Dr. Norden Bestseller 185 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 185 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Nun, wo drückt der Schuh, Frau Holstede?« fragte Dr. Norden die hübsche junge Frau, deren Fuß er gerade verbunden hatte. Geraldine Holstede hatte sich beim Barfußlaufen im Garten einen Dorn eingetreten. Doch seine Frage galt mehr ihrem seelischen Befinden, und er wußte auch, was diese sympathische Frau bewegte. Er wollte, daß sie sich ihren Kummer endlich mal vom Herzen redete. »Der Schuh drückt jetzt sicher eine Zeit, Dr. Norden, aber mehr bedrückt mich, daß ich kein Kind mehr bekommen kann.« »Hat Dr. Leitner es festgestellt?« fragte Dr. Norden. Sie nickte. »Wäre ich nur früher zu ihm gekommen, dann wäre ich bei der Geburt von Sandra nicht verpfuscht worden«, sagte sie bebend. »Mein Mann hat sich doch so sehr einen Sohn gewünscht.« »Sie haben drei reizende Töchter«, sagte Dr. Norden nachdenklich. »Aber bei den Holstedes hat es halt immer einen Sohn gegeben.« »Doch dafür war Ihr Mann ein Einzelkind, und so schön ist das auch wieder nicht.« »Meiner Schwiegermutter ist der eine Sohn lieber, als wenn sie drei Töchter gehabt hätte«, sagte Geraldine. »Ihnen auch?« fragte der Arzt. »Um mich geht es doch gar nicht«, erwiderte sie. »Sie müssen die Kinder austragen und sie zur Welt bringen, und ich glaube nicht, daß Ihr Mann Sie einer Gefahr ausgesetzt wissen will, die Sie möglicherweise Ihr Leben kosten könnte.« »Er macht mir ja keinen Vorwurf, aber ich spüre es, wie er sich nach einem Sohn gesehnt hat. Immer haben wir nur Bubennamen ausgesucht. Michael, Stefan, Alexander, es wurde eine Michaela, Stefanie, Alexan­dra.« »Durchweg gesund, munter und hübsch«, stellte Dr. Norden fest. »Was meinen Sie, wie

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Dr. Norden Bestseller – 185 –

… und du bist doch unser Kind

Patricia Vandenberg

»Nun, wo drückt der Schuh, Frau Holstede?« fragte Dr. Norden die hübsche junge Frau, deren Fuß er gerade verbunden hatte. Geraldine Holstede hatte sich beim Barfußlaufen im Garten einen Dorn eingetreten. Doch seine Frage galt mehr ihrem seelischen Befinden, und er wußte auch, was diese sympathische Frau bewegte. Er wollte, daß sie sich ihren Kummer endlich mal vom Herzen redete.

»Der Schuh drückt jetzt sicher eine Zeit, Dr. Norden, aber mehr bedrückt mich, daß ich kein Kind mehr bekommen kann.«

»Hat Dr. Leitner es festgestellt?« fragte Dr. Norden.

Sie nickte. »Wäre ich nur früher zu ihm gekommen, dann wäre ich bei der Geburt von Sandra nicht verpfuscht worden«, sagte sie bebend. »Mein Mann hat sich doch so sehr einen Sohn gewünscht.«

»Sie haben drei reizende Töchter«, sagte Dr. Norden nachdenklich.

»Aber bei den Holstedes hat es halt immer einen Sohn gegeben.«

»Doch dafür war Ihr Mann ein Einzelkind, und so schön ist das auch wieder nicht.«

»Meiner Schwiegermutter ist der eine Sohn lieber, als wenn sie drei Töchter gehabt hätte«, sagte Geraldine.

»Ihnen auch?« fragte der Arzt.

»Um mich geht es doch gar nicht«, erwiderte sie.

