Dr. Norden Bestseller 119 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 119 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Grüß Gott, tritt ein, bring Glück herein«, scherzte Dr. Daniel Norden, als ein kleines Mädchen in sein Sprechzimmer getrippelt kam. »Machst wieder Späßchen, Onkel Doktor?«, kicherte die Kleine. »Der Onkel Doktor wird dir gleich die Leviten lesen, weil du immer barfuß läufst, Dodo«, sagte die hübsche Mutter dieses reizenden Geschöpfes. Ihr Name, Ulla Glück, besagte nicht, dass sie immer Glück gehabt hätte. Vor vier Jahren, als sie das Kind erwartete, war sie sogar sehr unglücklich gewesen. Eine ebenso stürmische wie kurze Urlaubsliebe hatte Folgen gehabt, die sich zu diesem quicklebendigen, besonders hübschen und liebenswerten Töchterchen entwickelten. Ja, damals hatte Dr. Norden mit Engelszungen reden müssen, damit Ulla nicht auch den Weg nach Holland einschlug, wie so viele andere, um sich dieser Urlaubserinnerung zu entledigen. Unterstützt hatte ihn Ullas Tante Lotte, die der Meinung war, dass ein Kind ohne Vater immerhin mehr Freude bereite, als ein Mann, der nichts tauge. Nun musste man jedoch sagen, dass Lotte durchaus nicht unglücklich in ihrer Ehe mit Friedrich Glück, Ullas Onkel, gewesen war. Leider war er nur viel zu früh durch einen Unfall von ihrer Seite gerissen worden. Lotte hatte sich dann eine Lebensaufgabe darin gesucht, Ehen zu stiften. Das Heiratsvermittlungsinstitut Glück machte dem Namen Ehre und bescherte ihr Erfolg, und als Lotte ihre Nichte Ulla mit dem Kind bei sich aufnahm, hegte sie insgeheim den Gedanken, auch bald für ihre Nichte einen passenden Mann zu finden. Aber Ulla war stur. Sie hatte die Nase voll, wie sie erklärte. Es war eine sehr hübsche Nase, wie Dr.

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Dr. Norden Bestseller – 119 –

Glück, das man nicht kaufen kann

Patricia Vandenberg

»Grüß Gott, tritt ein, bring Glück herein«, scherzte Dr. Daniel Norden, als ein kleines Mädchen in sein Sprechzimmer getrippelt kam.

»Machst wieder Späßchen, Onkel Doktor?«, kicherte die Kleine.

»Der Onkel Doktor wird dir gleich die Leviten lesen, weil du immer barfuß läufst, Dodo«, sagte die hübsche Mutter dieses reizenden Geschöpfes.

Ihr Name, Ulla Glück, besagte nicht, dass sie immer Glück gehabt hätte. Vor vier Jahren, als sie das Kind erwartete, war sie sogar sehr unglücklich gewesen. Eine ebenso stürmische wie kurze Urlaubsliebe hatte Folgen gehabt, die sich zu diesem quicklebendigen, besonders hübschen und liebenswerten Töchterchen entwickelten.

Ja, damals hatte Dr. Norden mit Engelszungen reden müssen, damit Ulla nicht auch den Weg nach Holland einschlug, wie so viele andere, um sich dieser Urlaubserinnerung zu entledigen. Unterstützt hatte ihn Ullas Tante Lotte, die der Meinung war, dass ein Kind ohne Vater immerhin mehr Freude bereite, als ein Mann, der nichts tauge.

Nun musste man jedoch sagen, dass Lotte durchaus nicht unglücklich in ihrer Ehe mit Friedrich Glück, Ullas Onkel, gewesen war. Leider war er nur viel zu früh durch einen Unfall von ihrer Seite gerissen worden. Lotte hatte sich dann eine Lebensaufgabe darin gesucht, Ehen zu stiften. Das Heiratsvermittlungsinstitut Glück machte dem Namen Ehre und bescherte ihr Erfolg, und als Lotte ihre Nichte Ulla mit dem Kind bei sich aufnahm, hegte sie insgeheim den Gedanken, auch bald für ihre Nichte einen passenden Mann zu finden.

Aber Ulla war stur. Sie hatte die Nase voll, wie sie erklärte.

