Dr. Norden Bestseller 200 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 200 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Der letzte Patient, der am Freitagvormittag Dr. Nordens Sprechzimmer betrat, sah eigentlich nicht krank aus. Er war groß, schlank und tief gebräunt. Sein Name war Rolf Walden. Dr. Norden kannte ihn noch nicht. »Ich komme auf Empfehlung von Dr. Fernandez zu Ihnen, Herr Dr. Norden«, sagte er, »und ich soll Ihnen sehr herzliche Grüße ausrichten.« »Oh«, mehr brachte Dr. Norden momentan nicht über die Lippen. Fernandez, Bolivien, das huschte ihm durch den Sinn, von dort kam also dieser Mann. »Es freut mich«, sagte er nun aber doch hastig. »Ich habe lange nichts von Fernandez gehört.« »Ihm bleibt ja auch kaum eine Minute Privatleben«, erklärte Rolf Walden. »Aber wenn wir mal eine halbe Stunde Zeit hatten, erzählte er von Ihnen, da er ja wusste, dass ich in München aufgewachsen bin. Und er erzählte von Dr. Cornelius und der Insel der Hoffnung. Er hat davon geträumt, eine solche Insel da drüben aufzubauen, aber er konnte sich diesen Traum nicht erfüllen. Die Armut ist zu groß und nur für die Reichen wollte er nicht da sein.« Dr. Norden musterte Rolf Walden forschend. Zu den Armen schien der allerdings nicht zu gehören, wenn man nach seinem Auftreten und auch nach seiner Kleidung gehen wollte. »Sie waren auch längere Zeit in Bolivien?«, fragte er. »Zwanzig Jahre. Ein Onkel holte mich zu sich. Es ist mir gut gegangen, aber jetzt hat mich das Heimweh gepackt. Und mit der Gesundheit hapert es auch ein bisschen.« »Ja, dann wollen wir mal sehen, was man für diese tun kann«, sagte Dr. Norden. Vorerst konnte er nur feststellen, dass

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Dr. Norden Bestseller – 200 –

Die falsche Tochter

Patricia Vandenberg

Der letzte Patient, der am Freitagvormittag Dr. Nordens Sprechzimmer betrat, sah eigentlich nicht krank aus. Er war groß, schlank und tief gebräunt. Sein Name war Rolf Walden. Dr. Norden kannte ihn noch nicht.

»Ich komme auf Empfehlung von Dr. Fernandez zu Ihnen, Herr Dr. Norden«, sagte er, »und ich soll Ihnen sehr herzliche Grüße ausrichten.«

»Oh«, mehr brachte Dr. Norden momentan nicht über die Lippen. Fernandez, Bolivien, das huschte ihm durch den Sinn, von dort kam also dieser Mann.

»Es freut mich«, sagte er nun aber doch hastig. »Ich habe lange nichts von Fernandez gehört.«

»Ihm bleibt ja auch kaum eine Minute Privatleben«, erklärte Rolf Walden. »Aber wenn wir mal eine halbe Stunde Zeit hatten, erzählte er von Ihnen, da er ja wusste, dass ich in München aufgewachsen bin. Und er erzählte von Dr. Cornelius und der Insel der Hoffnung. Er hat davon geträumt, eine solche Insel da drüben aufzubauen, aber er konnte sich diesen Traum nicht erfüllen. Die Armut ist zu groß und nur für die Reichen wollte er nicht da sein.«

Dr. Norden musterte Rolf Walden forschend. Zu den Armen schien der allerdings nicht zu gehören, wenn man nach seinem Auftreten und auch nach seiner Kleidung gehen wollte.

»Sie waren auch längere Zeit in Bolivien?«, fragte er.

»Zwanzig Jahre. Ein Onkel holte mich zu sich. Es ist mir gut gegangen, aber jetzt hat mich das Heimweh gepackt. Und mit der Gesundheit hapert es auch ein bisschen.«

»Ja, dann wollen wir mal sehen, was man für diese tun kann«, sagte Dr. Norden.

Vorerst konnte er nur feststellen, dass der Blutdruck zu niedrig war und wohl auch eine vegetative Dystonie vorlag.

»Ich muss Ihnen etwas Blut abzapfen, damit wir ein Blutbild machen können«, erklärte er, »und es wäre angebracht, Sie gründlich durchzuchecken.«

»Einverstanden«, erwiderte Rolf Walden. »Ich fühle mich ziemlich schlapp.«

Er war zweiundvierzig, aber der Aufenthalt in den Tropen mochte wohl tatsächlich an seinen Kräften gezehrt haben.

