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Es handelt sich um eine Anthologie mit Gedichten, Geschichten und Bildwerken, die Mitglieder des Freien Deutschen Autorenverbandes, Landesverband NRW, die Solinger Autorenrunde und GastautorInnen zum gegebenen Thema "Dramatische Weihnachten" verfasst haben. Die Herausgeber Halina M. Sega und Kay Ganahl legen mit diesem Buch eine Sammlung von unterschiedlichen, originellen und beziehungsreichen Werken der Leserschaft vor.
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Seitenzahl: 204
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Eine Anthologie des Freien Deutschen Autorenverbandes/Landesverband Nordrhein-Westfalen (FDA-NRW) und der Solinger Autorenrunde
Auch mit Gastautorinnen und Gastautoren
Düsseldorf 2017
Ruth Barg
FDA-NRW
Ein Weihnachtsgedicht
Winternacht
Gegensatz
Mechthild Bordt-Haakshorst
FDA-NRW
Weihnachten
Weihnachten
Weihnachten
Renate Buddensiek
FDA-NRW
Schöne Bescherung
Notruf nach Ibiza
Rohna Buehler
FDA-NRW
Wundersame Weihnacht
Abbildung „Die Vier Elemente“
Abbildung „Schlange mit Ecken und Kanten“
Hans Bäck
FDA-NRW
Die Misere des Engels
Bettina Döblitz
Inhaberin Galerie 7 (Bottrop)
Der Christbaumständer
Andreas Erdmann
Solinger Autorenrunde
Ein Engel
Abbildung „Am zweiten Weihnachtstag am Böcker Hof in Solingen“
Weihnachten 1943
Abbildung „Neuschnee in der Hofschaft Merscheider Hof in Solingen“
Kay Ganahl
FDA-NRW, Solinger Autorenrunde
Szene: Heiliger Abend mit Knecht Ruprecht. Satirischer Versuch
Abbildung „Ruprecht, der Bestrafer“
Martins Weihnachtsstory. Satire
Mit blondem Bart. Eine satirische Weihnachtsgeschichte
Brand am Heiligen Abend. Gedicht
Abbildung „Geliebter Baum“
Zu Besuch bei Dieter. Eine satirische Geschichte zu Weihnachten
Abbildung „Kugeln für den Baum“
Josef Graßmugg
Aufruf
Weihnachtswünsche
Anette Gröhler
Weihnachten ohne Handy und andere elektronische Geschenke
Eleonore Hillebrand
FDA-NRW
Der Weihnachtsbraten
Martina Hörle
Solinger Autorenrunde
Trauriger Schnee
Warum es dieses Weihnachten keine Süßigkeiten gibt.
Die liebe Verwandtschaft
Weihnachten mal ganz anders
Vorbereitung ist alles
Das Band für alle Fälle
Barbara Klein
VIOLA
Beate Kunisch
Solinger Autorenrunde
Advent, Advent, ein Engel brennt
Das Weihnachtsessen (eine Erzählung von Herrn P.)
Freu(n)dentränen
Stille Nacht
Weihnachtszeit
Karl Mittlinger
Ein Lichterteppich
Karl Plepelits
O Jubel, o Freud
Christina Pollok
„Unsere Vampire sind 100% GLITZERFREI“
Der Weihnachtsbaum
Abbildung „Lennie“
Dagmar Schenda
FDA-NRW
Fünfundzwanzig
Abbildung „Sonnenwende“
Regina E. G. Schymiczek
FDA-NRW
Das Gänsewunder
Abbildung „Gans in Gotik“
Halina Monika Sega
FDA-NRW, Leuchtfeder e.V., Wortquartett, „Unsere Vampire sind 100% GLITZERFREI“
Mein kleines Weihnachtswunder 2011
Heute kommt der Weihnachtsmann
Abbildung „Der bunte Weihnachtsmann“
Ein Hexenschuss zu Weihnachten
Abbildung „Bescherung“
Vampirische Weihnacht
Abbildung „Baumschmuck“
Heute ist die Nacht
Abbildung „Heute ist die Nacht“
Maria Stalder
FDA-NRW
Weihnachtliches Glück im Unglück
Weihnachten
Angelika Stephan
FDA-NRW
Winter
Abbildung „Winterlandschaft“
Herausforderung zum Weihnachtsfest
Abbildung „Schneelandschaft“
Marlies Strübbe-Tewes
FDA-NRW
Kater Ernies Weihnachtstraum
Abbildung „Mein Kletterbaum“
Der Baum - aus dem Buch „Kater Ernie - Personalchef mit Schnurrbart
“
Kater Ernie: Warten auf den Nikolaustag
Abbildung „Warten auf den Nikolaus“
Talira Tal
Leuchtfeder e.V., Wortquartett
Ein unvergessliches Weihnachtsfest
Christine Teichmann
Winter
Präambel: Es ist bald Weihnachten.