Es war eine sehr hübsche Nase, wie Dr. Norden wieder mal feststellen konnte, geziert mit ein paar lustigen Sommersprossen, und alles in allem bot Ulla einen herzerfrischenden Anblick.

Ulla war mit ihrem Töchterchen nicht etwa gekommen, weil Dodo krank war. Dodo hatte von Zeit zu Zeit einfach Sehnsucht nach dem Onkel Doktor, und wenn sie in die Nähe der Praxis kamen, fiel ihr schnell etwas ein, was ihr wehtat.

Diesmal beteuerte sie, dass es die Ohren wären. Dr. Norden kannte diese Spielchen schon, und er machte sie schmunzelnd mit.

»Dodo hört schlecht«, sagte Ulla. »Eigentlich muss ich sagen, dass sie zurzeit überhaupt nicht hört.«

Dodo nickte strahlend dazu. »Kann nichts hören«, beteuerte sie.

Dr. Norden tauschte einen verständnisinnigen Blick mit Ulla. »Dann werden wir mal nachschauen, was da los ist«, meinte er.

»Da schlafen die Zwerglein drin«, erklärte das fantasievolle Kind.

»Na, sehr bequem haben sie es dann aber nicht«, meinte Dr. Norden lächelnd.

»Sie können sich aber ganz klein machen«, sagte Dodo eifrig. »Wie Igel, und dann halten sie den Winterschlaf.«

Ulla seufzte. »Auf was sie alles kommt«, murmelte sie.

»Brauchst doch nicht immer gleich stöhnen, Mami«, meinte Dodo.

»Immerhin scheinst du doch ganz gut hören zu können, wenn du willst«, meinte Dr. Norden.

»Die Zwerglein hören es und sagen es mir dann«, erwiderte sie schlagfertig.

»Sie sagen dir hoffentlich auch, dass du nicht immer barfuß laufen sollst.« Jetzt klang Dr. Nordens Stimme doch ziemlich streng, und Dodo sah ihn verdutzt an. »Es ist nämlich schon zu kühl dafür, und wenn du dich erkältest, kann es sein, dass die Ohren sehr wehtun. Das würde dir überhaupt nicht gefallen. Dann musst du nämlich im Bett bleiben.«

Und das wäre für dieses Quecksilber schlimm. Er wusste es.

»Ich werde nicht krank«, erklärte Dodo standhaft. »Und jetzt haben die Zwerglein ausgeschlafen und sind wieder fortgehuscht.«

»Das ist aber fein«, lächelte Dr. Norden. Dann sah er Ulla an. »Und was fehlt der Mami?«, fragte er.

»Zahnschmerzen«, erklärte Dodo prompt, »aber sie grault sich vorm Zahnarzt.«

»Wir waren so an Dr. Schäfer gewöhnt«, sagte Ulla entschuldigend. »Tante Lotte geht es auch nicht besser, aber man hört so viel Ungutes, dass man es mit der Angst bekommt.«

»Aber so hübsche Zähne sollten doch erhalten bleiben«, sagte Dr. Norden aufmunternd. »Gehen Sie doch mal zu Dr. Herzog, den kann ich aus eigener Erfahrung empfehlen.«

»Man muss sich so lange vorher anmelden, und bis man dann drankommt, sind die Zahnschmerzen schon wieder vorbei.«

»Dafür muss dann in Bälde der ganze Zahn dran glauben. Dr. Herzog nimmt Sie bestimmt sofort an. Soll ich ihm sagen, dass es dringend ist? Die Backe schwillt ja schon an.«

»Waaas?«, fragte Ulla entsetzt, und nun rührte sich ihre weibliche Eitelkeit.

Ein kurzes Telefongespräch genügte. Ulla konnte sich auf den Weg zu Dr. Herzog machen.

»Du passt auf, dass die Mami nicht wieder davonläuft, Dodo«, ermahnte Dr. Norden die Kleine, und das nahm sie natürlich sehr wichtig.

»Ich passe schon auf«, versicherte sie. Sie hatte keine Angst vorm Zahnarzt, sie hatte ja auch noch nie Schmerzen gehabt. Gleichmäßig wie erlesene Perlen waren ihre Zähnchen, und sie fand es sehr spannend, einen neuen Doktor kennenzulernen.

