Die Sorge des Hausvaters - Franz Kafka - E-Book

Die Sorge des Hausvaters E-Book

Kafka Franz

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. »Diese ungeheure Welt, die ich im Kopf habe. Aber wie mich befreien und sie befreien, ohne zu zerreißen. Und tausendmal lieber zerreißen, als in mir sie zurückhalten oder begraben.« Als Einführung in Kafkas »ungeheure Welt« sind die Erzählungen aus dem Sammelband ›Ein Landarzt‹ hervorragend geeignet. Sie bieten ein buntes Spektrum ›kafkaesker‹ Themen und Figuren, die den Leser sogleich hineinreißen in den faszinierend beunruhigenden Kosmos dieses großen Erzählers.

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Franz Kafka

Die Sorge des Hausvaters

Fischer e-books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Die Sorge des Hausvaters

Die einen sagen, das Wort Odradek stamme aus dem Slawischen und sie suchen auf Grund dessen die Bildung des Wortes nachzuweisen. Andere wieder meinen, es stamme aus dem Deutschen, vom Slawischen sei es nur beeinflußt. Die Unsicherheit beider Deutungen aber läßt wohl mit Recht darauf schließen, daß keine zutrifft, zumal man auch mit keiner von ihnen einen Sinn des Wortes finden kann.

Natürlich würde sich niemand mit solchen Studien beschäftigen, wenn es nicht wirklich ein Wesen gäbe, das Odradek heißt. Es sieht zunächst aus wie eine flache sternartige Zwirnspule, und tatsächlich scheint es auch mit Zwirn bezogen; allerdings dürften es nur abgerissene, alte, aneinander geknotete, aber auch ineinander verfitzte Zwirnstücke von verschiedenster Art und Farbe sein. Es ist aber nicht nur eine Spule, sondern aus der Mitte des Sternes kommt ein kleines Querstäbchen hervor und an dieses Stäbchen fügt sich dann im rechten Winkel noch eines. Mit Hilfe dieses letzteren Stäbchens auf der einen Seite, und einer der Ausstrahlungen des Sternes auf der anderen Seite, kann das Ganze wie auf zwei Beinen aufrecht stehen.

Man wäre versucht zu glauben, dieses Gebilde hätte früher irgendeine zweckmäßige Form gehabt und jetzt sei es nur zerbrochen. Dies scheint aber nicht der Fall zu sein; wenigstens findet sich kein Anzeichen dafür; nirgends sind Ansätze oder Bruchstellen zu sehen, die auf etwas Derartiges hinweisen würden; das Ganze erscheint zwar sinnlos, aber in seiner Art abgeschlossen. Näheres läßt sich übrigens nicht darüber sagen, da Odradek außerordentlich beweglich und nicht zu fangen ist.

Er hält sich abwechselnd auf dem Dachboden, im Treppenhaus, auf den Gängen, im Flur auf. Manchmal ist er monatelang nicht zu sehen; da ist er wohl in andere Häuser übersiedelt; doch kehrt er dann unweigerlich wieder in unser Haus zurück. Manchmal, wenn man aus der Tür tritt und er lehnt gerade unten am Treppengeländer, hat man Lust, ihn anzusprechen. Natürlich stellt man an ihn keine schwierigen Fragen, sondern behandelt ihn – schon seine Winzigkeit verführt dazu – wie ein Kind. »Wie heißt du denn?« fragt man ihn. »Odradek«, sagt er. »Und wo wohnst du?« »Unbestimmter Wohnsitz«, sagt er und lacht; es ist aber nur ein Lachen, wie man es ohne Lungen hervorbringen kann. Es klingt etwa so, wie das Rascheln in gefallenen Blättern. Damit ist die Unterhaltung meist zu Ende. Übrigens sind selbst diese Antworten nicht immer zu erhalten; oft ist er lange stumm, wie das Holz, das er zu sein scheint.

Vergeblich frage ich mich, was mit ihm geschehen wird. Kann er denn sterben? Alles, was stirbt, hat vorher eine Art Ziel, eine Art Tätigkeit gehabt und daran hat es sich zerrieben; das trifft bei Odradek nicht zu. Sollte er also einstmals etwa noch vor den Füßen meiner Kinder und Kindeskinder mit nachschleifendem Zwirnsfaden die Treppe hinunterkollern? Er schadet ja offenbar niemandem; aber die Vorstellung, daß er mich auch noch überleben sollte, ist mir eine fast schmerzliche.

Anhang

Editorische Notiz

Textgrundlage: Franz Kafka, ›Schriften, Tagebücher, Briefe‹, Kritische Ausgabe, herausgegeben von Jürgen Born, Gerhard Neumann, Malcolm Pasley, Jost Schillemeit und Gerhard Kurz, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 1982ff. Erstdruck und Druckvorlage: Franz Kafka, Ein Landarzt. Kleine Erzählungen. München und Leipzig: Kurt Wolff Verlag 1919.

Daten zu Leben und Werk

1883

3. Juli: Franz Kafka wird in Prag als ältestes Kind des Kaufmanns Hermann Kafka und seiner Frau Julie, geborene Löwy, geboren.

 

1889–1893

Besuch der Deutschen Volks- und Bürgerschule am Fleischmarkt in Prag.

 

1893–1901

Besuch des humanistischen Deutschen Gymnasiums in der Prager Altstadt. Abschluss mit dem Abitur.

 

1901

Im Herbst Beginn des Studiums an der Deutschen Universität Prag, zunächst kurz Chemie, dann Jura; nebenbei kunstgeschichtliche Studien.

 

1902

Sommersemester: Studium der Germanistik, Wintersemester: Fortsetzung des Jurastudiums. Erste Begegnung mit Max Brod.

 

1903

Im Sommer: Staatsprüfung in Rechtsgeschichte, anschließend Sanatoriumsaufenthalt zunächst bei Dresden, dann in Südböhmen.

 

1904

Beginn der Arbeit an Beschreibung eines Kampfes.

 

1905

Im Sommer Sanatoriumsaufenthalt in Zuckmantel, ab Winter regelmäßige Zusammenkünfte mit den Freunden Max Brod, Oskar Baum und Felix Weltsch.

 

1906

Volontariat in einem Rechtsanwaltsbüro. 18. Juni: Promotion zum Dr. juris.

Ferien in Zuckmantel, ab Herbst einjährige Rechtspraxis, zunächst am Land-, danach am Strafgericht.

 

1907

Arbeit an Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande. Ab Herbst Aushilfskraft in den »Assicurazioni Generali« in Prag.

 

1908

Juli: Eintritt als Aushilfsbeamter in die »Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag«. Engere Freundschaft mit Max Brod. Erste Publikation von acht Prosastücken (aus dem späteren Band Betrachtung) in der von Franz Blei herausgegebenen Zeitschrift ›Hyperion‹.

 

1909

Zahlreiche Dienstreisen und Ferienreise mit Max und Otto Brod an den Gardasee. Arbeit an Die Aeroplane in Brescia, Beginn der Tagebuchaufzeichnungen.

 

1910

Ernennung zum »Anstaltscopist«. Besuch von sozialistischen politischen Veranstaltungen. Ferienreise mit Max und Otto Brod nach Paris.

 

1911