Die Versuchung und das Meer - Marcus Hünnebeck - E-Book

Die Versuchung und das Meer E-Book

Marcus Hünnebeck

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Beschreibung

Die Sieben Sommersünden gehen in die siebte Runde - diesmal mit der Privatdetektivin Alex und dem reichen Bestsellerautor Marlon ... Ein sinnlicher Liebesroman von Kirsten Wendt und Marcus Hünnebeck, der den Abschluss der Sieben Sommersünden - Reihe bildet.

Eines hat Alex in ihrem Beruf als Privatdetektivin gelernt: Männer sind Schweine. Ihre neue Mission führt sie an Bord des Kreuzfahrtschiffes „Sonnenglück“. Im Auftrag der wohlhabenden Penelope soll sie deren Verlobten Marlon im Auge behalten.
Schon am ersten Abend bemerkt Alex, dass Penelopes Verdacht nicht unbegründet ist. Marlon spricht in einer Bar eine hübsche Frau an, die er mit in seine Suite nimmt. An den folgenden beiden Abenden wiederholt sich das Schauspiel mit anderen Frauen. Am nächsten Morgen wollen die Auserwählten aber ganz offensichtlich nichts mehr mit Marlon zu tun haben. Alex’ Neugierde ist geweckt, zumal sie ihn sehr attraktiv findet. Sie beschließt, sich auf ein gefährliches Spiel einzulassen …

Band 7 der Sieben Sommersünden: ›Die Versuchung und das Meer‹ (Wollust)
Jedes Buch steht unter dem Motto einer Sünde und erzählt die heitere Liebesgeschichte der jeweiligen Passagiere an Bord.
Die Liebeswirren der Crewmitglieder ziehen sich über alle 7 Bände - und es wird endlich aufgelöst, wer mit wem in den Hafen der Liebe einläuft ...

Die ›Sieben Sommersünden‹ im Überblick:

1. Band Neid: ›SOS! Versenkt den Milliardär‹ von Mira Morton
2. Band Hochmut: ›Seesterne küssen nicht‹ von Martina Gercke
3. Band Zorn: ›Wirf die Braut über Bord!‹ von Rose Snow
4. Band Geiz: ›Rettung für die Liebe‹ von Mila Summers
5. Band Faulheit: ›Ein Rettungsboot für mein Herz‹ von Annie Stone
6. Band Völlerei: ›Ein Schokoholic will Meer‹ von Karin Lindberg
7. Band Wollust: ›Die Versuchung und das Meer‹ von Wendt & Hünnebeck

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Die Versuchung und das Meer

7 Sommersünden

Wendt & Hünnebeck

Inhalt

1.Alex

2.Marlon

3.Alex

4.Marlon

5.Alex

6.Marlon

7.Alex

8.Marlon

9.Alex

10.Marlon

11.Alex

12.Marlon

13.Alex

14.Marlon

15.Bonuskapitel - Lena

Die Autoren

Impressum

1

Alex

Meinen ersten Kuss hatte ich mit Robbie Williams. Ich knutschte und sabberte so lange auf Robbies Lippen herum, bis das Poster sich wellte und ich mich schweren Herzens von der großen Liebe trennen musste, indem ich sie in den Papierkorb meines Kinderzimmers warf.

Wäre ich bloß bei der Teenagertaktik geblieben – das hätte mir bestimmt jede Menge Frust, Tränen und Ärger erspart. Mit Männern habe ich nur Pech. Greife ich nicht in gewohnter Manier zum Typ »egoistisch, beziehungsunfähig und ewiger Junggeselle«, erwische ich garantiert den zweiten Albtraum aller Frauen in Form von »klammernd, eifersüchtig und Muttersöhnchen«.

Es scheint keinen normalen Mann für mich zu geben; immer lande ich bei den Flachpfeifen. Vermutlich sind die brauchbaren Exemplare längst vergeben und werden von ihren Ehefrauen wie kostbare Schätze bewacht. Wer übrig ist und dank Scheidung zurück auf den Markt geworfen wird, den will ich trotzdem nicht haben. Ich bin einunddreißig und fühle mich wahrlich zu jung für die Resterampe.

