Dr. Norden Bestseller 127 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 127 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Ich will leben! Wenn in München ein Ärztekongress stattfand, hielt es Dr. Daniel Norden für seine Pflicht, sich zu informieren, was die Kapazitäten zu berichten hatten und ob dieser oder jener zu neuen Erkenntnissen gekommen war. Diesmal war es ein Krebskongress. »Viel wird dabei wahrscheinlich nicht herauskommen«, brummte Daniel, als er sich von seiner Frau Fee mit einem zärtlichen Kuss verabschiedete. »Aber du triffst sicher mal wieder ein paar Kollegen aus anderen Gefilden, und das ist auch ganz nett.« »Was hast du vor?«, fragte er. »Ich gehe zum Friseur, ein neuer Schnitt ist fällig.« »Aber nicht zu kurz«, sagte er warnend, »sonst schaue ich dich nicht an.« Fee Norden hatte wunderschönes naturblondes Haar. Ihre Stammfriseuse Inge geriet jedes Mal ins Schwärmen, und sie war äußerst vorsichtig, um wirklich nicht einen Millimeter zu viel zu kürzen. Sie zeigte Fee dann ein Heft mit neuen Frisuren und deutete auf eine, die Fee auch sehr gefiel. »Die müsste Ihnen wunderbar zu Gesicht stehen«, sagte Inge, die nicht nur für Fee Nordens Haar schwärmte, sondern für die ganze Frau. »Das bringen Sie mal meinem Mann bei«, meinte Fee lachend. »Wir bleiben lieber bei der üblichen Frisur.«

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Dr. Norden Bestseller – 127 –

Ich will leben!

Patricia Vandenberg

Wenn in München ein Ärztekongress stattfand, hielt es Dr. Daniel Norden für seine Pflicht, sich zu informieren, was die Kapazitäten zu berichten hatten und ob dieser oder jener zu neuen Erkenntnissen gekommen war. Diesmal war es ein Krebskongress.

»Viel wird dabei wahrscheinlich nicht herauskommen«, brummte Daniel, als er sich von seiner Frau Fee mit einem zärtlichen Kuss verabschiedete.

»Aber du triffst sicher mal wieder ein paar Kollegen aus anderen Gefilden, und das ist auch ganz nett.«

»Was hast du vor?«, fragte er.

»Ich gehe zum Friseur, ein neuer Schnitt ist fällig.«

»Aber nicht zu kurz«, sagte er warnend, »sonst schaue ich dich nicht an.«

Fee Norden hatte wunderschönes naturblondes Haar. Ihre Stammfriseuse Inge geriet jedes Mal ins Schwärmen, und sie war äußerst vorsichtig, um wirklich nicht einen Millimeter zu viel zu kürzen. Sie zeigte Fee dann ein Heft mit neuen Frisuren und deutete auf eine, die Fee auch sehr gefiel. »Die müsste Ihnen wunderbar zu Gesicht stehen«, sagte Inge, die nicht nur für Fee Nordens Haar schwärmte, sondern für die ganze Frau.

»Das bringen Sie mal meinem Mann bei«, meinte Fee lachend. »Wir bleiben lieber bei der üblichen Frisur.« Und auch diese passte zu dem schönen, klaren Gesicht in ihrer Schlichtheit.

Fee war gerade fertig, als eine junge Dame den Salon betrat, die anscheinend zum ersten Mal kam. Sie wurde gefragt, von wem sie bedient werden wolle.

»Ich bin hier noch fremd«, erwiderte sie mit leiser angenehmer Stimme. »Ich habe auch nicht viel Zeit. Nur waschen und föhnen, bitte!«

Auch sie war blond, aber das Haar wirkte stumpf, und Fee stellte fest, dass das aparte Gesicht der Fremden auch krankhaft blass wirkte. Sie war sehr gut gekleidet. Pariser Schick stellte Fee mit Kennerblick fest. Sie nahm dann den Platz neben Fee ein, und diese sah dann eine wunderschöne schmale Hand, an der nur ein Ehering blinkte.

Als Fee, nun fertig frisiert, sich erhob, vernahm sie ein leises Stöhnen. Erschrocken blickte sie die Fremde an, die sich plötzlich zusammenkrümmte. Fee sah in angstvoll aufgerissene Augen, doch gleich fielen die bläulichen Lider herab, und die junge Frau sackte ohnmächtig zusammen.

