Dr. Norden Bestseller 177 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 177 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Dr. Andreas Burkhard, Studienrat für Mathematik und Physik, stand vor seiner Klasse und verteilte die Schulaufgaben. »Jetzt dürft ihr euch auf die Hosenböden setzen«, sagte er mit erzwungener Ruhe, weil ein dunkles Augenpaar ihn unverwandt anblickte. »Dieses Ergebnis kann ich nur als miserabel bezeichnen.« »Sie war zu schwer«, sagte Thilo Rimstig. »Du brauchst dich nicht zu beklagen«, erwiderte Dr. Burkhard. »Die einzige Zwei. Und mir braucht ihr keinen Vorwurf zu machen. Ich mache die Aufgaben nicht.« Sein Tonfall drückte aus, was ihn störte. Er wußte, daß die Schüler der zwölften Klasse manchmal überfordert waren, aber für eine sah er besonders schwarz, und ihm behagte es nicht, daß dies ausgerechnet Iris van der Bourg war. Ihr gab er die Zettel wortlos und wich diesen samtdunklen Augen aus. Sie zuckte die Schultern und setzte sich. Als sie die Fünf sah, lächelte sie hintergründig. Dann läutete es. »Schönes Wochenende dennoch«, sagte Dr. Burkhard und verließ das Klassenzimmer fast überstürzt. Thilo beugte sich über die Schulter der hübschen Iris. »Ist ja nur eine Fünf«, sagte er anzüglich. »Da hast du wohl im letzten Augenblick noch abgeschaut und ein paar Korrekturen vorgenommen.« »Blödmann«, stieß sie hervor. »Soll ich dir Nachhilfe erteilen?« fragte er. »Du wärest der Richtige«, erwiderte sie schnippisch. Dann raffte sie ihre Sachen zusammen und ging. Thilo drehte sich um und sagte anzüglich: »Sie denkt wahrscheinlich, daß Burki ihr eine Zwei zaubert, wenn sie ihm einheizt.« »Sei nicht so gemein, Thilo«, sagte Peter Breul. »Burti ist ein dufter Lehrer. Er will doch für uns das Bestmögliche herausholen.« Iris hatte Dr. Burkhard nachlaufen wollen, aber er war

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Dr. Norden Bestseller – 177 –

Ein Weg ins Ungewisse

Patricia Vandenberg

Dr. Andreas Burkhard, Studienrat für Mathematik und Physik, stand vor seiner Klasse und verteilte die Schulaufgaben.

»Jetzt dürft ihr euch auf die Hosenböden setzen«, sagte er mit erzwungener Ruhe, weil ein dunkles Augenpaar ihn unverwandt anblickte. »Dieses Ergebnis kann ich nur als miserabel bezeichnen.«

»Sie war zu schwer«, sagte Thilo Rimstig.

»Du brauchst dich nicht zu beklagen«, erwiderte Dr. Burkhard. »Die einzige Zwei. Und mir braucht ihr keinen Vorwurf zu machen. Ich mache die Aufgaben nicht.«

Sein Tonfall drückte aus, was ihn störte. Er wußte, daß die Schüler der zwölften Klasse manchmal überfordert waren, aber für eine sah er besonders schwarz, und ihm behagte es nicht, daß dies ausgerechnet Iris van der Bourg war.

Ihr gab er die Zettel wortlos und wich diesen samtdunklen Augen aus. Sie zuckte die Schultern und setzte sich. Als sie die Fünf sah, lächelte sie hintergründig.

Dann läutete es. »Schönes Wochenende dennoch«, sagte Dr. Burkhard und verließ das Klassenzimmer fast überstürzt.

Thilo beugte sich über die Schulter der hübschen Iris. »Ist ja nur eine Fünf«, sagte er anzüglich. »Da hast du wohl im letzten Augenblick noch abgeschaut und ein paar Korrekturen vorgenommen.«

»Blödmann«, stieß sie hervor.

»Soll ich dir Nachhilfe erteilen?« fragte er.

