Die Wunderfrage - Amelia Bolohan - E-Book

Die Wunderfrage E-Book

Amelia Bolohan

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Beschreibung

Emma, Lia und Marie sind dem Anschein nach glücklich. Wenn diese unbequemen, immer lauter werden und Fragen nicht wären ... Was ist aus ihren Träumen und Sehnsüchten geworden? Legen Sie zu viel Wert auf Selbstverwirklichung? Oder doch zu wenig? Ist es möglich einen Menschen zu vermissen, der gar nicht weg ist? Und was passiert mit den Gefühlen, wenn die Schmetterlinge im Bauch aufhören zu flattern? Wo erkennen Sie sich selbst? Etwa im Erfolg, in der Liebe, oder im Sex? Und was wollen Sie eigentlich? Bei prickelnden Champagner und mit schonungsloser Ehrlichkeit, suchen Sie nach Antworten. Sie verschieben ihre selbst gesetzten Grenzen und dabei können sogar Wunder geschehen.

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Seitenzahl: 186

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Über die Autorin:

Es war einmal eine junge Frau, die von der Gedanken- und Gefühlswelt der Menschen fasziniert war. Nun hat sie sich entschieden das Abenteuer „Alltag in Beziehungen“ näher zu betrachten, um den Geheimnissen einer langjährigen, glücklichen Beziehung auf die Spur zu kommen. Dabei erfährt sie, wie komplex und bunt Liebe sein kann. Sie findet Antworten auf die Fragen: Was kommt nach der Verliebtheit? Ist Liebe Arbeit? Was brauchen wir, um glücklich zu sein?

Amelia Bolohan, geboren 1976 in Rumänien, arbeitete über 20 Jahren im engen Kontakt mit Menschen und erfuhr so, was die wirklich großen Themen in Beziehungen sind. Sie lebt in München und arbeitet als systemische Einzel- und Paarberaterin.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.verliebtvsliebe.de

Inhaltsverzeichnis

Ein gebrochenes Herz – und was nun?

Dr. Sommer

Ein Mädchentraum ist in Erfüllung gegangen

Fruhstü ck mit pikantem Tischgespräch

Vertraute Gespräche

Das verletzte Kind in dir

Mach mich glücklich – verändere dich

Mädelsabend

Die Wunderfrage

Klare Worte erhalten die Freundschaft

Das Gartenfest

Wir müssen reden

Zerplatzte Träume

Was braucht das Glück?

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt

Beziehungskonto. Bitte was?

Und es geschehen Wunder

Wenn du es traumen kannst, kannst du es wahr werden lassen

Ein gebrochenes Herz – und was nun?

Emma hatte sich selbst ganz anders in Erinnerung. Sie war zwar schon immer die etwas zu Laute, zu Quirlige, zu Unangepasste gewesen, aber da war noch so viel mehr. Sie war zugleich ein Mensch mit Tiefgang, sie war verbindlich, vertrauensvoll, offen und dadurch eben auch verletzlich. Die Schutzmauer, die sie nach ihrem persönlichen Super-Gau hochgezogen hatte, verdeckt große Teile ihrer wahren Persönlichkeit. Es gab nur allzu viel, was erst einmal geheilt werden wollte. Dabei wirkt sie so selbstbewusst und wurde dafür auch beneidet.

Beruflich ist sie als Headhunterin sehr erfolgreich, sie hat sehr viel mit den Alphatieren in den Chefetagen zu tun, und denen begegnet sie auf ebenbürtiger Weise. Es macht sie glücklich zu wissen, dass sie genauso erfolgreich ist und mindestens genauso viel Geld besitzt wie diese Männer.

In der Regel fühlt sie sich stark, einflussreich und lebendig. Sie genießt es, wenn sie ihr Frausein und ihre Attraktivität zelebriert.

Und sie genießt auch ihr Singledasein, sie lebt nach dem Motto: „Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen.“

Doch dann ist da auch noch etwas anderes. Manchmal gibt es in ihr, tief verborgen und sehr leise, auch eine undefinierte Sehnsucht. So als würde sie etwas vermissen, so als sollte etwas anders sein. Eigentlich weiß sie, tief in ihrem Inneren, dass es notwendig ist, dieser leisen Sehnsucht auf den Grund zu gehen.