»O Gott«, stöhnte Inge. Fee erinnerte sich nach dem Augenblick des Erschreckens wieder einmal daran, dass sie auch Ärztin war.

Sie beugte sich zu der Bewusstlosen herab. Sie rief dem Lehrling eine Telefonnummer zu. »Man soll sofort den Notarztwagen schicken«, sagte sie hastig.

»Wie kann man bloß zum Friseur gehen, wenn man krank ist«, murrte eine Kundin.

»Gegen ein plötzliches Unwohlsein ist niemand gefeit«, sagte Fee ungehalten, und da sie nun bemerkte, dass der Rock Blut aufsaugte, meinte sie, dass es sich um eine Fehlgeburt handeln könne.

Der Notarztwagen war schnell da. »Ich fahre mit«, sagte sie. »Frauenklinik Dr. Leitner.« Der junge Arzt sah sie an. »Sie sind doch Frau Dr. Norden«, sagte er.

»Genau, nun aber rasch. Ich bezahle später.«

Inge nickte, noch immer fassungslos. Aber da sie ein netter, hilfsbereiter Mensch war, machte sie auch später keine unwillige Bemerkung.

Es war ein Glück, dass Dr. Leitner gerade nicht anderweitig beansprucht war, denn Fee wusste, dass hier nur ein sehr erfahrener Arzt helfen konnte. Der jähe Temperaturanstieg war beängstigend, und Fee brauchte kein Fieberthermometer, um dies festzustellen.

Ganz rasch erklärte sie dem sympathischen Frauenarzt, mit dem sie schon lange befreundet waren, worum es ging und was geschehen war.

»Wie heißt sie?«, fragte Dr. Leitner.

»Weiß ich noch nicht, aber ich werde ausnahmsweise mal in eine fremde Handtasche schauen.«

Die junge Frau wurde in den Operationssaal gefahren. Und es dauerte nicht lange, bis Dr. Leitner dann festgestellt hatte, was mit der Patientin los war.

»Sauerei«, sagte er, und die OP-Schwester Gerda zuckte zusammen, denn Kraftausdrücke gebrauchte der Chef sonst nie.

»Hier dürfen wir mal wieder für einen anderen die Kastanien aus dem Feuer holen«, stieß Dr. Leitner zwischen den Zähnen hervor, »sofern es noch möglich ist. Penicillin, die Tem­peratur muss schnellstens herunter.« Sonst sagte er noch nichts, aber Schwester Gerda ahnte bereits, dass da etwas verbockt worden war.

*

Fee öffnete die rote Ledertasche, die in der Farbe genau zu den sportlich eleganten Schuhen passte. Sie kannte das Fabrikat und wusste, welchen Preis es hatte.

Auch die Geldbörse und Brieftasche passten dazu. In der Brieftasche fand sie den Führerschein, ausgestellt auf den Namen Sandra Herding, und das Geburtsdatum verriet, dass sie dreiundzwanzig Jahre war. Es befanden sich auch einige Fotografien darin, die eines gut aussehenden Mannes und eine, die ein Baby darstellte, das zum Zeitpunkt des Fotografierens höchstens vier Wochen gewesen sein konnte.

Aber keine Adresse, keine Visitenkarte, jedenfalls nichts, was darauf schließen ließ, dass sie hier wohnhaft war.

Fee meinte, jetzt die Stimme dieser Sandra Herding zu vernehmen. Ich bin fremd hier! Nein, sie hatte gesagt noch fremd.

Fee überlegte angestrengt. Dann ging sie ins Büro und ließ sich ein Telefonbuch geben. Den Namen Herding fand sie darin nicht. Sie rief nach weiterem Überlegen die Auskunft an. Sie fragte, ob ein Neuanschluss auf den Namen Herding bekannt sei.

Sie brauchte nicht lange zu warten. »Ja, Dr. Florian Herding«, kam die Antwort.

»Bitte die Nummer und auch die Adresse, es handelt sich um einen Krankheitsfall«, sagte Fee.

Sie bekam beides und konnte feststellen, dass die Lohensteinstraße zu dem Neubauviertel gehörte, das die Gemüter so erregt hatte, weil die Häuser immens teuer waren.

