Dr. Norden Bestseller 165 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 165 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Auf der Insel der Hoffnung wurde Katja Delormes Geburtstag gefeiert, und dazu waren auch die Nordens aus München gekommen. Selten genug bot sich ja die Gelegenheit, die ganze Familie an einen Tisch zu bringen. Johannes und Anne Cornelius waren glücklich, einmal wieder alle um sich versammelt zu haben. Natürlich durften auch die engsten Freunde, Isabell und Dr. Jürgen Schöller, nicht fehlen. Aber auch ein neues Gesicht lernten sie kennen. Katja hatte ihre Freundin Constanze Chrissman aus Zürich mitgebracht. Um die Kinderschar brauchte sich niemand zu kümmern. Das besorgte Mario, der Adoptivsohn von Dr. Cornelius. Den Kleinen wäre es auch viel zu langweilig gewesen, bei den Erwachsenen am Tisch zu sitzen. Acht waren es insgesamt im Lauf der Jahre geworden, und auf der Insel bot sich selbst im Herbst genügend Gelegenheit zum Spiel im Freien oder auf der Sonnenterrasse. Zuerst war Connie, wie sie von den Delormes genannt wurde, recht still und zurückhaltend gewesen, aber in dieser fröhlichen Runde taute sie dann auch auf. Fee und Daniel erfuhren, daß sie die Tochter des Internisten Dr. Sebastian Chrissman war, der in der Nähe von Luzern eine Privatklinik besaß, und Katja hatte sich mit ihr angefreundet, als Connie David Delormes Aufmerksamkeit bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung erregt hatte, weil sie sich als eine ungewöhnlich talentierte Pianistin erwies. Sie hatte ihn nicht lange zu bitten brauchen, ihr noch ein paar Privatstunden zu geben. Katja, die schnell einmal eifersüchtig wurde und sich sofort einschaltete, sobald sie Gefahr witterte, konnte sich rasch überzeugen, daß Connie wirklich nur am Klavierspiel interessiert war, sich

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Dr. Norden Bestseller – 165 –

Zur Ärztin geboren

Patricia Vandenberg

Auf der Insel der Hoffnung wurde Katja Delormes Geburtstag gefeiert, und dazu waren auch die Nordens aus München gekommen. Selten genug bot sich ja die Gelegenheit, die ganze Familie an einen Tisch zu bringen. Johannes und Anne Cornelius waren glücklich, einmal wieder alle um sich versammelt zu haben. Natürlich durften auch die engsten Freunde, Isabell und Dr. Jürgen Schöller, nicht fehlen. Aber auch ein neues Gesicht lernten sie kennen. Katja hatte ihre Freundin Constanze Chrissman aus Zürich mitgebracht.

Um die Kinderschar brauchte sich niemand zu kümmern. Das besorgte Mario, der Adoptivsohn von Dr. Cornelius. Den Kleinen wäre es auch viel zu langweilig gewesen, bei den Erwachsenen am Tisch zu sitzen. Acht waren es insgesamt im Lauf der Jahre geworden, und auf der Insel bot sich selbst im Herbst genügend Gelegenheit zum Spiel im Freien oder auf der Sonnenterrasse.

Zuerst war Connie, wie sie von den Delormes genannt wurde, recht still und zurückhaltend gewesen, aber in dieser fröhlichen Runde taute sie dann auch auf.

Fee und Daniel erfuhren, daß sie die Tochter des Internisten Dr. Sebastian Chrissman war, der in der Nähe von Luzern eine Privatklinik besaß, und Katja hatte sich mit ihr angefreundet, als Connie David Delormes Aufmerksamkeit bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung erregt hatte, weil sie sich als eine ungewöhnlich talentierte Pianistin erwies. Sie hatte ihn nicht lange zu bitten brauchen, ihr noch ein paar Privatstunden zu geben.