Michel Vian
Das Märchenbuch:
Weihnacht 1953
Weihnacht 1961
Marcus Watolla
Leuchtfeder e. V. (Gladbeck)
Weihnachtliche Polizeigewalt
Dagmar Weck
FDA-NRW
Kima
marthe. countdown
Spur im Schnee
Die Advents- und Weihnachtszeit ist die schönste Zeit im Jahr. Überall sieht man Lichter, um so die Dunkelheit zu verdrängen. Lieblicher Plätzchenduft kitzelt unsere Nasen und lässt unsere Geschmacksnerven vor Vorfreude tanzen. Gerade dann wird gerne zum Buch gegriffen, gelesen oder vorgelesen. Daher kam mir die Idee, mit Kay zusammen ein Weihnachtsbuch herauszubringen, welches mehr als nur eine Sammlung von weihnachtlichen Geschichten und Gedichten sein soll. Passend zu den Texten sollten Fotos und Kunstwerke das Buch zusätzlich schmücken. Das sollte aber nicht alles gewesen sein, da waren Kay und ich uns von Anfang an einig. Wir wollten ein Buch, welches u. a. auch unserem Verband FDA-NRW als Aushängeschild dient. Zusätzlich wollten wir uns noch mit anderen befreundeten Autoren wie der Solinger Autorenrunde und ausgewählten Gastautoren, die sich für gute Literatur einsetzen, vernetzen. Dabei hatten wir im Sinn, mit diesem neuen Werk der Vielseitigkeit der Literatur Raum zu verschaffen. Wir haben deshalb viel Wert auf unterschiedliche Geschichten und Gedichte gelegt, um ein buntes Weihnachtsbuch zu gestalten, welches sich von anderen Werken in jeglicher Hinsicht unterscheidet. Hier und da ist ein Stilbruch bewusst gewollt, was sich besonders im Cover widerspiegelt. Es soll ein dramatisches, mit Satire verknüpftes Werk in allen Bereichen sein, welches die Literaturlandschaft bereichert und in dem unsere Leser gern stöbern. Ob es uns gelungen ist, unserem Motto „Dramatische Weihnachten“ treu zu bleiben, entscheidet letztendlich aber der Leser.
Es bleibt mir nun noch, allen viel Spaß beim Lesen und Blättern zu wünschen!
Halina M. Sega, Gladbeck Beisitzerin (Region Ruhr) im Vorstand des Freien Deutschen Autorenverbandes/Landesverband Nordrhein-Westfalen
In den letzten Jahren hat der Landesverband NRW des Freien Deutschen Autorenverbands mehrere Anthologien veröffentlicht, die bei den Leserinnen und Lesern auf positive Resonanz gestoßen sind. Diese gute Tradition setzen die Herausgeber der vorliegenden Publikation, Halina M. Sega und Kay Ganahl, mit Verve und glücklicher Hand fort.
Die beiden Vorstandsmitglieder unseres Landesverbands haben für ihr ambitioniertes, 268 Seiten umfassendes, Unterfangen den ebenso beziehungsreichen wie ungewöhnlichen Titel „Dramatische Weihnachten“ gewählt. Dramatisch? Feiert denn Weihnachten nicht „O du fröhliche“ - fröhliche Urständ, gewinnen denn nicht Gemütlichkeit und Besinnlichkeit die Lufthoheit über den Tannenbaum? Die in dieser Anthologie versammelten Texte von 28 Autorinnen und Autoren aus den Reihen des FDA NRW, unseres Kooperationspartners Solinger Autorenrunde sowie literarischer Gäste zeigen diese, aber auch ganz andere Seiten.