Sie wählte die Nummer. Ihr war nicht wohl dabei. Hiobsbotschaften gab sie wirklich nicht gern weiter.

Eine helle weibliche Stimme meldete sich. »Hier bei Dr. Herding.«

»Dr. Norden«, sagte Fee, »kann ich Dr. Herding dringend sprechen?«

»Er ist leider noch nicht da, und Frau Herding auch nicht«, kam die recht aufgeregt klingende Antwort.

»Sie heißt Sandra?«, fragte Fee kurz.

»Ja, was ist? Ich bin schon ganz fertig wegen dem Kleinen.«

Fee hörte aus dem Hintergrund auch schon das Schreien eines Babys.

Und dann hörte sie eine Männerstimme rufen: »Hallo, was ist?«

»Da ruft jemand an«, sagte die weibliche Stimme. »Dr. Norden, aber es ist eine Frau. Und Ihre Frau ist noch nicht da, Herr Doktor.«

Ein Arzt kann es doch nicht sein. Das wüsste ich doch, wenn er sich hier niedergelassen hat, dachte Fee.

Und dann tönte seine Stimme an ihr Ohr, heiser, erregt. »Herding, worum handelt es sich?«

»Um Ihre Frau. Sie ist krank. Würden Sie bitte in die Leitner-Klinik kommen?«

»Mein Gott, was ist?«

»Ein Ohnmachtsanfall«, sagte Fee vorsichtig.

»Wo ist die Klinik?«

»Am Wiesenhang.«

»Ich komme sofort«, sagte er.

Florian Herding starrte das Hausmädchen an. »Beruhigen Sie doch endlich das Kind, Susi«, sagte er nervös. »Ich muss zur Klinik.«

Und schon war er draußen, und Susi rannen die Tränen übers Gesicht. Sie war zwanzig und hatte noch nicht viel Erfahrung. Und außerdem hatte Sandra Herding ihr den kleinen Alexander nur selten überlassen.

Sie traute sich nicht, das Baby emporzuheben. Sie fuhr den Stubenwagen hin und her. Mit krebsrotem Gesicht schrie das Baby weiter, aber dann verstummte es so abrupt, dass es Susi mit der Angst bekam. Aber Alexander war eingeschlafen. Susi sah, dass er im Schlaf noch mehrmals aufschluchzte.

Was mochte denn nur geschehen sein? Frau Herding hatte doch gesagt, dass sie sich endlich etwas besser fühle und unbedingt mal zum Friseur fahren müsse.

Susi hatte Angst. Frau Herding war so nett zu ihr. Sie war glücklich gewesen, diese Stellung bei der jungen Familie so rasch gefunden zu haben. Und Sandra Herding hatte das Haus noch nicht ein einziges Mal verlassen, seit sie es vor drei Wochen bezogen hatten.

Und nun das! Es wollte nicht in Susis Kopf hinein, der nicht mit viel Geist gesegnet war. Aber sauber, anständig und zuverlässig war sie, wie das Ehepaar Herding hatte feststellen können.

*

Fee hatte indessen ihre gute Lenni benachrichtigt, dass unvorhergesehene Umstände sie in der Leitner-Klinik festhielten.

»Mit Ihnen ist doch nichts, Frau Norden?«, hatte Lenni erschrocken gefragt.

»Nein, ich erkläre es später, Lenni. Lassen Sie sich von den Kindern nicht tyrannisieren.«

»I wo«, sagte Lenni.

Wie sollte sie es als Tyrannisieren bezeichnen, wenn ihre drei Lieblinge sie in Atem hielten. Lenni war immer glücklich, wenn sie die Kinder Danny, Felix und Anneka für sich hatte. Dann konnte sie ihrem verdrängten Mutterkomplex freien Lauf lassen. Nicht einen Augenblick ließ sie die drei Kleinen aus den Augen, da musste alles andere liegen bleiben. Ja, diesbezüglich konnte Fee Norden ganz beruhigt sein. Sie hatte die Perle gefunden in Lenni.

