Dr. Norden Bestseller 179 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 179 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Auf dem Weg zum Fernsehstudio traf der Regisseur Stefan Steinbach die junge Schauspielerin Ute Grabow. Deren blasses schmales Gesicht bekam Farbe, als er sie freundlich ansprach. »Alles wieder in Ordnung, Ute?« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Es kommt nicht mehr in Ordnung«, erwiderte sie mit heiserer Stimme. Er sah, daß ihre Augen sich mit Tränen füllten und erschrak. »Wieso denn nicht?« fragte er stockend. »Die Stimme, Sie hören es doch. Die Heiserkeit bleibt.« Ute hatte sich bei Aufnahmen in Spanien eine Infektionskrankheit eingefangen, die nicht genau zu diagnostizieren war. Sechs Wochen war sie schwerkrank gewesen. Stefan Steinbach sah sie an diesem Tag zum ersten Mal wieder, und obgleich er selbst von schweren Sorgen geplagt war, erfaßte ihn tiefes Mitgefühl. »Nicht aufgeben, Ute«, sagte er eindringlich. »Suchen Sie doch mal Dr. Norden auf. Er ist unser Hausarzt, und ich kann ihn nur wärmstens empfehlen. Er weiß oft mehr als so manche Kapazität. Sie dürfen die Hoffnung nicht verlieren. Nie darf man die Hoffnung verlieren«, fuhr er geistesabwesend fort, und sie sah ihn bestürzt an, aber rasch fügte er hinzu: »Wenn ich Ihnen irgendwie sonst behilflich sein kann, rufen Sie mich an.« Sie blickte zu ihm empor. Er war groß, breitschultrig, wirkte sportlich und war doch ein sensibler Künstler. Sie schätzte und bewunderte ihn, weil er nicht die Spur überheblich war und überhaupt keine Starallüren hatte. Ute Grabow war jung, aber sie war nicht so ein Starlet, das um jeden Preis Karriere hatte machen wollen. Sie war schauspielerisch von Natur aus begabt, hatte sehr ernsthaft Unterricht genommen und an sich gearbeitet,

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Dr. Norden Bestseller – 179 –

Irrweg einer schönen Frau

Patricia Vandenberg

Auf dem Weg zum Fernsehstudio traf der Regisseur Stefan Steinbach die junge Schauspielerin Ute Grabow. Deren blasses schmales Gesicht bekam Farbe, als er sie freundlich ansprach.

»Alles wieder in Ordnung, Ute?«

Sie schüttelte heftig den Kopf. »Es kommt nicht mehr in Ordnung«, erwiderte sie mit heiserer Stimme.

Er sah, daß ihre Augen sich mit Tränen füllten und erschrak. »Wieso denn nicht?« fragte er stockend.

»Die Stimme, Sie hören es doch. Die Heiserkeit bleibt.«

Ute hatte sich bei Aufnahmen in Spanien eine Infektionskrankheit eingefangen, die nicht genau zu diagnostizieren war. Sechs Wochen war sie schwerkrank gewesen.

Stefan Steinbach sah sie an diesem Tag zum ersten Mal wieder, und obgleich er selbst von schweren Sorgen geplagt war, erfaßte ihn tiefes Mitgefühl.

»Nicht aufgeben, Ute«, sagte er eindringlich. »Suchen Sie doch mal Dr. Norden auf. Er ist unser Hausarzt, und ich kann ihn nur wärmstens empfehlen. Er weiß oft mehr als so manche Kapazität. Sie dürfen die Hoffnung nicht verlieren. Nie darf man die Hoffnung verlieren«, fuhr er geistesabwesend fort, und sie sah ihn bestürzt an, aber rasch fügte er hinzu: »Wenn ich Ihnen irgendwie sonst behilflich sein kann, rufen Sie mich an.«

Sie blickte zu ihm empor. Er war groß, breitschultrig, wirkte sportlich und war doch ein sensibler Künstler. Sie schätzte und bewunderte ihn, weil er nicht die Spur überheblich war und überhaupt keine Starallüren hatte.