Katja, die schnell einmal eifersüchtig wurde und sich sofort einschaltete, sobald sie Gefahr witterte, konnte sich rasch überzeugen, daß Connie wirklich nur am Klavierspiel interessiert war, sich damit aber selbst in großen Gewissenskonflikt brachte, weil es der brennende Wunsch ihres Vaters war, daß sie Medizin studieren solle, um ihm später in seiner Klinik zur Seite zu stehen. Connie liebte ihren Vater sehr und wollte ihn nicht enttäuschen. Sie hatte ein glänzendes Abitur gemacht. Sie war ein ernstes, aber ebenso eigenwilliges Mädchen, sie wäre eben bedeutend lieber Pianistin geworden. Und daß sie das Zeug dazu hatte, bewies sie auch am Abend, als sie gespannt lauschende Zuhörer mit ihrem Spiel erfreute und beglückte, denn sie war eine sehr gefühlvolle Interpretin.

»Sehr schade«, sagte David Delorme zu Fee.

»Was ist schade?« fragte sie leise zurück.

»Daß sie nun doch Ärztin wird. Ich fürchte, daß sie dafür nicht so viel Begeisterung mitbringt.«

»Dann sollte sie es lieber lassen und Pianistin werden«, meinte Fee.

»Was ihren Vater tief verletzen würde. Ja, es ist sehr schade, wenn ein junger Mensch zwischen zwei Stühlen gesetzt wird, zwischen Verpflichtung und Neigung entscheiden muß. Es ist nur ein Glück, daß ihr Vater nicht Chirurg ist und ihr auch noch ein Skalpell in die Hand drückt«, fügte er mit leichtem Sarkasmus hinzu.

*

Fee und Daniel Norden sollten Constanze Chrissman bald besser kennenlernen, denn die sollte die letzten Semester in München studieren. In einem sehr höflichen Brief bat Dr. Sebastian Chrissman den jungen Kollegen Dr. Norden, seiner Tochter die Möglichkeit zu geben, auch praktische Erfahrungen zu sammeln.

»Ich glaube, ihr wird es lieber sein, wenn wir sie bitten, Danny Klavierunterricht zu geben«, scherzte Fee.

»Keine schlechte Idee«, hakte Daniel sofort ein. »Er ist sehr musikalisch.«

Und hilfsbereit, wie sie immer waren, wenn ihnen jemand sympathisch war, konnten sie Connie auch eine kleine Wohnung ganz in ihrer Nähe vermitteln, bei Frau Schünemann, deren Sohn auch Arzt war, seine Assistentenzeit aber an einem Krankenhaus in Nürnberg absolvierte.

Carla Schünemann fühlte sich einsam in ihrem hübschen Häuschen und war hocherfreut, als Dr. Norden sie fragte, ob sie die Tochter eines Kollegen aufnehmen würde, die ihr Medizinstudium in München beenden wolle.

»Liebend gern«, sagte sie, »ich weiß ja nicht, was Wolfgang für Pläne hat. Es scheint so, als hätte er jetzt eine feste Freundin, die ihn schon ziemlich an die Kette gelegt hat.«

Ein wenig bekümmert klang das schon, aber Dr. Norden kannte Frau Schünemann schon lange und als eine Mutter, die ihrem einzigen Sohn bestimmt keine Steine in den Weg legen würde.

So kam Connie nach München, und schon bald wußte Fee Norden, wie tief der Konflikt in dem Mädchen wurzelte, wie schwer sie daran trug und wie sie sich doch mühte, mit ihren Problemen fertig zu werden.

Glücklich war Connie dann, als Fee sie fragte, ob sie den Kindern Klavierunterricht erteilen wolle. Fee spürte deutlich, wie sie sich darüber freute. Es folgte darauf ein sehr aufschlußreiches Gespräch mit Connie, das von Fee sehr diplomatisch eingeleitet wurde.

»Man sagt ja den Ärzten nach, daß die meisten sehr musikalisch wären«, begann sie. »Wir, mein Mann und ich, beschränken uns darauf, interessierte und kritische Zuhörer zu sein, aber wir kennen eine ganze Anzahl Kollegen, die sich zur Hausmusik zusammenfinden, und das wäre doch dann auch für Sie ein Ausgleich, Connie.«

Connie blickte sie nachdenklich an. Ihre Augen hatten einen in sich gekehrten Ausdruck. »Ich lasse es mir gefallen, wenn ein guter Arzt einen Ausgleich in der Musik sucht«, meinte sie, »aber ein guter Musiker kann nebenbei kaum ein einigermaßen guter Arzt sein. Und wenn ich erst in Papas Klinik gelandet bin, werde ich zum Musizieren kaum noch Gelegenheit haben. Ich habe nun einmal das Pech, sein einziges Kind zu sein, Fee, und ich bin sein ein und alles. Ich kann ihn nicht enttäuschen. Ich kann ihm nur noch den Gefallen tun, einen Schwiegersohn ins Haus zu bringen, der auch ein guter Arzt ist.«

»Sie verspüren also gar keine Neigung, Ärztin zu werden, Connie?« fragte Fee bestürzt.