»Ein tolles Haus«, staunte sie, als sie vor dem modernen Neubau hielten, der erst kürzlich fertiggestellt worden war. Ein Anfänger wird dieser Dr. Herzog doch wohl nicht sein, dachte Ulla besorgt, aber sogleich beruhigte sie sich mit dem Gedanken, dass er ihr von Dr. Norden dann wohl nicht empfohlen worden wäre.

Dr. Herzog hatte gute Gründe gehabt, seine Praxis in diese modernen Räume zu verlegen. Es waren vorwiegend private Gründe gewesen.

Ulla und Dodo wurden von einer jungen, netten Zahnarzthelferin empfangen und zu einem kleinen Warteraum geführt.

»Es dauert nicht lange«, erklärte sie.

Dodo hätte sich lieber umgeschaut, aber sie wurde von Ulla energisch ermahnt, sich anständig zu benehmen.

»Aber zuschauen will ich«, sagte Dodo sehr bestimmt.

»Du schreckst vor nichts zurück«, sagte Ulla.

»Warum denn auch. Ich will viel lernen. Ich war ja noch nie bei einem Zahnarzt.«

»Sei froh«, murmelte Ulla.

Dann wurde sie auch schon in den Behandlungsraum gerufen. Dodo marschierte ihr voran.

Der erste Eindruck, den Ulla von Dr. Gerd Herzog gewann, war beruhigend. Ein sympathischer Mann, Ende dreißig mochte er sein, ein sensibler Typ, der Vertrauen erweckte.

Er lächelte flüchtig, als Dodo so forsch auf ihn zuging. »Ich muss aufpassen, dass Mami nicht davonläuft«, erklärte sie. »Onkel Dr. Norden hat das gesagt.«

»Sei nicht immer so vorlaut, Dodo«, sagte Ulla.

Ihr war wirklich bange, als sie auf dem Stuhl Platz nahm. Die Praxis war auf das Modernste ausgestattet, da hatte Dr. Schäfer nicht mithalten können. Dr. Herzog fühlte ihren Puls.

»Liebe Güte, so schlimm ist es doch gar nicht, dass wir gleich das Zittern bekommen müssen«, sagte er tröstend. Mit verschleiertem Blick stellte Ulla fest, dass er wunderschöne Hände hatte. Sie fand es komisch, dass sie das denken konnte.

Dodo schaute interessiert zu, als Ulla den Mund öffnete. »Sie hat schöne Zähne, nicht wahr?«, fragte sie.

»Das kann man wohl sagen«, erwiderte Dr. Herzog lächelnd.

»Was machst du jetzt, Doktor?«, fragte Dodo.

Ulla stöhnte in sich hinein, aber sie konnte nichts sagen, und das stimmte Dodo zufrieden.

Sie war äußerst angetan von diesem Doktor, weil er ihr alles erklärte. Ulla indessen, mit offenem Munde sitzend, staunte so sehr über seine Geduld, dass sie kaum etwas spürte. Sie konnte es gar nicht fassen, wie schnell alles vorbei war. Dodo war darüber maßlos enttäuscht.

»Kannst du das bei mir nicht auch machen?«, fragte sie.

»Schaden kann es keinesfalls, wenn wir uns mal deine Beißerchen anschauen«, erwiderte er.

Sie war sofort dazu bereit. Ulla war noch ganz benommen von der Schnelligkeit und Sicherheit, mit der er sie behandelt hatte.

»Wenn sich meine Tochter etwas in den Kopf setzt, ist sie nicht zu bremsen«, sagte sie leise.

»Herzerfrischend«, bemerkte er beiläufig. »Ist ja alles in Ordnung.«

»Wir haben auch eine gute Zahnpasta und eine Munddusche«, erklärte Dodo. »Und wir leben gesund.«

Jetzt musste er richtig lachen. Es war ein leises, angenehmes Lachen.

»Und du benutzt beides brav«, sagte er.

»Klar, da achten Tante Lotte und Mami drauf.«

»Das kannst du mal meinen Söhnen sagen.«

Dodo riss die Augen auf. »Du hast Söhne? Wie viel?«

»Drei.«

»Jemine, und achten keine Mami und keine Tante Lotte drauf, dass sie die Zähne putzen?«

»Sie haben keine Mami und keine Tante Lotte«, erwiderte Gerd Herzog leise.

