Dr. Norden Bestseller 201 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 201 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Mit flammenden Augen sah Sabine Petersen ihren Vater an. »Und ich sage dir nochmals, dass ich nicht mitfahre, wenn du diese blöde Ziege mitnimmst!«, stieß sie wütend hervor. Dr. Helmut Petersen war blass geworden. »Mäßige dich, Sabine«, sagte er streng, aber doch bemüht, sie nicht noch mehr zu reizen. Sabine war fünfzehn und anscheinend in einer schwierigen Entwicklungsphase, doch bisher hatte Helmut Petersen nicht einsehen wollen, dass diese eingesetzt hatte, als Irene Matthei zum ersten Mal in sein Haus gekommen war. Bisher hatte Sabine auch nur stummen Widerstand geleistet, Irene einfach ignoriert, und er hatte gehofft, dass sie zugänglicher werden würde, aber dieser Ausbruch besagte das Gegenteil. »Wir werden uns mal ganz ernsthaft und auch in aller Ruhe unterhalten«, sagte er nun. »Ich muss jetzt weg.« Sabine kniff die Augen zusammen. »Eil nur, eil nur«, höhnte sie, »wenn sie pfeift, musst du springen.« »Ich habe eine wichtige Besprechung«, entgegnete er unwillig, und er ärgerte sich wegen dieser Rechtfertigung. Aber Sabine war sein einziges Kind, und er liebte seine Tochter. Bis vor einigen Monaten hatten sie sich ja auch prächtig verstanden, eben bis zu dem Tag, als die attraktive Irene Matthei in sein Leben getreten war. Sabine blickte ihrem Vater grimmig nach, aber als sein Wagen davongefahren war, kamen ihr die Tränen. Wenig später läutete es, Finni, die Haushälterin, kam aus der Küche. »Lass nur, Finni, ich mache schon auf«, sagte Sabine. »Es wird Thomas sein. Er wollte mich zum Tennis abholen.« Vor sich hin murmelnd ging Finni wieder in die Küche zurück. Es pass­te ihr nicht, dass der Thomas

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Dr. Norden Bestseller – 201 –

Die Jugendliebe

Patricia Vandenberg

Mit flammenden Augen sah Sabine Petersen ihren Vater an. »Und ich sage dir nochmals, dass ich nicht mitfahre, wenn du diese blöde Ziege mitnimmst!«, stieß sie wütend hervor.

Dr. Helmut Petersen war blass geworden. »Mäßige dich, Sabine«, sagte er streng, aber doch bemüht, sie nicht noch mehr zu reizen. Sabine war fünfzehn und anscheinend in einer schwierigen Entwicklungsphase, doch bisher hatte Helmut Petersen nicht einsehen wollen, dass diese eingesetzt hatte, als Irene Matthei zum ersten Mal in sein Haus gekommen war.

Bisher hatte Sabine auch nur stummen Widerstand geleistet, Irene einfach ignoriert, und er hatte gehofft, dass sie zugänglicher werden würde, aber dieser Ausbruch besagte das Gegenteil.

»Wir werden uns mal ganz ernsthaft und auch in aller Ruhe unterhalten«, sagte er nun. »Ich muss jetzt weg.«

Sabine kniff die Augen zusammen. »Eil nur, eil nur«, höhnte sie, »wenn sie pfeift, musst du springen.«

»Ich habe eine wichtige Besprechung«, entgegnete er unwillig, und er ärgerte sich wegen dieser Rechtfertigung. Aber Sabine war sein einziges Kind, und er liebte seine Tochter. Bis vor einigen Monaten hatten sie sich ja auch prächtig verstanden, eben bis zu dem Tag, als die attraktive Irene Matthei in sein Leben getreten war.

Sabine blickte ihrem Vater grimmig nach, aber als sein Wagen davongefahren war, kamen ihr die Tränen.

Wenig später läutete es, Finni, die Haushälterin, kam aus der Küche.

»Lass nur, Finni, ich mache schon auf«, sagte Sabine. »Es wird Thomas sein. Er wollte mich zum Tennis abholen.«

Vor sich hin murmelnd ging Finni wieder in die Küche zurück. Es pass­te ihr nicht, dass der Thomas jetzt so oft kam. Er war siebzehn und ein rechter Bruder Leichtfuß. Es passte ihr erst recht nicht, dass Sabine sich zu ihm aufs Mofa schwang, und überhaupt hatte Finni in letzter Zeit so manches in diesem Haus auszusetzen, in dem sie nun bereits seit zwölf Jahren für Sabine und Herrn Petersen Ordnung sorgte.