»Sie müssen die Kinder austragen und sie zur Welt bringen, und ich glaube nicht, daß Ihr Mann Sie einer Gefahr ausgesetzt wissen will, die Sie möglicherweise Ihr Leben kosten könnte.«

»Er macht mir ja keinen Vorwurf, aber ich spüre es, wie er sich nach einem Sohn gesehnt hat. Immer haben wir nur Bubennamen ausgesucht. Michael, Stefan, Alexander, es wurde eine Michaela, Stefanie, Alexan­dra.«

»Durchweg gesund, munter und hübsch«, stellte Dr. Norden fest. »Was meinen Sie, wie Sie von manchen Frauen beneidet werden, die nicht so glücklich sein können wie Sie.«

»Sie haben zwei Söhne und eine Tochter«, sagte Geraldine leise.

»Und eine Frau, deren Leben mir viel wichtiger war und ist als das Geschlecht der Kinder. Das dürfen Sie mir ruhig glauben.«

Lonis Stimme ertönte. »Herr Holstede ist gekommen und will seine Frau abholen.«

»Na, sehen Sie, Ihr Mann ist doch sehr besorgt um Sie«, stellte Dr. Norden fest.

»Das bestreite ich ja gar nicht«, sagte sie leise. »Gerade deshalb hätte ich eben so gern einen Sohn gehabt.«

Marius Holstede war ein großer, kräftiger Mann. Er nahm seine Frau einfach in die Arme und trug sie zum Lift. »Was du auch immer anstellst«, sagte er liebevoll. »Warum mußt du auch immer barfuß laufen!«

»Weil es gesund ist«, erwiderte sie.

»Das Gegenteil ist bewiesen«, meinte er und gab ihr einen Kuß. »Aber der gute Dr. Norden hat ja gleich geholfen. Es ist bloß dumm...« Er unterbrach sich.

»Was ist dumm?« fragte Geraldine ängstlich.

»Ich muß nach Südamerika, Jerry. Ich kann es nicht hinausschieben. Das Projekt ist ins Stocken geraten. Ich muß selbst etwas Dampf dahinter machen.«

»Schon bald?« fragte sie bestürzt.

»Übermorgen. Der Flug ist schon gebucht. Aber wenn ich den Laden in Schwung bringe, bekomme ich den Direktorenposten. Das sind doch gute Aussichten.«

Eigentlich haben wir doch alles, dachte sie, und sie wurde immer unruhig, wenn ihr Mann ins Ausland mußte. Noch dazu nach Südamerika, wo es überall kriselte.

»Ich bleibe ja nicht ewig, Liebes«, sagte er. »Mama hat auch schon zugesagt, solange zu dir zu kommen.«

Auch das noch, dachte Geraldine. Sie kam mit ihrer Schwiegermutter zwar ganz gut aus, aber Marianne Holstede war auch gewohnt, alles zu bestimmen und sich auch in die Kindererziehung energisch einzumischen.

»Es ist lieb von Mama, aber hoffentlich regen die Kinder sie nicht allzusehr auf. Es sind Ferien, Marius.«

»Oh, da bin ich nicht bange«, lachte er. »Mama greift energisch durch. Mit dir können sie ja machen, was sie wollen.«

In dieser Stunde empfand sie das als einen Vorwurf, aber sie wollte keine Mißstimmung aufkommen lassen, denn sie liebte ihren Mann und war immer bereit gewesen, ihm alles recht zu machen. Sie hatten jung geheiratet. Es war die große Liebe auf den ersten Blick gewesen. Marius war vierundzwanzig und sie einundzwanzig, als sie sich das Jawort gaben und sich nach altem Brauch Treue bis in den Tod versprachen. Und sie hatte nie Grund gehabt, an seiner Treue zu zweifeln in diesen elf Jahren ihrer Ehe, so wenig, wie Marius daran zweifeln konnte, daß sie ihn liebte wie am ersten Tag, wenn nicht noch mehr.

Beide stammten sie aus Beamtenfamilien, beide waren konservativ erzogen worden. Beider Eltern waren mit der Heirat einverstanden gewesen.

Beruflich hatte es Marius schon recht weit gebracht. Sie bewohnten ein hübsches Haus, und es hatte noch nie Probleme gegeben, weder finanzielle, noch menschliche. Einzig der Tod von Marius’ Vater hatte Trauer verursacht.

