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Gott ist der Menschen überdrüssig, denn diese missbrauchen die ihnen verliehene Macht nur zu Unrecht und Schändlichkeit; zumindest aus der Sicht Gottes. So schmiedet er eine Intrige und bietet Mephisto eine Wette über den Fortbestand der Menschheit auf Erden an. Die so von Gott geschenkten Todsünden sollen den Untergang des Anthropozäns einleiten. Kann das gelingen? Anhand unterschiedlicher Episoden wagen wir es, einen vorsichtigen Blick in die Welt des Menschen zu werfen und die Krone der Schöpfung auf ihre Funktionalität zu überprüfen. Dieser Gedichtband stellt für den Autor eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Auffassung, der Zuschreibung, der Selbstgefälligkeit und der Differenzierung des menschlichen Wertes dar. Er versteht sich als Lot der menschlichen Position im Ozean der Würde, an dem sich der Autor selbst hängend im Fallen begreift.
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Seitenzahl: 150
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Malleus Homo
Die Todsünden
„Ist es nicht im höchsten Grade widersinnig, wenn Gott dem Menschen, den er selbst geschaffen hat, die Kenntnis des Unterschiedes von Gut und Böse vorenthält? Ein solcher Mensch wird offenbar einmal das Übel nicht meiden, und andererseits auch nicht dem Guten nachstreben. Was aber die Hauptsache ist: Gott hat nicht gewollt, dass der Mensch an vernünftiger Einsicht teilhabe, und dabei gibt es nichts, was für den Menschen größeren Wert hätte. Wenn es so steht, muss man Gott als missgünstig bezeichnen.“
Flavius Claudius Iulianus Julian (331 – 363)
Dieses Buch ist eine Tragödie, welche versucht, auch und besonders mit dem Stilmitel der Satire, das Menschliche – oder Göttliche – erträglich zu gestalten – was nicht immer glückt. Daher steckt es voller Leidenschaft, ist voller Anspielungen, voller Wut, Zynismus und Anklage, voller Schmerz, ja, auch Ablehnung; jedoch steckt es in erster Linie voller Liebe, voller Gefühl und voller Herz. Dennoch ist es unerbitlich herzlos, aber besonders sanft und schmeichelnd. Es ist warm und zärtlich, aber auch zerstörerisch und dystopisch, biterernst, wuchtig und zuweilen schmerzlich kummervoll.
Aus diesem Grund möchte ich darauf hinweisen, dass die Lektüre ein Wechselbad der Gefühle hervorrufen kann, welches schlimmstenfalls den Einen zu verstören oder zu verwirren vermag, den Anderen bestenfalls beglückt, belustigt und beseelt; oder nichts von alledem.
All jenen, welche sich in einer emotionalen Unsicherheit wähnen, sei ans Herz gelegt, die Lektüre zu überdenken. Ich möchte keinesfalls, dass schlechte Gefühle entstehen oder zurückbleiben. Also bite ich hiermit eindringlich, und nehmt dies bite ernst, selbstfürsorglich auf sich zu achten und spätestens bei der ersten Ankündigung eines Unwohlseins ein Weiterlesen zu hinterfragen.
Ich möchte auf den nun folgenden Seiten niemanden verletzten oder beleidigen – sollten dies allerdings einzelne (Gruppen) entsprechend deuten, sollten sich diese tatsächlich mal fragen, warum das wohl so ist. Ich möchte bloß stören und vielleicht metaphorisch dekuvrieren; es handelt sich bei den entsprechenden und sicher schnell zu entlarvenden Teilen um Karikaturen und um, wie bereits erwähnt, Satire.
Grundsätzlich kurz und schmerzlos:
Advisory Explicit Content
Ich danke für die Nutzbarmachung und Zurverfügungstellung der Bilder und Illustrationen und die damit verbundene Möglichkeit, dieses (literarische) Wagnis symbolisch zu vervollständigen und diesem so die unterstreichende Tiefe zu verleihen.
Ganz besonders danke ich von ganzem Herzen
Mutter Dir den anwesenden und abwesenden Freund*innen
den Nahestehenden und Distanzierten, Unterstützenden und Geduldigen, Tragenden und Aushaltenden, Daseienden und Wegbleibenden,
den Lesenden, Lachenden, Nachdenkenden, Fragenden und Hinterfragenden, Lehrenden und Lernenden, Nachsichtigen und Fordernden,
den Gütigen, den Menschenrechts- und Würdewahrenden…
und nicht zuletzt der Kreatur, dem Menschen überhaupt. Ohne die unschätzbare Vielfalt der Inspirationen, die von ihm ausgehen, hätte dieses Buch nie entstehen können. Es ist daher ausdrücklich ihm gewidmet, in jeder Form; in fast jeder Form.
