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Jahrhundertelang war das Wissen über bestimmte Atemtechniken ein gut behütetes Geheimnis indischer Yogis. Dieses Wissen wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts dem Westen übergeben. Bei der Wissenschaft des Atmens handelt es sich um eine der elementarsten Lehren, denn "Atem ist Leben". Aus dem Inhalt: Einzig und allein vom Standpunkt der westlichen Physiologie, ohne Bezugnahme auf die orientalischen Philosophien und Wissenschaften ist dieses Yogi-System des vollständigen Atmens für jeden Menschen von vitaler Wichtigkeit, sei es Mann, Weib oder Kind, die Gesundheit erlangen und erhalten wollen. Seine Einfachheit selbst hält Tausende davon ab, es ernsthaft zu betrachten, während sie ein Vermögen ausgeben, um durch komplizierte und teure "Systeme" Gesundheit zu erlangen. Die Gesundheit klopft an ihre Tür und sie antworten nicht. Inhalt: 1. Kapitel: Salaam-A-le-i-kum (Frieden mit euch!) 2. Kapitel: Atem ist Leben. 3. Kapitel: Die exoterische Theorie des Atmens. 4. Kapitel: Die esoterische Theorie des Atmens. 5. Kapitel: Das Nervensystem. 6. Kapitel: Nasenatmen respektive Mundatmen. 7. Kapitel: Die vier Methoden des Atmens. 8. Kapitel: Wie der vollständige Atem des Yogi zu erlangen ist. 9. Kapitel: Der äußere Erfolg des vollständigen Atmens. 10. Kapitel: Einige Bruchstücke von Yogi-Weisheit. 11. Kapitel: Die sieben entwickelnden Übungen. 12. Kapitel: Sieben kleinere Übungen. 13. Kapitel: Vibration und rhythmisches Atmen. 14. Kapitel: Tatsachen des psychischen Atmens. 15. Kapitel: Weitere Phänomene vom psychischen Atmen des Yogi. 16. Kapitel: Das spirituelle Atmen. Erstveröffentlichung: Leipzig 1921 Autor: Ramacharaka (William W. Atkinson) 2. E-Book-Auflage 2018 Umfang: ca. 110 Buchseiten, 16 Kapitel
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Seitenzahl: 113
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Ramacharaka
Die Wissenschaft des Atmens
nach den Lehren des heiligen Vedanta
Impressum
„Die Wissenschaft des Atmens“ von Ramacharaka
Erstveröffentlichung: Theosophisches Verlagshaus Leipzig 1921
Überarbeitung: F. Schwab Verlag, Cover: Compton 1879: Matterhorn
Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de
Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag
Widmung
Dieses Werk ist der erleuchteten Individualität des
Swami Vivekananda
gewidmet, der die ersten bahnbrechenden Worte über die höhere Yogi-Philosophie und die uralte Vedanta-Wissenschaft dem Westen übermitteln durfte.
„Ist der Chela bereit, so ist der Guru da“.
Die Entwicklung der Zivilisation beginnt mit kleinen Gebieten, Stadtgebieten. Sie schreitet über Gaue, über Länder vor, aus deren Zusammenschlusse große Reiche entstehen. An den Grenzen dieser Reiche stoßen benachbarte Zivilisationen zusammen; sie verschmelzen untereinander und dehnen sich aus, einen breiten Gürtel rings um den Erdball bildend.
Hand in Hand mit der äußeren Zivilisation schreitet die geistige Kultur, und als ihre feinste Blüte sprosst die Weltweisheit aus dem wohl vorbereiteten Boden. Wie der Saturn von seinem Ringe, so ist die Zone materieller Zivilisation von einem Gürtel geistiger Kultur umgeben, der einen höheren Plan von ihr darstellt.
In dem Werdegang folgt eine dritte Sphäre höchster Geistigkeit. Jahrtausende zurück liegen ihre Anfänge, doch ihre Träger, die Eingeweihten, waren zum Schweigen verpflichtet und durften ihre geheime Weisheit nur an Suchende weitergeben, die reif dafür waren. So entstanden und gediehen Schulen okkulter Weisheit, sie beeinflussten sich wohl gegenseitig, aber sie walteten und wirkten gesondert. Die örtlichen Lücken zwischen den Brennpunkten der Lehre wurden nicht ausgefüllt.