Seltsamerweise taucht dieses Gefühl ohne jede Warnung plötzlich in Momenten vollkommener Ruhe auf. Etwa, wenn sie sonntags, meistens alleine, ihren ersten Kaffee genießt. Sie mag den Sonntag nicht besonders. Ganz anderes die Samstagnacht. Sie gibt ihr das Gefühl, vielleicht auch nur die Illusion, viele Freunde zu haben, die gerne mit ihr Zeit verbringen. Doch wo sind sie alle, wenn es einmal nicht um Champagner, Partys und Sex geht?

In solchen Momenten vermisst sie ihr früheres Leben, das Leben, das sie führte, bevor ihr Herz gebrochen wurde.

Die Trennung von Toby traf sie wie der Schlag einer Abrissbirne. Ihr Selbstvertrauen, die Zukunftspläne, der Glaube an die Liebe lagen vor ihr wie der Schutt eines Hauses, das wie in einer orkanartigen Aktion zerstört worden war.

Würde sie es jemals schaffen, das schöne Bild ihrer Vergangenheit wieder auferstehen zu lassen? Woher sollte sie die Energie, den Mut und das Vertrauen dafür nehmen? Emma ahnte, dass es eine große und langandauernde Aufgabe sein würde, alle Teile des zertrümmerten Hauses – so erlebte sie sich jedenfalls – neu zu ordnen.

Tage- und vor allem nächtelang stellte sie sich ununterbrochen dieselben Fragen: War es ihre Schuld? Hatte sie etwas falsch gemacht, oder hatte sie etwas übersehen? War es womöglich zu gemütlich geworden, als sie sich in ihrer Beziehung mit Toby sicher fühlte?

Sie gehörten nicht zu den Paaren, die mehrmals am Tag kommunizieren müssen, um sich zu versichern, dass sie aneinander denken und sich lieben. Sie waren beide beruflich sehr engagiert, sie hatten eigene Freunde und Interessen, und dennoch haben sie stets darauf geachtet, dass sie als Paar regelmäßig Zeit zusammen verbrachten. Für Toby war das alles offensichtlich nicht genug. Was hatte ihm gefehlt?

Nach außen hin wahrt sie tapfer den Schein. Das innere Chaos, das die Trennung hinterlassen hatte, konnte sie nur einem einzigen Menschen gegenüber offenbaren: Marie. Marie war ihre beste und älteste Freundin. Eine zarte Fee, die das Glas immer mindestens halbvoll sah.

Auf Marie war schon immer Verlass. Schon die ersten Schuljahre, die die beiden miteinander verbracht hatten, war sie für Emma eingestanden. Mit ihrer stürmischen Art hatte nämlich die kleine Emma ein Talent dafür, Ärger anzuziehen. Unerschrocken wollte sie sich unbedingt mit den Jungs beim Spielen messen. Sie hatte absolut kein Verständnis dafür, dass sich für Mädchen angeblich manches einfach nicht schickte.

Später provozierte sie gerne, verstrickte ihre Umgebung in endlose Diskussionen darüber, welche Rolle Frauen in der Gesellschaft einnehmen sollten. Auch beim Feiern stand sie nicht hinten an, sie war die erste auf der Tanzfläche und gerne eine der letzten, die den Club verließ. Marie war die etwas schüchterne und loyale Freundin an ihrer Seite. Emma nannte sie liebevoll „meine bessere Hälfte“ und bewunderte ihre besonnene Art.

Bei Marie und Tom fand Emma auch in den ersten Wochen nach der Trennung Unterschlupf, um ihre Lage überhaupt begreifen zu können.

Sie hatte nur persönliche Sachen dabei. Die Möbel, die sonstige Einrichtung aus der gemeinsamen Wohnung – das alles war ihr total egal. Sie wollte nichts in ihrer Nähe haben, was sie an Toby erinnern konnte. In den folgenden Wochen säuberte sie ihr Handy immer wieder von seinen Nachrichten. Seine Anrufe ignorierte sie.

Die erste Zeit war Emma tagelang absolut konfus, ihr Kopf schien wie Watte und sie fühlte sich, wie in einem Kokon verpackt. Sie bekam zwar alles mit, was um sie geschah, dennoch drang nichts wirklich zu ihr durch.