»Es ist ein wunderbarer Beruf, aber es ist nicht gut, wenn er einem sozusagen schon mit der Muttermilch eingeflößt wird.«

»Sie haben das Physikum glänzend bestanden, Connie«, sagte Fee nachdenklich.

»Ich habe auch die Schule glänzend überstanden«, erwiderte die Jüngere. »Ich bin mit einem hohen Intelligenzquotienten gesegnet.« Das klang durchaus nicht arrogant, eher bitter. »Mein Vater ist ein glänzender Arzt, meine Mutter war eine sehr gute Ärztin, aber sie starb dennoch, keine vierzig Jahre alt, und sie hatte keine Ahnung, welche tödliche Krankheit sie in sich trug. Und mir graut bei dem Gedanken, Menschen sagen zu müssen, daß sie unheilbar krank sind. Für mich ist nur eine Welt in Ordnung, die Welt der Musik.«

*

»Ob man Dr. Chrissman doch nicht einmal klarmachen sollte, daß Connie unglücklich wird«, sagte Fee zu ihrem Mann, als Connie nun schon ein paar Wochen bei ihnen ein und aus ging und auch von den Kindern voll akzeptiert wurde. Danny machte so schnelle Fortschritte im Klavierunterricht, daß er seine Eltern verblüffte, und selbst Felix und die kleine Anneka spielten schon recht hübsch, vom Ehrgeiz besessen, Danny Konkurrenz zu machen.

»Was ich von Paps weiß, predigt man da tauben Ohren und bekommt nur zu hören, daß er wisse, daß seine Tochter zur Ärztin geboren sei und man ihr nur eingeredet hätte, daß sie eine gute Pianistin würde. Er hat eine ziemliche Wut auf David, weil der mit ihm gesprochen hat. Ich mische mich da nicht ein, Fee. Außerdem habe ich von Professor Stromberg gehört, daß Connie den meisten Kommilitonen voraus sei, obgleich sie jünger ist als die meisten anderen.«

»Sie hat einen hohen Intelligenzquotienten«, sagte Fee lächelnd. »Wahrscheinlich hätte sie auch jeden anderen Beruf ergreifen können und sich den Gegebenheiten angepaßt. Mir ist jedenfalls noch nie jemand untergekommen, der die ganze Schulzeit über glatte Einserzeugnisse heimgebracht hat, und ich, für meine Person, bin ganz froh, daß ich nie so ein Genie war. Bei so einer Frau muß ja jeder normale Mann kapitulieren.«

»Und was hat sie davon? Sie wird an einen Mann gewaltige Ansprüche stellen und ist im Inneren doch nur ein unglücklicher, unzufriedener Mensch.«

»Ich kenne sie schon ein bißchen besser, Daniel«, sagte Fee. »In der Musik entrückt sie der Welt, die Medizin bringt sie auf den Boden der Tatsachen zurück.«

»Eine seltsame Kontroverse«, meinte er.

»Eine seltsame Mischung«, sagte Fee, »sie ist nämlich außerdem ein ganz bezauberndes, liebenswertes Mädchen. Du mußt sie mal beobachten, wie sie mit den Kindern umgeht. Mich wundert es nicht, daß sie plötzlich so gern an unserem verwaisten Flügel sitzen.«

»Jetzt ist er ja auch wieder gestimmt«, lachte Daniel.

*

Weihnachten wollte Connie bei ihrem Vater verbringen, und Dr. Chrissman hatte die ganze Familie Norden eingeladen, von seinem Ferienhaus im Wallis Gebrauch zu machen.

»Das wäre toll, Papi«, sagte Danny begeistert.

