Doktor Amalgis Vermächtnis - Walther Kabel - E-Book

Doktor Amalgis Vermächtnis E-Book

Walther Kabel

0,0
0,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wir saßen nebeneinander auf dem schmalen Ledersofa … Harst rauchte, in Gedanken versunken, bereits die vierte Mirakulum.
Ich wurde ungeduldig. Ich wunderte mich, daß Harald noch immer nicht daran dachte, jenen versiegelten Brief zu öffnen, den ihm die Engländerin Honoria Goord am Fuße der Felsterrasse überreicht hatte, auf der das Kloster Damalang, unzugänglich für jeden Fremden, in stolzer Einsamkeit seine Geheimnisse hütete.
… Den versiegelten Brief, Doktor Georg Amalgis Vermächtnis …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Detektiv

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

Band 186

Doktor Amalgis Vermächtnis

© 2023 Librorium Editions

ISBN : 9782385740832

 

Inhalt

Doktor Amalgis Vermächtnis.

Timitri, das Leichenschiff.

Doktor Amalgis Vermächtnis.

1. Kapitel.1

Das Palast-Hotel in der nepalesischen Grenzstadt Nepalgang2 war damals im Herbst 1926, als Harald Harst und ich von unserer abenteuerlichen Reise nach dem geheimnisvollen Kloster Damalang zurückgekehrt waren, mit Flüchtlingen aus Nordindien überfüllt. Cholera und Pest wüteten in Indien, und jeder, der es nur irgend ermöglichen konnte, hatte hier in den Bergen mit ihrer reineren, kühleren Luft vor den grauenvollen Würgeengeln Schutz gesucht.

Wir hatten vorher mit unseren beiden Begleitern Gordon-Berlett und Hubert Enoch (zwei Personen, auf die der Leser sich fraglos noch besinnt) in einem anderen Hotel eine recht primitive Unterkunft gefunden. Jetzt, nach unserer Rückkehr aus den Bergen, verschaffte der Direktor des Palast-Hotels uns beiden ein winziges Zimmer hoch oben in der Mansarde. Gordon-Berlett und Enoch waren sofort nach Kalkutta weitergereist, da des ersteren Mission hier in Indien erledigt war und da der alte Enoch nicht allein nach Europa heimkehren mochte.

Es war am Abend nach unserem Einzug in das Mansardenstübchen, dessen Fenster nach Norden hinausgingen und uns so einen wunderbaren Ausblick auf die fernen Schneehäupter des Himalaya gewährten …

Am Abend …

Über dem Tische brannte eine elektrische Lampe mit hellviolettem Seidenschirm …

Wir saßen nebeneinander auf dem schmalen Ledersofa … Harst rauchte, in Gedanken versunken, bereits die vierte Mirakulum.

Vom Hotelgarten schallte verschwommen der Lärm von Jazzmusik zu uns empor …

Ich wurde ungeduldig. Ich wunderte mich, daß Harald noch immer nicht daran dachte, jenen versiegelten Brief zu öffnen, den ihm die Engländerin Honoria Goord am Fuße der Felsterrasse überreicht hatte, auf der das Kloster Damalang, unzugänglich für jeden Fremden, in stolzer Einsamkeit seine Geheimnisse hütete.

… Den versiegelten Brief, Doktor Georg Amalgis Vermächtnis …

Das Vermächtnis eines Mannes, den wir dort oben in Eis und Schnee tot vorgefunden hatten, die Arme gen Himmel gereckt, aufrecht stehend, — ein Toter, und doch kein Toter …

Der Leser weiß das alles aus dem vorigen Band. —

Ja — ich wunderte mich …

War mein alter Harst denn so gar nicht neugierig auf den Inhalt dieses Briefes?!

Ich war’s …

Und sagte nun aufmunternd:

»Soll ich den Brief Amalgis aus dem Koffer nehmen? — Ich denke, es wird Zeit, daß wir …«

»… ja, daß wir dem Diebe nachspüren,« unterbrach Harst mich in lebhaftem Tone. »Mein lieber Alter,« fügte er achselzuckend hinzu, »wir haben uns zu sehr darauf verlassen, daß man unsere Koffer nicht anrühren würde … Wir glaubten, daß niemand hier etwas von der Existenz dieses Briefes ahnte. Ein Irrtum!! Als wir vorhin von dem kurzen Spaziergange heimkehrten, genügte mir ein Blick … Der obere Koffer stand anders, und die Schlösser waren nur zugedrückt, nachdem man sie gewaltsam erbrochen hatte. Bitte, überzeuge dich …«

Ich sprang auf … War schon in der Ecke vor den Koffern …

Wahrhaftig: erbrochen!! Ich hatte den Kofferdeckel ohne weiteres hochklappen können …

Und — obenauf hatte der Brief gelegen …

Hatte …!

Er war gestohlen worden …!