Sie wusste nicht, ob sie Trost brauchte, ob Alkohol – oder einfach nur Distanz. Sie entschied sich jedenfalls für „Ja“, bei der Frage: „Möchten Sie diese Person wirklich blockieren?“ Sie trennte sich von allem, was durch ihn kontaminiert war.

Bestimmte Straßen, Restaurants, Kinos waren ab nun für sie tabu. Die Stadt wurde zu einem Minenfeld. Zu jeder Zeit, an jeder Ecke konnte ein Sprengkörper hochgehen, der ihr Herz zu zerfetzen drohte.

„Wofür? Wofür? Wofür bin ich ihm begegnet?“, fragte sie sich pausenlos.

An jeder Ecke lauerte eine Erinnerung an ihn.

Und dann stürzte sie sich regelrecht in die Arbeit. Ihr oberstes Gebot lautete nun: „Wenn ich schon durch die Hölle gehen muss, dann will ich aber niemals und auf keinen Fall stehen bleiben.“

Tagsüber funktionierte sie. Doch nachts sah das alles schon anders aus. Immer und immer wieder hatte Emma denselben Traum: Sie stieg in einen Fahrstuhl. Plötzlich fingen die Wände an, sich zu verändern. Die wurden unförmig, schief, teilweise drohten sie, Emma zu zerquetschen. Sie spürte die wahnsinnige Geschwindigkeit und konnte durch Löcher in den Wänden sehen, wie unglaublich hoch der Fahrstuhl fuhr. Sie war total verängstigt und angespannt. Immer wieder tat sich in der Fahrstuhlwand ein Spalt auf und es bot sich ihr die Möglichkeit, auszusteigen, aber nie da, wo sie aussteigen wollte. Sie hatte keine Ahnung, wo sie hinwollte, aber sie zog es vor, die bedrohliche Fahrt auszuhalten.

„Werde ich jemals wieder einem Mann vertrauen und eine ernsthafte Beziehung haben können?“, fragte Emma ihre liebe Marie jeden Morgen nach dem Aufstehen.

„Ich werde darauf achten, dass meine beste Freundin keine verbitterte, zynische alte Jungfer wird“, war dann die Antwort von Marie.

Sie hatte ein feines Gespür dafür, wann es angebracht war, einfach mitfühlend zuzuhören oder Emma aus ihrem Selbstmitleid herauszuziehen.

Marie kannte Emma in- und auswendig. Sie wusste, dass es viel Zeit brauchen würde, bis sie diese Katastrophe überstanden haben würde. Emma machte gerne Vieles mit sich selbst aus und erst wenn sie nicht mehr weiter wusste, bat sie um Hilfe.

Marie verbrachte viele Stunden mit Emma und versuchte, ihre Gefühle wahrzunehmen und ihre Gedanken zu ordnen.

Nach circa einer Woche, nachdem die beiden, Emmas Kummer mit ein paar Flaschen Wein betäubt hatten, wechselten sie zu Maries berühmtem Ingwer-Zitronen-Ahornsirup-Tee.

„Es macht wirklich keinen Sinn, das Gefühlschaos mit Wein zu ertränken. Am Ende würde man den Schaden auch noch in meinem Gesicht sehen“, überlegte Emma und entschied sich für den Wellness-Drink.

„Wer auch immer behauptet, es wäre möglich, nach einer solchen Enttäuschung einfach weiter zu machen und alles hinter sich zu lassen, ist mir suspekt. Ich bin einfach verzweifelt, wütend und traurig“, sagte sich Emma und massierte sich dabei nachdenklich die Schläfen, als würden ihr ihre Gedanken Kopfschmerzen verursachen.

„Ach Liebes“, sagt Marie mit einer Stimme, die sie liebevoll umarmte. „Alles, was du fühlst, hat seine Berechtigung. Und irgendwann wirst du bereit sein, die Karten neu zu mischen und weiterzumachen.“

„Manchmal frage ich mich, ob er, genau wie ich, ständig über uns nachdenkt, über sein Verhalten und über seine Gründe …, oder, ob er die frei gewordene Tanzkarte einfach neu vergeben hat und weiter macht. Ich frage mich auch, ob die Sätze, die verlassene Frauen so oft hören, wahr sind. Diese abgegriffenen Prophezeiungen von der Art: ‚Eine Frau wie dich, wird er niemals wieder finden‘, oder ‚Du wirst ganz sicher bald dem Richtigen begegnen‘. Ich hasse diese Floskeln!“

„Das sind doch sicherlich gut gemeinte Worte. Sie können natürlich ein blutendes Herz nicht heilen“, antwortet Marie.

