Dr. Norden Bestseller 158 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 158 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

5,0

Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Dr. Daniel Norden hielt den Telefonhörer fest an sein Ohr gepreßt, weil er die leise Stimme am anderen Ende des Drahtes kaum vernehmen konnte. Sein Gesicht hatte einen wirklich ernsten, sehr nachdenklichen Ausdruck. »Selbstverständlich komme ich, Victor«, sagte er. »Bitte, resigniere nicht!« Dann lauschte er wieder, und ein Zucken lief über sein gebräuntes Gesicht. »Ja, ich komme noch heute, es ist versprochen.« Dann saß er minutenlang, in sich versunken, am Schreibtisch, bevor er seine Frau anrief. Fee meldete sich sofort. Sie hatte schon auf ihren Mann gewartet. »Feelein, ich muß zur Riebeck-Klinik fahren. Es wird wohl ziemlich spät werden«, sagte er. »Was ist los, Daniel?« fragte Fee bestürzt. »Ich erzähle es dir später. Es ist nichts fürs Telefon«, erwiderte er. Also wieder mal eine ganz ernste Geschichte, dachte Fee. »Kommt Papi immer noch nicht?« fragte Danny, ihr Ältester. »Er muß noch etwas erledigen. Wir essen jetzt, sonst wird es für euch zu spät«, sagte sie gedankenverloren. »Will aber Papi Bussi geben«, meldete sich die kleine Anneka jetzt zu Wort. »Das vergißt er bestimmt nicht, auch wenn ihr schon schlaft«, erwiderte Fee. »Schlafe aber nicht, wenn Papi nicht da ist«, sagte Anneka weinerlich. Sie hatte wieder einmal eine ganz besonders anhängliche Phase, wie immer, wenn in der Praxis sehr viel zu tun war und ihr heißgeliebter Papi nie pünktlich zu Tisch erschien. Dr. Norden war bereits auf dem Weg zur Riebeck-Klinik. Durch die ganze Stadt mußte er, und da herrschte jetzt viel Verkehr. Doch der Anruf von Victor Wagner war so dringlich gewesen, daß er noch einen weiteren Weg auf sich genommen hätte. Vic! Ein

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Dr. Norden Bestseller – 158 –

Sein Wunsch ging in Erfüllung

Patricia Vandenberg

Dr. Daniel Norden hielt den Telefonhörer fest an sein Ohr gepreßt, weil er die leise Stimme am anderen Ende des Drahtes kaum vernehmen konnte. Sein Gesicht hatte einen wirklich ernsten, sehr nachdenklichen Ausdruck.

»Selbstverständlich komme ich, Victor«, sagte er. »Bitte, resigniere nicht!« Dann lauschte er wieder, und ein Zucken lief über sein gebräuntes Gesicht. »Ja, ich komme noch heute, es ist versprochen.«

Dann saß er minutenlang, in sich versunken, am Schreibtisch, bevor er seine Frau anrief. Fee meldete sich sofort. Sie hatte schon auf ihren Mann gewartet.

»Feelein, ich muß zur Riebeck-Klinik fahren. Es wird wohl ziemlich spät werden«, sagte er.

»Was ist los, Daniel?« fragte Fee bestürzt.

»Ich erzähle es dir später. Es ist nichts fürs Telefon«, erwiderte er.

Also wieder mal eine ganz ernste Geschichte, dachte Fee.

»Kommt Papi immer noch nicht?« fragte Danny, ihr Ältester.

»Er muß noch etwas erledigen. Wir essen jetzt, sonst wird es für euch zu spät«, sagte sie gedankenverloren.

»Will aber Papi Bussi geben«, meldete sich die kleine Anneka jetzt zu Wort.

»Das vergißt er bestimmt nicht, auch wenn ihr schon schlaft«, erwiderte Fee.

»Schlafe aber nicht, wenn Papi nicht da ist«, sagte Anneka weinerlich. Sie hatte wieder einmal eine ganz besonders anhängliche Phase, wie immer, wenn in der Praxis sehr viel zu tun war und ihr heißgeliebter Papi nie pünktlich zu Tisch erschien.

Dr. Norden war bereits auf dem Weg zur Riebeck-Klinik.