»Du wärest der Richtige«, erwiderte sie schnippisch. Dann raffte sie ihre Sachen zusammen und ging.

Thilo drehte sich um und sagte anzüglich: »Sie denkt wahrscheinlich, daß Burki ihr eine Zwei zaubert, wenn sie ihm einheizt.«

»Sei nicht so gemein, Thilo«, sagte Peter Breul. »Burti ist ein dufter Lehrer. Er will doch für uns das Bestmögliche herausholen.«

Iris hatte Dr. Burkhard nachlaufen wollen, aber er war schon im Lehrerzimmer verschwunden. Die Studienassessorin Ricarda Keller kam die Treppe herunter.

»Wollten Sie mich sprechen, Iris?« fragte sie freundlich.

Iris bewies Geistesgegenwart. Sie nickte. »Ich habe Mathe mal wieder verhauen. Könnten Sie mir vielleicht einen guten Nachhilfelehrer nennen?«

»Nicht aus dem Stegreif, Iris. Ich lasse es mir durch den Kopf gehen. Aber immerhin können Sie durch Sprachen ausgleichen.«

»Sie kennen ja meinen Vater«, sagte Iris mit einem Unterton, der Ricarda nicht gefiel, aber sie konnte sich beherrschen.

»Wir werden das schon hinbringen, Iris«, sagte sie.

»Danke«, sagte das Mädchen, aber ihre Lippen wölbten sich spöttisch.

Sie ist ein richtiges kleines Biest, dachte Ricarda, aber sie mußte ja gute Miene machen, denn der allmächtige Bankier Carlo van der Bourg spielte in ihrem Leben eine nicht unbeträchtliche Rolle. Nicht in privater Hinsicht, aber zufällig waren sie Nachbarn, und der Vater von Iris war schon längst darauf aus, Ricardas Elternhaus, eine alte Villa, zu erwerben.

Als Ricarda das Lehrerzimmer betrat, herrschte dort ein rechtes Durcheinander. Jeder redete mit jedem, und keiner von den Lehrern hatte Grund zur Freude.

»Es ist ein Skandal«, sagte Direktor Huber. »Ein Oberstudienrat ist gleichzeitig Kneipenwirt. Das wird einen Wirbel geben. Jetzt wissen wir wenigstens, warum er so oft krank ist.«

Dr. Burkhard sprang auf. »Es ist doch keine Kneipe, es ist ein anständiges Lokal, und es gehört seiner Frau«, sagte er. »Und bevor man jemanden verleumdet, sollte man sich erst einmal erkundigen, ob Schneiders nicht wirklich krank ist.«

Huber starrte ihn an. »Was wissen Sie, heraus mit der Sprache!« stieß erwütend hervor.

»Ich weiß nur, daß der Vater von Frau Schneiders gestorben ist und sie das Lokal weiterführen will. Schließlich haben sie vier Kinder, und wenn Schneiders vorzeitig pensioniert werden muß, haben sie wenigstens noch eine Existenz. Frau Schneiders ist jedenfalls eine sehr tüchtige Frau, und ich kann die Kollegen nur auffordern, einmal beim ›Alten Wirt‹ zu essen, um sich davon zu überzeugen, bevor ein Kollege verleumdet wird.«

Dann herrschte betroffenes Schweigen, bis Ricarda sagte: »Schneiders ist krank. Ich habe ihn gestern gesehen. Er sieht zum Erbarmen aus.«

Und dann sagte ein junger Referendar: »Ich wäre froh, wenn meine Frau eine gutgehende Gastwirtschaft erben würde. Aber mein Schwiegervater ist leider nur ein schlechtbezahlter Postbeamter. Mahlzeit allerseits.«

»Ein Ton reißt bei uns ein, den ich nicht billigen kann«, sagte Direktor Huber. »Aber wir wollen uns nicht aufhalten. Das Wochenende steht bevor.«

Ricarda verließ neben Andreas Burkhard das Lehrerzimmer.

»Nett von Ihnen, daß Sie Schneiders die Stange gehalten haben, Andreas«, sagte sie.

»Danke gleichfalls«, erwiderte er.