Euer aller Daniel 2024
PRÄPENDENZ
SUPERBIA
AVARTIA
LUXURIA
IRA
GULA
INVIDIA
ACEDIA
POSTPENDENZ
Präpendenz
„Kein Mensch ist in der Lage, sich für zwei ganz verschiedene Auftraggeber einzusetzen. Er wird entweder den einen bevorzugen und dessen Aufträge schnell und zuverlässig ausführen oder die des anderen. Nur einen von beiden wird er, wenn es darauf ankommt, ernst nehmen. Den anderen wird er vernachlässigen. Ihr könnt keine Diener Gottes sein, wenn ihr gleichzeitig der Macht des Geldes, dem Gott Mammon, verfallen seid.“
Jesus von Nazareth (7-4 v. Chr. – 30-33 n Chr.)
Wo steht ein wer mit welchem Recht, mit Rang und Stand sich selbst ermächt’gt, doch vergisst er offenbar schon, wer Vater ist und wer nur Sohn. Hilft ‘s erste Exempel nicht mehr, dann muss halt schnell ein weit‘res her, so wird dann auch dem letzten klar, wer der Schöpfer Eurer Welt war.
... was zuvor geschah:
Gott ist der Schöpfer allen Seins, er wird nicht müd‘, dies zu erwähnen,
erzählt und lobpreist, was er schuf, beginnt stets alles aufzuzählen.
Jedoch, kommt er dem Menschen nah, wird düster sein Gesichtsausdruck,
und wechselt danach ganz und gar vom güt’gen zum zornigen Gott.
Er ruft voller Selbstmitleid dann, weil er sich selbst dies Privileg,
gegeben hat, jeden stur an, wer kann, geht ihm schnell aus dem Weg.
Doch ist er nicht allein im Leid, es ist der Morgenstern, der ihn
aus Verantwortung steht dann zu Seit‘, wenn die Erzengel vor ihm flieh‘n.
So saß er, ertrug’s Wehgeschrei, ermutigte ihn Stund‘ um Stund‘
fürsorglich, niemals einerlei, war noch so hart Gott’s Abrechnung.
Gott wollt‘ nicht mehr, der Mensch wurd‘ ihm sein persönlicher Niedergang,
bei allem, was ihm wurd‘ verlieh‘n, dies raubte Gott wohl den Verstand.
Kein liebes Wort entkam ihm mehr, nur Ablehnung, schwer vorwurfsvoll,
die Belastung, sie wog so schwer, nur Grimm und Zorn vor lauter Groll.
Und ganz egal, was er auch tat, der Mensch entzog sich immer mehr
seinem Worte und seinem Rat, wo kam bloß dieser Hochmut her?
Machte sich die Welt Untertan, „sonst liest er nie, warum den Kram?“,
bis es ihn gänzlich überkam und er die Schöpfung übernahm.
Das war also die Dankbarkeit, Medizin, Wissenschaft gesamt,
verlegte Gott’s Dreifaltigkeit, in ein abstraktes Märchenland.
Es bedurft‘ einer Korrektur, der Mensch, er musst‘ zum zweiten Mal
das Paradies verlassen nur als endgültiges Machtfanal.
Der Mensch, so viel zu einflussreich, das Leben ja schon längst zensiert‘,
musst‘ er sich selbst, an Abwehr‘n reich, überlisten manipuliert.
Und als Luzifers Geduld dann, nach so vielen Millennien,
strapaziert auf der Probe stand, ließ er sich dann doch hinreißen.
Die Wette, sie war Gott’s Einfall, widerwillig, doch viel zu müd‘
schlug Luzifer, mit lautem Hall, ein, wusst‘ nicht, was ihm alsbald blüht‘.
So kam es mit Ankündigung, der Mensch als Wesen viel zu zäh,
entkam dieser Gottgeißelung und blieb in seinem Prunkpalais.
Und Luzifer war plötzlich wach, die Ahnung kam mit einem Schlag,
denn Gott trat, ganz sein Wetteinsatz, hinab in das Höllengulag.
Und dort sind sie nun schon recht lang vereint in Hast, weniger Freud‘,
Gott unterhält im Alleingang, plant lauthals sein Komplott erneut.