Ute Grabow war jung, aber sie war nicht so ein Starlet, das um jeden Preis Karriere hatte machen wollen. Sie war schauspielerisch von Natur aus begabt, hatte sehr ernsthaft Unterricht genommen und an sich gearbeitet, und man hatte ihr das Zeugnis ausgestellt, daß sie alle Voraussetzungen erfüllte, Charakterrollen zu spielen.

Damit war es vorbei, und für Ute war es schwer, sich damit abzufinden, aber sie hatte einen starken Willen. Sie war jung, sie war nicht restlos verzweifelt.

Stefan Steinbach hatte bis gegen elf Uhr abends im Studio zu tun. Er arbeitete konzentriert, und man merkte ihm nicht an, daß ihn Sorgen quälten.

Als er gegen Mitternacht heimkam, vernahm er Kinderweinen und erschrak. Schnell eilte er ins Haus, und da stand der vierjährige Tim verwirrt und verweint an der Treppe.

Stefan nahm seinen kleinen Sohn in die Arme. »Was ist denn, Timmy?« fragte er erschrocken.

»Mein Hals tut weh. Ich habe Durst, und Ina ist nicht da.«

Ina, das war Stefan Steinbachs Frau, die Mutter seiner beiden Kinder, von denen sie nur mit ihrem Vornamen gerufen wurde.

»Und wo ist Binni?« fragte Stefan verwirrt.

»Schläft«, erwiderte Tim kurz.

Das kam Stefan seltsam vor, und Tim im Arm haltend, eilte er zum Kinderzimmer. Voller Bestürzung mußte er feststellen, daß auch sein sechsjähriges Töchterchen Sabine hohes Fieber hatte.

Trotz der späten Stunde wußte er sich keinen anderen Rat, als Dr. Norden anzurufen.

Daniel und Fee Norden waren gerade von einer Party heimgekommen, die Professor Adam, ein lang­jähriger Patient von Dr. Norden, anläßlich seines sechzigsten Geburtstages gegeben hatte. Es war ein amüsanter Abend gewesen, eine Abwechslung auch für den so sehr beanspruchten Arzt.

Aber daß jetzt Stefan Steinbach anrief und sagte, daß seine Kinder krank wären, stimmte sie aus besonderem Grund sehr nachdenklich, denn Ina Steinbach war auch Gast auf dieser Party gewesen und war dadurch besonders aufgefallen, daß sie ihren Charme fast ausschließlich einem dunkelhaarigen Fremden gewidmet hatte.

Darüber dachte Fee Norden nach, als ihr Mann schon auf dem Weg zu Steinbach war, dessen Haus nicht weit entfernt lag. Fee Norden dachte nicht spießig.

Warum sollte die Frau eines vielbeschäftigten Mannes nicht mal allein ein Fest besuchen. Die Ehe der Steinbachs galt als glücklich. Ina war eine sehr attraktive, temperamentvolle Frau, und jener Mann, mit dem sie geflirtet und getanzt hatte, sollte ein steinreicher italienischer Industrieller sein, der auch im Filmgeschäft engagiert war.

Enrico Borsini hieß er, das hatte Fee am Rande mitbekommen. Ein interessanter Mann war das, das mußte auch Fee zugeben, obgleich sie für diesen Typ nichts übrig hatte. Sie störte es, wenn Männer sich mit Brillanten schmückten, und Borsini hatte einen riesigen am kleinen Finger und einen nicht viel kleineren in der Krawatte getragen. Protzig fand sie das, aber die Geschmäcker waren eben verschieden.

Daniel Norden dachte nicht darüber nach, als er die beiden Kinder untersuchte. Binni war so fiebrig, daß sie gar nicht richtig bei Bewußtsein war. Aber allem Anschein nach hatte sie auch schon ein starkes Medikament bekommen, das sie in den Zustand halber Bewußtlosigkeit versetzte.

