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Die deutsch-brasilianische Modeberaterin Karla kommt seit Tagen nicht mehr aus dem Freudentaumel heraus. Denn ihr persönlicher Drachen hat unerwartet das Zeitliche gesegnet und Karla genießt die Trauerfeier ihrer Schwiegermutter in vollen Zügen. Seit ihrer ersten Begegnung stand es schlecht um die freundschaftlichen Bande zwischen der weltoffenen, emanzipierten Karla und ihrer adeligen, konservativen Schwiegermutter Theresa von Kattew. Während Karla die Programmpunkte Beerdigung, Leichenschmaus und Testamentseröffnung brav absolviert, kommt sie nicht umhin ihre eigene Schwiegermutter mit den Drachen ihrer Freundinnen zu vergleichen. Ob Schwiegermutter á la feuerspeiender Drache oder Typ fürsorglicher Mutti, jedes Exemplar hält Überraschungen bereit.
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Seitenzahl: 235
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Die deutsch-brasilianische Modeberaterin Karla kommt seit Tagen nicht mehr aus dem Freudentaumel heraus. Denn ihr persönlicher Drache hat unerwartet das Zeitliche gesegnet und Karla genießt die Trauerfeier ihrer Schwiegermutter in vollen Zügen. Seit ihrer ersten Begegnung stand es schlecht um die freundschaftlichen Bande zwischen der weltoffenen, emanzipierten Karla und ihrer adeligen, konservativen Schwiegermutter Theresa von Kattew.
Während Karla die Programmpunkte Beerdigung, Leichenschmaus und Testamentseröffnung brav absolviert, kommt sie nicht umhin ihre eigene Schwiegermutter mit den Drachen ihrer Freundinnen zu vergleichen. Ob Schwiegermutter à la feuerspeiender Drache oder Typ fürsorgliche Mutti, jedes Exemplar hält Überraschungen bereit.
Marion Mink lebt mit Mann und zwei Töchtern in Darmstadt. Schon als Kind träumte sie davon, Schriftstellerin zu werden. Diesen Traum legte sie einige Jahre später in eine Kiste, schloss den Deckel und erlernte einen anständigen Beruf. Sie arbeitete als Sekretärin und Buchhalterin, bevor sie Skandinavistik und Journalismus studierte. Nachdem sie für Wirtschaftsunternehmen und Online-Magazine zahlreiche Pressemeldungen und Artikel geschrieben hatte, öffnete sie ihre Traumkiste wieder und fing an ein Buch zu schreiben. Drachentod ist Marion Minks erster Roman.
ROMAN
MARION MINK
DER KLEINE BUCH VERLAG
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.Drachentod, Marion MinkDer Kleine Buch Verlag, Karlsruhe
Alle Rechte vorbehalten.Nachdruck, auch auszugsweise, ohne Genehmigung des Verlags nicht gestattet. © Der Kleine Buch Verlag, KarlsruheErschienen Januar 2014Lektorat: Lutz Brien Korrektorat: Angela Hahn Redaktion, Satz, Umschlagfotos, und -gestaltung:Sonia LauingerGedruckt in Deutschland, Druckerei PRESSEL
eISBN: 978-3-942637-76-3
Dieser Titel ist auch als gedrucktes Buch erschienen:
ISBN: 978-3-942637-38-1
www.derkleinebuchverlag.de
Für Marlene und Emma, die Drachen nur als schuppige, grüne Wesen kennen. Und für Moni. Sie weiß schon warum.
Nachdenklich betrachte ich den grauen Steinboden zu meinen Füßen.
Edel.
Sehr edel.
Es könnte sich um Granit oder schwarzen Marmor handeln. Vielleicht trübt allerdings die triste Stimmung in meinem Umfeld das eigene Urteilsvermögen. Ist es nicht viel eher schwarzer Schiefer, der es sich zu meinen Füßen bequem gemacht hat?
Dezent schubse ich Karsten meine Ellenbogenspitze in die Seite.
