Dr. Norden Bestseller 162 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 162 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Ich gehe jetzt, Mutti«, rief Susanne. »Du brauchst am Abend mit dem Essen nicht auf mich zu warten.« Raschen Schrittes, den Kopf steif in den Nacken gelegt, ging Ellen Fortner in die Diele. »Du triffst dich wieder mit diesem Mann?« fragte sie gereizt. »Wann kommst du endlich zur Vernunft, Kind.« »Ich bin eben kein Kind mehr, und ich kann mich treffen, mit wem ich will«, erwiderte Susanne trotzig. »Und wenn es dir nicht paßt, ziehe ich aus.« Bums, flog die Tür ins Schloß. Ellen Fortner blieb wie versteinert zurück. So hatte Susanne noch nie mit ihr gesprochen. Das macht nur der schlechte Einfluß, dachte sie. Seit Susi diesen Mann kennt, ist sie völlig verändert. Früher hatte es nie etwas gegeben. Sie hatten sich so gut verstanden, Susanne war so liebevoll und fürsorglich gewesen, daß Ellen den Tod ihres Mannes verschmerzt hatte. Sie lebten in einem hübschen Haus, sie hatten keine finanziellen Sorgen. Es war Vermögen da, und Ellen bekam eine recht gute Rente. Susanne war als Graphikerin in einem Verlag beschäftigt und verdiente auch schon sehr anständig. Sie war hübsch, intelligent und gesund und ganz gewiß kein Mauerblümchen, das auf einen Mann hereinfallen mußte, der doppelt so alt war wie sie, und in Ellens Augen ein skrupelloser Mädchenverführer. Mochte dies auch ein hartes Urteil sein, aber ihr Instinkt war vielleicht doch nicht gar so trügerisch, denn als seriös konnte man Peter Rossow keinesfalls bezeichnen. Aber welches Mädchen, das bis über beide Ohren verliebt war, wollte das schon wahrhaben. Während Ellen Fortner wieder von Kummer und heftigen Kopfschmerzen

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Dr. Norden Bestseller – 162 –

Der rettende Engel

Patricia Vandenberg

»Ich gehe jetzt, Mutti«, rief Susanne. »Du brauchst am Abend mit dem Essen nicht auf mich zu warten.«

Raschen Schrittes, den Kopf steif in den Nacken gelegt, ging Ellen Fortner in die Diele.

»Du triffst dich wieder mit diesem Mann?« fragte sie gereizt. »Wann kommst du endlich zur Vernunft, Kind.«

»Ich bin eben kein Kind mehr, und ich kann mich treffen, mit wem ich will«, erwiderte Susanne trotzig. »Und wenn es dir nicht paßt, ziehe ich aus.«

Bums, flog die Tür ins Schloß. Ellen Fortner blieb wie versteinert zurück. So hatte Susanne noch nie mit ihr gesprochen.

Das macht nur der schlechte Einfluß, dachte sie. Seit Susi diesen Mann kennt, ist sie völlig verändert. Früher hatte es nie etwas gegeben. Sie hatten sich so gut verstanden, Susanne war so liebevoll und fürsorglich gewesen, daß Ellen den Tod ihres Mannes verschmerzt hatte.

Sie lebten in einem hübschen Haus, sie hatten keine finanziellen Sorgen. Es war Vermögen da, und Ellen bekam eine recht gute Rente. Susanne war als Graphikerin in einem Verlag beschäftigt und verdiente auch schon sehr anständig. Sie war hübsch, intelligent und gesund und ganz gewiß kein Mauerblümchen, das auf einen Mann hereinfallen mußte, der doppelt so alt war wie sie, und in Ellens Augen ein skrupelloser Mädchenverführer.

Mochte dies auch ein hartes Urteil sein, aber ihr Instinkt war vielleicht doch nicht gar so trügerisch, denn als seriös konnte man Peter Rossow keinesfalls bezeichnen. Aber welches Mädchen, das bis über beide Ohren verliebt war, wollte das schon wahrhaben. Während Ellen Fortner wieder von Kummer und heftigen Kopfschmerzen geplagt wurde, himmelte Susanne den dunkelhaarigen schlanken Mann, der aussah, als würde er gerade erst aus südlichen Gefilden kommen, an.