»Habt ihr etwas eingenommen, Tim?« fragte er den kleinen Jungen.

»Ina hat Binni was gegeben«, erklärte der Kleine.

Dr. Norden war es bereits gewohnt, daß die Kinder ihre Mutter Ina nannten.

»Was denn?« fragte er.

»Saft mit Tropfen.«

»Dir auch?«

»Ich wollte nicht, auch das Zäpfchen nicht.«

Blaß und mit starrer Miene stand Stefan Steinbach dabei. »Meine Frau ist nicht zu Hause«, sagte er heiser.

»Und sonst ist niemand da?« fragte Dr. Norden kurz. »Kein Babysitter?«

»Ich verstehe das auch nicht«, erwiderte Stefan düster.

»Wally ist nicht gekommen«, sagte Tim, dem es nicht gar so schlecht ging, da seine Angst gewichen war. Aber auch er hatte einen entzündeten Rachen, während Dr. Norden bei Binni eine Mittelohrentzündung festgestellt hatte.

Mehr Sorgen bereitete es Dr. Norden, was für Tropfen Ina dem Kind gegeben haben mochte.

Er rief in der Behnisch-Klinik an und fragte, ob sie die Kleine für diese Nacht aufnehmen könnten. Auf seinen Freund Dieter Behnisch konnte er sich immer verlassen, während er in der Kinderklinik niemand so gut kannte und wohl erst lange Erklärungen hätte abgeben müssen, und das wollte er im Interesse von Stefan Steinbach vermeiden.

Er mochte diesen Mann, und er dachte jetzt auch daran, daß Stefans Frau sich amüsierte, während ihre Kinder krank waren.

Er hüllte Binni in eine warme Decke und trug sie zu seinem Wagen. Das Kind war federleicht.

»Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme, Herr Steinbach«, erklärte er dem bestürzten Vater. »Ich wage nicht Antibiotika zu geben, da ich nicht weiß, was sie für Tropfen bekommen hat. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie in der Klinik noch Bescheid sagen würden, wenn Sie mit Ihrer Frau gesprochen haben.«

»Ich verstehe das wirklich nicht mehr«, stöhnte Stefan Steinbach.

Dr. Norden verstand es auch nicht, daß eine Mutter ihre kranken Kinder allein lassen konnte, aber er äußerte sich nicht dazu. Er ahnte jetzt nur, daß es in der Ehe der Steinbachs doch nicht so harmonisch zuging, wie man im allgemeinen annahm.

*

Tim war bald eingeschlafen und fühlte sich auch nicht mehr so heiß an. Stefan Steinbach blieb an seinem Bett sitzen und dachte über seine Frau und seine Ehe nach.

Es war in der letzten Zeit häufig zu Auseinandersetzungen gekommen, aber er hatte sich verzweifelt dagegen gewehrt, daß das siebte Jahr der Ehe auch für ihn das kritische werden sollte.

Ina überhäufte ihn immer öfter mit Vorwürfen, daß er nicht ehrgeizig genug sei, daß er es nicht verstünde, seine Chancen zu nutzen, daß er geselliger sein müsse, und auch ihre Wünsche waren immer anspruchsvoller geworden.

Er verdiente gut, sehr gut, sie konnten sich viel leisten, aber sie bekam nie genug. Sie wollte glänzen, wollte überall Mittelpunkt sein.

Er konnte es nicht begreifen, daß sich das kleine hübsche Scriptgirl, in das er sich Hals über Kopf verliebt hatte, das aus bescheidenen Verhältnissen kam, so entwickeln konnte. Er war glücklich gewesen, als sie ihm die beiden Kinder schenkte, denen er gern jede freie Minute widmete.

Er mußte noch zwei Stunden auf seine Frau warten, und in ihm brannte heißer Zorn, als sie dann erschien.

Sie trug ein rotes, tief dekolletiertes Chiffonkleid, das er noch nicht kannte, und die weiße Nerzjacke lässig über einer Schulter. Ihre Frisur war etwas derangiert, ihre Augen glänzten unnatürlich, und es war gleich zu merken, daß sie eine ganze Menge getrunken haben mußte.