Wir steigen nun vorsicht’g hinab und spenden die Aufmerksamkeit
den Vorgängen im Weltengrab, fern jedweder irdischen Zeit.
Prolog
Querkreuzsturz
Da hängt es, das Großmartyrium,
vier Schlag am Kreuz, selbst leis‘, gar stumm,
am Fuß jedoch der Trugvasall,
die Worte leer, ein Maskenball.
Dort schwafelt die Betroffenheit,
„Bin bei Dir, teil‘ mit Dir Dein Leid.“,
jedoch der Beistand währt nur kurz,
nichts bewahrt vor dem Höllensturz.
Dort liegt im Schlamm die Niedertracht,
im Bettlerhemd die Lüg‘ gebracht,
der Menschheit ewig während‘ Fluch,
das Bußgewand ein Leichentuch.
Hätten sie des Nächsten gedacht,
der Nachwelt Güte dargebracht,
dem Leben jed’s Gebet geschenkt
und nicht die Welt in Leid ertränkt.
Womöglich wär‘ Gott‘s Zorn dann mild,
doch so ist‘s Wirrsal, rasend wild:
„Großtaugenichts verschwind‘, entflieh!
Hoeholzbagdtal Qualsymphonie.“
Einklang
I
So sehen wir im Jahr des Herrn,
obwohl im Diesseits nicht zugegen,
ihn jedweden Einflusses fern,
kohlzugewandt das Feuer fegen.
Der Wette Verlust Gegenpfand,
doch wer hat eigentlich verlor’n,
ist allen nur zu gut bekannt
und jedem Auge schmerzhaft Dorn.
Obwohl Mephisto ihn ermahnt‘
war Gott der Vernunft nicht bereit,
obwohl er kein Stück wetten kann,
führt‘ Wett‘ um Wette er herbei.
Und dies konstant unüberlegt,
kein Wetteinsatz war zu bizarr,
doch wieder, völlig aufgeregt,
verlor er und steht wieder da.
II
So in Süd Unterkirchabzell,
im Nobiskrug des Morgenstern‘,
rollt unentwegt die Geiferwell‘,
hört Gott nicht auf sich zu beschwer’n.
Nicht Geltung hier, kein Ränkespiel,
gar nur die Bilder, die stets war‘n,
ird’sch Höllenqual, auch hier zu viel,
kein Faust’scher Pakt konnt‘ ihn ermahnen.
„Hier ist’s zu heiß, soll ich verbrennen?“,
hinfort ist auch die Ruh‘ gefegt.
„Lädt man, sollt‘ man die Gäste kennen!“,
Mephisto mild Sanftmut anregt.
„Nun feg doch sacht‘, mühst Dich zu sehr,
das Feuer, es brennt ewig hier.“,
„o, Mitgefühl vom Höllenherr,
das Fegen überlass schön mir!“
Das Ziel, welches hier knapp verfehlt,
wenn Mephisto nur nicht dort stünde,
ist jenes, das am stärksten quält,
der Mensch, des Unheils Ursünde.
III
„Auswurfsgeburt, Bazillenbrut,
standgasfahrender Lumpenschut,
ich ertrag‘s nicht, halt es kaum aus,
ich schmeiß das Pack endgültig raus?“
„Warum tust Du Dir’s täglich an
und dann, recht schnell, nicht irgendwann,
bist nah am Kollaps, ventilierst,
gar hyper den Verstand verlierst.
Nachts und des Tags verteilst Du Schuld,
Chaos erwächst aus Ungeduld,
wie Auswirkung der Handlung folgt,
so ist doch alles, wie‘s sein sollt‘.
Mein Freund, ich möchte knapp bemängeln,
Dein unentwegt recht lautes Gängeln,
lenkt Dich schwer aufs Geratewohl
und ist auch Deiner Brut Symbol.
Rumsöderst trauerkeifend leer,
beschwerst Dich, rennst kopflos umher,
und geltungsbedürftig verlangst‘
von jedem Zuspruch, langsam langt’s!“
"Sie meiner Gnade Güt' zum Trotz",
"Du wiederholst Dich!", "lass mich kurz;
sterben nicht, wie geplant noch jung,
leben lang‘, glauben, ich sei dumm.
Da forschen sie, medizinier'n,
gleichwohl sie den Verstand verlier‘n,
das heißt, der Mensch nicht nur verweilt
länger als gedacht, nein er teilt.
