Dr. Norden Bestseller 131 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 131 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Mei, bist du schön!«, bestaunte Danny Norden seine Mutter, die sich in einem zauberhaften Abendkleid aus meergrünem Chiffon im Spiegel begutachtete. Fee lachte in sich hinein. Niemand würde es glauben, dass sie sich dieses Kleid hatte arbeiten lassen, als sie vor acht Jahren mit Daniel den ersten großen Ball ihres Lebens besuchte. Sie hatte es gehütet und aufbewahrt als Erinnerung an seinen ersten Heiratsantrag, und nun, in diesem Winter, war es wieder so modern, als hätte es ein Modeschöpfer erst gestern für sie entworfen. Nun trat auch Daniel ein. »Zauberhaft«, sagte er atemlos, und dann schnaufte er tief durch. »Das Kleid kenne ich doch, Fee.« »Pssst«, machte sie, »niemand braucht es zu wissen. Aber warum soll ich einen Haufen Geld für ein neues Kleid ausgeben, da es das schönste ist, das ich je besessen habe. Und was es jetzt kosten würde, möchte ich gar nicht wissen. Wir gehen zu einem Wohltätigkeitsball, und da können wir das Geld lieber spenden.« »Und du wirst die Allerschönste sein«, sagte er bewundernd. »Ganz bestimmt«, warf Danny ein. »Wie eine Prinzessin sieht Mami aus.« »Wie eine richtige Fee«

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Dr. Norden Bestseller – 131 –

… doch das Leben ist anders

Patricia Vandenberg

»Mei, bist du schön!«, bestaunte Danny Norden seine Mutter, die sich in einem zauberhaften Abendkleid aus meergrünem Chiffon im Spiegel begutachtete.

Fee lachte in sich hinein. Niemand würde es glauben, dass sie sich dieses Kleid hatte arbeiten lassen, als sie vor acht Jahren mit Daniel den ersten großen Ball ihres Lebens besuchte. Sie hatte es gehütet und aufbewahrt als Erinnerung an seinen ersten Heiratsantrag, und nun, in diesem Winter, war es wieder so modern, als hätte es ein Modeschöpfer erst gestern für sie entworfen.

Nun trat auch Daniel ein. »Zauberhaft«, sagte er atemlos, und dann schnaufte er tief durch. »Das Kleid kenne ich doch, Fee.«

»Pssst«, machte sie, »niemand braucht es zu wissen. Aber warum soll ich einen Haufen Geld für ein neues Kleid ausgeben, da es das schönste ist, das ich je besessen habe. Und was es jetzt kosten würde, möchte ich gar nicht wissen. Wir gehen zu einem Wohltätigkeitsball, und da können wir das Geld lieber spenden.«

»Und du wirst die Allerschönste sein«, sagte er bewundernd.

»Ganz bestimmt«, warf Danny ein. »Wie eine Prinzessin sieht Mami aus.«

»Wie eine richtige Fee«, murmelte Daniel, seine Hände um ihre Schultern legend.

»Lose müsst ihr kaufen, das hat Omi extra am Telefon gesagt, da könnt ihr nämlich tolle Sachen gewinnen. Sogar eine tolle Armbanduhr mit Kompass.«

So was imponierte ihm. Fee wusste, welche Gewinne weitaus kostbarer waren, aber mit Losen hatten weder sie noch Daniel bisher Glück gehabt. Ihr war das private Glück, das sie geschenkt bekommen hatte, auch viel wertvoller.

»Ein Luxusauto kann man auch gewinnen«, sagte Daniel verschmitzt, als sie dann zu dem Ball fuhren. Zuerst hatte Daniel gemurrt, als die Einladung kam, aber nun machte es ihm richtigen Spaß, als Fee so bewundernd betrachtet wurde.

