Dr. Norden Bestseller 135 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 135 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Für Dr. Nordens Kinder war es jedes Mal spannend, wenn ihr Papi mit dem Notarztwagen kam, anstatt mit seinem eigenen Auto. Zu gern wären sie da mal mitgefahren, mit Blaulicht und Martinshorn, aber dafür zeigten die Eltern nicht das geringste Verständnis. Fee Norden hatte sogar eine ausgesprochene Abneigung gegen diesen Wagen, weil der Einsatz stets Aufregungen mit sich brachte. An diesem Tag hatte er wenigstens noch Zeit zum Abendessen, und dar­über sollte Fee später doppelt froh sein, denn dem Arzt stand eine lange Nacht bevor. Das wusste er allerdings noch nicht, als er mit Genuss seine Kalbsmedaillons mit Spargel verzehrte. Es war der erste warme Abend. Sie konnten auf der windgeschützten Terrasse sitzen. Über jede ruhige Stunde freuten sie sich, aber lange konnten sie sich auch an diesem Abend nicht freuen. Das Telefon läutete. Lenni lief schon hin, bereit jeden abzuwimmeln, falls es nicht ein Notruf wäre, aber es war einer. »Hotel Rose, ein dringender Fall«, sagte Lenni hastig. »Tut mir leid.« Ihr tat es immer leid, wenn sie Daniel und Fee aus einer besinnlichen Stimmung reißen musste. Lennis gutes Herz gehörte ganz den Nordens, die ihr einst wieder ein Zuhause gegeben hatten, als sie ihren Mann und ihre Mutter in einer Stunde durch einen Unfall verloren hatte und verzweifelt war. »Hotel Rose«, sagte Fee fragend, und sie dachte, dass Rose Hellmer anscheinend auch nichts erspart blieb. Vor drei Jahren hatte sie ihren Mann verloren, vor zwei Monaten war ihre Tochter mit einem Mann durchgebrannt, von dem die geplagte Frau nicht mal den richtigen Namen wusste. Und Ärger mit dem Personal hatte sie auch andauernd.

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Dr. Norden Bestseller – 135 –

Sie rettete ein fremdes Kind

Patricia Vandenberg

Für Dr. Nordens Kinder war es jedes Mal spannend, wenn ihr Papi mit dem Notarztwagen kam, anstatt mit seinem eigenen Auto. Zu gern wären sie da mal mitgefahren, mit Blaulicht und Martinshorn, aber dafür zeigten die Eltern nicht das geringste Verständnis. Fee Norden hatte sogar eine ausgesprochene Abneigung gegen diesen Wagen, weil der Einsatz stets Aufregungen mit sich brachte.

An diesem Tag hatte er wenigstens noch Zeit zum Abendessen, und dar­über sollte Fee später doppelt froh sein, denn dem Arzt stand eine lange Nacht bevor. Das wusste er allerdings noch nicht, als er mit Genuss seine Kalbsmedaillons mit Spargel verzehrte.

Es war der erste warme Abend. Sie konnten auf der windgeschützten Terrasse sitzen. Über jede ruhige Stunde freuten sie sich, aber lange konnten sie sich auch an diesem Abend nicht freuen.

Das Telefon läutete. Lenni lief schon hin, bereit jeden abzuwimmeln, falls es nicht ein Notruf wäre, aber es war einer.

»Hotel Rose, ein dringender Fall«, sagte Lenni hastig. »Tut mir leid.«

Ihr tat es immer leid, wenn sie Daniel und Fee aus einer besinnlichen Stimmung reißen musste. Lennis gutes Herz gehörte ganz den Nordens, die ihr einst wieder ein Zuhause gegeben hatten, als sie ihren Mann und ihre Mutter in einer Stunde durch einen Unfall verloren hatte und verzweifelt war.

»Hotel Rose«, sagte Fee fragend, und sie dachte, dass Rose Hellmer anscheinend auch nichts erspart blieb. Vor drei Jahren hatte sie ihren Mann verloren, vor zwei Monaten war ihre Tochter mit einem Mann durchgebrannt, von dem die geplagte Frau nicht mal den richtigen Namen wusste. Und Ärger mit dem Personal hatte sie auch andauernd.

Rose Hellmer machte auch einen ganz deprimierten Eindruck, als Dr. Norden kam.