Die Anhänger Buddhas, die ägyptischen und chaldäischen Priester, die Kabbalisten, selbst noch Priester der westlichen Indogermanen vererbten geheime Weisheit von Priestergeschlecht zu Priestergeschlecht durch mündliche Überlieferung. Manche kostbare Wahrheit mag auf diese Weise verloren gegangen, mancher mystische Kult von volkstümlichen Lehren verdrängt worden sein, wie sie durch das Christentum und den Mohammedanismus die Massen ergriffen. Der Westen scheint einem Aufschwung des Okkultismus weniger günstig gewesen zu sein, als der phantasiereiche Orient. Weder die Sekte der Gnostiker noch auch die späteren Tempelherren oder die Rosenkreuzer und die höheren Freimaurerorden der neueren Zeit entsprechen den Geheimschulen des Ostens, die durch uralte Überlieferung getragen wurden. Einzelerscheinungen wie Merlin, Agrippa von Nettesheim, Faust, Paracelsus1, Cagliostro werden verlacht oder derart mit Sagen umsponnen, dass es kaum möglich ist, den wahren Kern von der Schale lügenhafter Zutat zu scheiden.
Der Gegenwart war es vorbehalten, die esoterische Wissenschaft weiter auszubreiten und einen inneren Zusammenhang in allen Ländern der Erde zu schaffen. Das trostlose Zeitalter des Materialismus, der religiösen und geistigen Anarchie scheint von den führenden Geistern überwunden, als notwendige Reaktion folgt ihr der Höhenflug der Geisteswissenschaften und der Mystik. Die nach Idealen durstende Welt saugt die Tropfen begierig auf, die aus den Geheimschulen durchsickern, und lechzt nach neuer Labung. Die Wissenschaft selbst kommt ihrer metaphysischen Schwester auf halbem Wege entgegen, Phänomene wie Hypnotismus, Somnambulismus und Magnetismus, seinerzeit als Wunder angestaunt, gehören heute nicht mehr zu den okkulten, sondern zu den exakt-wissenschaftlichen Fragen; Chemie und Physik erweitern durch Entdeckungen, wie die der Röntgenstrahlen und der Radio-Aktivität, die ans Mystische grenzen, ihr Gebiet. Sie erheben sich vom materiellen Versuch zu geistigen Höhen. Die durch die Lehre vom Greifbaren herangebildete Zeit verlangt auch für metaphysische Dinge den Beweis und sie wird ihn finden. So ist der Chela (Schüler) vorbereitet und der Guru (Lehrer) ist da.
Man wusste zwar schon von der Geheimlehre der Hindus durch Pythagoras, Bardesanes2, einige Gnostiker und verschiedene Philosophen, wie den leuchtenden Turm der Gelehrsamkeit, Albiruni3. Allein so recht in das Bewusstsein der Welt trat ihre Lehre erst durch die Taten der Engländer. Seit der Schlacht bei Plassey (1787) war halb Indien den Engländern anheimgefallen und nur wenige Jahrzehnte später schickten sich schon britische Forscher an, die indischen Schätze der Weisheit auszubeuten und auch für das Abendland nutzbar zu machen. Der Romantiker Friedrich Schlegel führte die Deutschen in das Studium jener Schätze ein. Jahrzehntelang tobte der Streit um den Wert der Hindu-Gedanken. Sehr bald aber erlangten diese einen maßgebenden Einfluss auf das deutsche wie überhaupt auf das europäische Geistesleben. — Wieder verfloss ein halbes Jahrhundert. —
Jetzt aber erkannten hervorragende Hindu die Zeit für gekommen, um mit ihren uralten Geheimlehren hervorzutreten und sie ihren „Brüdern im Westen“ zugänglich zu machen. Die erwachte Kulturwelt verlässt vereint die Streitgebiete der Erde, um die Gefilde eines geahnten luftigen Reiches zu erforschen, Aviatik der Geister, die mit den physischen Flugversuchen parallel geht. Ein dritter, höherer Plan schließt sich zum Ringe um die beiden anderen.
Den Verbreitern der indischen Lehren voran schreitet Svami Vivekananda, dem das vorliegende Werk von einem Yogi Ramacharaka gewidmet ist. Der Yogi, ein Okkultist höchsten Wissens und tiefster Weisheit hält sich hinter seinen Schriften verborgen. Seine Werke sollen Jahrhunderte alte Weisheit reden, er selbst will schweigen. So ist es auch unmöglich, von dem Yogi biographische Daten zu erlangen.