Aber nun konnte sie erleichtert sein, denn es war nicht Thomas, der geläutet hatte, sondern Dr. Rolf Petersen, Helmut Petersens jüngerer Bruder, und er wurde von Sabine freudig begrüßt.

»Wo kommst du denn her, Rölfchen?«, fragte das Mädchen. Den Onkel hatte sie sich immer geschenkt, und der Kosename, mit dem sie ihn bedachte, verriet, wie gern sie ihn hatte.

»Von der Behnisch-Klinik, Binni«, erwiderte er. »Ich habe einen Patienten hingebracht.«

»Höchstpersönlich?«, staunte sie.

»Es pressierte.« Rolf sagte nicht, dass es sich um eine Patientin handelte, die ihm höchstpersönlich sehr am Herzen lag.

Er wusste sehr gut, wie aggressiv Sabine neuerdings auf Damenbekanntschaft in der engen Verwandtschaft reagierte.

»Ist Helmut nicht da?«, fragte er.

»Nein, er enteilte zu seiner Kichererbse«, erwiderte sie spöttisch.

»Wieso Kichererbse?«, fragte Rolf verblüfft.

»Hast du sie noch nicht kichern gehört? Allein diese Stimme macht mich rasend. Da stehen einem doch die Haare zu Berge, aber Paps scheint nicht nur blind zu sein sondern auch taub.«

»Nun übertreib mal nicht, Binni. Sie ist doch sehr attraktiv.«

»Oh, ihr Männer«, sagte sie verächtlich, »sie kann nicht mal richtig lachen, sonst fällt ihr die Schminke in Stücken herunter.«

Er musste lachen. »Du bist eine Ulknudel, Binni«, sagte er.

»Mir ist aber gar nicht ulkig, Rölfchen. Wenn Paps sie heiratet, haue ich ab. Und nach Griechenland fahre ich bestimmt nicht mit, wenn sie dabei ist.«

»Und wo willst du die Ferien verbringen?«

»Vielleicht bei dir?«, fragte sie stockend.

»Binni, das geht nicht! Ich bin doch beruflich eingespannt bis zum Gehtnichtmehr.«

»Ich kann dir doch in der Praxis helfen«, sagte sie störrisch.

»Das wären schöne Ferien. Lass uns mal in Ruhe darüber reden. Ich werde auch mit meinem Bruder darüber sprechen.«

»Liebe Güte, der ist doch von seiner Irene so chloroformiert, dass sein ganzer Verstand im Eimer ist.«

Er überlegte kurz. Dann blickte er auf seine Armbanduhr. »Wie wär’s, wenn wir schick zum Essen gehen? Ich muss nachher sowieso noch mal in die Klinik, und morgen habe ich keine Sprechstunde. Eigentlich wollte ich fragen, ob ihr ein Bett für mich habt.«

»Spaßvogel, das weißt du doch!«

»Gut, dann gehen Ulknudel und Spaßvogel essen«, scherzte sie. Sabine himmelte ihn an. »Schade, dass du mein Onkel bist. Dich würde ich auf der Stelle heiraten«, seufzte sie.

»Damit lass dir mal noch ein paar Jährchen Zeit, Binni, und denk auch dran, dass ich nicht mehr der Jüngste bin.«

Finchen war zufrieden, als sie gingen, obgleich sie auch ein Essen hätte anbieten können, aber sie hoffte, dass Rolf dem Mädchen mal ordentlich ins Gewissen reden würde, aber auch seinem Bruder, denn mit Irene Matthei hatte auch sie nichts im Sinn. Sie begriff auch nicht, dass so ein gescheiter Mann, der noch dazu Rechtsanwalt war, auf so ein Getue hereinfallen konnte.

*

Rolf hatte die richtige Art, mit seiner Nichte umzugehen. Er behandelte sie nicht als kleines Mädchen, sondern gab ihr das Gefühl, ernst genommen zu werden, und er nahm sie auch ernst.

»Wie wird denn heuer das Zeugnis, junge Dame?«, fragte er beiläufig.

»Bestimmt gut«, erwiderte sie

»Oh, là, là, das hört man gern. Das Zwischenzeugnis war ja nicht gerade erfreulich.«

»Weiß ich, aber das lag auch am Lehrer.«

»Habt ihr jetzt einen andern?«, erkundigte er sich.

»Eine Lehrerin, Becker heißt sie. Eine dufte Frau. Ja, wenn Paps so eine daherbringen würde, hätte ich bestimmt nichts dagegen, aber diese aufgetakelte Ziege kann ich nicht ausstehen.«

»Also eine ganz persönliche Aversion, keine generelle«, bemerkte er nachdenklich.