Generaldirektor Rüffner und seine Frau Gerda hatten ihnen die Einladung zukommen lassen, und an ihrem Tisch waren auch die Plätze reserviert. Gerda Rüffner war voller Dankbarkeit für Dr. Daniel Norden, weil der die richtige Diagnose gestellt hatte, als sich an ihren Armen drei warzenähnliche Auswüchse zeigten, deren Anblick sie in Panik versetzt hatte, weil sie tatsächlich innerhalb kurzer Zeit größer wurden. Es waren harmlose Hauttumore, die Dr. Behnisch dann ambulant entfernt hatte. Die Untersuchung bestätigte dann Dr. Nordens Diagnose, und Gerda Rüffner war seither von ihren Ängsten befreit.

Sie war eine nette Frau, frei von jeglichem Dünkel, obgleich ihr Mann als vielfacher Millionär galt. Ob in der Ehe allerdings alles stimmte, wusste man nicht, denn Carl Rüffner blinzelte gern nach schönen Frauen. Gerda war nicht schön, ein bisschen füllig, Mutter von halb erwachsenen Kindern, aber sehr sympathisch und zum Glück auch mit einem angenehmen Phlegma gesegnet, das den diversen Flirts ihres Mannes keine einschneidende Bedeutung beimaß.

Er ließ den Charme, dem man ihm nicht absprechen konnte, versprühen. Er konnte sich auch an diesem Abend als Hahn im Korbe fühlen. Er war eine markante Erscheinung, und sein Name tat ein Übriges, dass die reizenden jungen Starlets, die sich auf vielfältige Art Eintritt in die illustre Gesellschaft verschafften, sich gern um ihn scharten. Schließlich war er auch Mitbesitzer einer Filmgesellschaft.

»Der gute Carl wird sich wieder ein bisschen übernehmen und dann drei Tage über seine Bandscheibe klagen«, bemerkte Gerda Rüffner amüsiert. »Morgen gegen Mittag wird bei Ihnen das Telefon klingeln, lieber Dr. Norden, und dann wird er seine Spritze brauchen.«

Aber dann wandte sie sich Fee zu. »Ich will ja nicht neugierig sein«, sagte sie, »aber wo haben Sie dieses bezaubernde Kleid arbeiten lassen, Fee?« Sie nahm sich die Freiheit, die Jüngere mit dem Vornamen anzureden, und Fee nahm es ihr nicht übel, weil Gerda Rüffner sagenhaft viel für das Waisenhaus tat, zu dessen Schirmherrin sie kürzlich gewählt worden war.

»Ihnen werde ich es sagen«, erwiderte Fee schelmisch. »Es ist bereits acht Jahre alt und nur gereinigt worden.«

»Das würde niemand glauben, aber wenn Sie es sagen, nehme ich es hin«, sagte Gerda. »Aber Sie könnten ja auch in Leinwand erscheinen, und alle würden auf Sie schauen. Und Ihr Mann wird schon eifersüchtig.«

»Das bin ich gewohnt«, lächelte Fee. »Kaufen wir also Lose. Was ich an einem neuen Kleid gespart habe, werde ich ausgeben. Das heißt, dass ich nur den Preis von vor acht Jahren einkalkuliere. Aber ich muss sagen, dass auch Ihr Kleid sehr hübsch ist, Frau Rüffner.« Und das sagte sie ehrlich, denn Gerda kleidete sich geschmackvoll und ihrer Figur entsprechend.

»Ich verrate Ihnen auch ein Geheimnis«, raunte ihr Gerda zu. »Ich habe eine alte Schulfreundin, die Schneiderin geworden ist, und bei ihr bekomme ich auch alles preiswert. Das verrate ich natürlich nicht meinem Mann. Was übrig bleibt von meinem Kleiderbudget, spare ich für die Kinder. Wenn die mal etwas Besonderes wollen, wird er nämlich knauserig.« Sie zwinkerte. »Sie werden es ja nicht für möglich halten, Fee, aber ich muss sogar ein Haushaltsbuch führen.«

Nur so wird man Millionär, dachte Fee, aber sie dachte es ohne Neid. Ihr war es lieber, dass zwischen ihr und ihrem Mann volles Vertrauen herrschte.