Sie wartete nun auf Dr. Herding, während sich Dr. Leitner um die Patientin bemühte und bereits festgestellt hatte, dass sie vor etwa zwei Monaten ein Kind zur Welt gebracht haben musste. Aber die Nachsorge war nicht sorgfältig erfolgt. Die Nachgeburt war nicht ganz gelöst. Er konnte so etwas nicht begreifen, in seiner Klinik passierte so etwas nicht.

War es eine Hausentbindung gewesen? Aber so sah diese Frau nicht aus. Doch Dr. Leitner hatte keine Zeit, sich mehr Gedanken darüber zu machen. Er musste das Risiko eingehen, trotz des Fiebers die Ausschabung vorzunehmen, um die gefährliche Blutung zu stoppen. Er war sich klar über dieses Risiko. Sandra Herding schwebte in größter Lebensgefahr.

Fee brauchte jetzt nicht mehr zu warten. Ein bleicher Mann stürmte aufgeregt in die Halle. Sie erkannte ihn sofort nach dem Bild, das sie in Sandras Brieftasche gesehen hatte.

Sie ging auf ihn zu. »Ich bin Dr. Norden«, sagte sie, diesmal doch ihren wohlverdienten Titel nennend. »Herr Dr. Herding?«

»Ja, was ist mit meiner Frau?«, fragte er. »Wo ist sie? Ich will sie sehen.«

Daniel würde sich genauso benehmen, dachte Fee unwillkürlich.

»Ihre Frau ist im OP, Dr. Herding, bewahren Sie Ruhe. Es kann möglicherweise eine Fehlgeburt sein.«

»Niemals, wie kommen Sie darauf? Wir haben vor acht Wochen ein Baby bekommen.«

Fee blickte zu Boden. »Dann muss es wohl etwas anderes sein«, sagte sie. »Ich habe Ihre Frau beim Friseur getroffen.«

Er starrte sie blicklos an. »Diese dämliche Einladung«, stieß er hervor. »Sie hatte sich doch noch gar nicht erholt.«

»Sie können uns helfen, wenn Sie einige Erklärungen geben«, sagte Fee, sich zur Ruhe zwingend. »Ich bin Ärztin, praktiziere aber nicht mehr. Ich habe dafür gesorgt, dass Ihre Frau gleich in die richtigen Hände kam, wenn ich das bemerken darf.«

Sie musste ihn zu sich bringen. So viel Misstrauen vertrug sie nicht.

»In die richtigen Hände«, murmelte er. »Ich traue keinem Arzt mehr. Sandras Freundin hat auch gesagt, dass sie bei Kappler in den besten Händen ist. Ich will wissen, was mit Sandra ist. Sie hat sich von der Geburt noch nicht erholt.«

»Zu Dr. Leitner dürfen Sie Vertrauen haben«, sagte Fee. »Bitte, Dr. Herding, Sie machen jetzt nichts besser, wenn Sie ungeduldig sind.«

»Sie wissen ja nicht, wie mir zumute ist«, stöhnte er.

»Ich kann es mir denken«, sagte Fee. »Und ich weiß, dass mein Mann sich genauso benehmen würde, wie Sie, obgleich er Arzt ist. Wir haben drei Kinder.«

Er starrte sie an. »Sie haben drei Kinder?«, staunte er völlig verblüfft.

»Zwei Söhne und eine Tochter«, sagte sie gedankenverloren, und nur, um ihn jetzt ein wenig abzulenken.

»Sandra ist auch so zart wie Sie«, flüsterte er. »Ich hatte doch schon solche Angst, dass etwas schiefgehen könnte. Hätte ich doch nur auf Gila gehört. Meine Mutter war gleich misstrauisch, als sie zu Dr. Kappler in die Klinik ging.«

»Ich weiß, wie Ihnen zumute ist«, sagte Fee, »aber es wäre gut, wenn Sie sagen würden, was Sie und Ihre Mutter für Bedenken hatten.«

»Die Ärzte halten doch alle zusammen«, sagte er aggressiv. Und in diesem Augenblick kam Dr. Leitner aus dem OP.

Fee sprang auf. »Das ist Dr. Herding, Schorsch. Der Ehemann der Patientin.«

»Auf dich kann man sich wirklich verlassen, Fee«, sagte Dr. Leitner. »Was schaffst du eigentlich nicht?«

»Würden Sie mir bitte erklären, was mit meiner Frau ist?«, fiel Florian Herding ihm ins Wort.