Peter Rossow war vierzig und man konnte ihn mit einigem Wohlwollen als einen interessanten Mann bezeichnen. Wer ihn näher kannte, hätte ihn wohl eher einen Filou genannt. Seine Bräune verdankte er der Sonnenbank, seinen gepflegten Haarschnitt einer hübschen Friseuse, seine gepflegten Hände einer netten Kosmetikerin, die sich auch ziemlich erfolgreich bemühte, die Faltenbildung um Augen und Mund zu bremsen. Die beiden machten sich ebenso vergebliche Hoffnungen auf ihn, wie so manche andere. Sein Interesse an Susanne ging etwas tiefer. Das hübsche Haus in einer gepflegten Villengegend, ihre damenhafte Erscheinung, das Ansehen, das sie bei ihrem Chef genoß, gefielen ihm.

Er fuhr einen schicken Wagen und war stets elegant gekleidet. Als Beruf gab er Werbefachmann an.

»Ich habe mich entschlossen, mir eine eigene Wohnung zu nehmen, Peter«, erklärte Susanne. »Was sagst du nun?«

»Warum?« fragte er beinahe erschrocken.

»Meine Mutter kann es nicht lassen, mich zu bevormunden. Natürlich werde ich ein bißchen kürzertreten müssen, aber wir können uns doch zusammentun, was meinst du? Du hast das doch auch schon angedeutet.«

Ja, das hatte er, aber unter anderen Voraussetzungen. Und nun mußte er zuschauen, wie er sich aus der Affäre zog, denn unter solchen Aspekten verminderte sich sein Interesse an Susanne erheblich.

»Ich möchte keinesfalls, daß es meinetwegen zu einem Bruch zwischen deiner Mutter und dir kommt«, erklärte er geistesgegenwärtig, denn um Ausreden war er nie verlegen. »So lange kennen wir uns doch noch nicht, daß wir etwas überstürzen müßten.«

»Wenn Mutti nur begreifen würde, wie verständnisvoll du bist«, sagte Susanne arglos mit einem tiefen Seufzer. »Ich hoffe, sie wird es, wenn ich sie vor eine vollendete Tatsache stelle. Ich habe auch schon eine Wohnung in Aussicht. Wollen wir sie uns anschauen?«

Nun, das kostete nichts, und Peter brauchte jetzt Zeit, um Vorteil und Nachteil gegeneinander abzuwiegen. Und es kam ihm eine Idee.

»Eine Wohnung könnte ich auch besorgen«, sagte er. »Mal schauen, welche dir besser gefällt.«

Ihr gefiel die Wohnung, die er ihr zeigte, besser, da sie sehr hübsch möbliert war.

»Sie gehört einem Bekannten von mir«, erklärte er. »Er möchte allerdings zehntausend Euro Ablösung für die Einrichtung haben.«

»Das ist wirklich nicht zuviel«, sagte Susanne. »Sehr hübsche Sachen. Ich habe ja noch mein Erbteil von Vater. Triffst du eine Verabredung mit deinem Bekannten, Peter, damit wir uns einig werden können?«

»Ich habe Vollmachten«, sagte er. »Jörg Hammerstedt ist für einige Monate im Ausland, aber ich treffe mich ohnehin nächste Woche mit ihm in Kairo und könnte alles regeln. Er ist mir noch ein paar Tausender schuldig. Man hilft sich ja wo man kann unter Freunden, wenn man mal in einer Klemme sitzt. Zur Zeit kann ich die Zehntausend auch nicht flüssig machen, Susanne, aber dafür übernehme ich die Miete. Okay?«

»Und wie lange bleibst du weg?«

»Eine Woche höchstens. Ich habe hier allerhand Eisen im Feuer. Ich möchte auch endlich seßhaft werden. Aber auf gar keinen Fall solltest du dich mit deiner Mutter entzweien. Irgendwie und irgendwann werde ich schon mit ihr klarkommen.«

Und Susanne glaubte ihm jedes Wort, als er sie küßte. Als er dann fragte, ob sie das Geld bald flottmachen könne, nickte sie mit strahlender Miene.