„Ja, niemand kann den Sturm hinter meinem Lächeln erahnen“, sagt Emma mit glänzenden Augen.

Emma spürte kein bisschen Genugtuung oder Trost, wenn ihr versichert wurde, wie wunderbar sie sei und was Toby alles bereuen würde. Was änderte das schon?

Sie ahnt, dass der Weg zurück zu Leichtigkeit, Vertrauen und Liebe durch Angst hindurchführen würde. Irgendwann würde sie alles auf eine Karte setzen müssen, um ihr Herz vertrauensvoll neu zu verschenken. Zuerst aber war sie selbst an der Reihe, erst musste sie mit sich selbst wohl einiges klären.

Emma will kein Mitleid erwecken. Ihrem Bekanntenkreis teilt sie, fast emotionslos, das Ende ihrer Beziehung mit.

„Übrigens, ich bin wieder auf der Singlemarkt“, erwähnt sie beiläufig.

„Aber ihr wart doch so ein schönes Paar! Was ist passiert?“, fragten viele dann ungläubig. ‚Ist das Neugierde, echtes Mitgefühl oder purer Voyeurismus?‘, denkt sich Emma jedes Mal.

„Toby wollte auch mit anderen Frauen ein hübsches Bild abgeben“, ist ihre Standardantwort darauf.

Emma wollte nicht in Selbstmitleid versinken, und obwohl ihr nicht danach zumute war, ließ sie sich zögerlich auf Lias Angebot ein, das Single-Leben doch einfach auszuprobieren. „Komm, tanzen wir drüber hinweg!“, war der Spruch, der Emma überzeugte, den ersten kleinen Schritt zurück ins Leben zu setzen.

Sie vertraute Lia, obwohl sie sich gar nicht so lange kannten. Trotzdem teilte sie auch ihr nur lapidar mit, dass sie und Toby nicht länger ein Paar seien. Sie sah die Fragen und das Entsetzen in Lias Gesicht. Und sie rechnete ihr hoch an, dass sie nicht näher nachfragte. Sie verstand offenbar intuitiv, wie schmerzhaft es für Emma gewesen wäre, über die Geschehnisse zu sprechen.

Dr. Sommer

Als Emma ihren ersten Termin bei Dr. Sommer vereinbarte, war sie bereits Fan von deren Podcast „Über die Kunst, eine lebendige Beziehung zu führen.“

Die warme einladende Stimme und die Klarheit ihrer Aussagen weckten in ihr ein gewisses Vertrauen. Dr. Sommer nannte auf liebevoll unbequeme Weise die Probleme beim Namen.

„Nichts wird besser, wenn wir nicht unseren Hintern hochkriegen und unser Verhalten verändern“, war die Aussage, die Emmas Vertrauen weckte.

„Wir können unserem Partner Unaufmerksamkeit vorwerfen, unseren Arbeitskollegen Respektlosigkeit unterstellen und das Wetter für unsere schlechte Laune verantwortlich machen – aber es sollte uns bewusst werden, dass wir alleine es sind, die den Dingen ihre Bedeutung geben“, fuhr Dr. Sommer in ihrem Podcast fort.

„Da ist was dran“, dachte Emma und abonnierte den Podcast. Einen Link schickte sie an Marie und Lia mit dem Kommentar „Rettung ist in Sicht“, gefolgt von einem Smiley.

Die beiden Freundinnen lebten seit Jahren in glücklichen Beziehungen, wirklich helfen würde ihr wohl nur eine Therapeutin können, dachte Emma. Marie und Lia waren sehr verschieden von ihr. Marie hatte schon als kleines Mädchen von einem perfekten Leben mit Mann, Kindern, Hund, Haus und Garten geträumt. Glücklicherweise hatte sie Tom getroffen, ihre große Liebe, und das noch dazu sehr früh in ihrem Leben, und ihr Traum war Wirklichkeit geworden.