Durch die ganze Stadt mußte er, und da herrschte jetzt viel Verkehr. Doch der Anruf von Victor Wagner war so dringlich gewesen, daß er noch einen weiteren Weg auf sich genommen hätte.

Vic! Ein Dutzend Jahre mußte es her sein, daß sie sich nicht gesehen hatten. Im Hörsaal hatten sie meistens nebeneinander gesessen. Daniel Norden, der genau wußte, was er wollte, und Victor Wagner, der sich bis zuletzt nicht entscheiden konnte, welches Spezialgebiet er wählen sollte.

Daniel sah ihn vor sich. Mittelgroß, sehr schlank, sehr jungenhaft aussehend war Vic gewesen und eigentlich immer gut aufgelegt, manchmal sogar ein bißchen leichtsinnig. Und Geld hatte er gehabt, Geld wie Heu, wie seine Kommilitonen sagten. Und dieser Vic sollte todkrank sein?

Daniels Augenbrauen schoben sich zusammen. Er mußte sich auf den Verkehr konzentrieren, und da krachte es auch schon vor ihm. Er konnte noch rechtzeitig bremsen und war schnell aus dem Wagen. Jetzt dachte er nicht mehr an Vic, jetzt wollte er zur Stelle sein, wenn ärztliche Hilfe gebraucht wurde. Und die wurde gebraucht. Es gab zwar keine Schwerverletzten, aber in dem Wagen, auf den ein junger Bursche aufgefahren war, saß ein kleines Kind auf dem Rücksitz, das durch den Aufprall das Bewußtsein verloren hatte. Die junge Mutter stand auch unter einem Schock.

Schon war auch die Funkstreife zur Stelle. Dr. Norden wies sich aus. »Ich bin auf dem Weg zur Riebeck-Klinik«, sagte er. »Ich kann Mutter und Kind gleich zu einer Untersuchung mitnehmen.«

»Sind Sie einverstanden?« wurde die junge Frau gefragt.

Sie nickte verstört und weinte leise, als sie das Kind in die Arme nahm.

»Ganz ruhig«, sagte Dr. Norden tröstend. »Es ist bestimmt nicht schlimm. Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme, wenn ich auf einer Untersuchung bestehe. Auch ein Schock kann Nachwirkungen haben.«

Zur Riebeck-Klinik war es jetzt nicht mehr weit. Der Kleine kam zu sich und begann fürchterlich zu schreien, aber als seine Mutter beruhigend auf ihn einredete, beruhigte er sich und schluchzte nur noch leise vor sich hin.

»Wie heißen Sie?« fragte Daniel.

»Claudia Fiebig«, erwiderte die junge Frau leise, »und das ist mein Sohn Daniel.«

»Wie nett, ich heiße auch Daniel«, sagte Dr. Norden aufmunternd und nannte dann auch seinen Nachnamen.

»Mein Mann wird sich schrecklich aufregen«, flüsterte Claudia. »Er denkt bestimmt, daß ich schuld war.«

»Ich kann bezeugen, daß Sie es nicht waren«, erwiderte Daniel ruhig.

»Martin wollte nie, daß ich fahre«, murmelte sie, »aber ich schaffe es sonst doch gar nicht. Ich bin berufstätig, muß den Kleinen in den Kindergarten bringen und abholen, und dann auch noch einkaufen. Es ist nicht so einfach.«

»Das weiß ich, ich kenne solche Fälle zur Genüge«, sagte Dr. Norden. »Und so ist es nur gut, wenn Ihnen bescheinigt wird, daß Sie einige Tage zu Hause bleiben müssen, um diesen Schock zu überwinden.«

»Damit wird wieder mein Chef nicht einverstanden sein«, sagte Claudia leise.

Und nun waren sie schon bei der Riebeck-Klinik angekommen.

»Wir unterhalten uns nachher noch«, sagte Dr. Norden. »Sie werden untersucht, und ich bringe Sie dann nach Hause. Recht so?«

»Sie sind sehr nett.Würden Sie bitte meinen Mann anrufen?« bat sie schüchtern. »Ich traue mich nicht. Daß das Auto kaputt ist, wird ihn wütend machen.«

»Er soll froh sein, daß Ihnen und dem Kind nichts Schlimmeres passiert ist«, sagte Dr. Norden. »Ja, ich rufe ihn an.«

Er vertraute Claudia Fiebig und den kleinen Daniel dem Oberarzt an, der sofort aufhorchte, als er sich vorgestellt hatte.