Mit der gebrochenen Sicht auf das oft überstrapazierte Fest der Liebe sind sie dabei in unzweifelhaft guter Gesellschaft. Auch Arno Geiger, der Träger des diesjährigen FDA-Literaturpreises, zeigt uns in seinem Roman Es geht uns gut eine wahrhaft dramatische Weihnacht. So fürchtet sein im Alter dementer Protagonist Richard nichts mehr, als dass die Kerzen am Weihnachtsbaume das Haus abfackeln könnten: „Er umarmte den Feuerlöscher, den seine Frau Alma ihm gebracht hatte, stimmte die erste Strophe von „Oh Tannenbaum“ an. Aber mittendrin brach er ab und wünschte sich, dies möge sein letztes Weihnachten sein. Anschließend sagte er: „Komm, wir gehen weg von hier, das ist kein Ort für uns.“
Natürlich finden sich in der Anthologie mit Gedichten und Geschichten, wie es im Untertitel so richtig heißt, weiß die Gattungs- und Genrevielfalt der Texte doch zu beeindrucken, auch heitere, lichte Momente. Momente, die der Hoffnung Ausdruck verleihen wie in dem wunderschönen Gedicht „Winternacht“ unserer Freundin Ruth Barg aus der Steiermark.
„Im Sternenstaub - Häufen sich - Hoffnungen - Nisten im Schneegestöber - Paaren sich - mit Streuflocken - weißer Kristalle - die zur Erde stürzen - ohne Wiederkehr.“
Wie schon in der letztjährigen Anthologie „Ein Kinderspiel / kein Kinderspiel“ trägt auch „Dramatische Weihnachten“ wieder den kreativen Mehrfachbegabungen im Landesverband Rechnung. Das Auge des Betrachters darf sich nämlich an einer Vielzahl gelungener Illustrationen zum Thema erfreuen, die das Wort durch Bilderlebnisse bereichern. Autorinnen wie Rohna Buehler, Marlies Strübbe-Tewes, Angelika Stephan, Halina Monika Sega, Dagmar Schenda und Regina Schymiczek haben sich dabei ebenso hervorgetan wie ihre männlichen Pendants Kay Ganahl alias „Ruprecht, der Bestrafer“ und Andreas Erdmann von der Solinger Autorenrunde.
Ich wünsche diesem Buch viele geneigte Leserinnen und Leser und zwar „nicht nur zur Weihnachtszeit“, um mit Heinrich Böll zu sprechen.
Für das Engagement, „Dramatische Weihnachten“ auf die Beine gestellt zu haben, möchte ich an dieser Stelle sämtlichen Beteiligten, allen voran aber natürlich Halina M. Sega und Kay Ganahl, herzlich danken.
Dr. Manfred Luckas, Köln Vorsitzender des Freien Deutschen Autorenverbands/Landesverband Nordrhein-Westfalen
Wir machen uns Gedanken prompt,
da ja das Christkind baldig kommt,
was die Familie gerne mag.
Das ist doch ein besond´rer Tag!
Wünsche sollen wir bedenken,
was wir jedem gerne schenken.
Mein Freund hat schon herumgegafft,
sich für das Kaufen aufgerafft,
im Portemonnaie ein Loch schon klafft -
DOCH Weihnachten wird abgeschafft.
Im Sternenstaub
Häufen sich
Hoffnungen
Nisten im Schneegestöber
Paaren sich
mit Streuflocken
weißer Kristalle
die zur Erde stürzen
ohne Wiederkehr
Staunende Kinderaugen
Verweilen
Auf brennenden Kerzen am Baum
Münder singen Weihnachtslieder
Es könnte doch sein,
dass Arme reich beschenkt
werden mit Geborgenheit
Wärme, Liebe
Wogegen vielleicht
Reiche mit
glänzenden Schmuckkollektionen
arm beschenkt werden
Im Sinne von Weihnacht
(Ruth Barg, Kapfenberg)
Geburt Jesu
Geschenke
verschenken
beschenken
Mit Geschenken
zudecken oder
verdecken
überdecken
entdecken
Neu einkleiden
umkleiden
verkleiden
bekleiden
Alles für `s Fest
Baumschmuck
Bunt verwirrt
alles zuschmücken
Irgendwo
Geburt Jesu
eingebettet
in Liedern aus
Jahrhunderten
Mir fällt zu Weihnachten nichts ein
immer und immer wurde geschrieben
wir sollten Frieden schließen und lieben
nicht „Nein“ sagen und hilfreich sein
Es wurde soviel erzählt
gute und schlechte Geschichten
die wahren und dichten
fielen aus der Welt
Das Fest aus
Schnee gewebt
Die Wörter glitzern
dem Frost ins
Gesicht der Geschichte
Die Geburt
belebt uns neu
Weihnachten wollte Familie Wendt zu Hause feiern ohne Hektik und Stress mit gemütlichen Stunden am flackernden Kaminfeuer. Die halbwüchsigen Kinder, Lena und Tim, wären lieber in Skiurlaub gefahren, schließlich fieberten sie dem Weihnachtsfest entgegen.