»Gott sei es gedankt, dass Sie es sind«, flüsterte sie heiser. »Es ist eine so nette Dame. Endlich mal ein Mensch, von dem man nicht schikaniert wird.«

Auf dem Weg zu dem Zimmer erfuhr Dr. Norden, dass die junge Frau schon ihr Frühstück hatte stehen lassen, und dann hatte sie sich den Tag über nicht blicken lassen, sodass Frau Hellmer besorgt nach ihr schaute.

»Aber da war sie schon halb bewusstlos«, sagte sie aufgeregt. Dr. Norden brauchte nicht lange, um festzustellen, dass es sich um den Blinddarm handelte, und die junge Frau, deren Namen Rose Hellmer mit Dorrit Zech angab, wurde schleunigst in die Behnisch-Klinik gebracht. Auch Dr. Behnisch musste mal wieder Überstunden machen, und er schüttelte bedenklich den Kopf.

»Das schaut mir sehr nach einem Durchbruch aus, Daniel«, sagte er.

»Und ich kann dir nicht helfen. Ich bin im Einsatz«, sagte Dr. Norden. Und kaum hatte er es ausgesprochen, musste er schon wieder los. Diesmal handelte es sich um einen Motorradfahrer, der zu schnell in die Kurve gegangen und an einen Baum geprallt war. Aber da kam jede Hilfe zu spät. Ein junger Bursche war es, gerade erst achtzehn Jahre, und den Führerschein hatte er erst vor zwei Wochen gemacht, wie Dr. Norden erfuhr.

Dorrit Zech war inzwischen in der Behnisch-Klinik operiert worden. Es war auf des Messers Schneide gestanden, das wusste auch Dr. Jenny Behnisch, als ihr Mann das Skalpell aus der Hand legte und sie die Wund­ränder schließen konnte.

Wachsbleich lag die Patientin da, wie eine Statue aus Alabaster gehauen, und ihr Körper war auch so edel geformt wie der einer griechischen Göttin.

»Wir wollen froh sein, wenn sie es übersteht, Jenny«, sagte Dr. Behnisch zu seiner Frau. »Viel Kraft hat sie nicht mehr.«

»Ich bleibe bei ihr«, sagte Jenny. »Ruh du dich aus, Dieter. Du musst um acht Uhr wieder im OP stehen.«

»Daniel scheint auch noch unterwegs zu sein«, murmelte Dr. Behnisch. »Sonst wäre er bestimmt schon hier.«

Und kaum hatte er es ausgesprochen, da kam Dr. Norden, genauso müde wie Dieter und Jenny Behnisch.

»Das ist mal wieder eine Nacht«, brummte er.

»Wir können nur aufatmen, wenn du uns nicht noch ein paar Patienten bringst«, sagte Jenny, »sonst geht es bei uns auch so los, dass wir sie auf den Gang legen müssen.«

»Tut mir leid, wenn ich immer mit Extras komme«, entschuldigte sich Daniel, »aber manchmal geht es nicht anders. Mit Unfällen verschone ich euch weitgehendst, falls ein Rettungshubschrauber verfügbar ist. Wie sieht es mit der Patientin aus?«

»Da kann man noch gar nichts sagen. Wir brauchen auch noch nähere Angaben, und man sollte die Angehörigen verständigen.«

»Ich sage Frau Hellmer Bescheid. Vielleicht kann sie Auskünfte geben.«

»Diese geplagte Frau. Es geht doch immer auf die Kleinen los«, seufzte Jenny.

*

Immerhin war Rose Hellmer kein Mensch, der nur dem eigenen Kummer Bedeutung beimaß. Sie rief schon in aller Frühe in der Behnisch-Klinik an, um sich nach Dorrit Zech zu erkundigen.

Dr. Behnisch war schon auf den Beinen und bereitete sich für die erste Operation vor. Er hatte auch nicht lange Zeit, sich mit Frau Hellmer zu unterhalten, und sie sagte, dass sie leider vormittags nicht in die Klinik kommen könne, bis ihre Gäste alle gefrühstückt hätten.

»Es hat noch Zeit«, erklärte Dr. Behnisch. »Die Patientin liegt noch in Narkose. Aber es wäre recht gut, wenn Sie uns einige nähere Angaben machen könnten, Frau Hellmer.«

»Ich kann doch nicht in ihren Sachen herumkramen«, sagte Rose Hellmer.