»Ich bin ja nicht wild aufs Heiraten, Peter«, sagte sie, »aber wenn mal ein Baby unterwegs ist, hätte ich es schon ganz gern.«

»Darüber können wir reden, wenn es soweit ist. Steuerlich stehen wir besser, wenn wir nicht so bald heiraten. Und wenn wir erst verheiratet sind, möchte ich nicht, daß du berufstätig bleibst.«

Das sagte er mit Bedacht, denn er wußte genau, daß Susanne sehr an ihrem Beruf hing. Und deshalb hatte sie auch nicht gewollt, daß ihre Freundschaft mit Peter im Verlag publik wurde. Das allerdings war ihm nur recht und das war auch ein Punkt, in dem er völlig mit Susanne übereinstimmte.

*

Ellen Fortner fühlte sich elend, und sie war zu Dr. Norden gegangen. Sie klagte, daß ihre Kopfschmerzen heute unerträglich wären.

»Und auch im Magen ist es mir gar nicht gut«, sagte sie, und dann schossen ihr auch schon die Tränen aus den Augen.

Er wußte um ihren Kummer. »Also geht es mal wieder um Susannes Freund«, sagte er. Sie nickte bekümmert.

»Jetzt droht sie sogar, ausziehen zu wollen«, schluchzte sie auf.

»Dann soll sie es doch«, sagte Dr. Norden.

Ellen Fortner sah ihn entsetzt an. »Aber ich kann doch nicht zuschauen, wie sie in ihr Unglück rennt, Herr Doktor.«

»Sie können gar nichts verhindern, Frau Fortner. Susanne ist vierundzwanzig, und je mehr Sie auf sie einreden, desto bockiger wird sie. Andererseits hat sie doch aber im Beruf auch schon gezeigt, wie tüchtig sie ist. Also wird sie am ehesten zur Vernunft kommen, wenn sie die mütterliche Fürsorge und so manche anderen Annehmlichkeiten entbehren muß. Sie müssen dann aber auch konsequent sein und Ihre Taschen zuhalten.«

»Aber wenn Sie diesen Mann nur einmal sehen würden, dann würden Sie auch so denken wie ich, Herr Doktor«, sagte sie leise. »Ich habe es im Gefühl. Ich möchte ihn nie im Hause haben.«

»Das brauchen Sie doch auch nicht«, sagte Dr. Norden.

»Aber was soll ich denn allein in dem großen Haus«, jammerte sie.

»Einen netten Untermieter hineinnehmen, der Ihnen auch eine anständige Miete zahlt, Frau Fortner.«

»In der heutigen Zeit weiß man doch nicht, wem man trauen kann«, sagte sie leise. »Als Frau allein ist man doch wirklich aufgeschmissen.«

»Es gibt nette, anständige Leute, Frau Fortner, und wenn Sie sich dazu entschließen könnten, wüßte ich auch jemanden, dem Sie voll vertrauen können. Es ist ein pensionierter Regierungsdirektor, der seine Wohnung räumen muß, weil das Haus an eine Gesellschaft verkauft wurde und abgerissen wird.«

»Ach, Sie meinen die schöne alte Villa und den Dr. Jacobs. Den treffe ich öfter beim Einkaufen. Ja, das ist ein feiner Mann, immer höflich und zurückhaltend. Für einen Mann ist es wohl noch schlimmer, allein zu sein und für sich selber sorgen zu müssen.«

»Und Sie hätten Susanne gegen­über einen Trumpf in der Hand, Frau Fortner«, sagte Dr. Norden nachdenklich. »Sie dürfen sich jetzt nicht unterkriegen lassen. Ihr Wehwehchen kommt nur daher, weil Sie alles in sich hineinschlucken. Und vielleicht ist dieser Mann gar nicht so unrecht, wie Sie meinen.«

»Er ist ein Angeber, nichts dahinter«, beharrte Ellen Fortner auf ihrer Meinung. »Mir langt es schon, wenn er ›Küß die Hand, gnädige Frau‹ sagt.«

»Andere fühlen sich da geschmeichelt«, sagte Dr. Norden lächelnd.