Was mit mir verkehrt ist, weiß ich nicht, denn bis ich vor rund einem Jahr die Suche nach Mr. Right einstellte, träumte ich von den üblichen Dingen: Humor, Schmuck und Hochzeit. Guter Sex wäre auch nicht schlecht, aber die meisten Männer scheitern ja schon am Oralverkehr, wenn sie nicht selbst davon profitieren.

Ich habe es jedenfalls aufgeben und stattdessen aus meinen Erfahrungen eine Goldgrube gemacht. Männer sind Schweine, was ich als Privatdetektivin beweise. Es läuft richtig super mit dem Job, und ich gratuliere mir still lächelnd zum neuen Auftrag, der mich an Bord des Kreuzfahrtschiffes Sonnenglück gebracht hat. Vierzehn Tage Luxus auf Kosten meiner vermögenden Klientin Penelope – ich bin ein Glückspilz!

Vor mir stehen zwei Mitarbeiter der Crew und strahlen um die Wette.

»Herzlich willkommen, wir wünschen Ihnen einen zauberhaften Aufenthalt und gute Erholung«, zwitschert mir ein attraktiver Offizier namens Thorsten Münzer zu.

Ich mustere sein Namensschild und ahne, was er denkt. Die heiße Alleinreisende mache ich spielend klar, das ist eine meiner leichtesten Übungen. Im Leben nicht. Auf solche Angeber falle ich nun wirklich nicht mehr rein, und mit wem ich flirten möchte, entscheide immer noch ich.

»Danke«, sage ich freundlich und greife nach einem Begrüßungstütchen, das mir die blonde Hostess reicht.

Sie ist sehr hübsch und sieht nett aus, Typ beste Freundin, mit der man stundenlang Chips futternd Serien gucken möchte.

»Ich bin Lena Kruger und stehe Ihnen während der Reise für sämtliche Fragen und Wünsche zur Verfügung. Hatten Sie eine gute Anfahrt?«

»Ja, alles bestens. Es ist so modern hier. Ehrlich gesagt bin ich von weinrotem Teppich und goldfarbenen Vasen ausgegangen, aber das ist ja total jung und hip.«

Schwärmerisch lasse ich den Blick schweifen. Pudelwohl werde ich mich hier fühlen, das steht fest. Thorsten beobachtet mich amüsiert und stellt sich noch dichter als ohnehin schon neben Lena. Ob die was miteinander haben? Vermutlich nicht. Lena wirkt zu ausgeglichen, um einen Schönling wie ihm imponieren zu wollen. Ein wenig beneide ich sie um ihre Ausstrahlung. Sie ist cool, ohne es darauf anzulegen. Während ich mir meinen emotionalen Schutzpanzer mühsam antrainiert habe, um nicht stets aufs Neue enttäuscht zu werden, ruht die Chefhostess wahrscheinlich seit jeher in sich.

Das Leben ist ungerecht.

Aber dafür verdiene ich mehr Geld als sie. Viel mehr.

»Dann wird Ihnen Ihr Zimmer sicherlich erst recht gefallen«, meint er.

»Ja, das glaube ich auch. Wenn Ihnen unser neuer Stil im Empfangsbereich schon so zusagt, müssten Sie in Ihrer Kabine ausflippen«, ergänzt sie.

»Schrei vor Glück«, sagen wir wie aus einem Mund und fangen an zu lachen, weil wir an die bekannte Werbung denken müssen und uns vorstellen, wie ich kreischend meine Unterkunft stürme.

»Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Weg zur Kabine. Ihr Gepäck dürfte bereits dort sein. Und wenn mich nicht alles täuscht, haben Sie ruhige und ebenfalls allein reisende Nachbarschaft.«

Lena ignoriert das Augenzwinkern ihres Kollegen, als wir ihn gemeinsam verlassen, und ich tu es ihr gleich. Der Lackaffe soll sich ein anderes Opfer suchen. Ich folge ihr durch die hellen Gänge bis zum Flur und trete neugierig in mein pastellfarbenes Paradies ein. Das Zimmer ist ein Traum!

Das wäre jetzt ein wirklich guter Moment, um vor Glück zu schreien.