»Gewiss, Herr Dr. Herding«, sagte Dr. Leitner, »es ist eine sehr ernste Angelegenheit, über die wir uns unterhalten müssen.«

»Ich möchte Sandra sehen«, verlangte Herding.

»Jetzt noch nicht«, erklärte Dr. Leitner entschieden. Dann sah er Fee an, und ihr Herz begann schmerzhaft zu schlagen. Ihr brauchte er keine Erklärung zu geben, sie wusste in diesem Augenblick, dass Sandra Herdings Leben an einem hauchdünnen Faden hing.

»Wir sprechen uns noch, Schorsch«, sagte sie.

»Ich rufe euch an«, nickte er. »Würden Sie bitte mit mir kommen, Herr Herding?«

Aber jetzt hatte sich der andere doch halbwegs gefangen. Er verbeugte sich vor Fee.

»Bitte verübeln Sie es mir nicht, wenn ich unhöflich war. Zu gegebener Zeit werde ich mich bedanken.«

Hoffentlich hatte er dann Grund dazu, dachte Fee traurig, aber da sie sich mit den Schwestern in der Leitner-Klinik gut verstand, konnte sie einen Blick auf Sandra Herding werfen.

Sie bekam gerade eine Blutkonserve zugeführt, aber sie schien wie ausgeblutet.

»Zum Glück hat sie Blutgruppe null«, sagte Schwester Gerda. »Vielleicht schafft es unser Chef. Er ist einmalig.«

*

»Es hat keinen Sinn etwas zu beschönigen, Herr Herding«, begann Dr. Leitner. »Darf ich fragen, wo Ihre Frau entbunden hat?«

»Bei Dr. Kappler. Er hat eine Privatklinik.«

»Ist mir nicht bekannt«, sagte Dr. Leitner, »aber ich werde mich mit ihm in Verbindung setzen müssen.«

»Was ist passiert?«

»Die Nachgeburt wurde nicht genügend beachtet, um es gelinde auszudrücken. Ich möchte jetzt keine Einzelheiten erwähnen, aber ich darf Ihnen nicht verheimlichen, dass Ihre Frau eine Sepsis hat und ihr Zustand sehr bedenklich ist.«

Florian Herding war selbst jetzt fast einer Ohnmacht nahe. Er schlug die Hände vor sein angstverzerrtes Gesicht. »Nein, nein!«, stöhnte er. »Das darf nicht sein! Tun Sie, was Sie können, koste es, was es wolle. Sie können alles haben, was ich besitze, aber meine Frau will ich nicht verlieren.«

»Wir tun, was wir können, Herr Herding. Ich werde heilfroh sein, wenn wir es schaffen, denn angenehm ist es für mich auch nicht, etwas verantworten zu müssen, was ein anderer verbrochen hat. Sie können Frau Dr. Norden nur dankbar sein, dass Sie zufällig die Möglichkeit hatte, alles so schnell wie nur möglich in die Wege zu leiten. Ich kann nur hoffen, dass Ihre Frau genügend Widerstandskraft hat, den Eingriff, der unbedingt und mit jedem Risiko gemacht werden musste, zu überstehen. Und nun bitte ich Sie, mir möglichst genau zu schildern, wie die Entbindung vor sich ging.«

»Ich werde es versuchen«, sagte Florian Herding tonlos. »Die Schwangerschaft verlief normal. Wir wohnten in Düsseldorf, dann bekam ich einen Ruf nach München. Ich wollte eigentlich nicht einen Wohnungswechsel vornehmen, aber Sandra war dafür. Sie sagte, dass sie dann zu Dr. Kappler gehen könnte, mit dem ihre Freundin Gila Taysen verlobt ist. Es war leider so, dass zwischen Sandra und meiner Mutter immer eine gewisse Distanz bestand. Sandra fühlte sich bevormundet. Wir wohnten unter einem Dach, um dies zu erklären. Aber dies nur nebenbei. Gut, ich nahm die Stellung an, und Sandra schien bei Gila gut untergebracht. Ich kaufte das Haus und richtete es ein. Ich musste meine Stellung antreten. Ich annoncierte auch gleich nach einer Haushaltshilfe, und auch damit hatten wir Glück.