Und dies nur sich, der Zell‘ die Kron‘,
sonst teil’n sie nichts, nächstliebend Hohn,
verwüsten gierend mir mein Reich
der Herrlichkeit, dem Urknall gleich.“
„Soso, hat‘s ihn nun doch gegeben,
erinn’re mich, wollt’st‘s nicht zugeben“,
„ich bitt‘ Dich, nicht die Diskussion,
wird müßig, hatten wir doch schon.“
„Ein Glück, hast Themen nie zu lang
gedehnt mir bis zum Untergang.
Also, wohlan, nicht dass Du sonst
gar gar nicht mehr zu Worte kommst.“
„Da sperrt man kleine Lumpen ein,
vor großen unterwirft‘s sich fein,
die machen niemals, was sie soll’n,
da soll sie doch der Teufel hol’n!"
„Moment, Moment, mal nicht so schnell!“,
„nur Redewendung, kein Appell;
erdacht einst Programm mit Genuss,
‘n bisschen fressen, Paarung, Schluss.
Doch greift die Brut ganz ohne Schein,
arg grob mir in mein Machtwerk ein,
wohl mit der eigennütz’g‘ Vision,
den Tod brüskier‘n mit Spott und Hohn.
Da zerrt‘s und impft‘s am Überalten,
um der Natur Lauf aufzuhalten,
als tankt man ‘s Mobil, übersoll,
kurz vor der Schrottpress' nochmal voll.
Als stünden diese noch bereit,
wenn ‘s Kreuz zu setzen an der Zeit,
Daseinsziel wird der Urnengang;
politischer Machthaltungsdrang.“
"Geistreich dies Gleichnis, als Befund
bringst Nächstenliebe auf den Punkt,
ein Glück, die Selbstsucht ist nicht Dein,
wie einst Dein Sohn, leid’st Du allein.
Na los, bin Ohr, heraus die Sprach',
welch‘ Böses erdacht'st nun zur Straf‘,
Rache, Vergeltung, Denkzettel, Buß',
Plage, Mühsal, Not, Todeskuss?"
„Nein, nein, diesmal wird’s anders geh‘n,
erklär‘s Dir kurz, schnell zu versteh‘n,
wenn sie mir so ergeben sind
bring ich ihnen die Todessünd‘.
Nicht eine, eine reicht mir nicht,
belag’re sie, Knechtschaft Verzicht,
bestimm‘ als Sünd‘, ich Glaubenswirt,
all‘ das, was sie charakt'risiert."
„Irgendwie zieht sich permanent
Sadismus, ganz und gar enthemmt,
durch jeden Plan, Tat, jedes Wort,
die Rachsucht durch jeden Akkord.
Als Schinder, wie nur Du‘s sein kannst,
mir diese Eigenschaft fehlt ganz,
sand‘st Du, wie ich Dich kenn‘ unlängst,
die Sünd‘ als Gab‘, als Dein Geschenk.“
"Mein Freund, Du weißt mich doch recht
gut,
ein letzter Akt der Widerbrut,
nicht Planck-Zeit ihrer Blasphemie,
bin Gipfel jeder Hierarchie!“
„Auf dann, der Einsatz sei wie einst?
Hast Du Erfolg, der Welt erscheinst,
verlierst Du, bleibst Du vorerst hier,
und ich, ich bleibe Meister Dir.“
„Hochmut und Geiz, Wollust und Zorn,
Voellerei, Neid und Traegheit soll’n
Achilles Fers‘ dem Menschen sein,
und Welten Herrschaft wieder mein.“
„Einverstanden, ein zweiter Streich,
dem Kauer Menschensohnes Fleisch,
dem bluttrinkend‘ und kriechend‘ Frommen,
erneut, die Wett‘ ist angenommen!“
„Diesmal, mein liebster, ält’ster Freund,
wirst seh’n, ‘s Leben sich schwer versäumt,
ist man nie auf des Wesens Welt,
mit Geist und Seele eingestellt.
Und nur transzendent orientiert,
sinnsuchend anderswo zentriert;
auch ich denk‘ oft an Maria,
von ihr ausgeh’nd
Saligia…“……“
Superbia
„Denn wenn du gleichgültig sein wirst, so wird - ehe du dich versiehst - auf euch, auf eure Nachfahren plötzlich irgendein Auschwitz vom Himmel fallen.“
Marian Turski (*1926)
Der Hochmut, er kommt vor dem Fall, dass dies nicht ist, zeigt‘s überall, das alte, weiße, satte Tier hält Hochmut schmückend sich als Zier. Der Abstoßung sich nicht bewusst, brunft Silberrüb‘ bis zum Erguss und kommt bei einer Gattung an, artspezifisch beim weißen Mann.
