Dr. Norden Bestseller 101 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 101 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Dr. Daniel Norden freute sich, als Irene Bruck so lebhaft und frisch sein Sprechzimmer betrat. Vor sechs Wochen hatte sich eine verhärmte traurige Frau von ihm verabschiedet, um eine Kur im Sanatorium »Insel der Hoffnung« zu machen. »Sie haben sich gut erholt«, stellte er lächelnd fest. »Sehr gut. Es war wunderschön. Ich bin so froh, dass ich Ihrem Rat gefolgt bin, Herr Doktor. Heinz wird ja nicht wieder lebendig, und ich werde noch gebraucht.« Vor zehn Monaten war ihr Mann an einer unheilbaren Krankheit gestorben. Für die gerade Vierzigjährige war es ein entsetzlicher Schock gewesen, und auch Dr. Norden war sehr erschüttert gewesen, dass wieder einmal eine überaus glückliche Ehe ein so jammervolles Ende nehmen musste. Irene konnte sich nicht fangen, obgleich sie nicht ganz allein zurückblieb. Sie hatte ihre Tochter Dorthe, ein reizendes Mädchen, das alles tat, um die geliebte Mutter aufzurichten, sie hatte den ebenfalls verwitweten Schwager, der im selben Haus wohnte, und auch ihren Neffen Florian, dem sie über viele Jahre liebevoll die Mutter ersetzt hatte. Dorthe und Florian waren wie Geschwister aufgewachsen, sehr verschieden im Naturell zwar, aber der gutmütige Florian hatte der um vier Jahre jüngeren Cousine immer nachgegeben. Ja, Dr. Norden kannte die Verhältnisse der Familien Bruck, und er war sehr froh, dass Irene sich gefangen hatte. »Nun brauchen wir ja keine Medikamente mehr«, sagte er.

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Dr. Norden Bestseller – 101 –

Konflikt in jungen Herzen

Was verheimlicht Magnus vor Dorthe

Patricia Vandenberg

Dr. Daniel Norden freute sich, als Irene Bruck so lebhaft und frisch sein Sprechzimmer betrat. Vor sechs Wochen hatte sich eine verhärmte traurige Frau von ihm verabschiedet, um eine Kur im Sanatorium »Insel der Hoffnung« zu machen.

»Sie haben sich gut erholt«, stellte er lächelnd fest.

»Sehr gut. Es war wunderschön. Ich bin so froh, dass ich Ihrem Rat gefolgt bin, Herr Doktor. Heinz wird ja nicht wieder lebendig, und ich werde noch gebraucht.«

Vor zehn Monaten war ihr Mann an einer unheilbaren Krankheit gestorben. Für die gerade Vierzigjährige war es ein entsetzlicher Schock gewesen, und auch Dr. Norden war sehr erschüttert gewesen, dass wieder einmal eine überaus glückliche Ehe ein so jammervolles Ende nehmen musste.

Irene konnte sich nicht fangen, obgleich sie nicht ganz allein zurückblieb. Sie hatte ihre Tochter Dorthe, ein reizendes Mädchen, das alles tat, um die geliebte Mutter aufzurichten, sie hatte den ebenfalls verwitweten Schwager, der im selben Haus wohnte, und auch ihren Neffen Florian, dem sie über viele Jahre liebevoll die Mutter ersetzt hatte. Dorthe und Florian waren wie Geschwister aufgewachsen, sehr verschieden im Naturell zwar, aber der gutmütige Florian hatte der um vier Jahre jüngeren Cousine immer nachgegeben.

Ja, Dr. Norden kannte die Verhältnisse der Familien Bruck, und er war sehr froh, dass Irene sich gefangen hatte.

»Nun brauchen wir ja keine Medikamente mehr«, sagte er.

»Nein, sie sind bereits verbannt«, erwiderte Irene, »aber die ›Insel der Hoffnung‹ wird mich noch öfter sehen. Ihre Schwiegereltern sind einmalig, das muss ich Ihnen doch sagen. Es war wirklich eine wunderbare Zeit. Und hier wurde ich auch mit einer erfreulichen Überraschung empfangen. Dorthe wird sich in Kürze verloben.«

»Ist er nett?«, fragte Dr. Norden.