»Ich habe mich immer so prima mit Paps verstanden, und jetzt geht nichts mehr«, sagte Sabine bekümmert. Dann blickte sie auf. »Warum hast du eigentlich nie geheiratet, Rölfchen?«

»Ich habe bis jetzt noch nicht die Richtige gefunden«, erwiderte er. »Als Arzt braucht man ja auch eine Frau, die Verständnis hat.«

»Die braucht ein Anwalt auch. Ich glaube, ich werde nie heiraten und lieber Lehrerin werden, damit unverstandene Kinder wenigstens einen Menschen haben, der sie versteht.«

Rolf horchte auf. »Ist deine Lehrerin so eine?«, fragte er beiläufig.

»Ich werde mich natürlich hüten, dieses Monsterweib zu erwähnen«, sagte Sabine, und Rolf staunte nun doch, mit welchen Ausdrücken sie Irene belegte, »aber Frau Becker weiß, dass ich keine Mutter mehr habe, und sie hat mir deshalb auch geholfen, dass ich nachhole, was ich versäumt habe.«

»Du bist doch ein intelligentes Mädchen, Binni«, sagte Rolf, »warum hattest du plötzlich so nachgelassen?«

»Das hab’ ich doch schon gesagt. Dieser dämliche Lehrer hat dauernd an mir rumgenörgelt, und dann kam auch noch dieses Weib ins Haus. Ich war schon immer ganz kribbelig, wenn ich nur ihre Stimme am Telefon hörte, aber als ich sie sah, kam mir die Galle rauf. Seitdem habe ich auch abgenommen. Was sagt der Arzt dazu?«, fragte sie anzüglich.

»Dass du ein paar Pfund mehr haben könntest, und ich hoffe, dass du wenigstens jetzt richtig isst.«

Das tat sie dann auch und fragte ihn, ob sie mit zur Klinik fahren und dort auf ihn warten dürfe.

»Es wird aber ziemlich lange dauern«, meinte er.

»Das macht nichts. Ich kenne mich da ja aus, seit ich dort vom Blinddarm befreit wurde. Meine Güte, wie Paps sich da aufgeregt hat. Da hat er an meinem Bett gesessen und war immer für mich da. Jetzt könnte ich halbtot sein, und er würde dennoch bei seiner Irene hocken.«

»Das darfst du nicht sagen, Binni. Steiger dich bloß nicht in solche Vorstellungen hinein. Helmut hat dich sehr lieb.«

»Dann soll er es mir beweisen und das Weib zum Teufel jagen«, sagte Sabine aggressiv.

Ich muss mit Helmut reden, bevor das zu Komplexen führt, dachte Rolf, aber als sie nun in der Behnisch-Klinik waren, galt seine Sorge Annabel Buchner.

Sabine setzte sich brav in den Warteraum, aber dort hielt sie es keine fünf Minuten aus, dann marschierte sie los, und sie traf auch sogleich die Nachtschwester Hilde.

»Jesses, Sabine, was machst du denn hier?«, rief sie erschrocken aus. »Fehlt dir was?«

»Nö, mein Onkel besucht einen Patienten. Ich warte auf ihn. Wie geht es denn so?«

»Viel Arbeit, wie immer. Du bist dünn geworden, schaust ja wie ein Bub aus. Und die kurzen Haare! Du hattest doch so schöne Locken.«

»Sie haben mich gestört«, sagte Sabine trotzig.

»Das Trotzalter geht auch vorbei«, sagte Schwester Hilde nachsichtig.

Da kam Dr. Jenny Behnisch. »Hallo, Sabine«, sagte sie lässig, »willst du nicht lieber heimfahren? Dein Onkel bleibt noch einige Zeit. Ich bestelle dir mal ein Taxi.«

»Worum handelt es sich denn eigentlich?«, fragte Sabine besorgt. »Ich kann doch warten. Mich ver­misst doch niemand.«

»Du musst doch morgen in die Schule«, sagte Jenny.

»So klein bin ich auch nicht mehr, dass ich um neun Uhr schlafen muss«, erwiderte Sabine. »Ich sehe Rolf so selten.«

»Na, dann setz dich zu mir. Trinken wir einen Tee. Ich muss munter bleiben. Wir haben ein paar schwere Fälle.«

Rolf sprach noch mit Dr. Behnisch. »Es ist keine Hirnhautentzündung«, hatte der das Gespräch eingeleitet, »aber Vorsicht ist besser als Nachsicht, da ja nun schon einige Fälle bekanntgeworden sind. Und in diesem Fall war die Vorsicht wohl besonders gut. Diese Verdickung am Haaransatz hat sich als Tumor herausgestellt.«

Rolf wurde blass. »O Gott!«, murmelte er.