»Dr. Wagner erwartet Sie«, sagte er.

»Ich gehe auch sofort zu ihm. Unterwegs war dieser Unfall«, erklärte Dr. Norden. »Ich werde Frau Fiebig und das Kind später heimbringen, wenn nichts Ernsthaftes festzustellen ist. Wir wissen ja, daß ein Schockzustand manches verdeckt.«

Das konnte Claudia glücklicherweise nicht hören. Sie war jetzt noch viel aufgeregter als vorher. Es ging ihr sehr viel durch den Sinn.

Dr. Norden allerdings auch, als er die Nummer von Martin Fiebig wählte und sich niemand meldete. Er dachte aber nicht über dieses Ehepaar nach, sondern über seinen Studienfreund Victor Wagner, da ihm der Oberarzt empfohlen hatte, zuerst mit Professor Strecker zu sprechen, bevor er Victor aufsuchte.

Strecker war älteres Semester und ein sehr jovialer Mann. Er war der Typ des väterlichen Klinikleiters.

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Kollege Norden«, sagte er mit tiefer, ruhiger Stimme. »Victor hat viel über Sie gesprochen.«

»Ich habe ihn sehr lange nicht gesehen.Was fehlt ihm?« fragte Daniel.

Ein Schatten fiel über das breite, freundliche Gesicht des Älteren. »Sie wissen nicht Bescheid? Tja, dann bleibt es wieder mal mir überlassen, von diesem verfluchten Krebs zu sprechen. Lungenkrebs, inoperabel, Meteastasierung weit fortgeschritten.«

Unwillkürlich ballten sich Daniels Hände zu Fäusten. »Er ist noch nicht vierzig und war Nichtraucher«, sagte er tonlos.

»Das ist er auch geblieben. Nach der Ursache dürfen wir forschen und werden sie dennoch nicht finden. Seine Zeit wird bald abgelaufen sein. Da stehen wir machtlos vis á vis, wie so oft, und für meine Person kann ich nur sagen, daß ich froh bin, bald in Pension gehen zu können. Vic weiß Bescheid.« Seine Stimme klang jetzt dumpf, sein Blick war zu Boden gerichtet. »Sie brauchen nicht in Zuversicht zu machen, Kollege. Er hat was auf dem Herzen, was er nur Ihnen sagen will.«

»Was sagt seine Familie?« fragte Daniel.

»Er hat keine Familie. Die Eltern sind tot.«

»Er ist nicht verheiratet? Damals war er verlobt, soweit ich mich erinnere.«

»Davon weiß ich nichts. Seine Praxis hat er schon vor zwei Jahren aufgegeben. Seither kenne ich ihn. Helfen konnte ich ihm nicht und andere konnten es auch nicht. Er hat nichts als einen Haufen Geld, mit dem er nichts anfangen kann, obgleich er nie hätte etwas dazuverdienen müssen. Tragisch. Man wird nach entfernten Verwandten forschen, und wenn es die gibt, werden sie sich die Hände reiben. Und jetzt gehen Sie besser zu ihm. Um diese Zeit hat er seine gute Stunde.«

Nun, ob man es eine gute Stunde nennen konnte, wollte Daniel nicht beurteilen. Er hätte Victor Wagner nicht wiedererkannt, wäre er unvorbereitet zu diesem Patienten geführt worden. Doch in dessen Augen, die tief in den Höhlen des ausgemergelten Gesichtes lagen, leuchtete es auf, als Daniel nach der schmalen, knochigen Hand griff, die völlig kraftlos war.

»Dan, alter Junge, bin froh, dich zu sehen«, sagte der Kranke leise. »Ich bin dir sehr dankbar. Ich habe eine große Bitte an dich. Viel Zeit bleibt mir ja nicht mehr.«

»Schon erfüllt, wenn es in meiner Macht steht«, sagte Daniel.

»Du bist ein Menschenfreund. Du hast für alles Verständnis. Ich habe von deiner Insel der Hoffnung gelesen. Aber mir hätte dort auch nicht geholfen werden können. Mich hat das er-wischt, was ich meinen Patienten nur schwersten Herzens sagte, wenn es feststand.« Er atmete pfeifend. »Erinnerst du dich an Sabine?«

Daniel blickte auf, fast erschrocken, sich fragend, was diese Frage bedeuten könnte.