»Ich wäre auch nicht abgeneigt, wenn ich eine Vertretung bekommen würde«, sagte Daniel. »Aber ich habe zuviel Patienten, die häusliche Betreuung brauchen, und die meisten Kollegen verreisen auch über die Feiertage.«

»Und du mußt immer da sein«, knurrten die Kinder. »Das ist ungerecht.«

»Vielleicht können wir in den Osterferien von dieser netten Einladung Gebrauch machen«, meinte Daniel. »Da liegt auch noch Schnee, und ich kann mich rechtzeitig um eine Vertretung kümmern. Jetzt ist doch alles ein bißchen überstürzt.«

»Und Ostern ist wieder was anderes los«, meinte Danny unwillig.

»Weihnachten sind wir doch auf der Insel«, tröstete Fee.

»Und mit Omi und Opi ist es am allerschönsten«, sagte Anneka. Dagegen hatte niemand etwas zu sagen, und Connie meinte dann auch, daß es Ostern im Wallis sicher noch schöner sei.

»Vielleicht kann ich dann inzwischen ein bißchen mithelfen in der Praxis, wenn Sie eine Vertretung finden«, sagte sie verlegen. »Ein bißchen hat mich Loni schon eingeweiht.«

Ja, sie bemühte sich, praktische Erfahrungen zu sammeln, weil ihr Vater es ja so sehr wünschte, und mit Dr. Norden und Loni machte es ihr sogar Spaß.

»Ihr Wissen ist immens«, sagte Daniel anerkennend zu Fee, »können könnte sie fast alles, wenn sie nur wollte. Aber da ist eine Sperre, die sie sich selbst geschaffen hat.«

»Der Zwiespalt zwischen Musik und Medizin«, sagte Fee. »Nur den Anfangsbuchstaben hat beides gemeinsam.«

»Wenn man es ganz genau nimmt, gibt es mehr Gemeinsamkeiten, Liebes. Der Musiker braucht sensible Hände, wie der Mediziner auch.«

Sie blinzelte schräg zu ihm herüber. »Und wie manche Musiker nur ihre Lippen gebrauchen, haben manche Mediziner auch keine sensiblen Hände«, sagte sie.

»Du nimmst es wirklich zu genau. Bei Connie ist es jedenfalls so: Sie will es nicht, also kann sie es auch nicht, wenngleich auch alles dafür spricht, daß sie es eben könnte, wenn sie nur die richtige Einstellung gewinnt. Guter Gott, gibt es denn unter all den Medizinstudenten nicht einen einzigen, der sie begeistern könnte für den Beruf, der sie mitzieht und ihre Komplexe austreibt?«

»Es scheint nicht so. Frau Schünemann sagte mir jedenfalls neulich, daß sie es nicht für möglich gehalten hätte, daß ein modernes Mädchen so solide sein könnte. Nicht ein einziges Mal ist sie bisher abends ausgegangen, abgesehen davon, daß sie ein paarmal mit Frau Schünemann in der Oper oder in einem Konzert war. Zuhause hört sie nur Schallplatten, und nun hat Frau Schünemann ihr altes Klavier auch stimmen lassen, damit sie darauf spielen kann. Ihr Sohn spielt ja Cello.«

»Na, dann wäre doch wenigstens schon ein Duett beisammen«, meinte Daniel schmunzelnd.

»Wolfgang ist doch in Nürnberg. Und anscheinend kommt er auch nicht mehr nach Hause, oder doch nur vorübergehend. Jedenfalls hat Frau Schünemann das angedeutet. Sie ist sehr glücklich, daß Connie bei ihr wohnt.«

*

Dr. Wolfgang Schünemann hatte jedenfalls die Absicht, wenigstens das Weihnachtsfest bei seiner Mutter zu verbringen, doch dagegen erhob eine gewisse Lo heftige Einwände.

Sie war zwei Jahre älter als er, Anästhesistin, sehr selbstbewußt und sehr ehrgeizig.

Und außerdem bestimmte sie, was gemacht werden sollte, und ihre Clique machte mit.

Diese Clique behagte Wolfgang Schünemann nicht, aber gegen Lo Frenzen kam er nicht an.

»Wir fahren auf die Hütte«, sagte sie im Kommandoton, »das ist vorgeplant.«

»Ohne mich«, begehrte er auf.