»Ich würde auch gern ein paar Wochen die Insel der Hoffnung genießen«, sagte Rolf Walden, »wenn es möglich ist.«

»Es kann möglich gemacht werden, Herr Walden. Kommen Sie am Montagnachmittag um halb drei Uhr, da kann ich mir mehr Zeit für Sie nehmen.«

Mittags pressierte es Daniel jetzt immer, seit Fee die Zwillinge zur Welt gebracht hatte, denn um die Gesundheit seiner Frau war er sehr besorgt. Sie musste wenigstens in Ruhe essen können.

Die unermüdliche Lenni wäre ja einverstanden gewesen, wenn eine Kinderschwester ins Haus gekommen wäre, aber Fee wollte es nicht. In Frau Weber hatten sie eine tüchtige Hilfe für den Haushalt gefunden, und sie kam von Montag bis Freitag jeden Vormittag, sodass Lenni sich auch mehr um die Babys kümmern und beim Füttern und Wickeln helfen konnte. Dann waren Danny und Felix in der Schule und Anneka im Kindergarten. Die drei Größeren sollten sich nicht zurückgesetzt fühlen, sie brauchten auch ihre Nestwärme. So war der Tag bei den Nordens jetzt restlos ausgefüllt, aber die Zwillinge hatten sich bereits so gut entwickelt, dass es die reinste Freude war, sie anzuschauen. Und immer war Fee darauf bedacht, ihrem Mann ein fröhliches Gesicht zu zeigen, wenn er heimkam, und keine Nervosität aufkommen zu lassen.

Lenni sorgte dafür, dass das Essen pünktlich auf dem Tisch stand. Und ebenso pünktlich wollte Dr. Norden auch zu Hause sein.

Er sagte das auch Rolf Walden und verhehlte auch den Grund nicht. »Wir haben nämlich kürzlich Zwillinge bekommen, und da muss ich mich auch etwas mehr um meine Frau kümmern. Verstehen Sie das bitte, Herr Walden.«

»Selbstverständlich. Sie sind beneidenswert«, erwiderte Rolf.

»Wir haben noch drei Kinder, das finden manche wirklich nicht beneidenswert. Sie sind nicht verheiratet?«

»Nein, nicht mehr«, erwidert Rolf zurückhaltend. »Aber jetzt will ich Sie nicht aufhalten. Ich komme am Montag.«

Mit wenigen Minuten Verspätung kam Daniel heim. Die Kinder saßen schon brav am Tisch. Es war erstaunlich, wie schnell sie gelernt hatten, Rücksicht zu nehmen, aber das bewies auch, wie lieb sie ihre Mami hatten und wie schnell sie sich an den doppelten Zuwachs gewöhnten.

Bevor Daniel sich an den Tisch setzte, musste er natürlich erst einen Blick auf die Zwillinge werfen. Die waren satt und zufrieden, lagen friedlich nebeneinander und gurrten vor sich hin, als wollten sie sich noch ein Weilchen unterhalten. Man konnte sie schon sehr gut unterscheiden, denn Christian hatte als der stets Hungrigere schon ein Pfund mehr als sein Schwesterchen Désirée auf die Waage zu bringen.

Neben Daniels Teller lag ein Brief mit fremdländischen Marken. Er schenkte ihm vorerst noch keine Beachtung, denn er sah seine Frau an, die ein bisschen blasser war als sonst.

»Fehlt dir was, Fee?«, fragte er besorgt.

»Nein, wieso?«

»Du bist so blass.«

Sie lächelte. »Beschwer dich bei Petrus. Es wird Zeit, dass die Sonne scheint.«

»Ich bin dafür, dass ihr die Sommerferien auf der Insel verbringt«, erklärte er. »Da herrscht ein gleichmäßiges Klima.«

»Wir, ohne dich?«, fragte sie.

»Drei Wochen mache ich den Laden dicht«, sagte Daniel.

»Na, gut, dann drei Wochen«, sagte sie.

»Wir können dann ja noch ein bisschen länger bleiben«, meinte Danny.

»Ich aber nicht«, sage Anneka. »Ich will sehen, wie Jan und Rehlein wachsen.«

Sie hatte Désirée den Namen Rehlein gegeben. Nun hätten sie ein Feelein und ein Rehlein, hatte Daniel dazu gemeint. Aber nun sagte Fee, dass die Ferien erst mal herankommen sollten.

»Den Brief solltest du aber doch lesen, Daniel«, sagte Sie dann. »Er kommt aus Bolivien.«

»Aus Bolivien«, staunte er. »Heute kam ein Patient aus Bolivien. Sollte der Brief von Dr. Fernandez sein?«

»So ist es«, sagte Fee schnell, bevor Daniel noch auf den Absender geschaut hatte.