Trommelstahl
Weltentfremdung
“Ist auch kärglich des Krieges Brot, schaff uns täglich den Feinden Tod und zehnfältiges Wehe! In barmherziger Langmut vergib jede Kugel und jeden Hieb, die wir vorbeigesendet. In die Versuchung führe uns nicht, dass unser Zorn dein Gottesgericht allzu milde vollendet! Uns und unseren Bundesfreund gib Erlösung vom höllischen Feind und seinen Dienern auf Erden. Dein ist das Reich, das deutsche Land, uns muss durch deine gepanzerte Hand Kraft und Herrlichkeit werden.” (1914)
Karl Wilhelm Dietrich Vorwerk (Pfarrer / Konsistorialrat 1870 – 1942)
I Heimat
Die Morgendämmerung illuminiert die Welt in schönstem Schein, ein neuer Tag bricht an, am Fenster steh ich, aufgeregt, daheim. Die Welt, sie blickt Tag für Tag, Stund‘ für Stund‘ auf die Gezeitenuhr, welche das Ende einläutet und abringt mir den Treueschwur.
Das größte Glück, in Frieden leben, reißt entzwei erneut der Feind, die Heimat uns zu schützen ist Befehl all’n, als Nation geeint. Denn ist‘s uns’re heiligste Pflicht, für Kaiser, Gott und Vaterland, zur Not das Leben zu opfern, als uns‘res Volkes Unterpfand.
… so musst‘ auch dies die meine sein.
Dem Menschen folgt‘ als Sukkus stets
der Krieg, jedweden Weg’s er geht;
Kultivierung als Freiheitsschrei,
von Tyrannei zu Tyrannei.
Von Erlösung, Gunst der Gesang,
göttlich, himmlisch der Tugendklang,
so wurd‘ zur Natur, dass ja dieser
ganz unser ist, wie Duft dem Flieder.
Zwar hab‘ ich mich schon oft gefragt,
hat uns der Krieg je fortgebracht,
von all den Qualen, Not, dem Leid,
hin zum Wohle, welch‘ uns befreit‘?
Doch als Jüngling, leichtgläub‘g naiv,
dem Vaterlande stets mich fügt‘,
sah diesen, wie er allen ist,
als Pakt und Pflicht, mir ganz gewiss.
Und als es dann hieß „zu den Waffen!“,
braucht‘ ich nicht schwer mich aufzuraffen,
wie Vater und Großvater schon,
in familiärster Tradition,
stand stramm, bereit, verbarg die Furcht,
Vaterlands Diener durch und durch,
auf dass ich diesem unversehrt
mein Leben bieten darf und werd‘.
Schon bald der Tag des Abschieds kam,
der Mutter Kummer, Schwester Scham,
stand Vaters Stolze im Nichts nach,
wünscht‘ Wohle mir, haltungsbedacht,
und dass ich heil zurückkehr’n mag,
in dunkler Stunde nicht verzag‘,
welche mich oft begleiten wird,
„es wacht Dir stets der heil’ge Hirt“.
II Heilung
Der Abschied aus der Mutter Arm war schmerzvoller, als ich erahnt‘,
doch drängt‘ ich als bald‘ger Soldat beiseit‘, welch Übel mir doch schwant‘.
Verließ so Vater, Mutter, Hof, im Glauben stark, als Patriot,
fürchtete, wie ich mich belog, weder Verwundung noch den Tod.
Als ich dem Schwarm der Ankunft folgt‘ und in tausend Gesichter sah‘,
erkannt‘ ich mich als Spielfigur, nahm mich in fremder Rolle wahr.
So war ich dort, wie nie zuvor, ein Fremder, war doch Körper bloß,
nummeriert und auf Herz und Nier‘ untersucht und ausreichend groß.
… kehrt‘ zurück in Families Schoß.
Wie Gott uns schuf, an Leibern viel‘,
als uns der erste Schrei befiel,
standen wir, jeder Blicke mied,
entblößte Herd‘ in Reih‘ und Glied.
Frierend und beschämt trat ich dann
an den weißen Kittel heran,
nahmen Größe und Würde mir,
war so nur noch ein Blatt Papier.
Wehrfähig, diffus, doch befreit,
empfing ich das Soldatenkleid,
die Zuordnung, mein Regiment,
Identität auf dem Kriegshemd.