Heiligabend stellten Vater Oliver und Tim beim Aufstellen des Tannenbaums fest, dass sie ihn passend kürzen mussten. Dabei verletzte sich Vater am Daumen. Mutter Inge hatte seine Wunde gerade versorgt, als Lenas Wehgeschrei sie erschreckte. Sie fand die Kleine heulend im Heizungskeller, wo sie beim Holen des Baumschmucks auf einer ölverschmierten Stelle ausgerutscht war. Mutter nahm sie tröstend in ihre Arme und brachte sie mitsamt Weihnachtsdeko zurück ins Wohnzimmer.
Vater entdeckte, dass die Heizung Öl verlor, ausgerechnet Heiligabend! Er bestellte den Heizungs-Notdienst. „Weihnachten fängt ja gut an!“, seufzte Mutter, während sie mit Vater die Öl-Lache aufwischte. „Hoffentlich ist es nichts Schlimmes! Ach, wären wir doch in Urlaub gefahren!“
„Wo ist das Lametta?“, fragte Vater. „Im Karton ist keines, eine Baumkugel fehlt.“ Da hörte er Tim mit Terrier Bruno schimpfen: „Gib sofort die Weihnachtskugel her, das ist kein Spielzeug für Hunde!“ Lachend sah Vater, wie Bruno mit der Kugel im Maul umher sauste, das Lametta wie eine Fahne hinter sich her ziehend. Schwanz wedelnd und mit Unschuldsblick gab Bruno nach gutem Zureden seine Beute zurück. Vater und Kinder machten sich ans Schmücken des Weihnachtsbaumes.
Es klingelte an der Haustür, der Heizungsmonteur erschien, tauschte ein undichtes Ventil aus, schon sprang die Heizung wieder an.
Das Telefon läutete. Oliver nahm das Gespräch an, seine Stirn legte sich in Falten. „Es ist deine Mutter“, sagte er, „sie fragt, ob sie morgen mit Tante Hilde über die Festtage zu uns kommen könnte.“ Inge griff zum Hörer. „Seid ihr nicht wie geplant nach Gran Canaria geflogen?“, fragte sie aufgeregt.
„Die Reise wurde abgesagt“, lautete die Erklärung. „Ihr seid herzlich eingeladen“, hörte Oliver erstaunt die Antwort seiner Frau.
Die Kinder jubelten voller Vorfreude, dass die liebe Oma und die freundliche Großtante zu Besuch kommen würden.
„Stressfreies Genießen, Kuscheln am Kamin?“, murmelte Oliver. „Fehlanzeige!“
„Oh je“, seufzte Inge ohne weiteren Kommentar.
Für das Weihnachtsessen würde der vorhandene Gänsebraten nicht ausreichen. Deshalb machte sich Inge auf, um eine zweite Gans zu kaufen. Sie hastete über den Marktplatz, vorbei an den letzten Buden des Weihnachtsmarktes. Fröhliches Kinderlachen mischte sich mit Karussell-Gebimmel, ein paar glühweinselige Männer wünschten ihr „Frohe Weihnachten!“
Besinnlichkeit war nirgends zu erkennen. Beim Betreten des Supermarkts wäre sie am liebsten gleich umgekehrt, so brechend voll war es. An den Kassen drängten sich kurz vor Ladenschluss, die Leute in langen Schlangen. Als sie selbst in der Reihe wartete, machte sie der Zeitverlust immer nervöser.