Penelope würde ich nicht unbedingt als Sympathieträgerin bezeichnen. Eher als eine echte Zimtzicke, der das viele Geld das Hirn vernebelt hat. Vielleicht war sie schon immer reich, vielleicht ist sie es aus irgendwelchen glücklichen Umständen geworden – ich weiß es nicht, und es ist mir egal. Wenn ich will, kann ich auch ungemütlich werden, und so antworte ich meiner Kundin auf ihre unhöfliche, ohne Anrede formulierte E-Mail knapp und bestimmt.

Sind Sie schon angekommen, Frau Berg? Erwarte Ihre Mitteilung!!!

Pfft. Ihre drei Ausrufezeichen kann das Biest sich sonst wo hinschieben.

Liebe Frau de Vaar, wie bereits erwähnt, erledige ich meine Arbeit stets zuverlässig und auf bewährt diskrete Art. Bei Fragen melde ich mich, Gruß, Alex Berg.

Und nun lass mich gefälligst in Ruhe, du frustrierte Kuh. Normalerweise leide ich förmlich mit den Klientinnen mit, wenn sie mich sorgenvoll um Unterstützung bitten. Meinen Ruf, jeden Fremdgeher auf frischer Tat zu ertappen, habe ich mir hart erarbeitet. Das wissen inzwischen zahlreiche Frauen, die meine Dienste buchen. Für privilegierte Weiber wie Penelope ist es leicht, weil sie das Honorar aus der Portokasse bezahlen können. Aber es gibt auch solche, deren Kerle sich ständig erfolgreich herausreden und es mit fiesen Sprüchen sogar schaffen, dass sich ihre Gattinnen schuldig fühlen, da sie den armen Mann der Untreue bezichtigen. Sie sind manchmal so verzweifelt, dass sie für meine Bezahlung einen Kleinkredit aufnehmen. In solchen Fällen verschafft es mir eine tiefe innere Befriedigung, zuerst den Schuft in flagranti zu erwischen und anschließend der Mandantin einen Rabatt einzuräumen. Sie hat schließlich genug mitgemacht.

Von so was wird Penelope nicht profitieren. Die lasse ich ordentlich blechen, denn sie nervt mich jetzt schon, dabei habe ich noch nicht einmal gecheckt, ob die Zielperson wie angekündigt in der Kabine nebenan wohnt. Mein linkes Ohr an die zartgelbe Tapete gepresst, kann ich leider nichts aus dem Nachbarzimmer hören. Entweder, Marlon Sanders hat sich hingelegt, oder die Wände sind schallisoliert. Sex wird jedenfalls nicht betrieben, das würde ich spüren – dafür habe ich einen siebten Sinn. Schade, dass ich ihn nicht am ersten Tag meiner zweiwöchigen Reise überführen kann. Dann würde ich es Penelope noch nicht verraten und herrliche Tage ohne Arbeit und Stress auf weiter See verbringen.

Während ich Marlons Fotos, die Penelope mir übermittelt hat, auf dem Laptop in Endlosschleife studiere, verteile ich meine Klamotten in die Schränke. Endlich mal ein Zimmer mit genügend Kleiderbügeln! Ich hasse es, wenn daran gespart wird und man sich zu zweit fünf Bügel teilen muss, wovon drei Stück überflüssige Hosenklemmen haben, die kein Mensch braucht. Wobei ich ja ohnehin nicht mehr mit Partner verreise, weil ich keinen habe. Und das ist auch gut so. Besser keinen als einen Typen wie Schwerenöter Marlon.

Wo steckt der überhaupt?

Es wird Zeit, das Schiffchen mal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Wir legen bei strahlendem Sonnenschein mit Schiffshupengetöse ab. Das ist wie im Fernsehen – Fernsehen bildet eben doch –, und ich weiß, was zu tun ist: fröhlich vom Deck aus wildfremden Menschen zuwinken. Äußerst bedauerlich, dass ich kein Champagnerglas in der Hand halte, aber immerhin habe ich ein wunderschönes cremeweißes Seidenkleid an, das meine Kurven an den richtigen Stellen betont und dafür die kleinen Pölsterchen auf der Hüfte verschwinden lässt. Ein Hoch auf edle Designermode! Glücklich genieße ich das Flattern des Stoffes im Wind und denke zurück an Penelopes ersten Besuch vor einem Monat in meinem Büro.