Sie kaufte zwanzig Lose, Stück für zehn Euro. Frau Rüffner kaufte nur fünfzehn.

»Ich habe sowieso kein Glück«, sagte Gerda, »der gute Carl soll was springen lassen.«

»Vielleicht gewinne ich doch die Uhr mit Kompass, die wünschte sich unser Danny«, sagte Fee, als sie die erste Gewinnnummer zog.

»Unser Carlo hofft auf das Luxusauto«, sagte Gerda lachend. »Er hat nämlich zum bestandenen Abitur nur einen uralten Volkswagen bekommen. Aber wie ich mich kenne, werde ich wieder Pralinen gewinnen, damit ich noch dicker werde oder ein Parfüm, das ich sowieso nicht mag.«

Aber dann kam der Generaldirektor Rüffner und forderte Fee zum Tanz auf, und Daniel entschloss sich, auch Gerda Rüffner auf das Tanzparkett zu ziehen.

»Mächtig eng und heiß«, sagte er entschuldigend.

»Sie müssen halt die Ellenbogen gebrauchen, wie mein Göttergatte«, sagte Gerda lachend. »Aber jetzt werden wir uns sowieso gleich ausruhen können, weil er Ihre zauberhafte Frau herumschwenken kann, Dr. Norden.«

Und so war es tatsächlich, denn man stellte sich auf und klatschte dem temperamentvoll tanzenden Paar Applaus.

»Ich schaff das nicht mehr«, sagte Gerda. »Aber Carlchen will alles, aber auch alles perfekt machen.«

»Und es gelingt ihm auch«, sagte Daniel. »Er hat eine gute Kondition.«

»Bis morgen früh«, sagte sie ironisch. »Daheim wirkt er nicht so, aber er kehrt immer wieder an seine Futterkrippe zurück. Jetzt sind wir bald zwanzig Jahre verheiratet, und da gewöhnt man sich an alles.«

Und dann schwenkte die Band zu einem Walzer um. Da kapitulierte Carl Rüffner, und Daniel führte Gerda aufs Parkett. »Das schaffen wir«, raunte er ihr zu. »Können Sie Walzer auch linksrum?«

»Aber ja«, und sie lachte ihm zu, und Fee lachte auch, denn sie wusste, was ihr Mann bezweckte.

»Ihre Frau ist gut in Form, Herr Rüffner«, sagte sie hintergründig.

»Sie geht aus dem Leim«, brummte er.

»Mögen Sie die mageren Dinger lieber, an deren Knochen man sich stößt?«, fragte Fee. »Ihre Frau ist gerade richtig.«

»Finden Sie das?«, fragte er erstaunt.

»Sie ist mir lieber, als diese aufgetakelte Gesellschaft insgesamt, wenn ich das sagen darf. Schmarotzer, wohin man blickt. Die Lose werden auch schlecht verkauft. Ich werde noch mal ins Portemonnaie greifen.«

»Ich mache mit«, sagte er. »Aber ich darf Ihnen fünf Lose schenken, Ballkönigin.«

Fee war in bester Stimmung. Sie nahm auch die fünf Lose an und steckte sie in eine Seitentasche ihres Handtäschchens, damit sie auch erfuhr, ob ein Gewinn dabei war. Sie selbst kaufte nochmals zehn Lose und nahm es wohlwollend zur Kenntnis, dass Carlo Rüffner darauf nochmals zwanzig kaufte, um nur ja nicht hinter ihr zurückzustehen.

Als sie dann feststellte, dass sie zehn Gewinnzahlen hatte, wurde es ihr ganz schwummerig. Sie schob sie ihrem Mann unauffällig hin.

»Dein Auto kannst du nicht gleich mitnehmen, Gerda«, spottete er.