Ulla war das schrecklich peinlich. »Du mit deiner taktlosen Fragerei«, platzte sie heraus.

Dodo senkte den Kopf. »Es tut mir leid«, flüsterte sie. Es war schon seltsam mit diesem Kind. So keck es sonst war, sie fühlte, wenn sie etwas nicht am rechten Platz und zur rechten Zeit tat.

»Ist schon recht, Dodo«, sagte Dr. Herzog. »Kommst du übermorgen wieder mit?«

»Klar«, erwiderte sie.

»Dann werde ich mal meinen Patrick mitbringen. Der kann sich mal überzeugen, wie ein Mädchen, das noch kleiner ist als er, vernünftig ist.«

Dodo warf ihm einen schrägen Blick zu. »Buben sind so schnell beleidigt«, sagte sie. »Und wenn er keine Mami mehr hat, tut er mir leid.«

»Wir werden uns jetzt verabschieden«, sagte Ulla rasch und mit einem tiefen Erröten. »Herzlichen Dank, dass Sie mich so schnell angenommen haben, Herr Doktor.«

»Dann auf übermorgen! Sie haben doch keine Angst mehr?«, fragte er.

»Nein, jetzt nicht mehr. Es tat gar nicht weh. Ich bitte nur um Entschuldigung für Dodos lästige Fragerei.«

»Sie war nicht lästig. Ich habe mich gefreut, dich kennenzulernen, Dodo.«

»Siehste, Mami«, sagte die Kleine triumphierend. »Der Doktor hat sich gefreut. Und ich finde ihn nett.«

Bezaubernd sah sie aus, wie sie ihn anstrahlte. Und dann winkte sie ihm von der Tür aus auch nochmals zu. In Gedanken versunken stand er einige Minuten da. Er hatte sich sosehr ein Mädchen gewünscht, aber es waren drei Buben gekommen. Und das vierte Kind war ein Mädchen, aber es war mit Sabine gestorben. Ein Kunstfehler des Arztes, eines Arztes dazu, mit dem sie befreundet gewesen waren, der seine Praxis in dem gleichen Haus gehabt hatte, wie er die seine. Oh, man hatte viele Erklärungen zu seiner Rechtfertigung gefunden. Aber Sabine und das kleine Mädchen waren tot. Und Gerd Herzog machte sich noch nachträglich Vorwürfe, weil er sich sosehr ein Mädchen gewünscht hatte. Schicksal? Nein, so wollte er es nicht begreifen, so konnte er es nicht begreifen. Er war glücklich gewesen mit Sabine, mit den Buben, mit Christoph, Kai und Patrick.

Es nutzt nichts, dachte er weiter, Sabine wird nicht lebendig. Er hatte niemanden, der sich richtig um die Buben kümmerte. Seine Schwiegermutter machte auch ihm insgeheim Vorwürfe, weil sie meinte, dass ein viertes Kind nicht hätte sein müssen. Seine Mutter, die schwer herzkrank gewesen war, hatte den Tod ihrer Schwiegertochter nicht verkraftet und war ein paar Monate später gestorben. Sein Vater war in ein Seniorenheim gegangen. Und er musste sich mit Haushälterinnen herumplagen, die entweder despotisch waren oder auf spätere Heirat reflektierten, wie es so oft war bei Witwern mit Kindern, die eine gute Position hatten und nicht unvermögend waren.

Vor ein paar Monaten hatte er ein Haus gekauft und dann diese Praxis eingerichtet. Und als Patrick mal wieder seine Mandelentzündung hatte, hatte er Dr. Norden kennengelernt. Und durch ihn hatte er an diesem Tag nun auch Ulla Glück kennengelernt und ihre kleine Tochter Dodo. Er musste sehr oft an sie denken.

*

»Ihr wart aber lange fort«, empfing Tante Lotte die beiden.

»Ich war noch beim Zahnarzt«, erklärte Ulla.

»Das darf doch nicht wahr sein, dann muss es aber schon sehr schlimm gewesen sein«, sagte Tante Lotte.