»In diesem Fall dürfen Sie es. Sie hat sicher einen Pass dabei. Ist sie mit dem Wagen da?«

Das konnte Rose bestätigen. So meinte Dr. Behnisch, dass man notfalls auch über das Kennzeichen nähere Angaben bekommen könne, falls die Patientin ihre Sachen unter Verschluss halte.

Mit Unbehagen dachte er allerdings daran, über den Polizeifunk eine Suchmeldung nach etwaigen Angehörigen aufzugeben. In den meisten Fällen war es ein entsetzlicher Schock, wenn man hörte, dass jemand gesucht wurde.

Rose Hellmer musste jetzt ihre Gäste versorgen. Sie hatte die Bettenzahl schon auf sechzehn reduziert, weil sie es sonst einfach nicht schaffen konnte. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie das blitzsaubere Haus schon in ein Hotel garni umgewandelt, aber dann waren auch vierundzwanzig Betten zu viel geworden, da sie nur zwei Hilfskräfte zur Verfügung hatte, die schon recht bejahrte Finni und die junge Susi, die gern Hotelsekretärin werden wollte, sich aber das Geld für die Kurse verdienen musste. Finnis Mann, der Bartl, war zudem Faktotum für alles.

Das Hotel Rose hatte einen sehr guten Ruf und konnte sich auf viele Stammgäste, die meist beruflich in München weilten, stützen, aber sie waren auch recht anspruchsvoll, und um nichts in der Welt wollte Rose Hellmer ihren Ruf gefährden. Viele fragten nach ihrer Tochter Sissi, und das war schon peinlich genug, denn Rose konnte nicht sagen, dass Sissi einfach auf und davon war. Es schmerzte sie zu sehr, und so langsam musste sie es nun doch glauben, dass Sissi nicht mehr zurückkommen wollte. Warum, wieso? Sie wusste keine Antwort. Sie wollte es einfach nicht wahrhaben, dass ein Mann daran schuld sein konnte, den Sissi gerade erst kennengelernt hatte und dazu noch in diesem Hotel, in dem er für drei Nächte Gast gewesen war.

Aber all diesen Gedanken konnte sie nach einer fast schlaflosen Nacht und an diesem turbulenten Morgen schon gar nicht nachgehen.

Drei Gäste reisten schon in aller Frühe ab, vier neue wurden erwartet, und die Sorge um diese nette, liebenswürdige Frau Zech beschwerte Roses Herz.

Endlich kehrte Ruhe ein. Die Arbeit war verteilt. Sie sagte zu Susi, dass sie Frau Zechs Zimmer selbst in Ordnung bringen wolle.

»Wenn sie länger in der Klinik bleiben muss, könnten wir es doch vermieten, Frau Hellmer«, sagte Susi, die sich alles in allem schon recht geschäftstüchtig zeigte und auch sehr zuverlässig war. Manchmal dachte Rose, wie glücklich sie wäre, wenn Sissi auch so wäre.

Aber Sissi hatte immer nach Höherem gestrebt, und so war es wohl auch möglich gewesen, dass einer, der ihr Flausen in den Kopf setzte, sie zum Ausreißen bewegen konnte. Hübsch war Sissi ja, verdammt hübsch sogar, und mancher junge Mann kam auch vor allem ihretwegen immer wieder, so wie dieser Jörg Hochrain, der sich für heute angemeldet hatte. Was soll ich ihm bloß sagen, überlegte Rose Hellmer, während sie begann, Dorrits Zimmer in Ordnung zu bringen. Natürlich hatte sie nicht die Absicht, es weiterzuvermieten. Das wäre ihr zu schäbig vorgekommen.

Wenn sie bloß wieder gesund wird, dachte Rose Hellmer weiter, während sie das Bett frisch bezog, das Dorrit in ihren Schmerzkrämpfen völlig zerwühlt hatte.

Und Roses Gedanken wanderten auch zu ihrem Mann, mit dem sie in einer so guten Ehe gelebt hatte. Hättest du nur länger bei mir bleiben können, Franzi, dachte sie, es wäre alles anders gekommen. So schön hatten wir alles gemacht, und gut wäre es uns gegangen.