In Jubel brachen die Kinder allerdings nicht aus, als Geraldine ihnen sagte, daß die Omi kommen würde.

»Warum denn?« fragte die kleine Sandra, die mit ihren vier Jahren ein sehr aufgewecktes Kind war.

»Weil Papi nach Südamerika fliegen muß.«

»Können wir denn nicht mal mitfliegen, Mami?« fragte Michaela, die Zehnjährige.

»Was sollen wir denn da?« warf Stefanie ein.

»Papi muß arbeiten, und es würde auch viel zu teuer«, sagte Geraldine.

»Annette macht mit ihren Eltern eine Weltreise in den Ferien«, murrte Michaela, »und Kai fliegt nach Afrika zu seinen Großeltern. Ganz allein.«

»Möchte ich gar nicht«, sagte Stefanie, »erst recht nicht allein.«

»Ich auch nicht«, schloß Sandra sich an.

Geraldine konnte den kleinen Kai auch nur bedauern, denn sie wußte, warum er allein nach Afrika geschickt wurde. Seine Eltern ließen sich scheiden.

»Und wir fahren nach Kärnten, wenn der Papi zurück ist«, erklärte sie. Damit war die Debatte über die Ferien vorerst beendet.

*

Marianne Holstede kam am nächsten Tag. Selbständig wie sie war, hatte sie niemanden zum Bahnhof zitiert, sondern sich in ein Taxi gesetzt.

Sie war kein mütterlicher Typ und legte auch kein großmütterliches Wesen an den Tag.

Sie hätte den Kindern auch gar nichts mitgebracht, erklärte sie, aber dafür würden sie dann mal gemeinsam einkaufen gehen. Auch mit dieser Ankündigung konnte sie keine große Begeisterung wecken, denn die Kinder wußten sehr gut, daß sie dann nicht selbst aussuchen durften, was ihnen gefiel.

»Sind deine Sachen in Ordnung, Marius?« erkundigte sie sich.

»Immer, Mama«, erwiderte er lächelnd. »Jerry hat die Koffer schon gepackt.«

»Auch nichts vergessen?« fragte sie.

»Bestimmt nicht, Mama«, warf Geraldine ein, die schon Sorge hatte, daß ihre Schwiegermutter die Koffer noch inspizieren würde. Doch das unterließ sie.

An diesem Abend wollte sie auch bald zu Bett gehen, und da sie einen sehr abgespannten Eindruck machte, meinte Marius besorgt, ob ihr etwas fehlen würde.

»Sie wird es schon sagen«, erwiderte Geraldine. »Mach dir jetzt keine Gedanken. Wir haben ja Dr. Norden.«

»Es war nicht so gedacht, daß dir eine zusätzliche Belastung entstehen soll, Jerry«, sagte er.

Sie sagte nicht, daß es ihr bedeutend lieber gewesen wäre, mit den Kindern allein zu sein, um dann mit ihnen Ausflüge zu machen und auch mal ihre Eltern besuchen zu können. Nicht die leiseste Mißstimmung sollte den Abschied von ihm trüben.

Sie war glücklich, als er sie in seinen Armen hielt und ihr sagte, wie sehr er sie vermissen würde.

»Die zwei Wochen werden auch vergehen, Liebster«, sagte sie tapfer.

Er sollte nicht zum Flughafen gebracht werden. Das hatte er nie gewollt. Es würde den Abschied nur schwerer machen, war seine Meinung. Abholen ließ er sich dagegen immer gern, wenn er von einer Reise kam.

»Das Taxigeld könntest du dir doch wirklich sparen, wenn Geraldine dich zum Flughafen bringen würde, Marius«, meinte Marianne Holstede.

»Das zahlt alles die Firma, Mama«, entgegnete er lächelnd. »Und es gibt sogar noch eine Trennungsentschädigung. Ihr könnt es euch gutgehen lassen.«

Mariannes erste Feststellung war dann die, daß Geraldine doch sehr froh sein könnte, einen solchen Mann bekommen zu haben.