»Da bist du ja endlich!« stieß er hervor. »Wo hast du dich herumgetrieben?«

So hart war er ihr noch nie gekommen, obgleich sie schon öfter mal allein ausgegangen war.

»Ich muß doch bitten«, entgegnete sie schnippisch. »Ich habe Professor Adams freundlicher Einladung Folge geleistet und hatte gehofft, daß du auch noch kommen würdest.«

An diese Einladung hatte er gar nicht mehr gedacht. Sein Zorn legte sich nicht.

»Du hast die Kinder allein gelassen«, sagte er.

»Ist Wally etwa nicht gekommen?« fragte sie.

Sie hatte einen Zug im Gesicht, daß er am liebsten hineingeschlagen hätte, niemals wäre er früher auf solchen Gedanken gekommen.

»Was hast du Binni für Tropfen gegeben?« fragte er gereizt.

Nun duckte sie sich erschrocken, denn in seinen Augen flammte Wut:

»Wie kommst du darauf?« fragte sie unsicher.

»Tim hat es mir gesagt. Die Kinder sind krank. Dr. Norden hat Binni in die Klinik gebracht. Ich habe…«

»Lüg doch nicht, er war mit seiner Frau auch auf der Party«, zischte Ina.

»Er kam um Mitternacht. Er war nicht so lange fort wie du. Wenn du Binni Schaden zugefügt hast, kannst du was erleben.«

»Ich habe ihr ein paar Beruhigungstropfen gegeben, sonst nichts. Sie hatte kein Fieber, und ich war der Annahme, daß Wally bald kommen würde.«

»Ich werde mich erkundigen, warum sie nicht gekommen ist«, sagte Stefan kalt. »Du bist eine feine Mutter«, fügte er verächtlich hinzu, »aber du hast ja nur noch Vergnügen im Kopf.«

»Was habe ich denn schon von meinem Leben gehabt«, begehrte sie auf. »Du hast Abwechslung genug.«

»Ich arbeite und muß Geld verdienen, damit du es mit vollen Händen ausgeben kannst. Ich möchte nicht wissen, was dieses Kleid wieder gekostet hat.«

»Wenn es dir nicht paßt, kann ich ja gehen«, sagte sie. »Es gibt genug großzügige Männer.«

»Papi«, rief da Tim, »Papi, komm. Ich habe Angst.«

Stefan ließ Ina stehen und eilte zu dem Kind. »Warum hast du denn Angst, Timmy?« fragte er leise.

»Du hast geschimpft.«

»Nicht mit dir.«

»Ina kreischt so, das tut meinen Ohren weh«, wisperte der Kleine.

O Gott, dachte Stefan, war ich blind und taub dazu, daß es mir nicht bewußt geworden ist, wie es bei uns aussieht?

»Schlaf jetzt, Timmy«, sagte er weich. »Ich muß noch in der Klinik anrufen.«

»Hat Ina Binni vergiftet?« fragte Tim.

Eisesschauer rannen über Stefans Rücken. Er eilte wieder hinunter, aber Ina war in ihrem Zimmer verschwunden. Und sie hatte abgeschlossen.

»Ich will wissen, was das für Tropfen waren!« schrie er, jegliche Beherrschung verlierend. »Wenn du es mir nicht sagst, rufe ich die Polizei!«

Endlich schien es ihr bewußt zu werden, daß das Faß bis zum Überlaufen voll war.

Sie kam heraus und reichte ihm eine Flasche. »Ein völlig harmloses Mittel«, sagte sie, aber in ihrer Stimme bebte Angst.

Er maß sie mit einem vernichtenden Blick und ging zum Telefon.