»Warst du nicht mit einer Sabine verlobt?« kam es zögernd über seine Lippen.

»Ja, die verdammte Eifersucht hat uns getrennt.Wir wollten heiraten. Sabine erwartete ein Kind. Aber dann sah ich sie mit einem anderen Mann, und ich drehte durch und bezweifelte, daß ich der Vater des Kindes sei. Ich vergesse nie ihren Blick. Sie ging, verschwand wortlos. Vor zwei Jahren habe ich sie wiedergesehen. Sie hat mich nicht erkannt. Ich war da schon sehr verändert und wußte, daß es keine Rettung für mich gibt, wenngleich ich mich an den berühmten Strohhalm klammerte.«

Und nun klammerte sich sein Blick hilfesuchend an Daniels Gesicht.

»Sie hat diesen Mann geheiratet«, fuhr Victor flüsternd fort. »Manfred Mainhard heißt er. Aber es ist mein Kind, Dan. Ich habe es gesehen. Ich weiß, daß ich der Vater bin, und ich will, daß das Kind alles bekommt, was ich besitze. Du mußt mir helfen, du mußt Martina helfen. Meine Tochter heißt Martina. Sabine ist stolz. Ich hatte ihr damals geschrieben, aber ich habe keine Antwort bekommen. Für sie bin ich schon vor zwölf Jahren gestorben, und es war allein meine Schuld. Sie hat Manfred Mainhard erst ein Jahr später geheiratet, und sie haben zwei Kinder, die acht und sechs Jahre sind. Ich habe Erkundigungen eingezogen. Er ist Schriftsteller. Mein Gott, was verdienen die schon, wenn sie keinen Namen haben. Du wirst es ihr sagen, bitte, Dan, daß es mein letzter Wunsch ist, dem Kind und ihr zu helfen. Sag ihr, daß allein dieser Gedanke mich in Frieden sterben läßt. Du kannst das. Ich konnte es nicht schreiben. Du kannst so überzeugend sein. Weißt du noch, damals sagtest du mir, daß ich Internist werden solle, zum Gynäkologen oder Chirurgen würde ich nicht taugen. Ich wurde Internist. Ja, du kannst selbst Zweifelnde überzeugen, Dan. Bitte…«, seine Stimme erstarb, er nahm nochmals alle Kraft zusammen. »Mein Testament ist bei Notar Brandt. Versprich mir…« Nun hatte er keine Kraft mehr, er sah Daniel nur noch flehend an.

»Ich werde alles tun, was in meiner Kraft ist, Vic«, sagte Daniel. »Ich verspreche dir, daß dein Wille erfüllt wird.«

»Danke, Dan«, hauchte der Kranke, dann sank er in tiefe Bewußtlosigkeit.

Professor Strecker kam. »Er hat bald ausgelitten«, sagte er leise.

»Benachrichtigen Sie mich bitte«, sagte Daniel heiser.

»Ist selbstverständlich. Wenn meine Zeit hier vorbei ist, werde ich mich auf Ihrer Insel erholen. Ist doch zu machen?«

»Aber gewiß.«

»Es bleibt nichts in den Kleidern hängen«, murmelte der Professor. Er seufzte schwer. »Da draußen wartet wieder jemand auf Sie.«

Claudia Fiebig und ihr kleiner Daniel waren glücklicherweise gut davongekommen. »Papa schümpft«, plapperte der Kleine.

Davor schien auch seine Mutter Angst zu haben. »Mein Mann regt sich schnell auf«, sagte sie entschuldigend. »Er hat viel Ärger im Büro, und wenn Föhn ist, leidet er unter Kopfschmerzen.«

Die Fiebigs wohnten in einem Neubau, der architektonisch recht ansprechend gestaltet war. Und Martin Fiebig hielt schon aufgeregt Ausschau nach Frau und Kind. Er war ein blasser, ziemlich hochaufgeschossener junger Mann, und in seinen Augen brannte Angst und Eifersucht. Daniel Norden war ein guter Menschenkenner. Die hübsche Claudia schien sich jedoch nicht bewußt zu sein, daß ihr Mann maßlos eifersüchtig war. Unwillkürlich dachte Dr. Norden an Victor Wagner, der sich auch aus Eifersucht ein we-

nigstens kurzes Glück verscherzt hat-te.