»Ich lerne ihn erst heute kennen, deshalb auch die neue Frisur«, erwiderte sie, wie ein junges Mädchen errötend. »Jedenfalls stammt er aus einer sehr guten und angesehenen Familie. Sein Vater ist Fabrikant, und da Dorthe bis über beide Ohren verliebt ist, wird es schon der Richtige sein, wenn auch mein Schwager anscheinend nicht so ganz begeistert ist. Aber er möchte Dorthe ja am liebsten in Watte packen.«

Irenes Schwager, der Syndikus Dr. Joachim Bruck, war Dr. Norden auch wohlbekannt. Er wusste, dass er so wie ein Vater um Dorthe besorgt war, wie Irene seinem Sohn die Mutter ersetzt hatte. Und nun würde sich das Zusammenleben in dem schönen Zwei-Familien-Haus, das die Brüder Bruck vor zehn Jahren erworben hatten, auch wieder fröhlicher gestalten. Jedenfalls war Irene nun wieder die hübsche, gepflegte Frau, als die er sie kennengelernt hatte, bevor Heinz Bruck von dieser unheilvollen Krankheit heimgesucht wurde.

»Sie können mich also als geheilt aus Ihrer Behandlung entlassen, Herr Doktor, und so gern ich Sie auch mag, ich hoffe doch, dass ich nicht so schnell wieder Ihre ärztliche Hilfe brauche.«

»Das hoffe ich auch«, meinte er lächelnd.

»Ich habe mir erlaubt, Ihnen ein kleines Geschenk mitzubringen«, sagte sie, »auch etwas für Loni. Und schicken Sie mir bitte bald die Rechnung.«

»Uns eilt das gar nicht. Loni hat sehr viel zu tun«, erwiderte Dr. Norden.

»Ja, das weiß ich, und deshalb will ich Sie jetzt auch gar nicht länger aufhalten. Sehr herzlichen Dank, lieber Dr. Norden.«

»Ich habe zu danken«, sagte er, als sie das ziemlich große Päckchen schnell auf den Stuhl legte, um dann jedoch auch rasch zu verschwinden.

Loni stieß dann mittags, als sie ihr Päckchen enthüllte, einen Schrei des Entzückens aus, denn sie hatte eine wunderschöne Stola bekommen.

»Sie ist so lieb«, sagte sie. »Ich bin ja so froh, dass sie nun wieder auflebt.«

»Und vielleicht wird sie in absehbarer Zeit Großmama«, lachte Dr. Norden. »Dorthe verlobt sich.«

Loni sah ihn wie versteinert an, dann murmelte sie: »Verlobt ist noch nicht verheiratet!«

»Aber, Loni, was wollen Sie damit sagen?«, fragte Dr. Norden erstaunt.

»Wenn es der blonde Schönling ist, mit dem ich Dorthe schon ein paarmal gesehen habe, bin ich skeptisch. Ein ziemlicher Angebertyp.«

»Sohn eines anscheinend reichen Vaters«, sagte Dr. Norden, aber insgeheim hoffte er jetzt nur, dass Loni, die sonst so tolerante, etwas zu skeptisch war.

Er nahm sein Päckchen mit heim. Fee sollte es aufmachen. Es war ziemlich schwer.

*

Skeptisch war auch Dr. Joachim Bruck, seit er von der geplanten Verlobung erfahren hatte. Er drückte sich nur nicht so drastisch aus wie Loni.

Er hatte seine Schwägerin, die er sehr verehrte, erst gestern von der »Insel der Hoffnung« heimgeholt. Nun holte er sie auch von Dr. Norden ab, da Dorthe mit dem Wagen ihrer Mutter in die Stadt gefahren war.

»Essen wir doch im Jagdhof, Irene«, schlug er vor. »Dorthe wird bestimmt nicht so schnell heimkommen. Und du sollst nicht gleich wieder voll einsteigen.«

»Einverstanden«, erwiderte sie lächelnd. »Mich gelüstet nach Rehrücken, aber ansonsten brauchst du mich nicht mehr wie ein rohes Ei zu behandeln. Mir geht es wirklich gut. Ich finde mich wieder zurecht.«

»Heinz hätte es auch nicht gewollt, dass du in Trauer versinkst. Ich habe Verständnis, das weißt du. Ich habe das ja auch mitgemacht, aber die Kinder brauchen uns.«

»So ist es, Jo, und schön wäre es, wenn ich bald Enkel haben würde.«

Seine Stirnfalten vertieften sich. Sein markantes Gesicht überschattete sich.