»Es war nicht so schlimm, und es war ein guter Zahnarzt. Dr. Norden hat ihn mir empfohlen. Und er hat mich auch gleich angemeldet.«

»Na, dann muss er ja gut sein«, meinte Tante Lotte. »Aber wie kommst du zu Dr. Norden?«

»Ich habe in der Praxisnähe eingekauft, und da hat Dodo sehr schnell ein Ohrenleiden bekommen. Du kennst doch ihre seltsamen Späße, Tante Lotte. Davon war sie schnell geheilt, aber bei Dr. Herzog hat sie sich dann unmöglich benommen.«

»Das ist nicht wahr«, protestierte Dodo lautstark.

»Jedenfalls kann sie sehr gut hören«, sagte Tante Lotte schmunzelnd.

»Und der Zahndoktor war sehr nett. Mami übertreibt immer«, zürnte Dodo.

»Dann wollen wir erst mal essen«, schlug Lotte vor. »Ich glaube, das Fleisch ist nicht mehr so zart.«

»Ich habe sehr gute Zähne«, sagte Dodo stolz. »Der Doktor hat sie bewundert.«

»Dich kann man ja nur bewundern«, scherzte Lotte.

Sie liebte das Kind abgöttisch. Ulla musste immer bremsen, dass Dodo in ihrem Selbstbewusstsein nicht gar zu sehr gefördert wurde. Aber andererseits konnte sie Lotte auch nicht böse sein. Sie war nun mal die Güte selbst, und durch sie hatte sie selbst auch mit Dodo ein sehr angenehmes Leben.

Es spielte sich in einer sehr komfor­tablen Etagenwohnung ab. Zwei Räume gehörten dem Heiratsinstitut, vier dem Privatleben. Lotte hatte in den fünfzehn Jahren, in denen sie verwitwet war, allerhand auf die Beine gestellt. Auf den Gedanken mit der Ehevermittlung war sie gekommen, als sie nach dem Tode ihres Mannes von einem guten Freund sehr hofiert worden war. Er hatte sie immer wieder gebeten, doch ihn zu heiraten. Aber Lotte hatte ihn dann mit einer Bekannten zusammengebracht. Es war eine glückliche Ehe geworden, und daraufhin hatte sie beschlossen, auch weiterhin Ehen zu stiften. Sie machte es geschickt, manchmal auch raffiniert, immer dezent und diplomatisch, und sie war, wie ihre Häuslichkeit verriet, außerordentlich erfolgreich.

Ulla war das alles unheimlich, sogar unseriös erschienen, aber sie hatte sich dann überzeugen können, dass Tante Lotte unendlich viel Dankbarkeit erntete. Und wenn sie wirklich jemand nicht unter die Haube bringen konnte, zahlte sie das Honorar zurück. Darin unterschied sie sich von den unseriösen Heiratsvermittlungen.

Eigentlich wollte Lotte ja nur Glück stiften, um ihrem Namen ganz treu zu bleiben.

Aber Glück konnte man nicht einfach kaufen, man musste es sich auch verdienen. Und wenn es um eine Ehe ging, musste man es sich mit dem Herzen und der Seele verdienen.

»Schneller und Ruth Bringezu heiraten«, sagte Tante Lotte beim Mittagessen strahlend.

»Fein, da bist du wieder stolz«, meinte Ulla.

»Immer redet ihr vom Heiraten«, murrte Dodo.

»Es ist ja mein Beruf, Ehen zu vermitteln, mein Schätzchen«, sagte Tante Lotte heiter. »Und mir macht es Spaß.«

»Die drei Buben von Dr. Herzog haben keine Mami. Kannst du ihnen eine besorgen?«, fragte Dodo, und daran merkte man mal wieder, dass sie das Metier von Tante Lotte doch genau begriff.

»Sie hat mich schön in Verlegenheit gebracht«, sagte Ulla. »Sie hat den armen Mann mit Fragen geplagt, dass es peinlich wurde.«

»Ist ja gar nicht wahr. Er hat mit mir gelacht. Und er hat gesagt, dass du schöne Zähne hast.«

»Das hast du gesagt, mein liebes Kind.«

»Siehste, jetzt bin ich wieder dein liebes Kind«, sagte Dodo.

Ulla seufzte nur noch in sich hinein. »Es ist besser, wir geben sie jetzt in einen Kindergarten«, sagte sie.

Dodo blickte auf und behielt den Löffel im Mund. »Willst du dir einen Mann suchen, Mami?«, fragte sie undeutlich.

»Ich denke nicht daran. Wir brauchen keinen Mann«, erwiderte Ulla gereizt.