„Nicht aufregen!“, riet der ältere Herr vor ihr. „Bekanntlich fahren die Lebensmittelhändler Heiligabend Rekord-Umsätze ein. Sie sind in Eile, auf mich wartet niemand, ich lasse Ihnen gern den Vortritt.“ Inge rückte dankend vor.
„Denken Sie daran“, setzte er das Gespräch fort, „was Dieter Nuhr, der Kabarettist, neulich im Fernsehen gesagt hat: „Weihnachten ist der Höhepunkt des Christenjahres, denn Weinachten hat der Heiland den Einzelhandel gerettet.“ Inge lachte. Inzwischen waren nur drei Personen vor ihr.
Zwei bärtige junge Männer mit südosteuropäischem Aussehen standen an der Kasse. Inge fiel auf, dass sie mit einem älteren Paar am Ausgang in Blickkontakt standen und dass keine Einkäufe auf dem Band lagen. Die Kassiererin reichte einem der Männer eine Packung Zigaretten, die er mit einem Hundert-Euro-Schein bezahlte. In dem Moment, als die Verkäuferin das Wechselgeld zusammensuchte, griffen beide hastig in die geöffnete Ladenkasse. Sie stopften die daraus geschnappten Geldbündel blitzschnell in zwei Plastiktüten. Die junge Mutter vor ihr wurde mitsamt Baby von den Räubern zu Boden geschubst. Im entstandenen Tumult stürmten die zwei Räuber dem Ausgang entgegen.
Während die geschockte Kassiererin ersetzt, die Ladenkasse neu gefüllt wurde, beobachtete Inge die Räuber auf ihrer Flucht. Zwei Verkäufer rannten ihnen nach. Am Ladenausgang warf der erste Ganove beim Laufen seine Beute der dort wartenden Frau zu, die geschützt durch ihren Begleiter nach draußen floh, wo beide in einem vorfahrenden Auto entkamen. Die Verkäufer hefteten sich leider erfolglos an die Fersen der zwei Flüchtenden.
Als Inge den Heimweg antrat, hatte sich die Stadt geleert. Ein Polizeiauto raste mit Blaulicht und eingeschalteter Sirene an ihr vorbei. Nicht mehr weit von Zuhause vernahm sie plötzlich hinter sich schnelle Schritte. Einer der Ganoven folgte ihr. War es Zufall oder wollte er sie womöglich für freies Entkommen als Geisel nehmen? Oder wollte er sie als Zeugin des Raubüberfalls beseitigen? Verängstigt rannte sie nach Hause und verriegelte die Haustür. Draußen hörte sie den keuchenden Atem ihres Verfolgers und ein Rascheln, als er sich hinter den Büschen versteckte.
Ihre Familie wunderte sich über ihren Notruf. Kaum hatte sie alles berichtet, fuhr ein Polizeiwagen vor, wie sie alle beobachteten. Die Polizisten sahen den Räuber im dunklen Wald verschwinden. Bald erschien eine Polizeistreife mit einem Schäferhund, um nach beiden Flüchtigen zu suchen. Abends kreiste über den Baumkronen stundenlang ein Polizeihubschrauber, dessen Lichtkegel Tim und Lena mit so großer Spannung verfolgten, dass sie fast die Weihnachtsbescherung verpasst hätten.
Als die Kerzen am Weihnachtsbaum brannten, stellte sich mit „Stille Nacht, heilige Nacht“ auch bei Familie Wendt die ersehnte Weihnachtsfreude ein.
„Geschafft. Hallelujah! Fröhliche Weihnachten!“, rief Vater, als am nächsten Tag Oma und Tante Hilde eintrafen. Nie zuvor hatte es Weihnachten so viel Gesprächsstoff gegeben wie diesmal, und nie zuvor hatte es nach Ansicht der Kinder ein schöneres Weihnachtsfest gegeben.
Die Familie Bockelmann
ist von Spanien angetan.
Weihnachtsferien, Reisezeit,
wieder einmal ist’s so weit.
Bald geht’s zu den Balearen,
wo die Bockelmanns schon waren.
Vater, Mutter, Tochter Sohn
kennen diese Inseln schon.
Ibiza ist ihr Reiseziel,
Oma hält davon nicht viel,
deshalb bleibt sie bis Sylvester
gern zu Haus mit ihrer Schwester.