»Dorthe ist noch sehr jung, und Jürgen auch. Denk nicht so schnell an Enkel, Irene.«

Sie warf ihm einen schrägen Blick zu. »Hast du etwas gegen Jürgen?«, fragte sie leise.

»Er ist ein verwöhnter Junge«, sagte er ausweichend. »Er studiert noch.«

»Ist das ein Fehler?«

»Er nimmt sein Studium anscheinend nicht sehr ernst. Dorthe ist verspielt. Sie bräuchte meiner Ansicht nach einen charakterstarken Mann.«

»Und Charakterstärke sprichst du ihm ab?«

»Er ist erst zweiundzwanzig. Mir kommt es so vor, als hätten seine Eltern die Verbindung forciert.«

»Aber doch nicht des Geldes wegen, das Dorthe geerbt hat? So viel ist es doch auch wieder nicht. Und sie sind doch sehr vermögend.«

»Ja, das sind sie. Wir sprechen noch darüber. Jetzt suchen wir uns erst ein hübsches Plätzchen.«

Sie waren schon beim Jagdhof angelangt. Und sie fanden einen hübschen Platz, von dem aus sie über den See blicken konnten. Irene entschied sich für Rehsteak, und Joachim schloss sich an.

»Du bist kritisch«, sagte sie mit einem flüchtigen Lächeln. »Dorthe ist doch so verliebt.«

»Sie hat Jürgen erst vor fünf Wochen kennengelernt.«

»Aber er meint es ernst, sonst würde er doch nicht zur offiziellen Verlobung drängen, Jo.«

»Ich habe Erkundigungen über ihn eingezogen. Nimm es mir bitte nicht übel, Irene«, sagte er.

»Nein, das nehme ich dir nicht übel. Heinz hätte es auch getan. Ist etwas nicht in Ordnung?«

»Finanziell ist alles bestens. Die Ehe scheint nicht ganz in Ordnung zu sein. Man wahrt den Schein.«

»Das ist in vielen Familien so«, sagte Irene. »So, wie es bei uns war, findet es man nicht oft.«

Joachim wollte keine traurigen Erinnerungen aufkommen lassen. »Jürgen nimmt das Leben leicht«, sagte er.

»Aber die Liebe anscheinend doch recht ernst. Doch du weißt, wie energisch Dorthe ist.«

»Wenn es um ihn geht, ist sie es nicht. Sie himmelt ihn an. Sie tut alles, was er will. Aber du wirst dir ja heute Abend selbst ein Urteil bilden können, wenn ich auch finde, dass er zuerst dir einen Besuch hätte machen müssen.«

»Wir wollen es nicht zu streng nehmen, Jo. So lerne ich seine Eltern auch gleich kennen.«

»Ich hoffe ja auch, dass alles gut ausgeht, meine Liebe«, sagte er leise, und die innige Wärme, die er in seine Worte legte, ließ sie wieder erröten.

*

Fee Norden enthüllte das Päckchen. Sie juchzte zwar nicht wie Loni, aber Entzücken malte sich auch auf ihrem schönen Gesicht, als sie eine herrliche chinesische Deckelvase in den Händen hielt.

»Das ist aber ein sehr kostbares Geschenk, Daniel«, sagte sie leise. »Mir ist das nicht so ganz recht.«

»Mir auch nicht, Schatz, aber ich konnte es nicht zurückweisen. Wirklich sehr geschmackvoll.«

»Man sieht, wie sehr sie dich schätzt, Liebster.«

»Mich freut es, dass sie wieder im Leben steht. Pass auf, dass unsere Trabanten nicht an dieses wertvolle Stück herankommen. Sollte es Frau Bruck mal schlecht gehen, werde ich sie umsonst behandeln. Einverstanden?«

Fee wusste, dass es ihrem Mann peinlich war, wenn er mit wertvollen Geschenken bedacht wurde. Den Schokoladenkuchen von Mutter Klaes nahm er ohne Bedenken an. Der war auch köstlich. Die Kinder hatten sich daran schon gütlich getan.