»Ich weiß, daß er sehr krank ist«, sagte sie leise. »Seine Frau weiß es auch. Aber er weiß es nicht, und man kann ihm doch nicht nahelegen, seine Pensionierung selbst einzureichen. Er ist vierzig Jahre.«

»Sie meinen, daß er nicht mehr gesund wird?« fragte Andreas bestürzt.

»Es sieht so aus. Aber das sage ich Ihnen nur ganz im Vertrauen.«

»Wie kann man ihm helfen?« fragte er.

»Sie haben ihm doch schon geholfen. Was könnten wir jetzt sonst noch tun?«

»Wissen Sie zufällig, von welchem Arzt er betreut wird?«

»Von Dr. Norden. Ein sehr guter Arzt. Kann ich Ihnen auch empfehlen, falls Sie mal einen brauchen sollten. Sie sehen ziemlich angegriffen aus.«

»Mich schlaucht es nur, daß die Zwölfte in Mathe nicht besser wird.«

»Die Auslese findet statt«, sagte Ricarda sarkastisch.

»Die kleinen Einsteins sollen herangezüchtet werden. Und im Zeichen der Gleichberechtigung sollen auch die Mädchen mithalten. Hat Iris Sie eigentlich schon gebeten, ihr Nachhilfe zu geben?«

Sie sagte es ganz beiläufig, aber er wurde verlegen. »Das geht doch gar nicht. Wenn sie dann bessere Noten schreibt, heißt es, daß sie bevorzugt wird.«

»Das wird Herr Bankdirektor van der Bourg voraussetzen. Schließlich ist Iris ein ganz besonderes Mädchen, nämlich seine einzige Tochter, und nachdem der Sohn in seinen Augen schon ein Blindgänger ist, darf sie ihn nicht enttäuschen. Aber auch in Anbetracht dessen, mißverstanden zu werden, lieber Kollege, möchte ich Ihnen raten, sehr vorsichtig zu sein, denn Iris ist die Tochter ihres Vaters.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Sie weiß ihre Vorteile zu nutzen, und die liegen unbestreitbar in ihrer Anziehungskraft. Man tuschelt schon darüber, wie sie Ihnen zu gefallen sucht.«

»Wer tuschelt darüber?« fragte er gereizt.

»Die jungen Männer der Zwölften. Als Buben kann man sie ja nicht mehr bezeichnen. Und ich kann nur sagen, daß ich auch so einiges mitmache, Andreas, wenn man darauf auch nicht so viel Augenmerk richtet, da ich schließlich wenigstens sieben Jahre älter bin als diese Burschen. Auch als Frau hat man es nicht leicht.«

»Aber Sie nehmen es anscheinend leicht«, sagte Andreas.

»Durchaus nicht. Ich bin meiner selbst nur sicher.«

Seltsamerweise fühlte er sich von ihr durchschaut, obgleich er überzeugt gewesen war, daß niemand es bemerkt haben konnte, wie verliebt er in Iris van der Bourg war, schon, als er vor einem Jahr zum ersten Mal diese Klasse übernommen hatte, und sie so dicht vor ihm saß, und ihn mit ihren großen dunklen Augen anblickte. Und er hatte ein paar Zahlen ausgebessert, damit sie wenigstens eine Fünf bekommen konnte, denn eigentlich hatte kein Ergebnis gestimmt.

Und Iris hatte das natürlich bemerkt.

*

Man aß im Hause van der Bourg nicht zu Mittag, es wurde gespeist, fürstlich gespeist, obgleich Melitta van der Bourg eigentlich auf ihre Figur achten mußte und Carlo van der Bourg sehr kritisch bemerkte, daß seine Frau aus allen Fugen geriet.

»Findest du nicht, daß du zu dick wirst?« bemerkte er höchst drastisch, und sofort ließ sie den Löffel fallen, obgleich das Dessert ganz köstlich schmeckte.