»Ich aber nicht. Bei uns war es auch üblich, daß den Damen die Hand geküßt wurde, aber gesagt hat man es nicht. Ich bin halt konservativ erzogen. Man wahrt doch sein Niveau.«

»Das hat Dr. Jacobs«, sagte Daniel Norden mit einem Augenzwinkern. »Er ist noch ein richtiger Kavalier!«

»Ja, das ist er. Er ist doch aber hoffentlich nicht kränklich? Wissen Sie, Herr Doktor, nach allem, was ich mit meinem Mann mitgemacht haben könnte ich nicht so bald wieder Krankenpflege übernehmen. Sonst würde ich schon gern für jemanden sorgen. Aber man könnte wohl auch darüber reden«, fügte sie verlegen hinzu.

»Aber ich bitte Sie, Frau Fortner, eine Dame wie Sie.«

»Ich meine nur, daß niemand auf den Gedanken käme, daß ich noch mal heiraten will. Das kommt nämlich überhaupt nicht in Frage.«

»Von einem Mann wie Dr. Jacobs hätten Sie wirklich nichts zu fürchten, Frau Fortner. Er wäre heilfroh, wenn er in dieser Gegend wohnen bleiben könnte.«

»Wohl schon Ihretwegen«, sagte sie nun mit einem kleinen Lächeln. »Wenn man älter wird, hängt man ja an seinem Hausarzt.«

Und auch an seinen Wehwehchen, dachte Dr. Norden nachsichtig, als sie sich verabschiedete, und ihm zu seiner Beruhigung erklärte, daß sie sich an seinen Rat halten wolle.

*

Susanne kam spät nach Hause. Ellen Fortner hatte nicht, wie sonst, gewartet. Der nächste Tag war Samstag, und da schlief Susanne aus.

Es war ein warmer, sonniger Tag, und Ellen hatte den Frühstückstisch auf der Terrasse gedeckt. Es war zehn Uhr, als Susanne erschien.

»Guten Morgen, Mutti«, sagte Susanne verlegen und mit etwas rauher Stimme.

»Guten Morgen, Susi, hast du dich erkältet?« erkundigte sich Ellen besorgt, gern bereit, ihrer Tochter alle Zugeständnisse zu machen.

»Anscheinend«, erwiderte Susanne, »wir haben zu lange draußen gesessen.«

»Und was hast du heute vor?« fragte Ellen beiläufig.

»Ich weiß noch nicht, Peter ruft an. Sei bitte nicht unhöflich, falls du den Hörer abnehmen solltest.«

»Ich fahre jetzt nach Steinebach zu meiner Freundin Kathi«, sagte Ellen. »Vielleicht bleibe ich über Nacht.«

»Nun spielst du die Beleidigte«, sagte Susanne ungehalten.

»Nein, durchaus nicht. Ich habe mir alles durch den Kopf gehen lassen. Wenn du ausziehen willst, lege ich dir nichts in den Weg. Du kannst deine Möbel mitnehmen. Allerdings wirst du mit finanziellen Zuwendungen von mir nicht rechnen können. Ich werde die obere Wohnung dann weitervermieten und vorher renovieren lassen.«

Susanne sah ihre Mutter fassungslos an. »Das ist aber ein schneller Entschluß«, sagte sie. »Aber es freut mich, daß du vernünftig bist. Ich habe auch eine Wohnung in Aussicht, eine sehr hübsche Wohnung, voll möbliert, aber ich müßte dafür zehntausend Euro zahlen.«

Es gab Ellen einen Stich, aber sie schluckte es herunter. »Du kannst ja über dein Geld verfügen«, erklärte sie gelassen. »Ich will keinen Streit. Diese Tür steht dir immer offen. Ich hoffe nur, daß du rechtzeitig erkennst, was gut für dich ist. Ich möchte auch nicht gesagt bekommen, daß ich deinem Glück im Wege stehe.«

Susanne wußte nicht mehr, was sie sagen sollte. Sie war schon wieder auf Vorwürfe gefaßt gewesen. Und als ihre Mutter dann tatsächlich das Haus verließ und nur »Tschüs« sagte, war es ihr geradezu unheimlich.

Ellen Fortner setzte sich in ihren Wagen und fuhr an den Wörthsee. Daß Kathi nicht zu Hause sein könnte, brauchte sie nicht zu fürchten, denn ihre Freundin hatte sich vor drei Wochen das rechte Bein gebrochen und war erst seit ein paar Tagen wieder daheim. Und Ellen wußte auch, daß Kathi Lindner sich über ihren Besuch freuen würde.