»Ich bin auch sehr froh, Mama«, erklärte sie gelassen.

»Mein Sohn ist sehr tüchtig. Mit fünfunddreißig Jahren eine solche Position, da kann man sich doch nur freuen.«

»Ich freue mich auch darüber, Mama. Aber ich würde ihn auch lieben, wenn er nicht so erfolgreich wäre.«

»Es lebt sich leichter, wenn ein Mann gut verdient und die Frau nicht auch zu arbeiten braucht.«

»Mit drei Kindern wäre das auch kaum zu bewältigen.«

Geraldine war gewillt, sich zu behaupten, wenngleich sie sich sehr diplomatisch verhielt. »Dann bräuchten wir eine Haushaltshilfe, und die käme jetzt sehr teuer.«

»Mein Gott, wenn ich so zurückdenke, wie langsam mein guter Fritz befördert wurde. Ihr habt ja keine Ahnung, wie hart wir uns in der Nachkriegszeit getan haben.«

»O doch, Mama, ich habe es von meinen Eltern oft genug gehört«, sagte Geraldine.

»Aber eine richtige Vorstellung habt ihr doch nicht, und eure Kinder sind in einem Wohlstand aufgewachsen, von dem wir nicht zu träumen gewagt hätten.«

»Und ich meine, daß wir nur hoffen können, daß es ihnen nicht mal schlecht ergeht«, sagte Geraldine, »denn das würde uns ja auch hart treffen.«

»Wenn man so nachdenkt, was alles in der Welt vor sich geht«, sagte Marianne seufzend.

»Papi hat gesagt, wir sollen es uns gutgehen lassen«, bemerkte Michaela. »Dürfen wir schwimmen gehen, Mami?«

»Ich möchte auch mit«, sagte Sandra.

»Gut, ich bringe euch hin, aber paß auf die Kleine auf«, sagte Geraldine.

»Ich kann doch schwimmen, Mami«, sagte Sandra.

Marianne hob abwehrend die Hände. »Du kannst doch die Kinder nicht allein gehen lassen, Geraldine«, sagte sie empört.

»Ich kann ja mitgehen, wenn es dir recht ist«, erklärte Sandra lächelnd.

»Ich weiß nicht, ob es überhaupt gut ist, wenn die Kinder in ein öffentliches Bad gehen. Bedenke doch, was sie alles für Krankheiten auffangen können. Allein der Fußpilz…«

»Die Kinder wissen Bescheid, Mama. Sie wachsen mit allen möglichen Gefahren auf. Sie sind in jeder Beziehung aufgeklärt und wissen auch, was ihnen geschehen kann, wenn sie mit Fremden gehen. Es sind Ferien, und was sollen sie denn den ganzen Tag tun?«

»Wir könnten einen Ausflug machen.«

»Ich bemerke, daß du augenblicklich nicht gut zu Fuß bist, Mama«, sagte Geraldine geduldig.

»Wir könnten mit dem Auto fahren, du hast doch deinen eigenen Wagen, Geraldine.«

»Gewiß, und Marius’ Wagen steht auch in der Garage. Aber bei der Hitze ist es wahrhaft kein Vergnügen, durch die Landschaft zu fahren.«

»Da magst du recht haben«, lenkte Marianne ein. »Geh du mit den Kindern ins Bad. Ich ruhe mich dann im Garten aus.«

So viel Nachgiebigkeit stimmte Geraldine nachdenklich. »Was ist eigentlich mit deinen Füßen, Mama?« fragte sie. »Warst du schon beim Arzt?«

»Bei mehreren«, erwiderte die Ältere seufzend, »aber die tun gerade so, als würde ich simulieren. Es tut ja auch nicht immer gleich weh. Nur dann, wenn es heiß oder extrem kalt ist. Lieb von dir, daß du um mich besorgt bist, aber ich werde damit leben müssen.«

»Nein, das nehmen wir nicht hin«, sagte Geraldine energisch. »Ich melde dich bei Dr. Norden an. Und das wird nicht auf die lange Bank geschoben.«

»Ich weiß, daß ihr von eurem Doktor Norden begeistert seid, aber er wird auch nichts finden«, seufzte Marianne.