»Laß Mama doch essen«, sagte Iris anzüglich. »Sie gleicht damit Konflikte aus. Es würde dir doch nicht gefallen, Papa, wenn dir eine launische Superschlanke gegenübersitzen würde.«

»Dein bissiger Humor ist herzerfrischend, Iris«, bemerkte er. »Ich kann ja dich anschauen. Du wirst immer hübscher. Jedoch hoffe ich auch, daß deine schulischen Leistungen nicht darunter leiden.«

»In Mathe habe ich leider eine Fünf, Papa«, sagte Iris, »aber ich dachte mir, daß wir Dr. Burkhard und die Keller zu meinem Geburtstag einladen könnten. Sie ist meine Klassenlehrerin und er mein Mathelehrer.«

Carlo van der Bourg runzelte die Stirn. »Und was versprichst du dir davon?«

»Mein lieber Papa ist doch so loyal«, sagte sie. »Die Keller ist dir verpflichtet, und Burkhard ist einfach ein netter Mensch. Wenn man dem ein bißchen freundlich entgegenkommt, kann man allerhand erreichen.«

»Du bist frivol, Iris«, sagte Melitta van der Bourg empört. »Zu meiner Zeit…«, weiter kam sie nicht, denn sie wurde sogleich von ihrer Tochter unterbrochen.

»Zu deiner Zeit, liebe Mama, wurden höhere Töchter darauf dressiert, zu heiraten und Kinder in die Welt zu setzen. Aber du hast eben nur eine Tochter zustande gebracht.«

»Ich muß doch sehr bitten«, ereiferte sich Melitta.

»Darin hat Iris ja nun wirklich recht«, sagte Carlo van der Bourg, »aber ich lege Wert darauf, daß meine Tochter studiert, und dazu braucht sie ein gutes Abitur.«

»Sie könnte heiraten«, warf Melitta ein. »Dazu braucht sie nicht zu studieren.«

»Wenn ich einen Sohn hätte, wäre mir das egal, aber ich möchte mein Lebenswerk nicht mal einem x-beliebigen Mann hinterlassen, und wenn Iris mal heiratet, soll sie ihrem Mann auf die Finger schauen können.«

»Worauf du dich verlassen kannst, Papa«, sagte Iris. »Und es bleibt doch dabei, daß ich zum Geburtstag den Sportwagen bekomme? Meine lieben Klassenkameraden werden kopfstehen, wenn ich damit zum Skilager anreise.«

»Das wirst du nicht erlauben, Carlo«, sagte Melitta schrill.

Er zog die Augenbrauen hoch. »Ich bin sowieso gegen diesen Unfug. Du kannst in dieser Zeit nach St. Moritz gehen, Iris.«

»Ich will aber nicht. Es ist lustig, wenn wir alle beisammen sind. Es ist sowieso das letzte Mal. Und wenn ich mich ausschließe, sind alle sauer auf mich. Übrigens wird unsere Klasse von Dr. Burkhard und der Keller betreut. Und mit deinem bezwingenden Charme, Papa, wirst du es bestimmt erreichen, daß sie ganz besonders gut auf mich aufpassen. Deshalb will ich sie ja auch zu meinem Geburtstag einladen.«

»Die Rimstigs kommen aber auch«, sagte ihr Vater, »und André wird auch kommen.«

»André?« fragte Iris.

»André von Oppin, der Neffe von Rimstig. Jung, gutaussehend, reich.«

»Wie erfreulich«, sagte Iris spöttisch, »und adlig dazu.«

»Wozu soll Iris eigentlich noch studieren?« fragte Melitta naiv.

Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu. »Ich hoffe, daß Iris nicht nur den Ehrgeiz hat, sich den ganzen Tag mit irgendwelchen Klatschgeschichten zu befassen und dabei fett zu werden«, sagte er gereizt, worauf Melitta aufstand und hinauseilte.

»So grob brauchst du auch nicht gleich zu werden, Papa«, sagte Iris.