»Nur keine Panik. Frau Buchner ist schon davon befreit, es ward ihm keine Chance gegeben, sich auszubreiten. Wir müssen den histologischen Befund noch abwarten, aber ich bin überzeugt, dass er nicht bösartig war, nur so böse, auf einen Nerv zu drücken. Es war gut, dass Sie mich auf diese Verdickung aufmerksam gemacht haben, lieber Kollege Petersen. Wenn Ärzte immer so gut zusammenarbeiten würden, bliebe mancher Kummer erspart, und es würde nicht kostbare Zeit vergeudet.«

»Und ich muss gestehen, dass ich erst durch einen Bericht über einen Fall so aufmerksam wurde, der tragisch ausging.«

»Das Kind, das man aus der Klinik heimschickte, weil man keinen Tumor feststellte und Diagnose Grippe stellte«, sagte Dr. Behnisch. »Nun, man kann den Kollegen Nachlässigkeit vorwerfen, aber ob das Kind noch zu retten gewesen wäre, kann ich nach den vagen Berichten nicht beurteilen. Aber Ihnen kann ich sagen, dass Frau Buchner bestimmt geholfen wurde. Morgen werden wir den Befund haben.«

»Und was sagt das EEG?«, fragte Rolf.

»Die Gehirnströme sind normal, der physische Zustand der Patientin ist als recht gut zu beurteilen, psychisch war sie wohl ein wenig überfordert?«

»Diese Kopfschmerzen haben ihr Angst gemacht, da sie immer heftiger wurden. Sie hat viel durchgemacht. Sie hat fünf Jahre ihre gelähmte Mutter gepflegt, die ich behandelt habe. Dann waren sie auch finanziell ziemlich am Ende, weil Annabel ihrem Beruf nicht mehr nachgehen konnte, aber ihre Mutter auch nicht in ein Pflegeheim geben wollte. Vor drei Monaten starb Frau Buchner, aber da Annabel dann nicht gleich eine Stellung fand und auch recht am Ende war, half sie mir in der Praxis.«

»Es wird ihr bald bessergehen«, sagte Dr. Behnisch aufmunternd.

Als Rolf das Krankenzimmer betrat, wurde gerade der Tropf entfernt. Schwester Hilde tat das gewissenhaft.

»Ihre Nichte wartet immer noch, Herr Doktor«, sagte sie. »Sie sitzt jetzt bei der Frau Doktor.«

Und während Rolf nun Annabel beobachtete, versuchte Dr. Jenny Behnisch, mit Sabine klarzukommen. Auch sie hatte schon den Eindruck gewonnen, dass die Konflikte in dem Mädchen tiefer saßen, als sie zuerst angenommen hatte. Allerdings äußerte sich Sabine Jenny Behnisch gegenüber nicht so drastisch über Irene, wie sie es zu Rolf getan hatte. Sie sagte nur, dass ihr Vater eine Freundin hätte, die sie nicht möge.

Jenny kannte solche Probleme, und sie konnte nicht beurteilen, ob Sabines Abneigung auch tatsächlich begründet war. Töchter hingen nun mal an ihren Vätern, noch dazu, wenn sie einige Jahre mit ihnen allein gelebt hatten und auf sie fixiert waren. Und Jenny wusste auch, wie liebevoll Helmut Petersen mit seiner Tochter war.

»Vielleicht ist sie netter, als du meinst, Sabine«, sagte sie behutsam. »Man hegt manchmal Vorurteile, die unbegründet sind.«

»Die sind aber nicht unbegründet. Sie müssten diese Schlange mal kennenlernen, Frau Dr. Behnisch. Paps ist doch sonst so gescheit, aber da hat er sich richtig einfangen lassen. Ja, raffiniert muss sie schon sein bei aller Blödheit.« So war sie herausgeplatzt, und Jenny wurde nun doch sehr nachdenklich. Sabine war kein romantisches Mädchen. Sie hatte einen klarer Blick. Sie war auch keine Halbstarke, wie man solche Mädchen, die eine Lippe riskierten, gern bezeichnete. Und nun sagte Sabine etwas, was sie erschrecken ließ.

»Ich kann ja nichts dafür, dass ich ohne Mutter aufgewachsen bin, aber schließlich hätte Paps daraus doch was lernen müssen, denn schließlich hatte sie den Unfall selbst verschuldet, bei dem sie starb.«

»Woher weißt du das?«, fragte Jenny erschrocken.