»Das wird sich ja herausstellen. Ich rufe ihn gleich an, dann können wir für heute nachmittag oder morgen einen Termin ausmachen.«

Sie ließ den Worten die Tat folgen und verkündete ihrer Schwiegermutter, daß sie nachmittags um fünf Uhr bei Dr. Norden sein sollten.

»Und wo bleiben die Kinder?«

»Die nehmen wir mit, Mama. Und vorher gehen wir in die Eisdiele. Ich weiß doch, daß du gern einen Eiskaffee trinkst.«

Sie wußte, wie sie ihre Schwiegermutter zu nehmen hatte, wenngleich ihr nicht immer so herzliches Wohlwollen entgegenschlug wie an diesem Tag.

»Solche liebe Schwiegertochter zu haben, ist schon ein großes Glück«, sagte Marianne Holstede. »Wann werdet ihr wieder daheim sein?«

»So gegen ein Uhr, Mama. Zwei Stunden im Bad genügen. Sandra schläft dann auch gern ein Stünd­chen. Das Essen habe ich schon vorbereitet.«

*

Doch das Essen war bereits fertig, als sie heimkamen. Goldgelbe knusprige Schnitzel, knackige Salate und eine köstliche Schokoladenspeise standen bereit.

»Du hast gesagt, es gibt Rahmschnitzel mit Spätzle, Mami«, seufzte Stefanie.

»Weil das schnell gegangen wäre«, sagte Geraldine. »Ich konnte ja nicht ahnen, daß uns Omi so verwöhnt.«

»Ein bissel was muß ich doch auch tun«, sagte Marianne. Es ließ sich alles besser an, als Geraldine geahnt hatte. Die Kinder waren hungrig, und Marianne freute sich, daß es ihnen schmeckte. Dann wurde auf der Terrasse ein langer Mittagsschlaf gehalten und nicht die leiseste Mißstimmung kam auf, denn danach stand ja der Besuch in der Eisdiele bevor.

»Da brauchen wir wirklich nicht zu meckern«, sagte Michaela zu ihren jüngeren Schwestern. »Omi meckert auch nicht.«

*

Geraldine begleitete ihre Schwiegermutter ins Sprechzimmer. Die Kinder blieben bei Loni im Vorzimmer.

Loni war ihnen wohlbekannt. »Wo ist denn die Tina?« fragte Michaela.

»Sie hat uns leider wieder verlassen, weil sie heiraten wird«, erwiderte Loni. »So ist das mit hübschen Mädchen«, fügte sie seufzend hinzu.

»Wenn ich groß bin, helfe ich dir, Loni«, sagte Michaela.

»Wer weiß, was bis dahin ist, Michi«, meinte Loni.

»Warum sind eigentlich immer so viele Leute krank?« fragte Stefanie. »Was kann man denn so alles kriegen?«

»Um alle Krankheiten aufzuzählen, müßtet ihr lange hier sitzen«, erklärte Loni. »Seid froh, daß euch nichts fehlt.«

»Außer Schnupfen, Husten und so was«, sagte Michaela, »und Kinderkrankheiten, aber die kriegt jeder, sagt Mami. Und sie muß auch humpeln, wie Omi.«

»Aber das ist nicht dasselbe«, erklärte Loni.

»Mami konnte heute aber gar nicht schwimmen«, meldete sich nun San­dra zu Wort.

»Sonst wäre doch der Verband naß geworden«, wurde sie von Michaela belehrt.

Währenddessen untersuchte Dr. Norden Marianne Holstede gründlich.

»Sind Röntgenaufnahmen gemacht worden?« fragte er.

»Nein«, erwiderte sie.

»Das muß nachgeholt werden«, erklärte Dr. Norden. »Ich möchte vorschlagen, daß Sie morgen in die Behnisch-Klinik gehen, gnädige Frau.«

»Ich gehe doch deswegen nicht in die Klinik«, widersprach Marianne Holstede.