»Aber ein Taxi kann ich immer noch bezahlen«, gab sie zur Antwort. »Viel Spaß, und denk an deine Bandscheibe.«

»Sei nicht albern, wir gehen natürlich gemeinsam.«

»Aber gleich«, sagte sie, »ich bin müde, und die Nordens gehen auch, und was sonst da ist, ist mir völlig wurscht.«

»Die Nordens brauchen nicht zu repräsentieren«, sagte er.

»Du auch nicht. Dir laufen sie doch so nach, diese kleinen Häschen, und die andern, die auch so viel haben wie du, lächeln über dich. Natürlich sagen sie nichts in der Öffentlichkeit, aber du kannst dich ja mal umschauen.«

»Warum bist du so aggressiv, Gerda?«, fragte er.

»Ich bin gar nicht aggressiv, nur schrecklich nüchtern. Ich habe ein paar Lose gekauft. Das hätte ich mich gar nicht getraut, wenn Dr. Norden nicht so viele gekauft hätte, und ich wollte mich nicht blamieren, und dich auch nicht. Schließlich ist es ja eine Wohltätigkeitsveranstaltung, und da soll man auch mal etwas geben, wenn man nicht namentlich genannt wird. Einesteils freut es mich, dass ich das Auto gewonnen habe, andererseits ist es mir peinlich. Aber die paar hundert Euro für den wohltätigen Zweck sind ja durch das teure Auto eingebracht. Ich werde also keine Schelte bekommen.«

»Ich weiß nicht, warum du so spitz bist, Gerda«, sagte er.

»Vielleicht deshalb, weil ich einmal hautnah erlebt habe, wie nett, heiter, freundlich und dennoch distanziert ein anderer Ehemann ist«, sagte sie ruhig. »Es war für mich ein sehr schöner und sehr aufschlussreicher Abend. Und ich habe von Frau Norden sogar ein ehrliches Kompliment für mein Kleid bekommen.«

»Na, das war ja auch teuer genug«, sagte er.

Sie lächelte hintergründig. »Darüber reden wir noch«, sagte sie. »Bist du bereit, mit mir heimzufahren? Es ist fast zwei Uhr.«

»Ja, selbstverständlich«, sagte er, und schon fasste er sich an den Rücken.

Ihr Lächeln vertiefte sich noch mehr. »Ja, ja, die Bandscheibe«, sagte sie nebenbei.

*

Um diese Zeit waren Fee und Daniel Norden längst daheim. »Du lieber Himmel, Daniel, was sollen wir mit all den Sachen machen?«, fragte Fee.

»Zuerst freuen wir uns mal, dass du so viel Glück hattest. Sicher war es das Kleid, Fee.«

»Wie sagt man doch: Glück im Spiel, Unglück in der Liebe.«

»Das nun bestimmt nicht, mein Schatz. Mich hast du für immer.«

»Die Reise machen wir aber«, sagte sie. »So billig kriegen wir eine so schnell nicht mehr.«

»Und die Kinder?«

»Die werden uns schon mal vierzehn Tage entbehren können. Man darf sie auch nicht zu abhängig machen. Ich denke es mir wunderschön, einmal ganz allein mit dir zu sein.«

»Mit diesem Gedanken kann ich mich vertraut machen«, sagte er. »Aber wer vertritt mich?«

»Das wird sich finden. Arm an Ärzten sind wir ja nicht gerade. Aber die machen ihre Praxis auch einfach mal zu, wenn sie Urlaub machen. Und falls dir die Patienten davonlaufen sollten, siedeln wir auf die Insel um.« Sie sagte es mit leisem Lachen, denn sie wusste genau, dass Daniel die Patienten nicht davonlaufen würden.

»Loni hätte bestimmt auch nichts dagegen, mal wieder zwei Wochen auf der Insel zu verbringen«, sagte Daniel dann auch nachdenklich, »und wenn Lenni und Loni dort sind, wird es für Anne nicht zu viel. Mal sehen, was die Kinder dazu sagen.«

Die waren erst mal sprachlos, als sie von den vielen Gewinnen hörten, und Lenni wollte es gleich gar nicht glauben. Aber als dann noch von der Schiffsreise gesprochen wurde, nahm das Staunen kein Ende.