Und dann aber dachte sie wieder daran, dass sie Ausschau halten sollte nach Dorrit Zechs Papieren. Das behagte ihr überhaupt nicht, aber es konnte ja sein, dass sie Angehörige hatte, die sorgenvoll auf eine Nachricht warteten.

Ihr ging es ja auch so. Wie sehr wartete sie auf eine Nachricht von Sissi. Und wie dankbar wäre sie gewesen, wenn jemand ihr nur einen Hinweis gegeben hätte, wo sie sein könnte.

Sie wird es schon verstehen, wenn ich in die Schränke und Schubfächer schaue, ging es Rose Hellmer durch den Sinn, als sie endlich ihre Hemmungen überwunden hatte.

Aber sie brauchte nicht lange zu suchen. In der Schreibtischschublade fand sie den Pass und den Führerschein, aber ihre Augen weiteten sich doch, als sie im Führerschein den Namen Dorrit Zech las und im Pass, der neueren Datums war, den Namen Dorrit Althaus, geborene Zech.

Dr. med. Dorrit Zech stand in dem Führerschein. Und nach dem Geburtsdatum war sie jetzt zweiunddreißig Jahre alt.

Und dann fand Rose Hellmer noch etwas. Einen Zettel, der zwischen zwei Blättern herausrutschte. Und darauf stand in flüchtiger Schrift: »Dr. Hans-Georg Leitner«, die Telefonnummer und Adresse.

Rose Hellmer wusste, dass Dr. Leitner Gynäkologe war und eine Frauenklinik besaß.

Rose Hellmer überlegte. Ihre Gedanken überstürzten sich, aber sie mahnte sich zur Ruhe. Sie ging das alles doch nichts weiter an, als dass eben Dorrit Zech ein sympathischer Gast war, dem sie nur Gutes wünschte. Und für sie, Rose Hellmer, gab es nur einen Arzt, dem sie sich ganz anvertrauen konnte, und das war Dr. Daniel Norden.

Er hatte ihren Mann betreut, er wusste, was sie um Sissi durchmachte. Er hatte ihr geholfen, dass sie alle Nackenschläge dann doch überstanden hatte und nicht ganz den Mut verlor.

So rief sie ihn an und fragte Loni, ob Dr. Norden für sie Zeit hätte. Loni verband Frau Hellmer mit dem Sprechzimmer, und Dr. Norden sagte ihr, dass er bei ihr vorbeikommen würde, wenn er jetzt mit der Sprechstunde fertig wäre. Er wäre ohnehin in der Gegend.

Rose Hellmer war ihm dankbar, denn sie musste mit ihrer Zeit wirklich geizen. Eben war wieder ein neuer Gast gekommen. Ein sehr netter, gut aussehender junger Mann, den Rose schon kannte, und sie wusste genau, dass er nach Sissi fragen würde.

Das tat Klaus Römmling auch sofort, nachdem er Rose höflich begrüßt hatte.

»Sissi ist leider verreist, Herr Römmling«, sagte Rose.

Er war maßlos enttäuscht, das konnte man ihm ansehen, und Rose dachte, warum Sissi sich nicht in diesen Mann verliebt hätte.

»Wie schade«, sagte er, »ich war doch in Spanien und habe ihr etwas mitgebracht. Sie wollte doch so gern mal nach Spanien.«

Blitzartig kam da Rose eine Idee. Jener andere Mann hatte auch von Spanien gesprochen und gesagt, dass er dort daheim wäre.

»Wir können vielleicht später darüber sprechen, Herr Römmling«, sagte sie. »Ich erwarte den Arzt. Wir hatten gestern leider einen schweren Krankheitsfall hier, aber nichts Ansteckendes«, fügte sie rasch hinzu. »Ihr Zimmer ist fertig. Ich bringe Ihnen gleich eine Erfrischung. Gin-Fizz wie immer?«

»Machen Sie sich keine Mühe, Frau Hellmer, ich nehme auch ein kühles Bier.«

Dann kam auch schon Dr. Norden, und Rose sagte zu Susi, dass Sie Herrn Römmling das Bier bringen solle.

*

»Es ist mir lieber, ich spreche erst mit Ihnen über Frau Zech, Herr Dr. Norden«, sagte Rose Hellmer zaghaft. »Ich möchte ihr keine Unannehmlichkeiten bereiten und auch keine bekommen.«

»Stimmt etwas nicht?«, fragte Dr. Norden.