Ich habe ihr seinerzeit verklickert, passende Kleidung zu benötigen, um so unauffällig wie möglich vorzugehen. Ihr Marlon würde zu Recht misstrauisch werden, wenn ich in meinem sonst üblichen Jeanslook an Bord eines Nobeldampfers rumliefe. Normalerweise ermittle ich natürlich an Land und observiere die Zielpersonen in Restaurants und Kneipen, beobachte sie vor Hauseingängen und folge ihnen auf dem Weg zur Arbeit. Diese Einsätze erfordern Standardkleidung, weshalb der Großteil meiner Klamotten aus den gängigen Marken besteht, die man in jeder Fußgängerzone findet.

Penelope spitzte säuerlich den Mund, als ich ihr den Unterschied verdeutlichte. Logisch, je mehr Asche die Kundschaft hat, desto geiziger ist sie.

»Frau de Vaar, es geht nicht darum, Sie abzuzocken. Das habe ich auch gar nicht nötig«, schummelte ich. Klar hatte ich einen bezahlten Urlaub dringend nötig, aber angewiesen war ich wirklich nicht auf den Job. Ich war lediglich scharf drauf. Sie musste nicht alles wissen, und ich pokerte lässig weiter, während ich ihr den Vertrag zur Unterschrift über den Schreibtisch schob. Als sie einen Stift aus der Designerhandtasche fischte und zur Unterzeichnung ansetzte, sog ich erleichtert die Luft ein. »Sehen Sie«, fuhr ich fort, »nehmen wir Ihre Tasche. Glücklicherweise besitze ich solche Wertgegenstände selbst. Die müssen Sie noch nicht einmal für mich finanzieren.«

»Na, da sollte ich Ihnen wohl sogar noch dankbar sein, oder wie darf ich das deuten?«, ätzte sie. »Ich möchte, dass Sie herausfinden, ob Marlon untreu ist. Es interessiert mich herzlich wenig, aus wessen Mitteln Ihre Taschensammlung finanziert wird. Aus meinen jedenfalls nicht. Über elegante Kleidungsstücke können wir reden.«

»Wir verstehen uns«, lenkte ich ein. »Dann werde ich nur das Nötigste besorgen. Zwei, drei Sommeroutfits, zwei Abendkleider und natürlich passende Schuhe. Alles Weitere dürfte im eigenen Fundus vorhanden sein. Ich muss mal die angesagten Labels checken. Sie tragen Prada, nicht?« Bewundernd schaute ich zu ihr rüber, und sie strich sich eitel über den Bauch. Was bin ich nur für eine Schleimerin. »Sieht echt großartig aus, Sie haben einen tollen Stil!«

»Danke. Ja, das ist Prada, nicht nötig in Ihrem Fall. Kaufen Sie günstiger ein. Der ganze Spaß wird schon teuer genug, aber ich muss endlich Gewissheit haben.«

»Ich gebe mein Bestes, das verspreche ich Ihnen. Diskretion ist mein oberstes Gebot, machen Sie sich keine Sorgen. Und Ihr Lebensgefährte wird mir auf einem Schiff schlecht entkommen können – da haben wir in Kürze Klarheit. So gerne ich die Übeltäter überführe, aber in erster Linie wünsche ich Ihnen, dass Ihr Verdacht sich nicht bestätigt und die Zielperson kaum hinter der Zeitung hervorschauen wird.«

Wirklich glauben konnte ich mir selbst nicht. Bestimmt handelte es sich bei Penelopes Freund um einen eingebildeten Fatzke, der es gewohnt war, sich mit Geld alles kaufen zu können.

Hach. Das Gesülze hat sich gelohnt. Ich streiche mir an der Reling die Haare aus dem Gesicht, drehe mich um – und entdecke ihn in ein Gespräch mit einem dunkelhaarigen Mann vertieft. Die beiden sitzen quatschend auf weißen Korbsesseln, auf dem kleinen Tisch dazwischen stehen gefüllte Gläser. Wahrscheinlich Whiskey. Ich komme mir vor wie auf der »Titanic«.