»Sie brauchen nicht dort zu bleiben. Ich arbeite mit Dr. Behnisch zusammen. Er kann alle klinischen Untersuchungen durchführen. Sie sollten sich nicht dagegen auflehnen. Solche Beschwerden könnten von der Wirbelsäule ausgehen, vom Nervensystem, oder sie können auch nur Verschleißerscheinungen sein. Nur, sagte ich in Anführungsstrichen, denn dadurch können sich wiederum Folgen auf den Bewegungsapparat ergeben.«

»Ich bin dreiundsechzig, da kommt schon manches daher«, sagte Marianne. »Damit muß man sich abfinden.«

»Nein, damit braucht man sich nicht abzufinden. Wir haben schon Möglichkeiten, Schmerzen zu lindern und diesen Verschleißerscheinungen eine Bremse anzulegen. Ich will Ihnen jetzt keine Medikamente verschreiben oder Sie mit Injektionen füttern, bevor ich nicht genau weiß, wo die Ursache liegt. Vielleicht tragen Sie auch nur die falschen Schuhe.«

»Wollen Sie mir Einlagen einreden? Den Versuch habe ich schon gemacht, aber damit komme ich überhaupt nicht zurecht.«

»Ich akzeptiere Ihre Einstellung, Frau Holstede, bitte, verstehen Sie auch meine. Ich möchte, daß Ihnen geholfen wird. Ich brauche Ihre Schmerzen nicht zu ertragen, aber es müssen beträchtliche Schmerzen sein.«

»Sie sind der erste, der das sagt«, gab sie stockend zu.

»Du kannst Dr. Norden vertrauen, Mama«, sagte Geraldine sanft.

»Ich bin ja schon dabei, mein Kind. Ja, ich habe eine sehr liebe, besorgte Schwiegertochter, Herr Dr. Norden.«

Geraldine war gerührt. »Ich bringe Mama gleich morgen zu Dr. Behnisch«, sagte sie. »Würden Sie ihm Bescheid sagen, Dr. Norden?«

»Mache ich. Sie werden morgen dann von der Klinik angerufen. Und nun möchte ich mir Ihren Fuß anschauen, Frau Holstede. Die Mama kann sich indessen schon zu den Kindern begeben.«

»Um sich ist Geraldine überhaupt nicht besorgt«, sagte Marianne.

»Ich habe mir doch nur einen Dorn eingetreten, Mama«, sagte Geraldine.

Sie ahnte, daß Dr. Norden mit ihr sprechen wollte. »Was fürchten Sie?« fragte sie besorgt, als Marianne die Tür hinter sich geschlossen hatte.

»Es konnte eine Achillodynie vorliegen durch Knick-Senkfuß hervorgerufen. Ich kann mir aber kaum vorstellen, daß ein anderer Arzt Ihre Schwiegermutter darauf nicht aufmerksam gemacht hat.«

»Welcher Arzt hält einen Patienten schon für so intelligent, um ihm medizinische Vorgänge zu erklären«, sagte Geraldine. »Sie ausgenommen!«

»Ich bin mir auch nicht ganz sicher, welcher Patient alles genau erklärt haben will. Ihre Schwiegermutter gehört gewiß nicht zu der Kategorie.«

»Erklären Sie es bitte mir.«

»Ich kann augenblicklich nur vermuten, daß es sich um eine Tendovaginitis crepitans handelt, um eine Überbelastung der betroffenen Sehnen. Ein Röntgenbild wird uns mehr sagen.«

»Ist das sehr schlimm?« fragte Geraldine.

»Nicht so schlimm, wie es klingt. Aber es kann sehr schmerzhaft sein, wenn es nicht behandelt wird.«

»Ich werde dafür sorgen, daß es behandelt wird«, versprach Geraldine.

Er nickte ihr lächelnd zu. »Dafür bekommen Sie jetzt ein kleines gepolstertes Pflaster.«