»Mir platzt der Kragen«, knurrte er. »Sie sollte mal auf eine Schönheitsfarm gehen. Frau von Oppin ist eine sehr attraktive Frau und dabei älter als deine Mutter.«

»Ich werde ihr zureden, Papa«, sagte Iris sanft. Sie wollte ihn bei Laune halten. »Du hältst dich ja auch jung.«

»Also meinetwegen kannst du deine Lehrer einladen. Zu meiner Zeit war das ja nicht gestattet, aber es hat sich vieles gelockert.«

»Gott sei Dank.«

»Ist da etwas zwischen der Keller und diesem Burkhard?« fragte er beiläufig.

»O nein, das glaube ich nicht«, erwiderte Iris hastig. Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht, und das würde ihr auch gar nicht in den Kram passen.

Sie ging zu ihrer Mutter, die jetzt nicht mehr weinte, aber verbittert vor sich hin starrte.

Iris verdarb es mit keinem Elternteil. »Mußt es nicht so tragisch nehmen, Mama«, sagte sie. »Papa will eben eine hübsche Frau haben, die sich elegant kleidet.«

»Tue ich das nicht? Sind das nicht die teuersten Sachen?«

Iris seufzte. »Du hast eben nicht mehr die Figur dafür, das weißt du doch selbst. Mach doch eine Kur, laß dich auf jung trimmen, damit Papa die Augen übergehen. Du mußt auch bedenken, daß er in einem gefährlichen Alter ist und noch sehr gut aussieht. Da werden ihm Avancen von jungen Frauen gemacht.«

Melitta kniff die Augen zusammen. »Er wird sich in acht nehmen. Eine Scheidung käme ihm doch zu teuer.«

»Ich rede ja nicht von Scheidung, Mama, nur davon, daß du mehr auf dich achtest.«

»Er hat sich hinter dich gesteckt, daß ich mal für ein paar Wochen verschwinde«, jammerte Melitta. »Meinst du etwa, ich merke nicht, daß er hinter der Keller her ist?«

»Sei doch nicht so töricht, Mama. Er will das Grundstück. Diese alte Bude paßt ja wirklich nicht mehr in diese Gegend.«

Von einer alten Bude konnte man wahrhaftig nicht reden. Es war eine gepflegte kleine Villa aus der Gründerzeit mit Erkerchen und Holzbalkonen, und der Garten war sehr gepflegt. Man konnte sagen, daß Ricarda Keller und ihrer jüngeren Schwester Susanne die protzige Nachbarschaft auch nicht gerade angenehm war, denn nicht allein die van der Bourgs hatten einen Prachtbungalow da hineingesetzt, wo früher. Überall fielen solche Häuser dem Fortschritt zum Opfer, wurde wieder ein Stück Romantik zerstört.

Der pensionierte Studiendirektor Keller war mit seiner Frau aufs Land gezogen. Sie waren Naturapostel und wollten Gemüse und Obst biologisch züchten, aber die beiden Tochter hatten darauf bestanden, das Haus zu behalten, das ihnen ohnehin schon überschrieben worden war, und da sie sich blendend verstanden, war ihnen auch nachgegeben worden.

»Setzt ihr euch mit diesen Snobs auseinander«, war der einzige Kommentar des Vaters gewesen. »Ihr werdet auch mal die Nase vollbekommen.«

Ricarda und Susanne Keller waren junge Menschen mit einem gesunden Selbstbewußtsein und eigener Meinung, und sie scherten sich wenig um die Nachbarschaft.

Susanne, die Einundzwanzigjährige, wollte Bühnenbildnerin werden, und man bescheinigte ihr eine große Begabung. Auch die Tatsache, daß sie auf manche Materialien und Farben allergisch reagierte, konnte sie nicht davon abbringen. Aber deshalb befand sie sich auch ständig in Behandlung bei Dr. Norden, der sich sehr intensiv bemühte, sie zu immunisieren.

Als Ricarda von der Schule heimkam, kam Susanne gerade von Dr. Norden.

Ricarda blickte auf ihre Hände, die in weißen Glacéhandschuhen steckten.

»Ist es besser?« fragte sie besorgt.