Das passiert mir selten, aber ich finde Marlon optisch recht sympathisch. Wieso jemand wie er wohl mit der verbiesterten Penelope zusammen ist? Verstehe ich gar nicht. Allerdings verstehe ich seine potenzielle Untreue. Mit der Hexe würde ich es keine zwei Tage aushalten. Seine dunkelblonden Haare trägt er länger als auf den mir vorliegenden Fotos, sie reichen bis in den Nacken und verleihen ihm etwas Jungenhaftes. Dennoch kommt er nicht wie ein alternder Surfer rüber, sondern durchaus seinem Alter von vierzig entsprechend.

Ich straffe die Schultern und atme tief durch. Es ist ganz und gar unangebracht, für eine Zielperson zu schwärmen, zumal Marlon wahrscheinlich in mein Beuteschema des Bindungsunfähigen passt. Warum falle ich nur immer wieder auf diese Sorte rein? Selbst jetzt kann ich es nicht lassen und muss mich beherrschen, ihn nicht beeindrucken zu wollen, sondern mich stattdessen unsichtbar zu machen. Das ergibt bestimmt mehr Sinn, wenn ich unbemerkt ein Foto schießen will, um sicherzugehen, dass er es wirklich ist.

Damit er mich nicht sieht, schlendere ich unauffällig zu einem Grüppchen von Menschen und stelle mich dazu. Von hier aus kann ich mein Smartphone zücken und ein paar Bilder machen. Wegen des Jobs bin ich mit dem neuesten Schnickschnack in Sachen Fototechnik ausgestattet. Vermutlich bin ich die einzige Privatdetektivin der Welt, die keine Ahnung von so was hat. Bei mir muss es funktionieren, fertig. Mich interessiert nicht, warum etwas läuft, sondern nur, dass es läuft. Mein Handy jedenfalls bringt brauchbare Aufnahmen hervor, die für Aufgaben wie heute genügen. Observiere ich durch Fenster und Büsche, benutze ich eine richtige Kamera.

Perfekt, ich habe Marlon aus diversen Perspektiven erwischt und werde die Fotos gleich an Penelope weiterleiten. Ich nicke den anderen Urlaubern unverbindlich zu und will gerade den Platz verlassen, als mein Handy vibriert. Gott sei Dank habe ich es lautlos gestellt, sonst wäre Marlon womöglich jetzt doch noch auf mich aufmerksam geworden. Nicht schlimm, aber unnötig.

Och nee, es ist tatsächlich eine Nachricht von der nervigen Penelope. Ich muss ihr dringend die Leviten lesen. So kann ich nicht arbeiten!

Auf die letzten beiden Mails haben Sie nicht reagiert, darum auf diesem Weg. Ist Marlon da? Was macht er?

Mann, Mann, Mann. Ich habe wahrlich schon viele Kundinnen gehabt, und niemand hat mehr Verständnis für hysterische Reaktionen wegen irgendwelcher Kerle als ich, aber das geht zu weit. Entschieden zu weit.

Um diskret ermitteln zu können, benötige ich Ruhe. Bitte warten Sie zukünftig, bis ich mich melde, was regelmäßig der Fall sein wird. Und ja, er ist da, nur wenige Meter von mir entfernt. Er trägt das Haar länger als auf Ihren Fotos. Das ist er doch, oder?

Ich hänge die Schnappschüsse an und warte auf Penelopes Antwort. Inzwischen ist meine unbekannte Clique weg, was mich dazu zwingt, mich halb hinter einem weißen Stützpfeiler zu verstecken. Marlon und seinen attraktiven Gesprächspartner kann ich immer noch sehen.

Natürlich ist er das. Sieht man doch eindeutig. Ist das da neben ihm etwa ein Mann?

Dieses Miststück! Na warte, Rache ist süß. Hastig gebe ich meinen Kommentar ein.

Natürlich ist das ein Mann. Sieht man doch eindeutig.

Unprofessionell von mir, eine Kundin so zu behandeln, aber ich kann nicht anders. Sie hat es verdient.