»Ich sollte ja nach ihren Papieren schauen. Da sind sie, der Pass und der Führerschein. Aber es sind zwei verschiedene Namen, und da ist auch noch ein Zettel. Ich kenne doch die Menschen langsam. Sie ist bestimmt sehr seriös, aber vielleicht will sie nicht gefunden werden.«

»Na, so schlimm ist das doch nicht«, sagte Dr. Norden, als er die beiden Ausweise betrachtete, aber bei dem Namen Althaus durchzuckte ihn ein Gedanke, und als er dann den Zettel mit Dr. Leitners Namen las, starrte er vor sich hin.

»Wenn man heiratet, bekommt man andere Ausweise, und beim Führerschein vergisst man leicht das Umschreiben. Da brauchen Sie sich wirklich keine Gedanken zu machen, Frau Hellmer. Hat sie über ihren Mann oder Verwandte gesprochen?«

»Nein, nur über Griechenland. Sie interessiert sich auch so für die Antike wie ich. Es war so schön für

mich, mit ihr sprechen zu können. Sie weiß viel, und überhaupt hat sie ein sehr feines Wesen. Sie wird

doch gesund werden, Herr Doktor?«, fragte sie dann ängstlich.

»Ich fahre jetzt zur Klinik und erkundige mich.«

»Darf ich dann nachfragen?«

»Aber selbstverständlich. Immer noch keine Nachricht von Sissi?«, lenkte er ab.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll«, flüsterte sie. »Der junge Mann, den Sie eben noch gesehen haben, hat viel für Sissi übrig, und er ist sehr enttäuscht. Und er ist anständig.«

»Junge Mädchen bekommen manchmal einen Spleen«, sagte Dr. Norden, »aber Sissi ist ganz schön clever, die kommt nicht so leicht unter die Räder.«

»Und wenn sie in so eine Rauschgiftgesellschaft gerät?«, meinte Rose Hellmer bang.

»Sissi nicht«, tröstete der Arzt. »Da bin ich sicher. Sie wurde einfach von der Abenteuerlust gepackt. Es ist ja gar nicht gesagt, dass sie mit diesem Don Juan auf und davon ist. Wir reden darüber noch mal, wenn ich mehr Zeit habe. Lassen Sie sich nicht unterkriegen, Frau Hellmer.«

»Was uns nicht umbringt, macht uns stärker«, sagte sie leise.

*

Althaus, dachte Daniel Norden, als er zur Behnisch-Klinik fuhr, aber er konnte diesen Namen nicht in einen Zusammenhang mit Schorsch Leitner bringen. Und auch der Name Dorrit Zech war ihm nicht bekannt.

Dann sprach er mit Jenny Behnisch, die ihm aber auch nur sagen konnte, dass die Lebensgefahr bei Dorrit Zech noch nicht gebannt sei.

»Sie muss geheiratet haben und Althaus heißen, aber vielleicht ist sie inzwischen schon wieder geschieden und hat ihren Mädchennamen angenommen. Ich denke, dass wir abwarten können, bis sie selbst Auskunft gibt.«

»Mir soll es recht sein«, sagte Jenny. »Ich bin froh, wenn wir nichts mit polizeilichen Ermittlungen zu tun haben.«

Mit seinem Freund Dr. Leitner konnte Daniel Norden erst am Abend sprechen. Der Schorsch, wie er von seinen Freunden genannt wurde, hatte an diesem Tag zwei nicht ganz leichte Entbindungen zu bewältigen, und Dr. Norden hatte auch genug am Hals.

*

Während nun Dorrit Zech noch immer nicht aus der Bewusstlosigkeit erwacht war, erlebte auch Rose Hellmer eine aufmunternde Freude durch Klaus Römmling, der sie um ein Gespräch gebeten hatte.

»Bitte, halten Sie mich nicht für aufdringlich und indiskret, aber mein Interesse für Sissi ist durchaus ernst, und das habe ich ihr auch gesagt, als ich das letzte Mal hier war.«

Sie sah ihn bestürzt an. »Sie haben ihr das gesagt?«, fragte sie atemlos. »Das war vor drei Monaten, so weit ich mich erinnere.«

»Genau«, sagte er, »und ich habe ihr auch gesagt, dass ich in drei Monaten zurück sein werde. Ich hatte durchaus den Eindruck, dass Sissi mich sehr gernhat.« Er errötete flüchtig. »Sie dachte nur, dass Sie es falsch verstehen könnten.«

»Wieso falsch?«, fragte Rose.