Ellen wurde von Kathis Schwiegertochter Ulrike empfangen, einer reizenden jungen Frau.

Es tat ihr richtig wohl, wie Ulli sagte: »Wie schön, daß du kommst, Ellen. Muttel wird sich freuen. Sie tut sich noch arg schwer.«

»Aber du bist bei ihr«, sagte Ellen.

»Ist doch selbstverständlich. Muttel war doch auch immer für uns da. Florian ist auf einer Geschäftsreise, und anschließend machen wir hier dann Urlaub.«

Wenn es bei mir doch auch so sein könnte, dachte Ellen, aber ihre Kümmernisse wollte sie nicht preisgeben.

Kathi saß in einem Lehnstuhl, die Beine hochgelagert. »Na, du treulose Tomate, ich muß mir wohl erst das Bein brechen, damit du mich mal mit einem Besuch beglückst«, wurde Ellen begrüßt. »Aber ich weiß ja, daß du das Wochenende sonst lieber mit Susi verbringst. Macht sie Urlaub?«

»Nein, es tut sich was.«

Kathis Augen blitzten neugierig. »Heiratet sie?«

»Ich hoffe nicht, daß es soweit kommt. Aber davon reden wir später. Du kannst von Glück sagen, daß du eine so liebe Schwiegertochter hast.«

»Ulli ist ein Schatz. Du hast Kummer, Ellen?«

»Sieht man es mir schon an?«

»So ein bißchen, aber darüber können wir reden. Hoffentlich ist das nicht nur eine Stippvisite.«

»Nein, ich würde gern ein bißchen bleiben!«

»Meinetwegen ein paar Wochen«, erwiderte Kathi lachend.

»Bis morgen?« fragte Ellen.

»Es freut mich, meine Gute.«

Sie war herzlich willkommen, da hob sich Ellens Stimmung. Und sie konnte sich bei Kathi dann alles vom Herzen reden, was sie bedrückte.

»Laß sie laufen, Ellen«, sagte Kathi gelassen, »immer an der langen Leine. Eines Tages kommt sie zurück, wenn der Bursche nichts taugt. So dumm ist Susi nicht, daß sie lange draufzahlt, aber manche Mädchen brauchen einfach einen älteren Mann, eine Vaterfigur, wenn sie den Vater früh verloren haben.«

»Der ist aber keine Vaterfigur«, sagte Ellen verächtlich.

»Du bist nicht objektiv«, sagte Kathi sanft. »Ich war es auch nicht, als Florian mir sagte, daß er die Frau fürs Leben gefunden hätte, wo er doch so schwierig war. Und wie angenehm bin ich enttäuscht worden. Beglückt, muß ich sagen. Und bald werde ich Großi. Ulli nennt mich jetzt schon manchmal so. Deshalb muß ich auch schnell wieder auf die Beine kommen.«

»Man sieht aber noch nichts«, wunderte sich Ellen.

»Sie ist aber schon im vierten Monat«, flüsterte Kathi. »Weißt du, sie macht um nichts Trara. Alles geht weiter seinen Gang, aber ich will nicht, daß sie für mich treppauf – treppab springt.«

Und wieder dachte Ellen: Wenn es bei mir doch auch so sein könnte, wenn ich mich auf ein kleines Wesen freuen könnte, und bei diesem Gedanken füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen.

»Nun heul nicht gleich, Ellen«, sagte Kathi. »Nimm nicht alles so tragisch. Die jungen Leute müssen sich die Hörner abstoßen und ihre Erfahrungen machen. Anfangs wissen sie doch alles besser. Mein Gott, was ich mit dem Flori alles mitgemacht habe, und jetzt ist er ein idealer Ehemann.«

»Ach was, Muttel, er hat auch seine Mucken«, warf Ulli ein, die jetzt eingetreten war, »aber die hat wohl jeder, da kommt es nicht auf das Alter an, nur darauf, daß man tolerant ist. Ich möchte keinen Pantoffelhelden.«

*

Daheim saß Susanne und wartete auf Peters Anruf, und sie mußte lange warten. Und dann sagte er, daß es ihm leid täte, aber er säße in Würzburg fest und müsse noch verhandeln.