Mutter Klaes, so nannten sie alle, die die alte Frau gernhatten, lebte von einer nicht gerade großen, aber auskömmlichen Rente. Sie kam jede Woche zweimal zu Dr. Norden, weil sie einen zu niedrigen Blutdruck hatte. Sie war fast achtzig, aber immer noch flink auf den Beinen. Aber ihren köstlichen Schokoladenkuchen lieferte sie immer persönlich bei Fee ab.

»Mutter Klaes werden wir auch mal mit auf die Insel nehmen«, sagte Fee.

»Und gleich ein paar Wochen dort lassen. Hier wird sie nur weidlich ausgenutzt, und ein bisschen muss sie auch an sich denken«, meinte Daniel. »Sie ist wahrhaft der lebendige Beweis, was auch alte Menschen aus ihrem Leben machen können.«

»Die personifizierte Güte«, sagte Fee.

»Weil für sie alle Menschen gut sind. Sie muss einen besonderen Schutzengel haben.«

Da hatte er wieder mal was ganz spontan gesagt, was sich später beweisen sollte. Doch davon konnten sie jetzt noch nichts ahnen.

Daniel erzählte, dass Dorthe sich verloben wollte.

»Mit wem denn?«, fragte Fee.

»Das habe ich nicht gefragt, und Frau Bruck hat es nicht gesagt. Sie lernt ihn erst heute kennen. Loni nennt ihn einen blonden Schönling.«

»Na ja, so tragisch darf man das nicht nehmen«, meinte Fee lächelnd. »Dich haben sie auch als schönen Mann bezeichnet.«

»Hör bloß damit auf.«

»Der Arzt, der die Frauen betört«, fuhr sie neckend fort.

»Willst du dich mit mir anlegen? Dann widme ich mich meinen Kindern«, brummte er.

»Unseren Kindern«, betonte sie. »Tu das, Herzallerliebster. Ich weiß ja, was ich an dir habe.«

Ihre Liebe war durch nichts zu erschüttern, aber früher einmal war Fee doch recht eifersüchtig gewesen.

*

Dorthe wurde auch eifersüchtig, wenn Frauen jeden Alters ihrem Jürgen nachschauten. Ihr Jürgen war das, aber ihm schien es zu gefallen, wenn nicht allein sie ihn anhimmelte. Er sonnte sich in der Beachtung, die ihm zuteil wurde.

Man konnte ihn wirklich als schön bezeichnen, keinesfalls als männlich. Er trug sein blondes Haar lang, obgleich das nicht mehr so in der Mode war, und das ließ sein Gesicht noch weicher erscheinen. Er war nach der allerletzten Mode gekleidet, nach der teuersten, und er fuhr auch den teuersten Sportwagen, der auf dem Markt war.

Er hatte sich mit Dorthe getroffen. Er zeigte sich gern mit ihr, denn sie war ein auffallend attraktives Mädchen. Ihr Haar war kastanienbraun und hatte einen fülligen Pagenschnitt. Ein Hauch besonderer Unnahbarkeit umgab sie, und das mochte Jürgen Magnus.

Dorthe verzieh ihm alles, auch seine plötzlichen Stimmungsschwankungen. Eben noch die Liebenswürdigkeit in Person, konnte er im nächsten Augenblick launisch sein.

»Hoffentlich ist deine Mutter nicht so pingelig wie dein Onkel«, sagte er völlig unmotiviert, als sie vor einem Schaufenster standen.

»Onkel Jo ist doch sehr nett«, sagte sie.

»Ein typischer Beamter«, sagte er abfällig.

»Er ist kein Beamter. Er ist Jurist.«

»Was verdient er denn da so?«

»Bestimmt genug«, lachte sie. »Fabrikant kann halt nicht jeder sein. Uns ging es immer gut, und ganz arm komme ich auch nicht in die Ehe.«

»Du brauchst nicht gleich so anzüglich zu werden, Dorthe. Mich interessiert nicht, wie viel Geld du hast, ich habe genug. Ich muss jetzt heim, damit ich heute Abend frisch bin. Ich muss ja meiner liebwerten zukünftigen Schwiegermutter gefallen.«

Sie sah ihn nun doch erschrocken an, und dabei stellte sie fest, dass er sehr müde aussah. Müde? Ein seltsamer Gedanke kam ihr, als sie sah, dass seine Mundwinkel zitterten. War er etwa krank?