Ich drehte mich um …

»Harald, und das — das hast du mir bisher verschwiegen!!«

»Ich hatte Wichtigeres zu tun … Ich spürte dem Diebe nach …«

»In Gedanken …«

»Natürlich. Und ich glaube auch eine Fährte gefunden zu haben …«

Er erhob sich. »Gehen wir ins Bureau hinab … Ich möchte den Portier etwas fragen.«

Der indische Hotelportier erklärte uns, daß allerdings vor etwa zwei Stunden ein älterer, europäisch gekleideter Eingeborener uns zu sprechen gewünscht habe …

»Er wollte im Lesezimmer warten, Herr Harst … Nach einer halben Stunde verließ er das Hotel jedoch wieder und sagte mir, daß er die Herren wohl in den Anlagen treffen würde. Da er nicht mehr zurückkehrte, glaubte ich, die Herren seien ihm tatsächlich begegnet.«

Harald nickte nur …

»Es ist gut …«

Und wir bestiegen wieder den Fahrstuhl. Der Portier schaute uns sichtlich erstaunt nach.

Oben in unserem kleinen Zimmer setzte sich Harst in die Sofaecke, nahm eine neue Mirakulum, meinte:

»Der Portier betonte auf meine Frage hin, daß der ältere braunhäutige Herr einen bis zu den Augenbrauen hinabreichenden Turban getragen habe. Dieser Turban dürfte das auf der Stirn tätowierte Bild des Gottes Samur verdeckt haben. Es war ein Samur-Yogi aus dem Kloster Damalang, ein Abgesandter der dort hausenden Mönche … Er sollte den Brief stehlen, da die Bruderschaft der Samur-Yogi wohl befürchtet hat, das Schreiben könnte uns einiges von den Geheimnissen dieser mehr als geheimnisvollen Kaste enthüllen. — Wir werden sofort wieder aufbrechen, mein Alter. Besorge dieselben Reittiere von dem alten Nepalesen, dazu Proviant und drei recht lange Taue und ein paar starke Eisenhaken. Beeile dich und schau mich nicht so verständnislos an … Oder willst du den Brief Amalgis preisgeben?!«

»Nein — — niemals!«

Ich griff nach meiner Sportmütze und begab mich zu jenem Pferdeverleiher, dessen Bergponys uns so gute Dienste geleistet hatten. Der brave, nach »Ziegenbock-Odeur« duftende Nepalese (die meisten Nepalesen verbreiten einen derartigen Geruch, wohl infolge ihrer Vorliebe für Pelzhosen aus Ziegenfell) war maßlos erstaunt, weil wir, kaum von der Bergtour zurückgekehrt, nun schon wieder in die Stein- und Eiswildnis uns hineinwagen wollten. Er versprach, die beiden Ponys persönlich um elf Uhr abends nach jenem Tale in der Nähe der Stadt zu bringen, von wo wir auch vor vier Tagen aufgebrochen waren.

So konnte denn auch diesmal unsere neue Expedition nach dem Kloster Damalang in aller Stille und Unauffälligkeit beginnen. Im Hotel sagten wir nur dem Direktor Bescheid, dem Harald noch nahelegte, die Polizei zu benachrichtigen, falls wir nicht in einer Woche wieder in Nepalgang eingetroffen sein sollten. —

Meine leise Hoffnung, daß wir das festungartige Kloster nochmals wiedersehen würden, wurde nun also verwirklicht. Den Ritt von anderthalb Tagen durch die öden Berge brauche ich hier nicht näher zu schildern, da ich dies bereits im vorigen Band getan habe und da wir genau denselben Weg einschlugen, wobei Harald sich wie stets als unübertrefflicher Pfadfinder zeigte, mir außerdem an verschiedenen Stellen bewies, daß kurz vor uns ein anderer Reiter dem Kloster zugestrebt war, natürlich der Dieb, den wir leider jedoch nicht mehr einholen konnten.

Wir gaben unterwegs auf jede Kleinigkeit acht, die nur irgend verhüten konnte, daß unsere Ankunft in der Nähe von Damalang vorzeitig den Mönchen verraten würde. Wo wir auf fruchtbare Täler stießen, in denen sich einzelne Nepalesen angesiedelt hatten, umgingen wir die Baulichkeiten in großem Bogen. Wir richteten es auch so ein, daß wir erst nach Einbruch der Dunkelheit die Hochebene erreichten, die nach Westen zu von jenem ungeheuren Felsenwall begrenzt wurde, auf dessen erster Abstufung in etwa sechzig Meter Höhe das tempelartig gebaute Kloster lag, das bei der Schroffheit der Felswände für jeden gewöhnlichen Sterblichen nur im Einverständnis mit den Klosterinsassen betreten werden konnte, da die Mönche über einen primitiven Aufzug verfügten, — eine Winde mit einem Förderkorbe an einem dicken Tau, das selbst Tiere zu tragen vermochte.

Und dennoch sollte jetzt diese Felsenfeste von zwei Männern mit den einfachsten Hilfsmitteln »erobert« werden — — von Harald und mir, — in dieser windstillen, kalten, klaren Oktobernacht … —

Wir hatten unsere Ponys, nachdem wir ihnen reichlich Futter vorgeworfen hatten, in einer kleinen, geschützten Schlucht zurückgelassen, schlichen nun zunächst jenem Eishügel zu, auf dessen Spitze wir vor etwa drei Tagen vor der Leiche Doktor Amalgis den denkwürdigen Abschied von dessen Begleiterin Honoria Goord genommen hatten.