Ramacharaka in abgeklärter Weisheit sieht wohl ein, was von dem übersprudelnden Abendländer gern übersehen wird, dass körperliche und geistige Entwicklung miteinander Hand in Hand gehen müssen.
Der Abendländer neigt immer zu Extremen, eine Gruppe verpönt die Körperkultur als minderwertig und von höheren Dingen abziehend, die andere vernachlässigt die Geisteskultur und gibt sich in Sporten aller Art aus. Wenige Abendländer nur wissen das Gleichgewicht ihrer Kräfte zu gewinnen.
Die „Wissenschaft des Atmens“ befasst sich mit einer vernünftigen Körperkultur, die durch richtiges Atmen erzielt wird. Die okkulte Grundlage, auf der die Schrift beruht, ist schon längst den Yogis der Hindu geläufig.
Ramacharakas Lehren sind trotz ihrer Einfachheit, oder besser, eben deshalb von allseitiger Wirkung.
Er führt den Schüler, der sie treu ausübt, bis zu hohen Stufen erreichbarer Vollkommenheit. Aber es fordert verständnisvolle Arbeit, bis zu jenen höheren Graden vorzudringen; mancher Fehlgang mag die ersten Schritte begleiten und die Erfolge sind langsam und fast unmerklich. Plötzlich tritt die Tatsache über die Schwelle des Bewusstseins: die Macht über den Willen und die Beherrschung geistiger Heilformen ist errungen! Durch eine bloße Atmungsübung weichen Krankheit und Sorge, während die Umgebung noch mühselig ihrem Schnupfen mit Rezepten aus der lateinischen Küche beizukommen sucht.
So ist das Werk in Wahrheit „ein Geschenk an die westlichen Brüder“ wie Yogi Ramacharaka es will, und der Dank des Westens sei ihm in diesen Worten ausgesprochen.
Wien.
S. von der Wiesen.
Das Zuviel und Zuwenig von den zwei Hauptfaktoren des Lebens: Atem und Diät wirkt bestimmend auf das Wohlbefinden des menschlichen Organismus ein. Zu den Kulturschätzen des indischen Volkes gehören jahrhundertelang erprobte Methoden die körperlichen Kräfte bis aufs äußerste zu steigern und zu beherrschen im Sinne der göttlichen Entwicklung des Menschengeschlechtes. Hochstehende indische Yogis unter anderen Ramacharaka und Swami Vivekananda haben der westlichen Kulturwelt einen Teil der praktischen Vedanta-Lebenskunst übermittelt. Um wirklichen Nutzen aus den vorliegenden Übungen zu ziehen, sind folgende Regeln zu beobachten:
Nur wer sich streng an diese Grundregeln hält, wird einen überraschenden Fortschritt in seinem körperlichen Wohlbefinden verspüren. Wer sich dazu gleichzeitig einer strengen Diät unterzieht, wird noch größere Erfolge erzielen. „Der Mensch ist, was er isst“, dieser oft so verlachte Grundsatz der Materialisten hat einen tieferen Sinn, auch vom esoterischen Standpunkte, als man ursprünglich glauben wollte. Nicht auf die Menge und Wohlschmeckenheit der Speisen kommt es dabei an, sondern auf das „Wie“ des Essens und die individuelle Auswahl und Zusammensetzung der Speisen sowie auf den Geist, in dem sie genossen werden. Tatsächlich hat unsere vorgeschrittene Kultur eine große Verweichlichung und Vernachlässigung unserer Körperkräfte mit sich gebracht. Dem müssen wir entschieden entgegenarbeiten, ehe es zu spät wird. Eine rechte Atmungsweise ist das erste, das uns wieder aufwärtsführen soll. Denn durch den Atem ernähren wir unseren Körper und fördern gleichzeitig den Stoffwechsel. Daraus ergibt sich, dass wer dieses Werk durchstudiert und die vorgeschriebenen Atemübungen streng durchgeführt hat, notgedrungen eine neue Diät einhalten muss und von selbst darauf kommen wird. Denn ein Körper, der durch einen reinigenden Atemstrom aufbauend schafft, wird in seiner Tätigkeit durch unreine oder unmäßige Speisen beeinträchtigt. So verweisen wir den Schüler als sekundäres Werk zu der Wissenschaft des Atmens auf die Diätetik von W. Omar, und das Masdasnan Reformkochbuch, die ihm die wichtigsten Kapitel einer vernunftgemäßen Lebensweise, nebst dem Speisezettel für das ganze Jahr vorschreibt.