»Aber so ein Vater wie der Zahndoktor muss ganz nett sein«, stellte Dodo fest.

Tante Lotte blinzelte, aber sie sagte nichts. Ulla sagte auch nichts.

»Auf seine Kinder passt keiner auf, dass sie sich richtig die Zähne putzen«, fuhr Dodo unbekümmert fort.

»Er ist Zahnarzt und kann jeden Tag nachschauen«, sagte Ulla.

Dodo dachte eine Weile nach, aber Ulla hatte sich zu früh gefreut in der Annahme, dass sie nun doch nichts mehr zu sagen wusste.

»Wenn er doch so viel zu tun hat«, meinte Dodo nachdenklich, »und vielleicht denkt er, dass die Buben auch so vernünftig sind wie ich.«

»Wir sollten diesen Klugschnack wirklich in den Kindergarten stecken«, seufzte Ulla später, aber erst, als sie mal allein mit Tante Lotte war. »Sie redet zu viel mit Erwachsenen.«

*

Dr. Herzog hatte an diesem Abend auch allerhand auszustehen. Frau Trübe, die Haushälterin, zu ihr passte der Name auch wie die Faust aufs Auge, denn sie schaute immer trübe drein, beschwerte sich wieder einmal aufgeregt über diese ungezogenen Rangen. Sie schien tatsächlich völlig durcheinander zu sein, und so nahm sich Gerd Herzog vor, mit den Buben mal ein sehr ernstes Wörtchen zu reden. Doch die drei schienen es geahnt zu haben und taten so, als würden sie bereits schlafen.

Gerd sah jedoch, wie Christoph, der Zehnjährige, der bereits aufs Gymnasium ging, blinzelte, und er zupfte ihn am Ohr.

Da jeder sein eigenes Zimmer hatte, hoffte Gerd, dass er mit Christoph ungestört sprechen könnte.

»Verstell dich nicht«, sagte er streng. »Ich muss mit dir reden.«

»Wegen der trüben Nuss?«, brummte Christoph.

»Werde nicht noch frech«, sagte Gerd gereizt, und das erschreckte Christoph doch, denn an sich war der Papi immer sehr verständnisvoll.

»Sie kann einen bis aufs Blut reizen, Papi«, erklärte er. »Du hast ja keine Ahnung, wie sie uns tyrannisiert.«

»Oder ihr sie«, meinte Gerd seufzend.

»Das ist nur Selbstwehr«, sagte Christoph. »Wir haben uns wirklich Mühe gegeben, Papi, aber sie meckert doch nur. Sie hat ein gestörtes Verhältnis zu Kindern.«

Das waren tönende Worte. Gerd sah seinen Ältesten fassungslos an. »Woher hast du denn das?«, fragte er.

»Ich habe mit Frau Dr. Norden geredet. Ich habe sie getroffen, als ich aus der Schule kam. Das ist eine dufte Frau. So eine Mutter müssten wir haben.«

»Ihr hattet eine sehr liebe Mutter«, sagte Gerd heiser.

»Ja, das wissen wir doch, aber Kai kann sich nur noch ein bisschen erinnern und Patrick gar nicht, und ich finde es falsch, wenn die Trübe immer sagt, dass wir Mami ins Grab bringen würden, wenn sie nicht schon dort wäre. Da läuft einem die Galle über. Frau Dr. Norden hat auch gesagt, dass so was nicht richtig ist.«

»Du hast recht, Chris, das ist nicht richtig«, sagte Gerd leise. »Ich wusste das nicht.«

»Ich wollte es dir ja auch ersparen, Papi. Du bist doch auch ein dufter Mann, warum sollst du dich nicht mal nach einer netten Frau umschauen?«

Nun war Gerd für eine Weile sprachlos. »Ich habe es mir ja nur durch den Kopf gehen lassen«, sagte Christoph kleinlaut. »Dann müssten wir uns doch nicht dauernd mit solchen Weibern herumärgern. Du würdest bestimmt eine finden, die auch nett zu uns ist.«

Gerd atmete dreimal tief durch, bevor er sich zu einer Antwort aufraffte.

»So einfach ist das nicht, Chris«, sagte er rau. »Wann sollte ich denn eine so nette Frau, wie ihr es euch vorstellt, kennenlernen?«