»Morgen mittag bin ich bei dir, Schätzchen«, sagte er tröstend, »dann gehen wir schick essen. Ich lade deine Mutter auch ein. Versuch es doch mal.«

»Sie ist zu ihrer Freundin gefahren«, erwiderte Susanne kleinlaut, »aber sie legt mir nichts in den Weg. Ich kann die Wohnung nehmen. Am Montag hebe ich das Geld ab.«

»Dann regele ich alles mit Jörg, aber einziehen kannst du gleich, wenn du willst. Ich gebe dir morgen die Schlüssel.«

Und ich werde es Mutti zeigen, daß ich selbständig bin, dachte Susanne trotzig. Ich bin vierundzwanzig Jahre, da haben andere schon ein paar Kinder. Und dann dachte sie daran, daß sie sich das eigentlich auch gewünscht hatte. Ihre Mutter war sechsundzwanzig, als sie zur Welt kam, und eigentlich hatte Susanne das schon ein bißchen alt gefunden. Aber wie schnell gingen die Jahre dahin und sie hatte einfach nicht den Mann gefunden, der ihr hundertprozentig gefallen hätte. Gefiel ihr denn Peter hundertprozentig? Hatte sie auch nicht an ihm einiges auszusetzen? Wenn wir mal heiraten und Kinder kriegen, könnte er schon Großvater sein, dachte sie jetzt, und das war ein unbequemer Gedanke. Aber sie schob ihn von sich. Sie hatte doch immer gesagt, daß ihr der Altersunterschied gar nichts ausmache. Doch jetzt hatte sie viel Zeit, sich ihren Gedanken hinzugeben. Jetzt war sie allein. Und wenn ich dreißig bin, ist Peter sechsundvierzig. Ihr Vater war nur ein Jahr älter gewesen, als er starb. Dieser Gedanke war deprimierender.

Und Mama war gerade erst fünfzig und ist schon sechs Jahre allein, ging es ihr durch den Sinn. Und eigentlich ist sie doch noch eine sehr ansehnliche Frau. Manche Frauen heiraten Männer, die zehn Jahre und mehr jünger sind und werden glücklich mit ihnen.

Die rosaroten Wolken, auf denen Susanne schwebte, wenn sie mit Peter beisammen war, hatten sich aufgelöst. Sie befaßte sich mit nackten Tatsachen. Und ein ganz klein wenig resigniert gestand sie sich dann ein, daß sie es ja gewesen war, die Peter den Vorschlag des Zusammenlebens gemacht hatte.

»Mutti ist daran schuld, daß ich mir solche Gedanken mache«, sagte sie laut vor sich hin. Sie mag Peter nicht. Aber vielleicht ist sie bloß eifersüchtig. Und bis in ihre Träume verfolgten sie diese Gedanken. Aber mochte eine innere Stimme ihr auch Zweifel einreden, noch wehrte sie sich damit dagegen, daß eben ihre Mutter zwischen ihnen stünde.

Und als er dann am Sonntagmittag tatsächlich zur Stelle war, sie in ein exclusives Restaurant zum Essen führte und ihr dann auch noch ein wunderschönes Armband ums Handgelenk legte, schämte sie sich auch des leisesten Zweifels, der in ihr aufgekommen war.

Peter schlug ihr dann vor, daß sie die Nacht doch schon in der neuen Wohnung verbringen könnten, aber das wollte Susanne nicht, und damit hatte Peter insgeheim auch gerechnet. Erst sollte alles in Ordnung sein, meinte sie.

»Morgen hole ich das Geld von der Bank, dann machen wir den Vertrag. Ich hoffe, daß Herr Hammerstedt dann keine weiteren Forderungen stellt.«

»Bestimmt nicht, darauf kannst du dich verlassen. Ich habe alles mit ihm verabredet. Ich werde dann auch gleich Dienstag früh fliegen, damit ich schneller zurück bin, Schätzchen. Und ich hoffe sehr, daß du mit deiner Mutter klarkommst und euer gutes Einvernehmen nicht gestört wird.«