»Wo ist Livien?«, fragte Anneka.

»Bolivien hat Mami gesagt«, berichtigte Danny die kleine Schwester.

»Ist doch egal. Mami und Papi wissen schon, was ich meine«, sagte Anneka.

»Bolivien liegt in Südamerika«, erklärte Daniel.

»Und was leben da für Leute?«, fragte Felix.

»Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, aber da leben noch echte Indianer.«

»Gibt’s doch bloß im Film«, sagte Danny.

»Eben nicht, mein Sohn. Morgen, wenn ich mehr Zeit habe, erzähle ich euch mehr davon.«

»Wenn du Zeit hast«, maulte Danny.

»Ich werde Zeit haben, morgen und auch Sonntag.«

Anneka hing ihm schon am Hals. »Das ist toll, Papi. Wenn dann doch bloß die Sonne scheint.«

»Drückt mal fest die Daumen«, lächelte er. »Und wenn ihr jetzt so lieb seid und mir eine halbe Stunde mit Mami gönnt, hat Petrus vielleicht ein Einsehen.«

»Es regnet ja gerade nicht, wir können in den Garten gehen«, meinte Danny. »Bärle möchte sowieso spielen.«

Bärle war der treue, kinderfreundliche Hirtenhund, den sie auch nach der Geburt der Zwillinge nicht hergeben wollten. Er war auch ein guter Wachhund, und den konnten sie auch brauchen, da sich in letzter Zeit die Einbrüche häuften.

»Aber wenn wir Dreck reinbringen, schimpft Frau Weber«, sagte Felix.

»Ach was«, ließ Lenni sich vernehmen. »Frau Weber kommt morgen doch gar nicht, und ihr braucht die Gummistiefel nur auf der Terrasse auszuziehen.«

Die Kinder trollten sich. Lenni enteilte zur Küche, um den Kaffee für den Doktor aufzubrühen und den Orangensaft für Fee frisch zu pressen.

Daniel riss nun den Briefumschlag auf. »Wer war in der Praxis?«, fragte Fee.

»Rolf Walden heißt er. Er brachte Grüße von Dr. Fernandez. Ich muss gestehen, dass ich nicht dachte, noch einmal etwas von ihm zu hören.«

»Und schon ist auch ein Brief da«, sagte Fee. »Lies mal vor.«

Früher hatte immer sie das übernommen, aber das wollte er nun von ihr nicht auch noch erwarten, da sie sich jetzt in dem bequemen Sessel entspannte.

Daniel überflog die ersten Zeilen. »Wenn ich doch nur so gut englisch könnte, wie er deutsch«, sagte er seufzend.

»Deins reicht«, meinte Fee lächelnd.

Lieber Daniel Norden, die Zeit eilt uns davon, und ich will es nicht glauben, dass mehr als zehn Jahre vergangen sind, dass wir uns trafen. Oft habe ich an Euch alle gedacht, an die herrliche Insel, an Johannes, aber wenn man unter solchen Umständen arbeiten muss, wie ich hier in diesem Hospital, wird man zu leicht von der Sehnsucht nach so viel Ruhe gepackt, als dass man solchen Gedanken nachgeben will, und deshalb greift man nicht so schnell zur Feder. Nun aber ist mein junger Freund Rolf Walden nach München abgereist, und er wird sich bei Dir melden. Ich möchte Dich bitten, Dich seiner anzunehmen. Er hat mir einige Sorgen bereitet mit der Gesundheit, und er ist noch jung genug, um ihm helfen zu können. Er hat sehr viel für mein Hospital getan. Er ist ein vermögender Mann. Zinn und Kupfer haben schon seinen Onkel zu einem einflussreichen Mann gemacht, aber er war nicht so großzügig und hilfsbereit wie Rolf, dem ich wie einem Sohn zugetan bin. Er war mit meiner Nichte Juanita verheiratet, die leider bei der Geburt ihres ersten Kindes starb, und auch das Baby lebte nur einige Tage. Rolf trägt an einem Schuldbewusstsein, über das er sich nie aussprach, vielleicht deshalb nicht, weil er Juanita sehr geliebt hat und mich als seinen besten Freund betrachtete. Es wäre mir eine Beruhigung, wenn seine Seele in der alten Heimat Ruhe finden würde. Ich würde auch gern wieder einmal auf der Insel sein, aber wenn ich meine Kranken sehe, darf ich nicht egoistisch denken. Ich würde mich sehr freuen, von Euch allen zu hören, wie es dort geht, aber wenn Rolf zu Dir kommt, wird er mir sicher ausführlich Bericht erstatten. So sende ich meine Grüße aus der Ferne voller Herzlichkeit zu Euch,

José Fernandez.