„Macht um mich euch keine Sorgen,
Tante Hedwig kommt ja morgen“,
so ist Omas Abschiedswort,
dann sind ihre Kinder fort.
Kaum gelandet in Ibiza,
sitzt man grad bei einer Pizza,
als das Telefon sehr stört
durch die Nachricht, die man hört.
Mama ruft: „Oh, lieber Gott,
Oma ist in größter Not!
Kommt nicht aus der Wanne raus,
Hedwig ist noch nicht im Haus.“
Oma jammert: „Ach, ihr Lieben,
wärt ihr doch bei mir geblieben!
Ich sitz fest, das ist kein Spaß.
Bitte helft mir, tut etwas!
Polizei und Feuerwehr,
irgendjemand muss schnell her,
um mich wieder zu befreien,
denn ich bin hier ganz allein!“
„Oma, bist doch bei Verstand,
hast dein Handy in der Hand,
wähl den Notruf 1 1 2;
und dann hilft die Polizei“,
sagt ihre Tochter Bockelmann.
Oma hört es stumm mit an.
Dann bricht sie in Tränen aus,
Fremde sollen nicht ins Haus!
„Ich bin nackt, wie geht das an,
solch ein Strolch, ein fremder Mann,
kommt nicht über meine Schwelle,
lieber sterbe ich auf der Stelle!“
Mama ruft bei Hedwig an,
ob sie Oma retten kann.
Hedwig packt gleich ihre Sachen,
um sich auf den Weg zu machen.
Eine Stunde mit der Bahn,
dann kommt Hedwig eilig an.
Als sie dort die Tür aufschließt,
sitzt die Oma da und liest
auf dem Sofa gut gelaunt.
Ihre Schwester steht und staunt.
Oma sagt: „Mit letzter Kraft
hab ich’s aus dem Bad geschafft.“
Omas eigne Hilfsaktion
geht gleich übers Telefon
bis nach San Antonio,
alle Bockelmanns sind froh.
Oma sagt: „Habt tausend Dank,
mir geht’s gut, nur Hedwig ist krank.
Besser wärt ihr hier geblieben.
Frohe Weihnachten, ihr Lieben!“
Merkwürdiges geschah in dem nächtlichen Zimmer.
Nachdem gegen Mitternacht die letzten Kerzen am Weihnachtsbaum erloschen waren, hatten sich die Eltern auch zur Ruhe begeben. Die Kinder schliefen schon, mit dem Versprechen, sie am nächsten Morgen frühzeitig zu wecken, war es der Mutter endlich gelungen, sie von ihren neuen Spielsachen zu trennen.
Nun herrschte Ruhe im ganzen Haus. Der prächtig geschmückte Weihnachtsbaum stand schwarz und still in seiner Ecke. Nur einmal, als ihn der Lichtkegel eines von draußen vorbeifahrenden Autos streifte, blitzte es golden in seinem Geäst. Ein schwacher Nachglanz huschte über das große Bild an der Wand daneben. Bis auf das Zeit zerhackende Ticken einer Uhr war nichts zu hören.
Aber da! Die Oberfläche des Bildes schien mit einem Mal zu pulsieren, das Rot eines Apfels blitzte auf, blassgelbe Körper tauchten im Sekundentakt aus der Dunkelheit auf, so als gäbe es unter ihrer Haut eine flimmernde Lichtquelle. Ja, jetzt schienen sie sich sogar zu bewegen! Das rechte Bein der männlichen Figur, seitlich hingestreckt am unteren Bildrand, schickte sich an, die Oberfläche von innen her zu verbeulen. Mit einem dumpfen "plopp" schnellte es plötzlich hervor, verharrte einen Moment bewegungslos ausgestreckt in der Luft, tastete sich dann mit vorgerecktem Fuß zum Boden. Das andere Bein folgte, quälte sich mit dem Knie voran durch die entstandene Öffnung. Schließlich wand sich der ganze Körper mit nach oben gestreckten Armen heraus und glitt zu Boden.