Männer fallen nicht in Marlons Beuteschema und sind daher uninteressant für Ihre Überwachung. Ich will wissen, ob er mich betrügt!!!

Für die drei Ausrufezeichen wird sie bluten. Vielleicht gönne ich mir einen teuren Cocktail, der nicht im All-inclusive-Preis enthalten ist, und stelle ihn ihr in Rechnung.

Statt Penelope weiter Aufmerksamkeit zu schenken, kümmere ich mich um die Arbeit. Möglicherweise gelingt es mir, die beiden Herren zu belauschen und ein paar Wortfetzen aufzuschnappen, die auf Weiber hinweisen. Männer reden schließlich ständig über Sex. Und wenn sie das nicht tun, dann quatschen sie über Fußball, Autos und ihre neuesten Errungenschaften. Sie sind so leicht zu durchschauen, dass ich mich frage, warum es nur so wenig Liebesdetektivinnen gibt. Hervorragend allerdings für mich, denn nennenswerte Konkurrenz habe ich keine.

Mist, der Wind und die Motorengeräusche machen mir einen Strich durch die Rechnung, und ich kriege nur Bruchstücke der Unterhaltung mit. Ich muss mich weiter heranpirschen, weil ich gerne ein Erfolgserlebnis hätte. Nicht, um Penelope zufriedenzustellen, sondern um mein eigenes Ego zu befriedigen. Mein Ehrgeiz ist manchmal fast schon krankhaft, ständig muss ich mir selbst etwas beweisen. Früher habe ich regelmäßig Wetten mit mir selbst abgeschlossen.

Wenn ich es schaffe, eine Woche lang keine Cola zu trinken, belohne ich mich mit einem neuen Schal.

Oder: Überführe ich die Zielperson nicht innerhalb einer Woche, sage ich den Friseurtermin ab.

Diese Marotte habe ich mir allerdings wieder abgewöhnt, seitdem ich gelesen habe, dass solch ein Verhalten ein deutliches Indiz auf eine Zwangsstörung sei. Ich möchte keine Zwangsgestörte sein und versuche seitdem, geheime Pakte vor mir selbst geheim zu halten. Was vermutlich noch gestörter ist.

Ich bin einmal um die schützende Wand, vor der Marlon und sein Kumpel sitzen, herumgelaufen und fast am Ziel angekommen. Nun befinde ich mich zwischen einer Reihe unbesetzter Liegen aus dunklem Holz. Die dunkelgrün gepolsterten Auflagen sehen so einladend aus, dass ich mich auf einer niederlasse. Für die Männer scheine ich Luft zu sein – oder wie ist ihr komplettes Desinteresse anders zu erklären? Sie sind keine drei Meter von mir entfernt und hätten freie Sicht auf mich, aber gucken nicht mal her. Bin ich so hässlich oder was?

Anstatt mich darüber zu freuen, in Ruhe ermitteln zu können, verplempere ich meine Zeit mit selbstkritischen Gedanken. Keine Ahnung, warum ich mich damit quäle, zumal ich im Grunde genommen genau weiß, dass ich ganz passabel aussehe. Das ist typisch für uns Frauen, denn Männer kämen nicht mal im Traum auf solche Ideen.

Endlich schnappe ich einen zusammenhängenden Satz auf und beuge mich neugierig vor. Weltbewegend klang die Aussage nicht gerade, aber schärfer hinzuhören kann nicht schaden … Verdammt, jetzt stellen sich mir zwei behaarte Beine in den Weg, und ich schaue genervt zu deren Besitzer auf.

»Entschuldigung«, setze ich an und will ihn eigentlich bitten, zur Seite zu treten, doch der dunkelhaarige Hüne kommt mir zuvor.

»Kennen wir uns?«, fragt er und mustert mich intensiv.

In seinem Hirn scheint es wie verrückt zu rattern. Genau wie bei mir. Nur für einen Bruchteil von Sekunden halte ich seinen Spruch für eine billige Anmache. Dann fällt mir siedend heiß ein, dass wir uns sehr wohl kennen – besser gesagt: ich ihn. Er hat mich bei einer Beschattung vor wenigen Monaten ein- oder zweimal wahrgenommen, aber ich wich ihm jedes Mal rasch aus. Der Auftrag meiner damaligen Klientin stellte sich als harmlos raus. Ich bekam mein Geld und hörte nie wieder von den beiden. Und nun treffe ich ihn hier, was für ein blöder Zufall! Meine Tarnung als normale Urlauberin darf auf keinen Fall auffliegen, denn auf einem Schiff spricht sich die Anwesenheit einer Privatdetektivin mit Sicherheit in Windeseile herum.