Acht Tage früher als erwartet brachte Sandra unseren Sohn Alexander zur Welt. Ich fuhr natürlich sofort zu ihr, als Gila mich anrief. Es ging Sandra gut. Es schien alles auch in bester Ordnung. Es ist eine kleine Klinik im Vorgebirge. Nur mit Dr. Kappler konnte ich mich nicht anfreunden. Ist er Ihnen bekannt?«

»Nein«, erwiderte Dr. Leitner kurz.

»Sandra wollte bald heim. Sie war neugierig auf das Haus. Sie meinte auch, dass wir lange genug getrennt gewesen wären. Am elften Tag nach der Geburt holte ich sie und das Kind ab. Ich hatte den Eindruck, dass es zwischen Sandra und Gila Differenzen gegeben hätte, aber Gila sagte mir, dass Sandra sehr empfindlich sei und dass man ihr nichts übel nehmen dürfe. Sie hatte eine Schwangerschaftspsychose gehabt.«

»Hatten Sie den Eindruck?«, fragte Dr. Leitner.

»Leider hatte ich gerade in den letzten Wochen vor der Geburt nicht viel Zeit, mich um meine Frau zu kümmern. Die neue Stellung, die Einrichtung des Hauses beanspruchten mich. Und ich dachte auch, dass sie bei meiner Mutter besser aufgehoben gewesen wäre. Aber die erste Woche schien alles doch recht gut zu gehen. Sandra verstand sich mit Susi, unserer Hausgehilfin. Das Kind gedieh prächtig, nur wurde Sandra immer weniger, wenn ich es so ausdrücken darf. Ich hatte sie gebeten, hier einen Arzt aufzusuchen, aber das wollte sie nicht. Nun hatten wir zu heute Abend zwei Kollegen von mir eingeladen, und da wollte sie unbedingt zum Friseur gehen. Himmel, ich muss den beiden ja absagen.«

»Sie werden sicher Verständnis haben«, sagte Dr. Leitner geistesabwesend. »Ich möchte jetzt von Ihnen erfahren, über welche Beschwerden Ihre Frau klagte.«

»Sie klagte überhaupt nicht. Sie sagte nur, dass Kinderkriegen wohl doch nicht so einfach sei, wie sie es sich vorgestellt hätte, und dass sie Mama jetzt besser verstünde.«

»Inwiefern?«

»Meine Mutter hatte ihr zugeredet, das Kind doch in Düsseldorf zur Welt zu bringen, in der Klinik, in der auch die Kontrolluntersuchungen durchgeführt worden waren. Aber diese seltsame Freundschaft mit Gila empfand Sandra wohl als eine Verpflichtung in der Kappler-Klinik zu entbinden. Aber was reden wir! Ich will zu meiner Frau.«

»Ist jemand bei Ihrem Kind?«, fragte Dr. Leitner.

»Ja, Susi, aber sie wird mit dem Kleinen nicht fertig. Ich muss meine Mutter benachrichtigen. Kann ich von hier aus anrufen?«, fragte er heiser.

»Bitte, Herr Herding«, sagte Dr. Leitner nachdenklich.

*

Ellinor Herding war erschrocken, als sie die erregte Stimme ihres Sohnes vernahm. Sie begriff nicht gleich, was da verworren an ihr Ohr klang. Aber sie war sofort bereit, ihm zu Hilfe zu eilen. »Nun verlier die Nerven nicht, mein Junge«, sagte sie, »Sandra ist zäher, als man denkt. Ich nehme das nächste Flugzeug. Nein, abzuholen brauchst du mich nicht. Es gibt ja Taxis.«

Für Ellinor Herding war es selbstverständlich, dass sie ihrem Sohn zu Hilfe eilte. Es hatte sie ein wenig geschmerzt, dass Sandra nicht in Düsseldorf bleiben wollte, aber sie hatte es ihr nicht nachgetragen, und als Sandra mit dem Kind aus der Klinik gekommen war, in das neue, noch unbewohnte Haus, war sie dort gewesen, um ihr über die ersten Tage hinwegzuhelfen. Da hatte sie schon das Gefühl gehabt, dass Sandra bedauerte, als sie sobald wieder heimflog.