»Was soll das bedeuten, was ist passiert?« stieß Martin Fiebig hervor.

»Auto bumbum gemacht«, sagte der kleine Daniel.

Blasser konnte der Mann kaum noch werden, und schnell erklärte ihm Dr. Norden, was gerade geschehen war.

»Ihre Frau trifft nicht die geringste Schuld. Ich bin Zeuge«, sagte er, aber Martin Fiebig riß Frau und Kind in seine Arme und drückte sie fest an sich.

»Uns ist ja nichts passiert, Martin«, sagte Claudia atemlos und doch glücklich.

»Aber was hätte passieren können!« stöhnte der Mann.

»Er macht sich immer zuviel Gedanken«, sagte Claudia zu Dr. Norden.

»Und ich mache meiner Frau auch oft unbegründete Vorwürfe«, gab Martin Fiebig zu. »Tut mir leid, Claudi, und Ihnen ganz herzlichen Dank, Herr Doktor. Es scheint doch noch Ärzte zu geben, die nicht nur kassieren.«

»Entschuldigen Sie das bitte«, sagte Claudia zaghaft, »aber mein Mann hat wirklich schlechte Erfahrungen gemacht. Vielleicht darf er Sie mal aufsuchen?«

»Ich habe meine Praxis aber am anderen Ende der Stadt«, sagte Dr. Norden mit einem flüchtigen Lächeln.

Martin Fiebig sah ihn mit einem seltsamen Ausdruck an. »Da soll mir kein Weg zu weit sein«, sagte er leise. »Sie haben auch keine Mühe gescheut, Herr Doktor.«

»Es war keine Mühe. Es war selbstverständlich. Ich bin selbst Vater, und außerdem war ich auf dem Weg zur Klinik. Es ist alles in Ordnung, Herr Fiebig. Sie brauchen sich nicht zu sorgen. Es war nur eine Vorsichtsmaßnahme. Es kann allerdings sein, daß der kleine Daniel noch davon träumt.«

»Ich vielleicht auch«, sagte Claudia scheu. »Aber Sie haben mir sehr geholfen.«

»Ich werde es nicht vergessen«, sagte Martin Fiebig leise.

»Nun erholen Sie sich von dem Schrecken, und für den Wagen muß die Versicherung des Schuldigen zahlen.«

»Der Wagen ist nicht wichtig«, sagte Martin Fiebig.

»Papa schümpft gar nicht«, staunte der kleine Daniel.

»Schimpft, heißt es, Danny«, wurde er von seinem Vater berichtigt. »Ich bin halt ein Choleriker, tut mir leid.«

»Nein, ein Choleriker sind Sie nicht«, sagte Dr. Norden.

»Was dann?«

»So schnell kann ich eine Diagnose nicht stellen. Wenn Sie den Weg nicht scheuen, können wir uns ja mal unterhalten.«

Er fing einen bittenden Blick von Claudia auf. »Sofern Sie Vertrauen zu mir haben«, fügte er schnell hinzu, ahnungsvoll, daß auch dieser Mann Hilfe benötigte, denn seine Vermutung, daß es sich um einen despotischen Ehemann handeln könne, fand er widerlegt. Martin Fiebig war ein nervöser, ängstlicher und eifersüchtiger Mann, ein Mann, der mit seinen Problemen nicht fertig wurde.

»Kann ich gleich morgen kommen, nachmittags vielleicht?« fragte Martin Fiebig.

»Gern, sagen wir gegen halb sechs Uhr?«

»Danke, Herr Doktor, vielen Dank für alles.«

Und Claudia wiederholte es. »Schönen Dank«, sagte auch der kleine Daniel.

*

Es war acht Uhr geworden, bis Daniel Norden heimkam, und die Kinder waren schon im Bett. Von Fee wurde er mit einem zärtlichen Kuß empfangen, und Lenni rief aus der Küche: »Endlich, Gott sei Dank.«

Sie machte sich auch schnell Sorgen und hatte es nun eilig, das Essen auf den Tisch zu bringen.

Daniel wusch sich die Hände und hielt seinen Kopf unter das kalte Wasser. Dann fühlte er sich etwas wohler und ging hinauf zu den Kindern, die auf den Gutenachtkuß warteten, obgleich sie schon im Einschlafen begriffen waren.