Lia hatte zunächst eher die perfekte Karriere im Sinn gehabt. Bis ihr Max begegnet war und sie eine, bisher unbeachtete Seite an sich entdeckt hatte. Sie verstand von Tag zu Tag immer besser, dass die Liebe kein Tauschgeschäft ist und dass man sich die Zuneigung eines Herzensmenschen nicht verdienen musste.

„Systemische Kommunikation“ stand auf dem Praxisschild neben der Klingel.

‚Das klingt nicht so streng und ernst wie Therapiepraxis‘, dachte Emma bei sich und war gespannt auf die erste Begegnung mit der Therapeutin.

Dr. Sommer war der Name, den sie für sich selbst der Therapeutin gegeben hatte, als sie sie mit einem Augenzwinkern Marie gegenüber zum ersten Mal erwähnte. Es fühlte sich für Emma irgendwie weniger bedrohlich an, mit einer „Dr. Sommer“ über ihre Erfahrungen zu reden und nicht mit einer Therapeutin.

„Schön, dass Sie da sind, Emma. Haben Sie gut hierher gefunden?“

„Ja, … danke schön“, antwortet Emma leicht nervös.

Sie war überrascht, dieses flaue Gefühl im Magen zu spüren. Und das pochende Herz und den trockenen Mund. Eigentlich war sie nie eingeschüchtert, wenn ihr etwas Unbekanntes begegnete. Im Gegenteil, mit ihrer neugierigen, selbstbewussten Art überforderte sie manchmal ihr Gegenüber.

Schnell schweifte ihr prüfender Blick unauffällig durch über den Raum. Alles gab ihr eher das schöne Gefühl, in einem schicken, gemütlichen Boutique-Hotel zu sein als in einer Therapiepraxis. Die herzliche Begrüßung, der hohe helle Raum mit einer stilvollen Schwarz-Weiß-Fotografie an der Wand und pastellfarbenen Einrichtung amüsierten Emma insgeheim. ‚Es fehlt nur ein Aperitif, um mich wie mit den Mädels in der Ory Bar zu fühlen‘, ging ihr durch den Kopf.

„Möchten Sie was trinken, Emma?“, fragte Dr. Sommer.

„Wie bitte?“ Emma spürte, wie ihre Wangen erröten und für den Bruchteil einer Sekunde befürchtete sie, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hätte.

„Ein Glas Wasser für Sie?“, fragte Dr. Sommer nach.

„Oh ja, ja …, das wäre sehr lieb“, antwortet Emma beruhigt. ‚Soweit, so gut‘, dachte sie und merkte, wie ihre Anspannung nachließ.

Ein Mädchentraumist in Erfüllung gegangen

Maries Mädchentraum von der eigenen glücklichen Familie sollte Realität werden, als sie vor circa sieben Jahren Tom begegnete. Der erfolgreiche Jungunternehmer war in ihre Galerie gekommen auf der Suche nach passender Kunst für seine Junggesellenwohnung.

„Bunt, frech, provokativ“, beschrieb er seine Vorstellung darüber, als Marie danach fragte, was für eine Art von Kunst er sich wünschte.

Tom tat sich nicht leicht mit der Entscheidung, obwohl er von ein paar Objekten sehr angetan war.

Trotzdem war der Besuch in der Galerie für ihn ein Erfolg auf ganzer Linie. Er hatte Maries Handynummer bekommen.

„Es war Liebe auf dem ersten Blick. Es ist wahre Liebe“, erzählte Marie später immer wieder mit leuchtenden Augen.

Für Marie schien alles möglich zu sein. Spielerisch schafften die beiden Verliebten den Spagat zwischen Nähe und Selbstverwirklichung, zwischen Beständigkeit und Wachstum. „Er ist ein kreativer Chaot und wilder Draufgänger, und dabei der liebevollste Romantiker“, beschreibt ihn Marie total verliebt.

„Hätte ich dich nicht so lieb, würde mir deine ständige Schwärmerei auf die Nerven gehen“, stichelte Emma manchmal und nahm dabei Marie ganz fest in den Arm.

Die Liebe von Marie und Tom wurde überraschend schnell gekrönt durch die Geburt des kleinen Jakob. Das berauschende Glück nahm offensichtlich Fahrt auf und ließ sich durch nichts eingrenzen. Bald fanden sie ein kleines Haus inmitten eines grünen Gartens. Marie verliebte sich sofort in dieses Nest. Sie war sich vom ersten Moment an sicher, dass dieses Haus für sie bestimmt war. Sogar ihre Lieblingsbäume wuchsen in diesem Garten, ein riesiger, starker Kastanienbaum und eine scheinbar zarte Trauerweide. Sie konnte sich gleich bildlich vorstellen, wie ihr kleiner Jakob irgendwann Spaß daran haben würde, an den Ästen der Trauerweide zu schaukeln.