Sie kniff die Augen zusammen. »Wenn du nicht mitkommst, wenn du mich so brüskierst, ist es aus.«

»Was ist aus?« fragte er, erstaunt über sich selber.

»Alles. Zwischen uns ist es aus«, zischte sie.

»Ich verbringe das Weihnachtsfest bei meiner Mutter. Dann kann ich ja nachkommen.«

»Entweder verbringst du das Weihnachtsfest mit mir, oder du kannst bleiben, wo der Pfeffer wächst«, sagte sie spöttisch.

»Du und die Clique«, sagte er unwillig. »Du kannst ja mit zu meiner Mutter kommen.«

Sie lachte blechern auf. »Das fehlte mir gerade noch. Reiß dich doch endlich mal vom Schürzenband los. Du bist ja nicht mal richtig abgenabelt, Wolf. Du Muttersöhnchen.«

Er starrte sie an. »Ich lasse mir nicht alles kaputt machen, Lo«, sagte er eisig. »So nach und nach ist es dir ja gelungen, mir alle Illusionen zu zerstören, aber meine Mutter bedeutet mir zuviel, und diese Clique ekelt mich an, damit du es weißt.«

»Dann such dir ganz schnell eine neue Stellung«, schrie sie ihn unbeherrscht an.

»Ja, das wird das Beste sein«, erwiderte er entschlossen, und dann fragte er sich, was denn so plötzlich in ihn gefahren sei. War es daher gekommen, weil Lo diese arme, alte Frau heute vor der Operation so angefahren hatte? Hatte das den Krug zum Überlaufen gebracht, oder hatte er sich über Wochen hinweg etwas eingebildet, was nie vorhanden gewesen war?

Lo war eine attraktive Frau, und sie konnte sehr charmant sein. Aber manchmal hatte er sie eben auch ernüchternd erlebt. Er hatte das entschuldigt, weil sie oft wirklich überarbeitet war, denn ihren Dienst erfüllte sie korrekt. Im Beruf ließ sie sich nichts nachsagen. Da hatte sie sich schon ein Prestige geschaffen, das niemand anzutasten wagte. Er hatte sie bewundert. Er war glücklich gewesen, als sie ihn bevorzugte. Sollte das plötzlich vorbei sein? Wieso sah er sie jetzt in einem andern Licht?

Was hatte sie doch gesagt? »Mit achtzig Jahren noch ein künstliches Hüftgelenk, so ein Schmarrn!«

»Immerhin ist sie Privatpatientin«, hatte Schwester Traude gesagt.

»Na, dann ist es ja was anderes«, hatte Lo erwidert.

»Du kannst dich jetzt entscheiden, Wolfgang«, sagte sie, »du mußt dich entscheiden. Ein Wort von mir beim Chef genügt, und du kannst deine Assistentenzeit als beendet betrachten.«

»Ich gehe von selbst«, sagte er, »und du kannst ja den Chef mit auf die Hütte nehmen.«

Das war ihm herausgerutscht, aber damit hatte er sie an einer sehr empfindlichen Stelle getroffen. »Scher dich zum Teufel«, herrschte sie ihn an. »Du Niemand, was erlaubst du dir eigentlich?«

Da drehte er sich um und ging.

*

Carla Schünemann war glücklich, als ihr Sohn kam. Am Tag zuvor war Connie zu ihrem Vater gefahren, und sie hatte sich entsetzlich einsam gefühlt. Aber nun war Wolfgang da, und alles war gut.

»Freu dich nicht zu sehr, Mutti«, sagte er.

»Ich muß mir eine neue Stellung suchen.«

»Warum? Ist etwas passiert?« fragte sie. »Du hast dir doch nichts zuschulden kommen lassen?«

»Ich hatte es satt.«

Es ist wegen dieser Frau, dachte sie mit mütterlichem Instinkt, aber sie verlor kein Wort darüber.