Dort saß er nun in einer Lichtpfütze, matt schimmernd in seiner blassgoldenen Glätte und betastete erstaunt seine Glieder. Mit beiden Händen umfasste er die Knie, hob die Unterschenkel, wedelte mit den Füßen hin und her, beugte sich vor, drehte den Kopf von links nach rechts, rollte mit den Augen. Er konnte sich bewegen! Er blickte hinauf zu seiner verlassenen Behausung. Sieh da! Auf der linken Seite schien sich jetzt eine zweite Öffnung anzudeuten, und nach wenigen Sekunden rutschte sein Bildgenosse, vorher in lässiger Pose auf seinem Stuhl sitzend, mit Eleganz heraus und landete auf beiden Füßen.
Zum ersten Mal standen sie sich gegenüber in ihrer neuen Körperlichkeit, berührten sich mit ihren fingerlosen Händen, drehten sich hin und her. Welch armseliges Dasein hatten sie doch gehabt dort oben im Gefängnis des Rahmens!
Sie schauten hinauf. Da waren noch zwei Figuren eingeschlossen, zwei unverkennbar weibliche! Eine schaute den Betrachter an, die andere wandte ihm den Rücken zu.
Erwartungsvoll reckten sie ihre Hälse. Doch nichts rührte sich. Sollte man nachhelfen? Sie stiegen auf das Bord unterhalb des Bildes, vielleicht wollten die Damen gestreichelt werden?
Schon nach wenigen Sekunden begann die berührte Fläche zu pulsieren, trieb Blasen, wölbte sich nach außen, bis sie platzte. Ein Arm schob sich heraus, eine Schulter folgte, dann ein Gesicht mit neugierigen Augen. Mit einer anmutigen Drehung zog die Schöne auch den anderen Arm aus der Öffnung, presste die Hände gegen das Bild und stieg vollends heraus.
Da standen nun die drei, geboren aus Linie und Fläche und fassten sich bei den Händen. Mit Körperlichkeit waren sie beschenkt, in dieser wundersamen Nacht, dieser Weihnachtsnacht. Nicht nur den Menschen bringt sie den Erlöser, einmal im Jahr erlöst sie auch alle Figuren aus dem Bann ihrer Bilder und erlaubt ihnen, für ein paar Stunden die Grenze zum wirklichem Leben zu überschreiten. Aber wo blieb das zweite weibliche Wesen? Da war nur noch ein Apfel, allein gelassen in der Mitte, der nun geleerten Fläche schwebend. Erst als die Schöne ihnen den Rücken zuwandte, erkannten sie, dass der Maler des Bildes ihnen eine zweite vorgegaukelt hatte: Sie präsentierte gleichzeitig ihre Vorder- und Rückenansicht!
Enttäuschung machte sich breit. Eine einzige Spielgefährtin für zwei Tatendurstige in dieser einen, einzigartigen Nacht? Und was sollte denn nun der Apfel da oben?
Der war inzwischen von selbst aus einer der entstandenen Öffnungen gerollt. Wohin mit ihm? Wollte er überreicht oder gegessen werden? Natürlich wusste der Apfel im Unterschied zu den Figuren um seine sowohl biblische Bedeutung von Verführung als auch um seinen guten Ruf als Gunstbeweis in den klassischen Sagen aus alter Zeit. Aber da das jetzt kaum ins Spiel kommen konnte, versuchte er, möglichst wenig Licht auf seinen roten Rundungen zu reflektieren, um nicht doch noch eine Verführung zum Verzehr darzustellen. Er zog es vor, unter den Tisch zu rollen, während die drei Figuren sich aufmachten, ihre Umgebung zu erkunden. Neugierig hüpften sie um den Weihnachtsbaum, sprangen über die herumliegenden Spielsachen und tanzten hinüber zu den übrigen Bildern im Galeriegeschoss.
Ihr plötzliches Erscheinen bewirkte Erstaunliches. Schlagartig begannen alle Bilder zu pulsieren, jedes in seinem eigenen, immer schneller werdenden Herzschlag, bis die Oberflächen sich öffneten und ihre Geschöpfe entließen. Der „Mondanzünder“, beherrschende Figur des größten Bildes, reckte sich und schob seinen Laternenanzünder durch die offene Schräge des gekippten Fensters.