Gisela Holz.
Der Schüler des Westens ist zu einiger Verwirrung in seinen die Yogis und ihre Philosophie und Übungen betreffenden Ideen geneigt. Indienreisende haben viele Fabeln von den Horden von Fakiren, Bettelmönchen und Quacksalbern geschrieben, die die großen Heerstraßen und die Straßen der Städte unsicher machen und sich betrügerischerweise den Titel „Yogi“ beilegen. Der Schüler des Westens ist kaum zu tadeln, wenn er den typischen Yogi sich als einen ausgemergelten, fanatischen, schmutzigen, unwissenden Hindu vorstellt, der entweder in einer bestimmten Stellung sitzt, bis sein Körper versteinert, oder etwa seine Arme in die Luft hält, bis sie steif und verwelkt werden, und dann für immer in dieser Stellung verbleibt, oder gar seine Fäuste ballt und zuhält, bis die Fingernägel durch den Handteller wachsen. Wohl gibt es solche Leute, das ist wahr; aber ihr Anspruch auf den Titel „Yogi“ erscheint dem echten Yogi so absurd, wie dem berühmten Wundarzt der Anspruch eines Hühneraugenoperateures auf den Titel „Doktor“ oder wie dem Präsidenten von Havard oder Yale der Titel „Professor“ vorkommt, den der Verkäufer von Wurmmitteln an der Straßenecke sich beilegt.
Durch lange Vergangenheiten sind in Indien und andern östlichen Ländern Männer aufgestanden, welche ihre Zeit und Aufmerksamkeit der physischen, mentalen und spirituellen Entwicklung der Menschheit geweiht haben. Generationen von ernsten Suchern haben Jahrhunderte hindurch ihre Erfahrungen von Lehrer auf Schüler übermittelt, und nach und nach eine klarbegrenzte Yogi-Wissenschaft aufgebaut. Diesen Forschungen und Lehren wurde endlich der Terminus „Yogi“ beigelegt, der von dem Sanskritwort „Yug“, das heißt, „sich zusammenschließen“ hergeleitet ist. Aus derselben Quelle stammt das englische Wort „Yoke“, (deutsch „Joch“), und hat auch gleichen Sinn. Sein Gebrauch in Verbindung mit diesen Lehren ist schwer zu bestimmen, da verschiedene Autoritäten verschiedene Erklärungen geben. Die genialste scheint mir die, die es als das Hindu-Äquivalent für den englischen Ausdruck „Getting into harmess“ (im Geschirr gehen) oder „yoking up“ (einspannen) betrachtet, da der Yogi bei seiner Aufgabe, den Körper und den Geist durch seinen Willen zu kontrollieren, offenbar „im Geschirr geht“.4
YOGA, die Yogi-Weisheit, zerfällt in verschiedene Zweige, von der, die sich mit der Kontrolle des Körpers beschäftigt, beginnend bis hinauf zur Erlangung der höchsten spirituellen Entwicklung. Die vorliegende Arbeit wird nicht auf die höheren Phasen des Gegenstandes eingehen, außer dort, wo die Wissenschaft des Atmens daran streift. Die „Wissenschaft des Atmens“ berührt Yoga an vielen Punkten und hat, obwohl sie sich hauptsächlich mit der Entwicklung und Kontrolle des Physischen beschäftigt, auch ihre psychische Seite, ja, sie dringt sogar auf das Gebiet der spirituellen Entwicklung ein.
In Indien gibt es große Schulen der Yoga, die tausende der führenden Geister dieses großen Volkes umfassen. Für viele Menschen ist die Yoga-Philosophie Lebensregel. Immerhin werden aber die reinen Yogi-Lehren nur an wenige gegeben, und die Masse gibt sich mit den Brotsamen zufrieden, die von den Tischen der gebildeten Klassen fallen. Die Gewohnheit des Orients ist in dieser Hinsicht der des Westens entgegengesetzt. Aber auch dort beginnen die westlichen Ideen schon einzudringen, und Lehren, die einstmals nur wenigen gegeben wurden, werden jetzt jedem angeboten, der bereit ist, sie aufzunehmen. Ost und West wachsen enger zusammen, und beide gewinnen dadurch, indem sie sich gegenseitig beeinflussen.