»Warum solltest du keine Stellung finden, die dir zusagt«, meinte sie. »Am Hungertuch brauchen wir ja nicht zu nagen.«

»Ich möchte dir nicht auf der Tasche liegen, aber ein bißchen was habe ich gespart.«

»Nun mach mal ’nen Punkt, Junge. Wenn es auch nicht für eine Praxiseinrichtung reicht, aber ich möchte doch wünschen, daß du eine Stellung findest, die deinen Vorstellungen entspricht.«

»Vor allem eine, wo keine Cliquenwirtschaft herrscht. Ich habe dir von Lo geschrieben, Mutti. Vergiß es.«

»Schmerzt es?« fragte sie leise.

»Die Art, der Ton, sagen wir, ein sehr schriller Mißton. Aber es ist nicht wert, daß wir darüber diskutieren. Es ist gut, wenn einem beizeiten Augen und Ohren aufgehen.«

Dann ging er durch das Haus, fühlte sich wieder zuhause. »Oh, was sehe ich, das Klavier hat einen anderen Platz bekommen«, stellte er fest.

»Connie spielt«, erwiderte Carla. »Im kleinen Zimmer klingt es nicht so schön.«

»Wo ist sie, deine Connie?« fragte er.

»Sie ist gestern zu ihrem Vater gefahren. Sie spielt wunderschön, Wolfgang. Sie ist eine große Künstlerin.«

»Ich denke, sie studiert Medizin«, sagte er verwundert.

»Weil es ihr Vater will.«

»Nur, weil es der Vater will? Und die werden dann auf die armen Patienten losgelassen? Ich glaube, du hast dich auch einseifen lassen, Mutti.«

»Ach was, du spielst doch auch Cello, und zwar sehr gut.«

»Ich bin lange nicht mehr dazu gekommen«, sagte er nachdenklich.

»Dann wird es aber Zeit. Ich bin es jetzt gewohnt, daß hier musiziert wird!«

*

Zwei Tage vor Weihnachten traf Fee mit Carla Schünemann beim Einkaufen zusammen, und so erfuhr sie, daß Wolfgang zu Hause war.

»Dann sind Sie ja nicht allein, Frau Schünemann«, freute sie sich. »Allerdings hatte ich das Gefühl, daß Connie auch lieber hiergeblieben wäre!«

»Wir haben uns gut zusammengelebt«, sagte Carla. »Hoffentlich bleibt das so, wenn Wolfgang nun auch hierbleiben wird.«

»Hat er hier eine Stellung bekommen?« fragte Fee.

»Noch nicht, aber er sucht eine. Es war wohl etwas Privates, das ihn veranlaßte, zu Muttern zurückzukehren.« Sie lächelte flüchtig, dann aber sagte sie stockend: »Falls Sie mal was hören sollten, Frau Norden, wäre Wolfgang sicher dankbar für eine Vermittlung. Er ist ein guter Arzt, aber für einen so unpersönlichen Krankenhausbetrieb wohl doch nicht geschaffen.«

Mit Fee konnte sie darüber sprechen, das wußte sie. Und Fee hatte da auch gleich eine Idee, aber darüber wollte sie erst mit ihrem Mann sprechen.

»Probieren könntest du es doch mal mit Wolfgang Schünemann, Daniel«, meinte sie. »Dann können wir ein paar Tage länger auf der Insel bleiben. Und wenn auf ihn Verlaß ist, könntest du ihn dann als Vertretung einsetzen, wenn wir Urlaub im Wallis machen.«

»Erst einmal abwarten, ob er interessiert ist, Fee«, meinte Daniel. »Aber fragen kostet ja nichts.«

Mit so viel freudiger Zustimmung, wie Wolfgang sie ihm entgegenbrachte, hatte er nicht gerechnet.

»Daß gerade Sie mir Vertrauen schenken, hilft mir sehr«, sagte er dankbar. »Hoffentlich sind Ihre Patienten dann auch mit mir einverstanden.«

»Das liegt ganz bei Ihnen, Kollege«, sagte Dr. Norden. »Man muß Zeit für sie haben. Man muß sich manchmal auch nebensächliche Dinge anhören, die den Kranken aber wichtig erscheinen. Es ist anders als in einem Krankenhaus, wo man von einem Zimmer ins andere rennt.«

»Und wo man einen Anranzer bekommt, wenn man sich mit einem Patienten auch mal länger unterhält. Und wenn man sich gar nicht allen anpaßt, wird man zum Außenseiter.«