*

»Die Frau hat nicht alle Tassen im Schrank«, sagte Dieter Behnisch zu seiner Frau Jenny, die an Binnis Bett wachte und das Kind beobachtete. »Wenn Daniel nicht so vorsichtig gewesen wäre, hätte Antibiotika mit diesem Medikament vereint schlimme Folgen hervorrufen können.«

»Mütter gibt es«, meinte Jenny kopfschüttelnd. »Nun, das Fieber geht zurück. Das rechte Ohr läuft, der Druck ist abgeschwächt. Leg dich wieder hin, Dieter.«

»Und du?« fragte er.

»Ich habe ja ein paar Stunden geschlafen.« Jenny blickte auf das Kind.

»So ein süßes Geschöpf«, sagte sie leise. »Manche Frauen sind mir wirklich unbegreiflich, Dieter.«

»Es sind eben nicht alle so wie du«, sagte er weich und küßte sie.

Jenny Behnisch war erleichtert, daß die schlimmste Gefahr für Binni gebannt war, als der Morgen graute. Nun konnte auch sie sich niederlegen. Schwester Gretel schaute nach der Kleinen.

Stefan Steinbach hatte die schreckliche Nacht seines bisherigen Lebens hinter sich. Er hatte kein Auge zutun können. Immer wieder hatte er sich gefragt, wie es weitergehen solle.

So jäh, zu plötzlich war ihm bewußt geworden, daß Ina ihm fremd geworden war. Er gab sich nicht mehr der Täuschung hin, daß jede Ehe mal eine Krise durchmachen mußte, und diese dadurch hervorgerufen war, daß er in letzter Zeit nur selten zu Hause gewesen war.

Zuerst diese drei Wochen Außenaufnahmen in Spanien, dann auch hier die angespannte Arbeit. Ja, er hatte seine Chancen gewahrt, obgleich er Streß nicht liebte, aber er hatte Inas Drängen nachgegeben.

Und was hatte sie getrieben an diesen Tagen, an diesen vielen Abenden?

Er wollte Klarheit haben, er sollte sich nicht mehr hinters Licht führen lassen.

Er bereitete sich einen starken Kaffee, aß einen Toast, und erst dann duschte er und kleidete sich an.

Ina zeigte sich noch nicht, aber Tim erwachte. Seine Äuglein blickten zwar noch trübe, aber er war sonst schon wieder ganz da.

»Kommt Binni wieder, Papi?« fragte er.

»Ich rufe gleich in der Klinik an, und bald wird Dr. Norden kommen und nach dir sehen.«

Tim nickte. »Ina kann ruhig schlafen«, sagte er. »Bleibst du bei mir?«

Stefan war heilfroh, daß er an diesem Tag frei hatte. Er dachte jetzt nicht daran, daß er sich vorgenommen hatte, mit seiner Familie mal wieder einen Ausflug zu machen. Er überlegte, woher er schnell eine vertrauenswürdige Person bekommen konnte, die sich um die Kinder kümmerte, wenn er morgen wieder ins Studio mußte. Warum war eigentlich Wally nicht gekommen? Auf sie war doch immer Verlaß gewesen?

*

Bei den Nordens hatte der Tag auch schon begonnen, obgleich Daniel so spät ins Bett gekommen war. Aber er war stets pünktlich in seiner Praxis. Er ließ seine Patienten nicht warten.

Und wie zärtlich wurden sie von ihren Kindern begrüßt! Wie liebevoll wurden die drei Kleinen in die Arme genommen.

»War es schön, Mami?« fragte Anneka neugierig. »Habt ihr getanzt?«

»Es war ganz nett, und getanzt haben wir auch mal«, erwiderte Fee, »aber zu Hause ist es doch schöner.«

»Ihr könnt ruhig mal ausgehen«, meinte Danny großmütig. »Andere Eltern gehen viel aus. Wir haben ja Lenni. Die paßt schon auf uns auf.«

»Und Bärle auch«, sagte Felix.

Für den Hund war das das Stichwort. Er kam schwanzwedelnd herein und gab einen gedehnten Laut von sich, der fast wie »Morgen« klang.