Marie wollte für den kleinen Jakob nur das Beste, sie wollte ihr Mutterglück voll auskosten und endlich das Leben genießen, von dem sie schon als kleines Mädchen geträumt hatte. Sie gab ihren Job auf und freute sich voll und ganz auf ihre neue Rolle als Mutter und Ehefrau.

Fruhstück mit pikantem Tischgespräch

Zusammen mit Emma und Lia genießt Marie das erste gemeinsame Frühstück im eigenen Garten. Der gedeckte Tisch im Schatten der Trauerweide scheint einem Film entsprungen zu sein. Die weiße Tischdecke, das Porzellan-Teeservice, Etageren mit Obst, Eiern, Lachs, frischen Semmeln und Brezen.

„Ich bin so glücklich, dass mir das manchmal Angst macht“, behauptet Marie, während sie etwas Obst in ihr Müsli mischt.

„Du hast Angst davor, glücklich zu sein?“, fragt Lia ungläubig.

„Nein …, ich bin glücklich, erklärt Marie strahlend. Es ist nur so …, ich habe alles bekommen, wovon ich schon als kleines Mädchen geträumt habe. Den perfekten Mann, der mich anbetet, das süßeste Kind der Welt, dieses unglaubliche Haus mit Garten. Niemand hat nur Glück im Leben! Ich bekomme manchmal Angst, mein Glück aufzubrauchen und dann?“

„Süße, wenn es jemand verdient, unendliches Glück im Leben zu haben, dann bist du doch diese Person“, erklärt Emma mit Bestimmtheit.

„Deine geliebte Dr. Sommer hat mich daran erinnert, dass der Rausch des Anfangs nicht für immer bleibt“, antwortet Marie gespielt vorwurfsvoll.

Die fragende Blicke machen ihr jedoch klar, dass Lia und Emma keine Ahnung haben, wovon sie spricht.

„Ihr habt den letzten Podcast noch nicht gehört!“, sprudelte aus Marie raus. „Das müssen wir sofort nachholen“, sagt sie und tippt aufgeregt auf ihr iPhone.

Es ist ein geliebtes Ritual geworden, sich dazu regelmäßig auszutauschen. Oft lassen sie sich auf hitzige Diskussionen ein, denn die absolute Wahrheit gibt es bekanntermaßen in der Liebe nicht.

Marie legt ihr Handy zwischen den Etageren, Schüsseln und Marmeladengläser in die Mitte des Tisches und drückt auf „Play“.

Die inzwischen vertraute Stimme von Dr. Sommer lässt die Mädels still und aufmerksam werden.

***

Podcast Dr. Sommer

Verliebt vs Liebe

Ihr Lieben, let’s talk about „Verliebtsein“ versus „echte Liebe“.

Es ist für viele ein Rätsel: Was wird aus unseren Gefühlen, wenn die Schmetterlinge im Bauch aufhören zu flattern?

Was passiert mit den gemeinsamen Träumen? Wo ist das perfekte Wesen, das uns so verzaubert hat? Wir waren anfangs davon überzeugt, bis ans Ende der Zeit glücklich zusammenzuleben.

Eines ist sicher. Wenn wir uns frisch verlieben, sind wir nicht mehr wir selbst. Vielmehr erleben wir etwas Magisches. Die Männer fühlen sich angenommen und bewundert. Ihr größter Wunsch ist, das perfekte Wesen an ihrer Seite zufrieden zu stellen. Die Frauen fühlen sich geliebt, verwöhnt, respektiert und beschützt.

Beide leben im Idealzustand. Um diesen Idealzustand zu halten, zeigen wir uns von unserer besten Seite. Wir erlauben unserem Partner, nur die Eigenschaften an uns zu sehen, die wir für besonders liebenswürdig halten.