»Schatz, was meinst Du? Schwarzer Marmor oder Schiefer? Und gehört Schiefer nicht ausschließlich an die Wand?«
Langsam, sehr langsam schiebt Karsten seine Sonnenbrille in Richtung Nasenspitze.
»Das ist nicht dein Ernst?«
»Würde sich schwarzer Marmor nicht gut in unserem Eingangsbereich machen?«
Diese Frage hätte ich mir wohl besser verkniffen. Ein tödlicher Blick trifft mich exakt zwischen meine dunkelbraunen Augen. Natürlich, zwei Todesfälle an einem Tag. Nichts Ungewöhnliches in meiner Heimat Brasilien. Zwei Todesfälle in Karstens Sippschaft – das bettelt förmlich um Intrige und Erbschleicherei.
»Karla! Wir befinden uns auf einer Beerdigung!« zischt mir mein Angetrauter leise ins Ohr.
Mit einem mutlosen Seufzer wende ich mich von meinem Gatten ab und schaue den zarten Sonnenstrahlen dabei zu, wie sie durch das bunte Glasfenster fallen und schimmernde Farbtupfer auf den geschlossenen Deckel des Sarges zaubern. Das Sargmodell zählt übrigens zur Ausstattungsklasse Eiche Massiv, in meinen Augen der Inbegriff deutscher Spießigkeit, aber durchaus passend für die leblose Hülle im Inneren des Holzkastens. Vom Band läuft Mozarts Requiem, welches mit seinen leisen, sanften Tönen die Worte des Pfarrers angemessen in Szene setzt und zugleich für eine melancholische Stimmung sorgt.
»Heute nehmen wir Abschied von einer bemerkenswerten, selbstlosen und hilfsbereiten Frau: ein wahrer Engel zu Lebzeiten. Viel zu früh hat das Schicksal Theresa Alexandra Katharina Isabella Gräfin von Kattew aus dem Leben gerissen.«
Die Menschen um mich herum schneuzen dezent in ihre Taschentücher, wischen sich das eine oder andere Tränchen aus dem Augenwinkel und stimmen nickend den Worten des kleinen dicken Pfarrers zu.
»Dieser tragische Unfall ist für uns alle unfassbar.«
Mein Mann Karsten, der rechts neben mir in seinem schwarzen Anzug von Hugo Boss und einer Ray-Ban auf der Nase sitzt, schnieft leise. Ich reiche ihm ein Taschentuch, drücke fest und dennoch einfühlsam seine Hand und fühle mich gleichzeitig wie ein rosa Plüschkaninchen auf Ecstasy: weich, wollig und frei wie auf Wolken schwebend. Ich habe meine rosarote Brille wieder gefunden und sehe einer glücklichen und entspannten Zukunft entgegen.
Paradiesisch! Dieses Gefühl der Hochstimmung hält nun schon seit vier Tagen an: Schwiegermutter adé!
Eigentlich hatte die Mutter von Karsten es nicht verdient so schnell und vor allem schmerzlos unsere geliebte Erde zu verlassen. Ein langsames Dahinsiechen wäre gerechter gewesen. Aber was ist schon gerecht in dieser Welt?
Das Leben meiner sportlichen, agilen Schwiegermutter, die kein Gramm Fett zu viel an ihrem schrumpeligen Körper hatte und jedem motorisierten Untersatz böse Flüche und Verwünschungen hinterher schimpfte, wurde von einem 7,5-Tonner ausgehaucht. Der völlig übernächtigte Brummifahrer hatte beim rechts Abbiegen das knochige Weibsstück auf dem vierzig Jahre alten Drahtesel einfach übersehen. In diesem Zusammenhang erhält mein Lebensmotto ›Sport ist Mord‹ eine völlig neue Bedeutung.
»... und sie fuhr doch so gerne Fahrrad. Amen.« enden die Worte des kugelrunden Pfarrers.
»Im Gegensatz zu mir«, flüstere ich meinem Liebsten ins Ohr.