»Er kann manchmal richtig reden«, sagte Anneka stolz. »Bist ein gutes Bärle.«

So gelobt, legte sich Bärle zu ihren Füßen nieder. »Daß du ihn ja nicht fütterst«, sagte Danny warnend.

»Bin doch nicht dumm«, erklärte Anneka. »Ich weiß doch, daß er nicht alles fressen darf. Er soll doch gesund bleiben, gell, mein Bärliputzi.«

Daniel blickte auf die Uhr. »Ich muß vorher noch nach Tim sehen«, sagte er.

»Was ist mit Tim?« erkundigte sich Anneka sofort. »Ist er krank?«

»Ja, beide sind krank«, erwiderte Daniel.

»Sag einen schönen Gruß und gute Besserung«, sagte Anneka. »Und paß schön auf dich auf, Papi.«

Das sagte sie jeden Morgen. Ja, im Hause Norden herrschte Frieden und Eintracht, und dafür war Daniel doppelt dankbar, als er in das zerquälte, übernächtigte Gesicht von Stefan Steinbach blickte.

Tim war schon wieder müde. Sonst ging es ihm aber recht gut. Daniel meinte, daß er den Tag besser noch im Bett bleiben sollte.

»Kann ich mal mit Ihrer Frau sprechen?« fragte er, als sie das Kinderzimmer verlassen hatten.

»Sie schläft wohl noch«, erwiderte Stefan beklommen. »Sie sagte mir noch, daß Sie mit Ihrer Frau auch auf der Party von Professor Adam waren.«

Daniel nickte. Er hoffte, daß Stefan Steinbach keine weiteren Fragen stellen würde, aber das tat er doch.

»War sie allein dort?« fragte er rauh.

»Es waren viele Leute anwesend. Es ging ganz lässig zu«, erwiderte er ausweichend.

»Ich komme nicht mehr klar, Dr. Norden«, sagte Stefan dumpf. »Ich weiß nicht, was in Ina gefahren ist. Daß sie die kranken Kinder allein gelassen hat, kann ich nicht verkraften.«

»Manchmal kommt so ein Fieber rasch, aber irgendwelche Tropfen sollte man nicht so einfach geben.«

»Es ist unverzeihlich, daß sie die Kinder allein gelassen hat«, sagte Stefan bitter.

»Sie hatten doch früher ein Hausmädchen, wenn ich mich recht erinnere«, stellte Daniel fest.

»Ilse hat gekündigt. Jetzt haben wir nur noch eine Putzfrau.«

Und diese erschien jetzt. Frau Neumann war es. Dr. Norden kannte sie, und sie sah den Arzt überrascht an. »Der Dr. Norden«, rief sie aus, »ist jemand krank?«

»Die Kinder«, erwiderte Stefan hastig. »Binni ist in der Klinik.«

»Ogottogott«, seufzte Frau Neumann. »Müssen Sie auch schon wieder weg?«

»Nein, ich habe heute frei. Meine Frau schläft noch.«

Frau Neumanns Gesicht sprach Bände, aber sie preßte die Lippen aufeinander.

Stefan begleitete Dr. Norden zum Wagen. »Wann kann ich Binni besuchen?« fragte er.

»Jederzeit, aber nicht zu früh. Sie wird sicher noch schlafen. Ein paar Tage sollte sie noch in der Klinik bleiben.«

»Ich muß mich jetzt auch nach einer zuverlässigen Frau umsehen, der ich die Kinder anvertrauen kann«, sagte Stefan müde. »Ich möchte nicht noch einmal das Risiko eingehen, daß sie allein gelassen werden.«

Daniel runzelte leicht die Stirn. »Das wird nicht so einfach sein«, meinte er skeptisch. »Aber Ihre Frau wird wohl einsehen, daß die Kinder sie brauchen.«

Stefan Steinbachs Miene drückte so viel Resignation aus, daß er Dr. Norden leid tat. Und unwillkürlich sah er Ina Steinbach vor sich, wie sie mit diesem Borsini Wange an Wange getanzt hatte.

*