»Kommst du mal wieder früher, Papilein?« fragte die kleine Anneka schmeichelnd.

»Es wird schon mal wieder werden, mein Schätzchen«, erwiderte er. »Nun schlaf schön.«

»Du darfst aber nie krank werden«, murmelte die Kleine.

Und nun mußte er wieder an Victor denken. Aber erst, nachdem er seinen Hunger gestillt hatte, erzählte er Fee von dem Studienfreund. Sie zog fröstelnd die Schultern zusammen, obgleich es an diesem Abend fast drückend schwül war.

»Schrecklich«, sagte sie leise. »Und was wollte er von dir?«

Auch das erfuhr sie. Lange herrschte dann Schweigen zwischen ihnen.

»Und wenn er sich täuscht und es ist doch nicht sein Kind?« fragte Fee sinnend in dieses Schweigen hinein.

»Ich werde Sabine aufsuchen und mit ihr sprechen.«

»Kanntest du sie persönlich?« fragte Fee.

»Ja, wenn auch nur flüchtig, aber sie war ein sehr nettes, solides Mäd­chen, sehr tüchtig. Sie leitete ein Schreibbüro. Vic lernte sie dadurch kennen. Sie tippte seine Examensarbeiten.«

Fee dachte wieder ein paar Sekunden nach. »Und ihr Mann ist Schriftsteller«, sagte sie sinnend. »Vielleicht lernte sie ihn dadurch kennen, daß sie für ihn tippte.«

»Der Gedanke ist mir noch nicht gekommen«, meinte Daniel.

»Typisch Mann, und wie oft kommt es durch ungerechte Eifersucht zu schweren Konflikten. Ich verstehe nicht, daß erwachsene Menschen nicht vernünftig miteinander reden können, wenn es gilt, Zweifel auszuräumen. Nun, es mag sein, daß diese Sabine zu der Erkenntnis kam, daß Victor doch nicht der richtige Partner für sie sei. Ich werde mich morgen mal erkundigen, ob Manfred Mainhard unter einem Pseudonym schreibt und was er schreibt. Hat Victor dir auch die Adresse gegeben?«

»Nur die vorige. Sie sind inzwischen umgezogen.«

»Aber in München?«

»Das muß ich herausfinden.«

»Das kannst du mir überlassen, Schatz«, sagte Fee hilfsbereit. »Du hast genug zu tun.«

Daniel konnte sich auf seine Frau verlassen. Sie half ihm stets, wo und wann immer sie das konnte. Und nun erzählte er ihr auch von dem Zwischenfall mit Claudia Fiebig und ihrem Söhnchen.

»Daniel ist ein beliebter Name geworden«, sagte sie lächelnd.

»Gefällt er dir nicht mehr?« fragte er neckend.

Sie schenkte ihm ein zauberhaftes Lächeln. »Ich konnte ihn ja nicht patentieren lassen, mein Schatz. Aber ich würde dich auch lieben, wenn du Nepomuk heißen würdest.«

»Wieso ausgerechnet Nepomuk?« staunte er.

»Manche Eltern kommen auf die verrücktesten Ideen. Immerhin könnte ich dich dann Muckerl nennen.«

Sie verstand es, ihn aufzuheitern, sie hatte ihm schon oft die Sorgen vertrieben, aber in der Nacht träumte er dann doch von Victor und Sabine. Seltsam, wie deutlich ihm dieses sanfte Mädchen mit den großen nachtdunklen Augen im Traum erschien, obgleich so viele Jahre vergangen waren, seit er Sabine kennengelernt hatte.

*

Sabine Mainhard hätte eine vollkommen glückliche Frau sein können. Obgleich es keine himmelstürmende Liebe gewesen war, die sie und Manfred zusammengeführt hatte, war es in den Jahren der Ehe doch eine tiefe, innige Liebe geworden, die auch durch harte Bewährungsproben nicht mehr zu erschüttern war.

Die einzige große Sorge in ihrem recht bescheidenen Leben bereitete ihnen nur die jetzt fast zwölfjährige Martina, die immer ein sehr zartes Kind gewesen war. Martina war mit einem Herzschaden zur Welt gekommen und hatte immer besonderer Fürsorge bedurft.