Eine Weile herrschte Schweigen, dann fragte Fee: »Und wie ist dieser Rolf Walden, dessen Seele hier Ruhe finden soll? Hoffentlich nicht ein todkranker Mann?«

»Nein, das sicher nicht, wenn auch angeschlagen, aber über sein Seelenleben haben wir nicht gesprochen. Zuerst muss sein Blut untersucht werden. Am Montag kommt er wieder. Dennoch bin ich sehr froh, von Fernandez einen Hinweis bekommen zu haben.«

»Er muss doch langsam auf die Siebzig zugehen«, sagte Fee gedankenverloren.

»Wie Paps auch, Feelein. Wir vergessen das nur immer wieder.«

»Er will daran aber nicht erinnert werden, Schatz, aber auf der Insel ist halt ein gesünderes Klima als in Bolivien.«

»Wo aber die Sonne öfter scheint.«

Sie warf ihm einen schelmischen Blick zu. »Wohldosiert bekommt einem alles besser. Schau, der Himmel hellt sich auf. Wir haben brave Kinder. Grade heute hat Frau Weber erzählt, dass eine Vierzigjährige Vierlinge zur Welt gebracht hat, die vorher noch keine Kinder hatte. Stell dir mal vor, wir hätten alle fünf auf einmal bekommen.«

»Das stelle ich mir lieber nicht vor, und zum Glück bist du ja noch keine vierzig, Feelein.«

»Aber immerhin vierunddreißig, mein Schatz, und da schlaucht es einen doch schon ein bisschen mehr«, gab sie zu.

»Und deshalb wirst du dich auf der Insel aufpäppeln lassen. Mario hat dann auch Ferien und kann sich um die Kinder kümmern.«

»Aber mit Kind und Kegel passen wir alle nicht in einen Wagen, und was machen wir mit Bärle?«

»Den bringen wir zu Hoflechners ins Jagdschlössel, da kann er sich mit Wastl amüsieren.«

»Du sagst das so einfach, und Hoflechners haben bestimmt auch nichts dagegen, aber was sagen die Kinder?«

»Sie werden sich damit abfinden müssen.«

Am nächsten Tag schien die Sonne schon am frühen Morgen.

»Weil wir brave Kinder sind«, schmeichelte Anneka.

»Natürlich nur deshalb«, sagte Daniel lachend. Er konnte sich ungestört seiner Familie widmen. Die Zwillinge konnten in ihrem Wagen auf der Terrasse schlafen, von Lenni bewacht, und so konnten Daniel und Fee mit den drei Größeren und Bärle einen Ausflug machen.

Bärle schlug schon zielstrebig den Weg zum Jagdschlössel ein, aber das wäre zu Fuß doch ein bisschen zu weit für Fee gewesen.

»Morgen gehe ich mal mit ihm und den Kindern rüber«, sagte Daniel, »und du kannst uns dann mit dem Wagen abholen, Fee. Dann spreche ich auch gleich mit den Hoflechners.«

»Worüber, Papi?«, fragte Danny hellhörig.

»Dass sie Bärle in Pflege nehmen, wenn wir zur Insel fahren. Ihr wisst doch, dass wir ihn da nicht mitnehmen können.«

Sie wussten es, aber es warf doch einen Schatten auf die Vorfreude. Ja, so einfach war es nicht, jedem gerecht zu werden, aber sie trösteten sich dann doch mit dem Gedanken, dass Bärle bei seinem Vater sein konnte. Schließlich waren sie auch sehr gern mal für längere Zeit bei Omi und Opi, und zudem so vernünftig, bereits einzusehen, dass ihre Mami sich auch mal erholen musste.

Auch der Sonntag zeigte ein sonniges Gesicht, und sie marschierten schon früh los. Fee und Lenni konnten die hungrigen Zwillinge in aller Ruhe versorgen. Gegen elf Uhr war Fee dann per Auto beim Jagdschlössel angekommen, und da tobten Wastl und Bärle auch schon munter im Park herum.

Freudig wurde sie empfangen von Sepp und Kathi Hoflechner. »Ist schon alles klar, Frau Norden«, sagte Kathi. »Freilich nehmen wir den Bärle, damit Sie sich mal richtig erholen können. Jesses, wie dünn Sie schon wieder sind. Schauen S’ mich an. Ich habe erst ein Kind und nehme überhaupt nicht ab bei all der Arbeit.«

Aber flink und munter war sie und in ihrer Rundlichkeit hübsch anzuschauen. Auf ein paar Appetithäppchen musste sich Fee auch Zeit lassen. Die Kinder waren schon gut gefüttert worden, und als sie dann heimwärts fuhren, lief Wastl winselnd hinter dem Auto her, und auch Bärle grummelte vor sich hin.