»Dass Sie ihr zum Vorwurf machen könnten, mit einem Gast angebandelt zu haben, wie sie sagte. Aber die Initiative ging von mir aus. Würden Sie mir bitte sagen, wo sich Sissi jetzt befindet?«

»Wenn ich das nur selbst wüsste, Herr Römmling. Ich mache mir große Sorgen.«

»Hat es Streit zwischen Ihnen gegeben?«, fragte er.

»Nein, nur einen kleinen Wortwechsel, weil sie sich öfter mit diesem Don Juan unterhalten hat. So haben wir ihn genannt, und er hatte sich unter dem Namen Juan Tavares eingetragen. Aber das war nicht sein richtiger Name und auch die Adresse, die er angegeben hatte, stimmte nicht.«

»Über mich hat sie nicht gesprochen?«, fragte Klaus.

»Nicht direkt. Ich sagte nur mal, dass ich Sie recht sympathisch fände, und da erwiderte sie, dass man doch nie wisse, wie man bei den Männern dran sei, die nur mal auf der Durchreise sind.«

»Ich habe ihr aber doch geschrieben«, sagte er.

Roses Augenbrauen hoben sich leicht. »Davon weiß ich nichts. Eigentlich nehme ich alle Post immer entgegen.«

»Ich habe ihr dreimal geschrieben aus Barcelona und Madrid. Dann musste ich nach Portugal. Sehen Sie, Frau Hellmer, ich wollte Sissi erst Sicherheit bieten können, aber ich war fest überzeugt, dass sie mich heiraten würde. Es tut mir jetzt sehr leid, Sie nicht eingeweiht zu haben.«

»Ich mache mir schreckliche Sorgen«, flüsterte Rose. »Ich werde wohl doch eine Vermisstenmeldung aufgeben.«

»Bitte, erinnern Sie sich, was passiert ist, als dieser Don Juan da war«, bat er mit rauer Stimme. »Sie geht doch nicht so einfach mit einem fremden Mann auf und davon, den sie kaum kannte.«

Es rührte Rose tief, wie sehr er Sissi vertraute. Sie blickte gedankenverloren vor sich hin.

»Er hatte Geld und sah gut aus, nicht mehr ganz jung, aber auch nicht wie ein Ganove. Nun, man kann sich manchmal täuschen, aber ich habe einen ganz guten Blick. Er war auch erst ganz zurückhaltend. Ich habe mich gewundert, dass er in meinem kleinen Hotel abstieg, aber er sagte, es sei ihm empfohlen worden von Deutschen, die geschäftlich mit ihm zu tun hätten. Er sprach mehrere Sprachen, nicht perfekt, aber ich wüsste nicht, welcher Nationalität ich ihn zuordnen sollte.«

»Ist sie mit ihm ausgegangen?«, fragte er.

»Nein, sie haben nur öfter miteinander gesprochen, und als ich Sissi deswegen Vorhaltungen machte, brauste sie auf. Sie wissen schon, wie das ist. Sie sei kein kleines Kind mehr, sagte sie.«

Eine Weile trat Schweigen ein, dann sprang Rose plötzlich auf und eilte aus dem Zimmer. Bestürzt blickte ihr Klaus nach, aber sie kam bald zurück.

»Gerad ist es mir eingefallen«, sagte sie atemlos. »Ich habe ja ein Foto von ihm. Ganz unabsichtlich habe ich das gemacht, weil ich vom Balkon aus den Kirschbaum in voller Blüte fotografieren wollte. Da ist er direkt ins Bild gelaufen. Deutlich ist es nicht, aber ich muss doch jetzt etwas unternehmen. Dass Sie Sissi ein Abenteuer nicht zutrauen, hat mir Mut gemacht, Herr Römmling.«

Klaus betrachtete das Foto und wurde kreidebleich. »Das ist …, oh, ich weiß nicht, was ich sagen soll«, murmelte er konsterniert.

»Sie kennen den Mann?«, fragte Rose nun misstrauisch.