»Was dir aber gut täte. Und zwei Autos sind wirklich zu viel für einen Haushalt«, brummt Karsten zurück.
»WAS?«, hallt es durch die Trauerhalle, während meine linke Augenbraue gefährlich zu zucken anfängt. Mir ist, als würde meine Schwiegermutter persönlich zu mir sprechen. Theresas hoch erhobener, langer, knochiger Zeigefinger wird mich noch verfolgen, wenn ich als Neunzigjährige den Treppenlift benutze und nicht jede Stufe einzeln erklimme. Unsere wiederkehrenden Diskussionen hängen noch sehr lebendig in meinen Gehirnwindungen.
»Als angesehener Anwalt kann Karsten unmöglich zu Fuß oder auf dem Fahrrad vor die Kanzlei vorfahren. Was würden die Leute davon halten?«, predigte mir Gräfin von Kattew mehr als einmal.
»Soll ich vielleicht in stinkende S-Bahnen steigen und müffelnd zum Kundentermin hetzen?«, konterte ich regelmäßig.
»Die paar Kundinnen, die du hast. Können die dich nicht abholen? Per Anhalter fahren bist du doch aus deiner wilden Heimat gewöhnt.«
Zeitgleich mit diesen Worten fiel ein hämisch grinsender Blick auf meine weichen Hüftrundungen, während ich noch sprachlos nach Luft schnappte.
»Sport, meine liebe Karla, wäre durchaus hilfreich, um deine wabbelige Figur etwas in Form zu bringen. Ich sage nur: Fahrrad fahren. Das hält Leib und Seele zusammen.«
So viel also zur innigen Liebe zwischen mir und meiner weltoffenen Schwiegermutter. Der Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Irak erschien mir da im Vergleich immer wie ein Kindergeburtstag.
Noch irgendwelche Fragen, warum der Brummifahrer mich mit seiner kleinen Unachtsamkeit zur glücklichsten Frau im Universum gemacht hat?
Für dieses heldenhafte Vergehen soll der arme Kerl nun in den Knast. Die Welt ist wirklich ungerecht!
Zu seiner Gerichtsverhandlung gehe ich auf jeden Fall und werde ein Transparent mit dem Spruch in die Luft halten: ›Freiheit für den Drachentöter, es war überfällig‹. Mit aller Wahrscheinlichkeit werde ich aus dem Gerichtssaal verwiesen und einer eventuellen Mittäterschaft angeklagt. Aber in meinen Augen ist der Brummifahrer ein echter Held.
Man stelle sich nur einmal vor, meine Schwiegermutter wäre bettlägerig geworden und ICH hätte sie vielleicht pflegen müssen? Diesen Umstand hätte sie sowieso nicht lange überlebt, denn spätestens nach drei Tagen wäre ich zur Mörderin geworden. Und so ein graues Knastoutfit steht mir nun wirklich nicht. Ich stehe zu meiner Konfektionsgröße 44 und mache auch kein Geheimnis um meine Problemzonen. Aber diese ›Hinter-Gittern-Klamotten‹ sind nun wirklich nicht vorteilhaft für meine Rundungen.
Sollte mein Brummifahrer wegen dieser Lappalie hinter schwedische Gardinen wandern, werde ich ihn regelmäßig mit Fresspaketen oder anderen netten Kleinigkeiten versorgen. Das Knastessen soll ja angeblich sehr diättauglich sein. Vor 1000 Jahren hätte er schließlich für die Tötung des Drachens die Prinzessin heiraten dürfen.
Er hat es ja nicht böse gemeint.
Im Gegenteil, der arme Kerl war einfach nur übermüdet und hatte Angst, seinen Job zu verlieren, falls er die Blumenladung nicht rechtzeitig ausliefert. Das nenne ich mal Einsatz und Engagement im Job und dieser Tatbestand sollte sich in jedem Fall strafmildernd auswirken.