»Nicht dass ich wüsste«, antworte ich abweisend, krame in meinen Sachen und breche die Observation ab.

Erstmal weg hier. Bin schließlich im Urlaub.

2

Marlon

»Herrlich«, seufze ich, während ich an einem Whiskey nippe.

Ich sitze in einem bequemen weißen Korbsessel und lasse mir die frische Meeresluft um die Nase wehen. In solchen Momenten bin ich sehr dankbar für meinen Erfolg, der mir ein angenehmes Leben ermöglicht. Eine Reise wie diese kann ich ohne Bedenken buchen – zumal ich mir die Kohle teilweise von Vater Staat wiederholen werde. Schließlich befinde ich mich auf einer Recherchereise.

Doch das Allerbeste: Zum ersten Mal seit über einem Jahr quatsche ich von Angesicht zu Angesicht mit meinem alten Schulfreund Mark. Genauer gesagt: Dr. Mark Sievers, der hauptverantwortliche Schiffsarzt des Kreuzfahrtschiffes Sonnenglück. Karrieremäßig haben wir es beide seit dem Abitur weit gebracht. In anderen Dingen hingegen ...

Na ja, irgendwas ist halt immer.

»Nachdem du mir von deiner Buchung berichtet hast, habe ich mir mal in Ruhe deine Fanpage angesehen. Darf ich Freya zu dir sagen?« Mark lacht amüsiert und prostet mir mit seinem Glas zu.

»Tja, ich war ja schon früher ein Frauenversteher«, erwidere ich schmunzelnd. »Irgendwann habe ich beschlossen, meine Fähigkeiten zu Geld zu machen.«

»Deine Fähigkeiten? Soso. In Anbetracht des Genres eine mutige Aussage.«

Gemeinsam lachen wir auf eine Art, die Männern vorbehalten ist, wenn sie sich anzüglich über Sex unterhalten.

»Eins verstehe ich trotzdem nicht«, fährt er fort. »Deine Fantasybücher waren ziemlich erfolgreich. Warum der Wechsel?«

»Erfolgreich ist relativ«, entgegne ich.

Gedankenverloren erinnere ich mich an die Anfänge meiner Karriere. Während der Oberstufe entstand dank eines Literaturkurses und einer engagierten Lehrerin der Wunsch in mir, Schriftsteller zu werden. Dennoch studierte ich erst einmal etwas Vernünftiges, nämlich Betriebswirtschaftslehre. Schreiben war für mich lediglich ein Hobby, dem ich in jeder freien Minute nachging. Selbst die Diplomprüfungen konnten mich nicht davon abhalten. Nach dem Studium schnappte ich mir einen anspruchsvollen Job in einem großen Unternehmen, und ein paar Jahre ging mein Leben einen geregelten Gang. Ich arbeitete an vielen Tagen zwölf Stunden – für meine wahre Liebe blieb keine Zeit. Bis mein Körper protestierte und ich mit Anfang dreißig unter Burnout litt.

Das Lachen einiger Passagiere, die direkt an uns vorbeilaufen, bringt mich wieder ins Jetzt. Der Unterschied zwischen meinem damaligen Zustand und meinem akuten Befinden ist kaum zu beschreiben. Ich strecke mein Gesicht der Sonne entgegen. Wunderbar!

»Deine Bücher lagen in allen wichtigen Buchhandlungen gestapelt«, erklärt Mark. »Ich habe ganz oft angegeben, dich zu kennen. Das fanden manche Eroberungen beeindruckend.«

»Ja, das stimmt. Aber außer den Vorschüssen und den Lesehonoraren ist meistens nichts an Einnahmen hinzugekommen.«

»Hast du den Schritt jemals bereut?«

»Autor zu werden? Nein, das war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.«