Es war schon einige Zeit her, dass sie den Hoflechners in einer schwierigen Situation hatten helfen können, aber es hatte sich für alle ausgezahlt. Man war gut Freund geworden. Wenn die Hoflechners einen Arzt brauchten, war Dr. Norden zur Stelle, und wenn bei den Nordens ein Familienfest gefeiert wurde, richtete es das Jagdschlössel festlich aus.

Am Nachmittag führte Daniel dann ein langes Gespräch mit seinem Schwiegervater. Dass er und seine Frau Anne sich herzlich auf die Ferien freuten, musste nicht betont werden. Dass auch für Rolf Walden ein Platz auf der Insel sein würde, wenn er wirklich kommen wollte, wurde auch nicht infrage gestellt. Aber auch über die Grüße von José Fernandes hatte sich Dr. Johannes Cornelius sehr gefreut.

»Da führen wir hier doch ein beschaulicheres Leben«, sagte er. »Zur Zeit jammert Anne nur, dass sie Fee nicht helfen kann, aber was würde ich ohne sie machen?«

Für ihn war die zweite Ehe mit Anne zu einem späten, großen Glück geworden. Sie war ihm nicht nur eine fürsorgliche Frau, sondern auch seine rechte Hand. Sie hielt allen Kleinkram von ihm fern, dem er ohnehin nicht gewachsen wäre.

Natürlich musste dann auch Fee an den Apparat und von den Zwillingen berichten, aber die begannen dann so munter zu brüllen, dass man sich auch aus der weiten Entfernung überzeugen konnte, wie lautstark sie ihren Hunger schon anmelden konnten.

Und wenn Daniel da war, wurde die Arbeit zwischen ihm und Fee geteilt. Er versorgte Désirée, und Fee versorgte Christian. Lenni dagegen versorgte indessen die anderen drei.

»Wenn wir dich nicht hätten, könnten wir verhungern«, sagte Danny.

»So schlimm würde es schon nicht kommen«, lachte sie. »Aber ihr könnt ja schon sagen, wenn ihr Hunger habt und sogar, was ihr essen wollt. Na, was möchtet ihr denn?«

»Hast doch bestimmt noch Apfelkuchen«, sagte Felix.

»Und Schlagrahm«, sagte Anneka.

Lenni konnte sich nur freuen, was sie da wegputzten. Man merkte gleich, dass sie lange an der frischen Luft gewesen waren.

*

In einer kleinen muffigen Wohnung in einem alten Stadtviertel wurde ein Geburtstagskuchen verzehrt. Der klingende Name an der Tür Carmen Farina entsprach nicht der Atmosphäre dieser Wohnung, aber Carmen Farina hatte ihrer Tochter Tanja doch einen hübschen, wenn auch bescheidenen Geburtstagstisch gedeckt.

»Jetzt bist du achtzehn, Tanja, und volljährig«, sagte Carmen Farina.

»Damit weiß ich noch nicht viel anzufangen, Mama«, sagte das hübsche Mädchen.

»Such dir einen Mann, der anständig ist und gut verdient, das ist die beste Empfehlung, die ich dir geben kann.«

»Ich würde lieber erst mal eine gute Stellung haben. In dem Laden komme ich doch nicht weiter«, sagte Tanja.

»Besser als gar nichts«, sagte Carmen. »Heutzutage kann jeder froh sein, der noch eine Stellung hat, oder willst du stempeln gehen? Das musste ich lange genug tun, als dein Vater mich sitzen ließ. Und ich dachte, ich mache eine gute Partie«, fügte sie bitter hinzu. »Seine Schulden habe ich dann abzahlen dürfen.«

Tanja hatte das oft genug gehört. »Darf ich ins Kino gehen, Mama?«, fragte sie. »Um neun bin ich bestimmt wieder zu Hause.«

»Hast du dich etwa mit jemanden verabredet?«, fragte Carmen.

»Nein, sei doch nicht immer so misstrauisch.«

»Du bist sehr hübsch. Ich will nicht, dass du in falsche Hände gerätst. Wenigstens du sollst es mal besser haben, als Franca und ich.«

»Du sprichst in letzter Zeit viel von Franca«, sagte Tanja.

»Je älter man wird, desto mehr denkt man an die Vergangenheit«, sagte Carmen müde.

»Du solltest dir auch wieder eine Stellung suchen, Mama«, sagte Tanja.