Sie wollte keine Fragen stellen. Sie wusste, wie empfindlich er war. Manchmal, wenn sie in einem Lokal waren oder in einer Bar, sprang er plötzlich auf und lief hinaus. Und einmal hatte sie ihn gefragt, ob ihm etwas fehle. Da war er sehr zornig geworden.

Sie trennten sich am Parkplatz. Er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

»Komm pünktlich«, sagte er. »Maria ist sehr empfindlich.«

Er brauste in seinem schnittigen Wagen schon davon, als sie sich noch mühte, ihren Wagen aus der Parklücke herauszubekommen.

Mit seiner Mutter werde ich es nicht ganz leicht haben, dachte sie, aber was soll’s, wir werden doch unser Leben führen. Dorthe nahm nichts tragisch. Nur der Tod ihres Vaters hatte sie für ein paar Wochen aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie war jung und sich ihrer Schönheit sehr bewusst. Sie hatte schon viele Verehrer gehabt, aber sie war kühl bis ans Herz geblieben. Nur Jürgen faszinierte sie, und vor allem deshalb, weil er ihr nie zu nahe trat, weil er so sehr Gentleman in jeder Situation blieb. So hatte sie es sich vorgestellt. So war es auch bei ihren Eltern gewesen, wie sie von ihrer Mutter erfahren hatte, als sie erwachsen wurde. Irene hatte eine sehr dezente Aufklärung betrieben.

Dorthe hatte sich immer ganz bestimmte Vorstellungen von ihrem zukünftigen Mann gemacht. Alles müsste stimmen, hatte sie gemeint. Und Jürgen Magnus war ihrer Ansicht nach der Mann, bei dem tatsächlich alles stimmte.

Dorthe wollte keine emanzipierte Frau werden. Sie wollte so werden wie ihre Mutter. Eine vorbildliche Ehefrau, eine ebenso vorbildliche Mutter. Sie wollte repräsentieren und zu allerletzt mit jedem Cent rechnen müssen, wie so manche ihrer Freundinnen, die noch früher geheiratet hatten als sie. Sie wollte schicke Autos fahren und schöne Reisen machen. Der Name Magnus bürgt für Qualität, stand in den Stellenangeboten, die man fast jede Woche in den großen Tageszeitungen fand. Man war ständig auf Expansion bedacht.

Dorthe fand sich beneidenswert, dass Jürgen Magnus sich für sie entschieden hatte. Und seine Eltern zeigten ihr größtes Entgegenkommen.

So war sie recht unwillig, als Irene fragte, ob sie Jürgen auch wirklich liebe.

»Natürlich liebe ich ihn, Mami«, erwiderte sie. »Und du wirst begeistert sein.« Sie betrachtete ihre Mutter kritisch. »Na, jetzt kann man sich ja wieder mit dir sehen lassen«, sagte sie dann leichthin. Irene gab es einen Stich.

»Ich konnte den Schmerz nicht von einem Tag zum anderen überwinden«, sagte sie leise.

»Aber du gehörst noch nicht zum alten Eisen. Du siehst gut aus, und du wirst wieder einen anderen Mann finden«, sagte Dorthe. »Nun beeil dich. Wir müssen pünktlich sein.«

Irene schluckte ihren aufsteigenden Groll hinunter. Sie hatte plötzlich nicht mehr die geringste Lust, ihr Heim zu verlassen, in dem sie so glückliche Jahre mit einem liebevollen, gütigen Mann verbracht hatte. Es war ihr nur ein Trost, dass Joachim mitkommen würde. Augenblicklich war es auch keine Ermunterung für sie, dass Dorthe in einem zauberhaften Kleid noch hinreißender aussah als sonst. Sie hatte das Aussehen einer Lady und das Benehmen eines oberflächlichen Teenagers. So empfand es Irene jetzt, und es schmerzte sie.

*

Nora Magnus war in diesem Augenblick sehr gereizt. »Was schluckst du nur dauernd für Kapseln, Jürgen«, fauchte sie.