»Da habe ich aber Angst, wenn ihr auf dem Meer fahrt«, flüsterte Felix.

»Aber das ist ein ganz großes Schiff«, sagte Fee.

»So ein großer Tanker ist auch schon mal untergegangen«, warf Danny ein.

Sie machten sich schon Gedanken, und ganz so begeistert war Fee auch nicht mehr, aber dann war es Lenni, die ihnen und auch den Kindern zuredete.

»Das ist doch mal ein schönes Erlebnis«, meinte sie. »Und ihr werdet es bei den Großeltern gut haben.«

Und diese bestätigten ihnen in einem Telefongespräch, wie groß die Freude auf der Insel der Hoffnung sein würde, die Kinder mal längere Zeit dort zu haben.

Die Vorbereitungen wurden getroffen. Die Zeit verging rasch, bis Loni dann mit einem kleinen Seufzer das Schild an der Tür zur Praxis befestigte, das aussagte, dass die Praxis zwei Wochen wegen Urlaubs geschlossen sei. Hoffentlich kommen sie heil zurück und haben eine schöne Zeit, dachte sie. Aber sie freute sich nun auch schon auf die Insel der Hoffnung, auf die Wochen mit den Kindern, auf manche gemütliche Stunde mit Dr. Cornelius und seiner Frau Anne, mit Isabel und Dr. Jürgen Schoeller.

*

Eine Traumreise war Daniel und Fee versprochen worden, und als sie den Luxusdampfer betraten, sprach alles dafür, dass zumindest der äußere Rahmen vielversprechend war. Eine Kabine mit allem Komfort wartete auf sie. So gut geschultes Personal fand man selbst in den allerbesten Hotels der Städte kaum noch. Eine schwimmende Stadt, die jegliche Annehmlichkeiten bot, konnten sie besichtigen, und danach war Fee so müde, als hätte sie eine lange, beschwerliche Bergtour gemacht.

»Wenn wir das selber bezahlen müssten, würden wir kaum so vergnügt sein«, sagte Daniel.

»Ich bin augenblicklich gar nicht vergnügt«, meinte Fee. »Lieber Himmel, wir befinden uns unter Großkapitalisten. Hast du gesehen, mit was für Klunkern die Damen herumrennen? Und jeden Tag wird es eine Modenschau geben. Darauf bin ich nicht eingerichtet.«

»Mach dir keine Gedanken, mein Schatz. Ich fürchte, dass viele der diamantbesetzten Damen seekrank werden. Und ein paar nette, normale Menschen werden wir schon kennenlernen. Der Kapitän ist jedenfalls ein Original, und wir werden bei ihm am Tisch sitzen.«

»Der Schiffsarzt scheint nicht sehr gesellig zu sein«, stellte Fee fest. »Wie heißt er eigentlich?«

»Neff, und mir kommt sein Gesicht bekannt vor.«

»Jetzt muss ich mich erst verschnaufen, Daniel. Winke, winke brauchen wir ja nicht zu machen. Hoffentlich geht es den Kindern gut.«

»Na, sie haben doch die beste Betreuung, Feelein«, sagte er. »Du wirst doch nicht seekrank werden?«

»Paps hat uns ja seine guten Mittelchen mitgegeben«, lächelte sie. »Wir sind bestens versorgt. Wir werden den Schiffsarzt kaum in Anspruch nehmen müssen.«

Der Schiffsarzt Dr. Karlheinz Neff war schon mit der ersten Patientin beschäftigt, einer jungen Dame, die mit ihrem hohen, dünnen Absatz irgendwo stecken geblieben war und sich den Fuß ganz hübsch verknackst hatte.

Sie hieß Jill Vanderhoven und war mit ihren Eltern an Bord gekommen. Der Name Vanderhoven flößte Ehrfurcht ein, denn Fredrik Vanderhoven war Mitbesitzer dieses stolzen Schiffes, das nun seine Jungfernfahrt antrat.