Sogleich wuchs der lange Stab ins Grenzenlose, spürte den Mond hinter seinen Wolkenvorhängen auf, zerrte ihn hervor und zündete ihn – schwups! – an. Hätten die Dichter der Romantik das sehen können - sie hätten ein neues Lied an den Mond angestimmt! Da ergoss sich nun das silbrige Mondlicht mit seinen bleichen Strahlen über eine weihnachtliche Schneelandschaft und beleuchtete eine turbulente Szene, als sei sie von Dali erdacht. Die Bildgenossen des Mondanzünders, vierbeiniges Getier mit merkwürdig geformten Mäulern, Ohren und Flügeln, tummelten sich auf dem Glastisch. Unter ihrem verlassenen Bild, hüpften sie auf und ab, zwickten einander, zogen sich an ihren Schwänzen, schlugen mit den Flügeln aufeinander ein und trieben allerlei Schabernack in ihrer neuen Freiheit.
Dies aber tat nicht allen gut: Die Teile eines hölzernen, bis hoch unter die Decke reichenden Puzzles hatten sich aus der erzwungenen Umklammerung der Nachbarn gelöst und wuselten nun, kaum voneinander zu unterscheiden, auf dem Boden umher, wo sie neue Kontakte zu finden hofften. Aber ach! Ihre übergroßen Augen taugten nicht zum Sehen. Blind für einen Partner, mit dem zu kopulieren erfolgreich hätte sein können, verhakten sich ihre fingergleichen Auswüchse ineinander, ein buntes Geknäule phantastischen, hölzernen Getiers, zuckend bemüht, sich wieder aus den Verkantungen zu lösen.
Fasziniert von dem unglaublichen Geschehen, das ihr Erscheinen ausgelöst hatte, standen die drei Figuren inmitten des Chaos und wunderten sich über das seltsame Gebaren eines Wesens, das sich von der hohen Schrankwand gelöst hatte. Sein Körper war der rechtwinkligen Fläche angepasst, das mäandrierende (bogenförmige) Band einer Schlange, das die weiße, öde Fläche mit Farbe und Bewegung beleben sollte.
Welch ein Unglück für das arme Tier!
Schon seit geraumer Zeit versuchte die Schlange verzweifelt geschmeidig von der Schrankfläche herab zu gleiten. Es gelang nicht. Sobald sie weiter kriechen wollte, den Kopf vorreckte und ihr Körper der Bewegung folgen wollte, verharrten die nächstgelegenen Glieder in den durch die Malerei vorgegebenen eckigen Positionen. Ihre Bewegungen glichen einem Humpeln, sie schämte sich, zumal sie sich stark behindert fühlte durch eine unförmige Verdickung in der Mitte ihres Körpers. Beim Adventskaffee hatte sie die Fragen der Gäste und die Erklärung der Gastgeber mit anhören müssen: „Nun ja, da ist ihr die Beute im Bauch stecken geblieben.“ Und dort würde sie wohl auch bleiben, so sehr sie auch versuchte, durch heftiges Auf und Ab und Hin und Her ihren Verdauungstrakt auf Trab zu bringen.
Eine humpelnde Schlange! Wo hatte man so etwas schon gesehen
Sollte sie etwa bestraft werden für die Rolle, die sie bei der Vertreibung von diesem Adam und seiner Schlampe Eva gespielt hatte? Dabei hatte sie doch dem, den sie den Erlöser nannten und dessen Geburt in dieser Nacht wieder einmal gefeiert wurde, erst einen Grund für sein Kommen geliefert. „Die Erlösung aus meiner Unbeweglichkeit ist ja nichts anderes als eine erneute Bestrafung“, zischte sie, „etwa dafür, dass ich den Schöpfergott über den wahren Charakter seiner ebenbildlichen Geschöpfe aufgeklärt habe?“ Als allegorische Figur der Verführung hatte sie in ihrer jetzigen Gestalt keine Zukunft mehr. Wütend und erschöpft zog sie sich mit ruckartigen Bewegungen wieder auf die ihr zugewiesene Fläche zurück und schaute dabei mit stillem Neid auf ein tanzendes Paar, das mit wehenden Röcken und wirbelnden Gliedmaßen an ihr vorbeifegte.
Den Neid hätte sie sich sparen können.
Das Paar war nicht so glücklich, wie das Temperament seiner Drehungen vermuten ließ. Entscheidungen muss ein Tanzpaar gemeinsam treffen. Sie wollte sofort den Figurinen folgen, sowie sie sie erblickt hatte. Er – „Neugierde, dein Name ist Weib!“