»Es wird schon. Dr. Norden hatte nicht viel Zeit. Er wurde zu Schneiders gerufen, ganz dringend.«

»Und in der Schule wird gegen ihn gehetzt, weil seine Frau ein Restaurant hat«, sagte sie. »Aber Burkhard hat gekontert, das hat mich gefreut.«

Für Dr. Norden war der Besuch bei Bernhard Schneiders beklemmend. Sein Patient, der immer tapfer gewesen war, hatte nun wohl jede Hoffnung verloren. Daß er wahnsinnige Schmerzen leiden mußte, hatte er lange verbergen können, doch der Arzt wußte, daß auch dies viel Energie verbraucht hatte.

»Es ist doch besser, wenn ich Sie in die Klinik bringe, Herr Schneiders«, sagte er stockend.

»Eine Operation nützt doch auch nichts mehr«, sagte der Kranke.

Daß eine solche gar nichts mehr bringen konnte, wußte Dr. Norden schon, seit er mit Dr. Behnisch die Röntgenaufnahmen betrachtet hatte, denn drei Tage war Bernhard Schneiders vor Monaten schon zur gründlichen Untersuchung in der Behnisch-Klinik gewesen. Da hatte man allerdings noch nicht geahnt, daß er einen inoperablen Tumor in der rechten Niere hatte, und die Angiographie hatte ergeben, daß auch die Metastasierung bereits fortgeschritten war. Jetzt zeigten sich am Körper dieses bereits abgemagerten Mannes auch schon Geschwülste, die sicht- und tastbar waren.

Aber besonders tief traf es Dr. Norden, als Bernhard Schneiders jetzt sagte: »Nun wird es wohl auch der Herr Oberstudiendirektor glauben, daß ich nicht nur simuliere. Gut, ich gehe in die Klinik, aber sagen Sie meiner Frau nicht, daß es hoffnungslos ist.«

Inge Schneiders hatte es sich immer noch nicht anmerken lassen, daß sie schon seit Monaten Bescheid wußte, und gerade deshalb hatte sie sich ja so hineingehängt, das Restaurant zu halten und sogar noch zu modernisieren.

Sie war auch jetzt dort und stand selbst in der Küche.

Zum Vater war Dr. Norden von Franziska, der sechzehnjährigen Tochter, gerufen worden, die jetzt den Kopf senkte und gegen die Tränen ankämpfte, als Dr. Norden ihr sagte, daß er den Vater jetzt in die Klinik bringen lassen wolle.

»Es ist so schlimm, wie Vati leiden muß«, flüsterte sie. »Es ist besser, wenn die Kleinen nicht sehen, wenn der Krankenwagen kommt, Herr Doktor. Ich bringe sie schnell zu Mutti.«

»Das mache ich, Franzi«, sagte Dr. Norden. »Ich habe dem Vati eine Spritze gegeben, er wird jetzt schlafen, und den Krankenwagen schicke ich in einer halben Stunde. Du mußt jetzt auch so tapfer sein wie deine Mutti, Kleine. Sie braucht dich.«

»Wird Vati nie wieder gesund?« fragte das Mädchen aufschluchzend.

»Das liegt in Gottes Hand«, erwiderte er ausweichend.

»Er ist doch so lieb«, flüsterte Fränzi, »und es gibt so viele böse Menschen.«

Er strich ihr leicht über das glatte Haar. »Es ist für uns Ärzte auch schlimm, wenn wir nicht helfen können, Fränzi«, sagte er leise. »Hol jetzt die Zwillinge.«

Jörg und Petra waren sieben Jahre alt und begriffen nicht, was vor sich ging. Wie sollten sie es auch begreifen, daß das Leben ihres guten Vaters nun schon zu Ende gehen würde. Sie waren liebe, verständige Kinder, nur Jörg meinte, daß die Mutti doch gerade jetzt sehr viel zu tun hätte.

Dr. Norden, selbst ein guter und sehr glücklicher Vater, war es schwer ums Herz, als er ihnen schonend sagte, daß der Vati in die Klinik gebracht werden müsse.

»Aber dann wird er wieder gesund, gell?« fragte die kleine Petra ängstlich.