Jill dagegen war ein Mädchen der supermodernen Generation. »So ein Mist, jetzt kann ich nicht mal tanzen«, sagte sie.

»Nur ein paar Tage nicht«, sagte Dr. Neff ruhig. »Es ist nicht so schlimm, wie es jetzt aussieht. Und fürs Eingewöhnen sind ein paar Ruhetage gar nicht schlecht.«

»Bekommen Sie auf einer solchen Reise eigentlich viel zu tun?«, fragte sie so nachdenklich, dass er stutzte.

»Das weiß ich noch nicht. Ich fahre zum ersten Mal auf einem Schiff.«

»Du liebe Güte, wie das? Wenn Sie nun seekrank werden, was ist dann?«

»Ich werde nicht seekrank«, versicherte er. »Es gibt wirksame Mittel.«

»Warum werden dann so viele Leute seekrank?«

»Weil sie auf wirksame Mittel nicht zurückgreifen wollen und sich zu ausgiebig der wirklich guten Küche widmen, und auch, weil jeden Abend etwas los ist.«

»Das wissen Sie, obgleich Sie Ihre erste Reise als Schiffsarzt machen?«

»Ich bin von meinem Kollegen, der plötzlich erkrankt ist, ausreichend informiert worden«, erwiderte er. »Sie brauchen es aber nicht gleich auszuposaunen, dass ich nur eine Vertretung bin.«

»Warum haben Sie es mir dann gesagt?«, fragte Jill.

Ja, warum eigentlich, fragte er sich selbst. Und dann erst fragte er sie nach ihrem Namen. Er erschrak.

»Die Tochter vom höchsten Chef?«, fragte er rau.

»Sie brauchen nicht gleich in Panik zu geraten«, sagte Jill lässig. »Ich wäre gern anonym hier, und ich bin keine Klatschtante.«

Erst als er jetzt lächelte, bemerkte sie die Narbe, die sich über seine Wange zog. Ein Schmiss, der ein Merkmal einer schlagenden Studentenverbindung war? Nein, so sah er eigentlich nicht aus, als würde er sich dafür das Gesicht zeichnen lassen. Jill war ein hellwaches Mädchen. Zweiundzwanzig Jahre jung und nie begeistert gewesen, zu einer privilegierten Gesellschaft zu gehören. Ihr junges klares Gesicht war jetzt ernst und nachdenklich.

»Jedenfalls verstehen Sie Ihren Beruf«, sagte sie. »Ich habe schon keine Schmerzen mehr.«

»Sie werden wiederkommen, wenn die Betäubung nachlässt«, sagte er ruhig. »Dann kommen Sie wieder zu mir. Aber hohe Absätze sollten Sie vorerst meiden.«

»Ich komme mir sonst gar zu winzig zwischen meinen Eltern vor«, sagte sie mit einem spöttischen Lächeln. »Haben Sie sie schon gesehen? Ich bin nur eine mickrige Frühgeburt und in ihren Augen wohl dazu verdammt, immer ein kleines Mädchen zu bleiben.«

»Sie sind aber ziemlich selbstbewusst.«

»Das mag so aussehen«, sagte sie leise. »Irgendwie muss man sich ja behaupten.«

»Sie sagen es.« Seine tiefe Stimme hatte einen harten Klang.

Sie humpelte zur Tür. »Falls meine Mutter Sie in irgendeiner Weise benötigen würde, Herr Dr. Neff«, sagte sie, »ich kann Ihnen nur die Empfehlung geben, so wenig wie nur möglich zu sagen. Sie versteht es, die Menschen auszufragen. Sie ist unglaublich hartnäckig. Sie werden außerdem mit uns am Kapitänstisch sitzen. Da wird noch ein Arztehepaar anwesend sein. Ich werde jedenfalls heute Abend die verordnete Bettruhe genießen.«

»Die habe ich nicht verordnet, so schlimm ist es nicht.«