»Ich habe Kopfschmerzen, Mama. Es ist Föhn, den vertrage ich nicht.«

»Und du zitterst vor Angst vor dem kritischen Blick deiner Schwiegermutter«, sagte Nora anzüglich, »aber du brauchst nicht zu zittern. Sie wird froh sein, einen solchen Schwiegersohn zu bekommen.«

Er kniff die Augen zusammen. »Ihr hetzt mich in diese Ehe«, stieß er zwischen den Zähnen hervor. »Ihr wisst genau, dass ich nicht heiraten wollte, nie!«

»Aber du wirst heiraten! Wenigstens das bist du uns schuldig, Jürgen. Wenn du dich nicht auf die Hinterbeine stellst, wirst du auf alle Annehmlichkeiten verzichten müssen. Es wird genug getuschelt, und unsere Ehe geht zugrunde, weil ich immer noch deine Partei ergriffen habe. Wenn du mich jetzt im Stich lässt, bricht alles auseinander. Dein Vater kann verdammt hart sein. Dorthe ist ein sehr attraktives Mädchen. Sie liebt den Luxus. Wir wollen jetzt nicht ins Detail gehen, aber sie wird sich damit abfinden müssen, dass du nicht viel für Frauen übrig hast, wenn sie sonst alles bekommt, was ihr Herz begehrt. Nimm dich jetzt zusammen.«

»Lass mich doch ein paar Minuten in Ruhe«, stöhnte er. »Du machst mit deinem dauernden Gerede doch nichts besser.«

Sie ging, und als er zehn Minuten später die Wohnhalle betrat, sah er blendend aus und schien bester Stimmung zu sein. Jetzt kniff Nora die Augen zusammen. Sie hatte eine nahezu frappierende Ähnlichkeit mit ihrem Sohn. Hermann Magnus war ein korpulenter, etwas grobschlächtig wirkender Mann, aber trotzdem eine durch seine Vitalität eindrucksvolle Erscheinung.

Die Gäste kamen pünktlich. Man wollte heute ja nur ›in familie‹ sein, aber dennoch war aufgetafelt wie bei einem Galadiner. Das Haus war prachtvoll, alles war teuer, das konnte man hier sehen, mochte auch die persönliche Note fehlen.

Irene wurde überaus freundlich willkommen geheißen. Jürgen küsste ihr die Hand. Sie empfand jedoch genau das, was Joachim angedeutet hatte, er war ihr zu unmännlich, zu schön. Dass Dorthe schon jetzt die stärkere Persönlichkeit war, und sie hatte auch eine ganz andere Ausstrahlung, ließ ein leichtes Frösteln durch Irenes Körper kriechen.

Zu ihrer Beruhigung entwickelte Jürgen dann jedoch einen bezwingenden Charme, und das war ganz wohltuend, da alles sonst gar zu perfekt abrollte.

Irene kam sich vor wie in einem erstklassigen Hotel. Sie liebte es in einer Familienrunde legerer, aber Dorthe schien es zu gefallen.

Wenn sie nur glücklich wird, dachte Irene, und da wurde dann schon über die offizielle Verlobungsfeier gesprochen, denn bei dem Familientreffen allein sollte es nicht bleiben, obgleich sich Jürgen dann in aller Form bei Irene erkundigte, ob er Dorthe den Verlobungsring aufstecken dürfe.

Es war ein funkelnder Brillantring, der ein Vermögen wert sein musste. Impulsiv fiel Dorthe Jürgen um den Hals, aber auch in diesem Augenblick reagierte er nicht wie ein junger verliebter Mann, sondern eher gehemmt und verlegen.

Vielleicht hat er noch keine Erfahrung mit Frauen, dachte Irene, und eigentlich hätte ihr das auch recht sein können, dass ihr die konservative Erziehung, die sie genossen hatte, noch immer in den Gliedern steckte. Aber dennoch blieb ein unbehagliches Gefühl zurück. Sie sagte beklommen, dass es doch eigentlich an ihr wäre, die Verlobungsfeier auszurichten, aber da widersprach Nora temperamentvoll.

»Wir haben schon alles vorgeplant«, sagte sie. »Sie brauchen nur noch zu sagen, wen Sie einladen möchten. Ich denke, dass wir die Anzahl der Gäste auf etwa hundert begrenzen. Wir haben ja weitaus mehr Verpflichtungen als Sie, liebe Irene, und Jürgen ist der Magnus-Erbe.« Sehr betont sagte sie das.

Irene wurde die Kehle eng und trocken. Sie wurde überrollt. Joachim wich ihrem hilflosen Blick aus. Er war stumm wie ein Fisch, aber Irene wurde es jetzt erst so richtig bewusst, wie wahrhaft vornehm er war. Sie sind mir zu protzig, dachte sie, aber sie wahrte Beherrschung.