und ich erwachte in einem Krankenhaus.
Drei Tage später und nach mehreren Bluttransfusionen. Im Wismut-Krankenhaus in KMST-Rabenstein. In diesem Krankenhaus hatte ich 1978 Fabian und 1979 Benjamin entbunden. Schwestern und Ärzte kamen und gingen. Verabreichten mir Medikamente und Spritzen. Wortlos. Irgendwann hörte ich auf zu fragen, ich bekam sowieso keine Antworten. Die Tür öffnete sich, doch statt der erwarteten Schwester betraten zwei Uniformierte und zwei Herren in Zivil das Krankenzimmer. Ich wurde aus dem Bett gezerrt und verhaftet. Wegen Prostitution. Sie warfen mir einen Slip und einen Kittel zu. Zitternd wie Espenlaub zog ich mir das über. Meine Handgelenke wurden mit einer Knebelkette vor meinem Bauch gefesselt. Ein Volkspolizist griff danach und zerrte mich wie einen Hund hinter sich her, den Gang entlang. Ich nahm nur am Rande wahr, wie Krankenschwestern und Patienten uns entsetzt auswichen. Vollkommen geschwächt taumelte ich weiter. Konnte mit dem Volkspolizisten nicht mithalten.
Immer wieder strauchelte ich und fiel hin. Jedes Mal riss er mich mit brutaler Gewalt wieder hoch. Wir betraten einen Hof, am anderen Ende stand eine grüne Minna. Ich hatte keine Schuhe an und der Hof war mit grobem, spitzem Kies ausgelegt, über den man mich darüber jagte.
Meine Fußsohlen rissen auf und ich hinterließ eine blutige Spur, die niemanden interessierte.
»Los rein, du Schlampe!« Mit diesen Worten stieß mich der Volkspolizist mit voller Wucht in den Wagen, so dass ich an das Gitter prallte und liegen blieb. Die Tür schloss sich und der Wagen fuhr los. Ein Milchglasfenster versperrte die Sicht nach draußen, aber es ertönten laute Stimmen, Musik und das fröhliche Lachen vieler Menschen. Ich hörte genauer hin.
Es war der 1. Mai, die DDR feierte den Tag der Arbeit. Ich dachte an den 1. Mai ein Jahr zuvor. Es war ein wunderschöner Tag. Christoph war von der Arbeit freigestellt, aber zur Mai-Demonstration verpflichtet worden. Das war üblich. Wir fuhren mit Fabian und Benjamin in die Stadt zur Straße der Nationen. Schon in der Straßenbahn hatten wir Spaß. Alle Leute hatten gute Laune. Die Sonne strahlte von einem blitzblauen Himmel, von überall her hörte man Musik und der Duft von Frühling lag in der Luft.
Ich schob den Sportwagen mit Benjamin, und Christoph hatte sich Fabian auf die Schulter gesetzt. Wir reihten uns in die Menschenmenge ein und marschierten einige Stunden mit. Christoph und ich hatten schon länger Probleme miteinander. Harmlos ausgedrückt. An diesem 1. Mai war er wie ausgewechselt. Fröhlich. Großzügig.
Wir kamen beim Konsum-Warenhaus am Fritz-Heckert-Platz vorbei.
Vor dem Kaufhaus hatte sich eine lange Menschenschlange gebildet.
Das bedeutete, dass etwas angeboten wurde, das es sonst nicht oder nur selten zu kaufen gab. Man wusste zwar nicht, was, aber es hieß auch, dass man die Gelegenheit nutzen sollte. Wir stellten uns mit an und hatten Glück. Es wurden schöne dick gefütterte Winteranoraks für Kinder in allen möglichen Farben verkauft. Sie waren zwar recht teuer, wir kauften trotzdem zwei für Benjamin und Fabian. Anschließend ging Christoph noch mit uns in die Milchbar und spendierte uns ein Eis. Abrupt wurde ich aus meinen schönen Erinnerungen gerissen.
»Raus!« Da ich der Aufforderung nicht sofort nachkam, griff der Volkspolizist wieder nach der Knebelkette und warf mich aus dem Auto auf den Boden eines Innenhofes.
»Aufstehen! An die Wand, los!«
Ich rappelte mich mühsam auf und stellte mich mit dem Gesicht zur Wand. Schwere Schritte von Stiefeln ertönten. Ich konnte nicht ausmachen, wie viele Personen das Karree dieses Hofes betraten. Und dann prasselten Fragen auf mich herab.
»Warum haben Sie das getan? Warum versuchen Sie Ihre Taten einem Genossen anzuhängen? Woher hatten Sie die Medikamente? Wieso sind Sie in die Kaserne gegangen?
Wie viel Geld haben Sie dafür bekommen? Oder haben Sie etwas ganz Anderes erhalten? Antworten Sie!« Ich hatte die Fragen gehört, nicht alle, aber einen Teil.
Und ich begriff weder den Inhalt noch um wen oder was es ging. Stundenlang dieselben Fragen und Schläge. Und mir war kalt, ich zitterte am ganzen Körper und klapperte mit den Zähnen. Irgendwann brachten sie mich in eine Zelle und warfen mir eine Decke zu. Das Licht blieb an, ein flackerndes Licht. Ich schlief sofort ein. Minuten später wurde ich geweckt und in einen Verhörraum gebracht.
Aber die Situation hatte sich geändert. Jetzt waren zwei Herren im Anzug und zwei männliche Aufseher da. Stasi! Das konnte ich förmlich riechen. Ich bekam eine Tasse Kaffee und Gebäck gereicht.
Erstaunt sah ich Herrn Schmidt (so hatte er sich höflich vorgestellt) an. Er lächelte mich freundlich an. »Liebe Frau Siebenherz, an was können Sie sich als Letztes erinnern?«
Ich sah ihn an und überlegte angestrengt, aber mein Hirn versagte in diesem Moment komplett. Es war leer, da war nichts. »Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?«.
»Da ist nichts, ich weiß es nicht mehr«, stotterte ich. Schmidt klopfte auf den Tisch und ein Aufseher trat vor und schlug mir die Faust ins Gesicht.
Die Wucht des Schlages warf mich vom Stuhl. Ohnmächtig blieb ich liegen. Als ich wieder zu mir kam, hatte ich ein Bild vor Augen, dass ich lange nicht mehr loswerden würde.