Ein schluchzender, um ein Taschentuch bittender Ehemann holt mich in die Realität zurück. Ich reiche meinem Liebsten dezent ein lilafarbenes Schnupftuch und glaube im nächsten Augenblick meinen Ohren nicht zu trauen. Über die veraltete Lautsprecheranlage erklingt knisternd der Gefangenenchor aus Nabucco. Während einer Trauerfeier!
Wer hat die Musik ausgesucht?
»Schatz!«, ich zupfe sanft am Ärmel meines trauernden Göttergatten, »Schatz, wer ist verantwortlich für den musikalischen Rahmen dieser Trauerfeier?«
»Ich«, schluchzt der sonst so selbstbewusste Rechtsanwalt.
»Der Gefangenenchor?«
»Mutter liebte ihn!«
Ich hatte es befürchtet. Da kamen die taktlosen Gene meiner Schwiegermutter zum Vorschein. Gut, sie liebte den Gefangenenchor. Da hätte sie ja auch prima rein gepasst. Nein, nicht als Gefangene, meine Schwiegermutter hätte den Taktstock geschwungen. Mit ihren kalten, blauen Augen und ihrer hinterhältigen Scheinheiligkeit wäre sie die perfekte Gefängniswärterin geworden. Zucht und Ordnung und ein absolutes Faible für gedeckte Kleidung. Das war meine Schwiegermutter.
Und ich habe sie gehasst.
Aus tiefstem Herzen.
Andere würden sagen: ›Pech gehabt!‹, die Schwiegermutter kann sich Frau halt nicht aussuchen.
Oder doch?
Von der Spezies Schwiegermutter soll es die unglaublichste Artenvielfalt geben und weder Eiszeit noch Vulkanausbrüche können dieser Gattung den Garaus machen. Doch wie es sicherlich auch bei den Dinosauriern der Fall war, gibt es bei dieser menschlichen Art liebe, freundliche und umsorgende Wesen, die quasi Ersatzmutter und beste Freundin in einer Person für ihre Schwiegertöchter sind. Doch die dunkle Seite der Macht hatte mir einen wahren Drachen als Schwiegermutter beschert, gegen den mein Prinz nicht gewillt war das Schwert zu erheben, um die liebliche Prinzessin zu retten.
Aber wie in jedem klassischen Märchen siegt am Ende immer das Gute und wenn sie nicht gestorben sind, dann lebt die vollschlanke Prinzessin mit ihrem bärigen Prinzen glücklich bis ans Ende ihrer Tage.
Eine surrende Schmeißfliege kreist um meinen schwarzen, breitkrempigen Hut. Für die nächste Beerdigung in Karstens Familie lege ich mir ein Exemplar mit Netz zu, um mir die hochnäsigen Insekten vom Leibe zu halten. Seit geschlagenen fünfundvierzig Minuten sitzen wir bereits im Vorhof zur Hölle und die schleppende Orgelmusik ist auch nicht gerade ein Stimmungsmacher. Gelangweilt werfe ich einen Blick in die Runde der Trauernden.
»Karsten, Schatz, ich sehe Tante Betsi gar nicht.«
Seufzend wendet sich mein Göttergatte mir zu.
»Riechst du es denn nicht?«
Ich beuge mich zu Karsten rüber und schnüffle dezent an seinem Hals.
»Sie hat dich voll erwischt, du armer Schatz.«
»So fest hing Tante Betsi noch nie an meinem Hals.«
»Und was ist mit Onkel Herby?«
In diesem Augenblick ertönt eine Niesen über drei Oktaven hinweg und ich weiß, dass auch Karstens Onkel väterlicherseits den Weg zu unserer kleinen Party gefunden hat. Gerade als ich mich erneut der einschläfernden Orgelmusik hingeben will, überfällt mich ein eiskalter Schauer. Mein Herz krampft sich zusammen und ich weiß ohne hinzusehen, Penelope von Lenz zu Mayen ersticht mich gerade heimtückisch mit ihren eisblauen, kalten Augen.
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