Ganz ausgerüstet, feldbereit,
wurden in Stuben aufgeteilt,
Kameradschaft als Ehrenlot,
Im Leben, der Schlacht und dem Tod.
Der Heldenklang im Lied verführt‘
fortan, so wurd‘ die Angst verschnürt,
nichts vermochte uns bald und dort
entreißen des Krieg‘s blendend Wort.
Wär‘n bald am liebsten losgestürmt,
euphorisch, ob des Feind’s erzürnt,
in Schlachten holen Sieg auf Sieg,
schließlich zu gewinnen den Krieg.
Dem ersten Tag folgte die Nacht,
welche nur wenig Schlaf gebracht,
um Schlage fünf Uhr in der Früh
weckt‘ uns des Sergeants Kik’riki,
und kurz darauf, getrieben, schnell,
gings auf den Hof zum Frühapell;
in eine dunk‘le Endvision,
war nie mehr Kind, Bruder, noch Sohn.
III Hegemonie
Wie war es möglich, dass ich nie des Lebens wusste, dass ich bloß
war dumm, naiv, ein kleiner Bub, fremd dieser Welt, so ahnungslos.
Nun trat ich ein, uniformiert, mir zur Seit‘ Kaiser, Gott und Land,
entschied bedingungslos zu folgen jenem, welcher so vor mir stand.
Wie ich bald merken sollte, war auch dies der einzig‘ rechte Pfad,
Persönlichkeit, Gefühle, all das Ich war dem Schleifer Verrat.
Die Strafen unbarmherzig, lernte schnell, das Denken einzustell‘n
und mich zu unterwerfen, ganz und gar des Schleifers Herrschaftswill’n.
… sei Vater und auch Henker mir.
Hinauf, hinab, schnell, schneller, schnell,
die Schreie krächzend, fluchten grell,
seit jenem Tag der Ankunft dort,
an diesem gottverlass’nen Ort.
Von morgens, bis spät in die Nacht,
als erst’s zu vernehm‘, g’rad‘ erwacht,
konnt‘ niemand diesem Rausch entflieh‘n,
des Schleifers Schleifen sich entzieh‘n.
So nach und nach geschah es dann,
der Jüngling langsam wurde Mann
und lernte, was von ihm verlangt,
dienen Vaterland‘s Unterpfand.
Im Fieber zog der Tag vorbei,
marschier‘n, Bewusstsein einerlei,
bis dies gänzlich den Halt verlor,
sich unterwarf des Schleifers Chor.
Nachdem auch das Ich ganzheitlich
gewichen der Soldatenpflicht,
bestand nun meine kleine Welt
aus Gieren nach dem Schlachtenfeld.
So waren wir alsbald bereit,
Kameradschaft, Geschlossenheit,
ganz entmenschlicht, ganz uns entrückt,
Kampfkollektiv im Schlachtenglück.
Und endlich befrei’nd Marschbefehl,
längst verkauft die unberührt‘ Seel‘,
den Frontrückkehrer sah’n wir nicht,
nicht sein entstelltes Fleischgesicht,
kein Schrei des Schmerzes, stilles Geh’n,
kein Aug‘, konnt‘ so auch uns nicht sehn,
sprach’ leis‘ „mein Sohn, schreib‘ nochmal
heim,
der Brief, er wird Dein letzter sein“.
IV Harmonie
War nie fort von zu Haus‘, nie allein ohne Vater, Mutter, Freund,
jedoch hab‘ ich mir nun als Patriot o diesen Tag erträumt.
Unrast, Erregung, Sorge, Angst verblassten durch den Fieberrausch,
die neue Welt, die mich umgab, das Fieber jenes Daseinstausch‘.
„O Kamerad, bald Freund im Feld, jener, der die Fremde nicht kennt,
stehst nicht allein, gehörst nun zum 10. Grenadier-Regiment.
Wirst seh’n, der Feind wird erschüttert von unserer Entschlossenheit,
ja, Ostern feiern wir daheim, so Gott will, sind gebenedeit.“
… und hofft‘, Gott sei uns wohlgesonnen.
Schon bald d‘rauffolgend sah ich dann
dies Acker Gottes, heil’ges Land,
für welches ich stolz kämpfen darf,
als Soldat stolz und treu und brav.
Ich ersann dann als Tagestraum,
in Zugabteil‘s begrenztem Raum,
welch‘ Ehr‘ und Ruhm der Jüngling bringt,
dem Vaterland als Mann, nicht Kind.
Anstell‘ von Wald, Wiesen und Dorf,
trat bald jener bizarre Ort,