»Thomas hat es mir erzählt. Ich spiele mit ihm Tennis. Thomas Gross, Sie kennen ihn. Er war hier, als er einen Schienbeinbruch hatte.«

»Und woher bezieht er die Weisheit?«, fragte Jenny.

»Von seiner Großmutter. Die ist bei dem Unfall nämlich auch leicht verletzt worden. Thomas ist das egal. Er sagt sowieso, dass seine Großmutter eine Klatschbase ist und er kümmert sich nicht um Gerede.«

»Er erzählt es weiter, Sabine, ausgerechnet dir, findest du das fair?«

»Wenn es doch wahr ist«, sagte Sabine trotzig. »Ich habe es nachgelesen. Paps hat das bestimmt schwer geschlaucht, aber nun hat er sich wieder eine angelacht, die kein Verantwortungsbewusstsein hat.«

»Du kannst doch nicht sagen, dass deine Mutter keines hatte«, sagte Jenny vorwurfsvoll.

»Finden Sie es verantwortungsvoll, wenn eine Mutter ihr kleines Kind allein lässt, an der Riviera herumkurvt und auf der Rückfahrt übermüdet auf einen Lastwagen rast? Aber so was macht nachdenklich und reif, Frau Dr. Behnisch. Frau Becker versteht das auch.«

»Wer ist Frau Becker?«

»Meine Lehrerin. Dr. Annette Becker, aber sie legt keinen Wert auf den Titel.«

»Ich auch nicht, Sabine«, sagte Jenny.

»So war es nicht gemeint. Bei einer Lehrerin ist das doch was anderes. Mit der ist man jeden Tag zusammen.«

»Und du magst sie«, sagte Jenny.

»Ja, sehr. Jetzt macht mir die Schule sogar wieder Spaß, aber wenn Paps diese Frau heiratet, will ich trotzdem weg.«

»Nun mal langsam mit den jungen Pferden, Sabine. Dein Vater ist noch kein alter Herr, da ist doch mal ein Flirt erlaubt.«

»Hab’ ja nichts dagegen, wenn es eine nette Frau wäre. Niemand kann mich verstehen. Ich sehe doch das gierige Glitzern in ihren Augen, wenn sie sich bei uns umschaut. Und ich habe auch schon in ihre Boutique geschaut, wenn sie nicht da war. Der Laden geht doch nicht. Sie braucht einen Mann, der sie finanziert. Ich habe das längst durchschaut, aber Paps denkt, ich sei nur eifersüchtig.«

»Ich würde an deiner Stelle ganz ernsthaft mit deinem Vater reden, Sabine«, sagte Jenny.

»Darüber kann man mit ihm doch nicht ernsthaft reden.«

Jenny wurde weggerufen. Es tat ihr leid in diesem Augenblick. Sabine blieb auch nicht geduldig sitzen. Sie wanderte wieder herum, und dann kam Rolf. Er war blass.

»Jetzt fahren wir aber heim«, sagte er rau.

»Geht es deinem Patienten nicht gut?«, erkundigte sich Sabine.

»Den Umständen entsprechend nach schon«, erwiderte Rolf, »aber es ist eine Patientin, eine noch junge Frau, die bisher schon sehr viel mitgemacht hat.«

»Was?«, fragte Sabine.

»Ihr Vater ist früh gestorben. Sie hatte eine sehr gute Stellung, aber dann bekam ihre Mutter vor Jahren einen Schlaganfall und war gelähmt. Sie hat diese Mutter über Jahre versorgt, und da sie nicht mehr arbeiten konnte, wurde auch das Geld immer knapper. Solche Sorgen hast du nicht, Binni, und du solltest dankbar sein.«

»Warum sagst du das? Sollte ich froh sein, dass meine Mutter keinen Schlaganfall mehr bekommen konnte, weil sie sich umgebracht hat?«

Rolf starrte sie bestürzt an. »Wie kannst du so reden«, murmelte er.

»Stimmt es etwa nicht? Ihr braucht mich doch nicht ein Leben lang für dumm verkaufen. Was nützt es mir, dass sie die große Tat vollbrachte, mich in die Welt zu setzen.«

»Jetzt ist es aber genug, Binni. Für heute ist Schluss mit diesem Thema. Morgen rede ich mit meinem Bruder.«

»Wenn er dazu Zeit hat«, sagte sie aufsässig.

»Er wird sie sich nehmen müssen«, sagte Rolf grimmig.

*

Helmut war schon da, als sie kamen. Er runzelte die Stirn.

»Ihr wart aber lange aus«, sagte er.

»Wir waren noch in der Klinik. Ich hatte dort zu tun«, erwiderte Rolf.