Es ist eine sehr romantische Vorstellung zu glauben, dass das Verliebtsein, ohne unser Zutun ewig erhalten bleiben würde. Die Idee wird uns von Hollywood & Co eingepflanzt: wahre Liebe ist leicht, man ist füreinander bestimmt …

Die Liebesfilme enden allerdings meistens direkt, nachdem die Partner sich die Liebe eingestehen oder heiraten. Wir bekommen meistens den Alltag, die schreienden Kinder, die überfüllten Mülleimer, die dreckigen Socken nicht mehr mit. Es ist ein Irrglaube, dass wir nur den richtigen Partner brauchen, damit alles leicht ist und ohne unser Zutun für immer leicht bleibt.

Wenn wir uns verlieben, erhalten wir eine gratis Kostprobe vom Paradies. Das Eröffnungsangebot ist meistens nur für kurze Zeit gültig und es liegt an uns zu entscheiden, ob wir bereit sind, den Preis für eine dauerhafte Mitgliedschaft zu zahlen.

Der Zauber zerbricht, wenn wir vergessen, dass wir in unseren Wesen verschieden sind, wenn wir verpassen, unsere Unterschiede zu akzeptieren und zu achten.

Verliebt zu sein ist berauschende Magie. Die Liebe hingegen ist kein Rausch mehr. Die Liebe verbindet Verstand und Gefühl. Sie ist eine Überraschungsbox, sie ist eine Einladung, auf Entdeckungsreise zu gehen. Und wir wissen es alle, es reist sich besser mit leichtem Gepäck. Der Ballast der Vergangenheit und die Zukunftsängste sollten abgeworfen werden.

Meine Lieben, genießt das Verliebtsein und freut Euch auf die wahre Liebe.

***

„Wie seht Ihr das eigentlich? Findet Ihr, dass jede Beziehung dazu verdammt ist, zu zerbrechen, wenn die Leidenschaft und das Feuer verloren gegangen sind? Ist man irgendwann nur noch Mutti und Vati füreinander?“, fragt Marie, während sie ein Stückchen Zitrone in ihre Teetasse auspresst.

„Ich weiß nur, die Kunst in längeren Beziehungen ist, den Sex immer wieder wie eine aufregende Premiere erscheinen zu lassen. Das hatte ich offensichtlich nicht drauf“, antwortet Emma und beißt genüsslich in ihr Schokocroissant.

„Findest du nicht, es wäre zu einfach gedacht, eine gute, lange Beziehung nur auf heißen Sex zu reduzieren? Der Sex gehört unbedingt dazu, aber er ist doch nur ein Bruchteil von dem, was ein Paar ausmacht“, lässt Marie nicht locker.

„Hmm …, das sagen eben die, die in ihrer Beziehung keinen oder nur wenig Sex haben“, kontert Emma. „Dann werden gerne die Karten mit den Werten ausgespielt: Vertrauen, Verbindlichkeit, Humor …“

„Ein aktives Sexleben signalisiert doch auch: Ich bin jung, ich werde begehrt. Und wenn der Sex weniger wird, denkt oft mindestens einer der Partner – ich bin nicht mehr attraktiv oder werde nicht mehr geliebt“, meint Lia dazu.

„Eben. Sex ist nur ein Teil der Beziehung, hat aber eine enorme Bedeutung. Glaub mir Marie, Toby und ich hatten eine harmonische Beziehung. Der Sex war vertraut und schön, aber für Toby offensichtlich nicht mehr dirty und oft genug. Und genau das habe ich übersehen“, erwidert Emma.

„Willst du damit sagen, du warst selber daran schuld, dass er dich hintergangen hat?“, antwortet Marie entsetzt.

„Aber nein, absolut nicht! Betrügen ist unentschuldbar! Ich will damit nur sagen, dass in einer Beziehung unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse durchaus vorkommen können. Aber solange beide das Gleiche wollen, gibt es kein Zuviel oder Zuwenig, kein Zu-gewagt oder Zu-bieder.“

„Eigentlich hat Dr. Sommer den Unterschied zwischen Verliebtsein und Liebe gar nicht in Verbindung mit Sex gebracht. Wieso haben wir uns so sehr darauf versteift?“, unterbricht Lia den angeregten Meinungsaustausch.

„Weil über Sex zu reden viel mehr Spaß macht, als über dreckige Socken und überfüllte Mülleimer“, antwortet Emma und lässt dabei Marie nicht aus den Augen.