Dramen und Gedichte - Bruno Ertler - E-Book

Dramen und Gedichte E-Book

Bruno Ertler

0,0

Beschreibung

Dieser Band enthält die beiden Dramen "Anna Iwanowna" und "Belian und Marpalye" sowie die Gedichtsammlung "Eva/Lilith".

Das E-Book Dramen und Gedichte wird angeboten von Jazzybee Verlag und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 242

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dramen und Gedichte

Bruno Ertler

Inhalt:

Dramen und Gedichte

Anna Iwanowna

Ein Stückchen Weltkomödie

Personen im Vorspiel.

Personen des Stückes.

Das Vorspiel

Der erste Akt

Der zweite Akt

Der dritte Akt

Belian und Marpalye

Lieber Freund!

Es treten auf als Personen und Traumgestalten.

Vorspiel

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

Eva

Heilige! Wunderbare!

Gebet

Frühe Tage

Der Bettler

Vorübergehen

Ungesagte Worte

Frage

Ewigkeiten

Begegnung

Bitte

Drei Stunden

Gesegnete Stunde

Meer

Stille Stunde

Ereignis

Föhn

Liebesnacht

Ferne Stunde

Gang durch die Tiefe

Abschied

Nebel

Es war

Heimkehr

Schwere Tage

Nachklänge

Abend

Zwischenspiel

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

Lilith

Narrenliebe

Sternschnuppen

Liebelei

Osternacht

Frühling

Nächtlicher Gang

Schattenriss

Spruch

Blüten

Erwartung

Fensterpromenade

Letzte Nacht

Weisst du noch?

Der Fremdling

Herbstgedanken

Nach dem Sturm

Der Weg

Die Stunde

Spruch

Nachher

Dramen und Gedichte, B. Ertler

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849611989

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Dieses Werk bzw. Inhalt und Zusammenstellung steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz. Die Details der Lizenz und zu der Weiterverwertung dieses Werks finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/. Der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon wurden der TextGrid-Datenbank entnommen, wo der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon ebenfalls unter voriger Lizenz verfügbar sind. Eine bereits bestehende Allgemeinfreiheit der Texte bleibt von der Lizensierung unberührt.

Dramen und Gedichte

Anna Iwanowna

Ein Schauspiel in drei Akten und einem Vorspiel als Oper vertont von Konrad Steckl

Ein Stückchen Weltkomödie

Zur Aufführung des Schauspieles »Anna Iwanowna«

Das Erbe des großen Zaren Peter I. († 1725), der die Entwicklung seines Volkes und Staates mit gewalttätigem Eifer vorwärtstrieb, fand keinen Nachfolger, der das riesige Werk mit gleicher Kraft weitergeführt oder auch nur klug verwaltet hätte. Schon unter der kurzen Regierung seiner Gattin Katharina I., die ihren Günstling, den Fürsten Mentschikoff, willkürlich schalten und walten ließ, und noch mehr während der kaum dreijährigen Herrschaft seines Sohnes Peter II. hoben die Gegner der petrinischen Reformen immer kühner ihr Haupt, und als der vierzehnjährige Zar, durch wilde Ausschweifungen früh verbraucht, am 31. Jänner 1730, von einem hitzigen Fieber rasch dahingerafft, starb, standen sich ganz offen zwei Parteien zum Kampfe um den Zarenthron gegenüber. Die Altrussen wollten die einzige noch lebende Tochter Peters des Großen, die schöne, aber sittlich arg verwilderte Großfürstin Elisabeth Petrowna auf den Thron erheben und das Reich von Moskau aus ganz im alten Geiste der Bojaren regieren.

Die Gegenpartei, die streng an den Neuerungen Peters festhielt und wegen ihrer westlichen Neigungen auch die »deutsche Partei« hieß, war jedoch schneller am Werk: Schon am 4. Februar 1730 traf eine Abordnung aus Moskau in der kurländischen Hauptstadt Mitau ein und trug der dort regierenden Anna Iwanowna des Reiches Krone an.

Diese Herzogin Anna war eine Nichte des großen Peter, der sie in ihrem achtzehnten Lebensjahr kurzerhand an den Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen vermählt hatte. Der Prinz, der zugleich Herzog von Kurland war, starb zwei Tage nach der Hochzeit, wie es heißt, an den unmittelbaren Folgen des gewaltigen Rausches, den ihm der Zar durch unermeßliches Zutrinken förmlich anbefohlen hatte. Ob historisch oder nicht – Peter dem Großen wären solche Gewaltstücke ohne weiters zuzutrauen gewesen.

Die jugendliche Witwe nun richtete sich in ihrer Residenz Mitau nach ihrem Sinne ein. Sie strebte nach westlicher Kultur, d.h. sie lernte einmal ordentlich lesen und schreiben und ließ sich mit Vorliebe von ihren Damen und Kavalieren französische Romane vorlesen.

So war auch einmal der junge Fürst Anatol Galizyn mit dem Ehrenamte des Vorlesens betraut worden, und es geschah, daß sich die Herzogin in den schönen, ungebärdigen Menschen rettungslos verliebte. Sein Herz aber zog ihn nicht zu ihr, sondern in die Welt hinaus, in Taten und Abenteuer und, als die verliebte Herzogin Miene machte, ihn mit Gewalt festzuhalten, brannte er einfach durch. Vergebens war ihr Toben und Weinen – der schöne Kavalier blieb verschollen; und es heißt, daß die Verlassene sich schließlich aus Trotz und, um sich zu betäuben, in die Arme des Nächstbesten geworfen habe.

Ob dies nun der Grund war oder nicht: Sicher ist, daß Anna Iwanowna ihren ehemaligen Stallmeister und späteren Kammerdiener Johann Biron, einen Abkömmling aus niederem, preußischem Adel, zu ihrem Günstling erhob und nach und nach, als sie Zarin geworden war, zum Grafen, Fürsten und schließlich zum Herzog von Kurland machte. Dieser rohe, grausame, aber auch kraftvoll überlegene Mann beherrschte die Zarin unbedingt und durch sie das weite russische Reich, dessen Kerker und Eiswüsten er rücksichtslos! mit seinen Gegnern füllte. Nur die Deutschen, vor allem der Kanzler Graf Ostermann und die Marschälle Münich und Löwenwolde, konnten sich neben ihm behaupten, den Russen aber war er ein Dorn im Auge und die Verschwörungen und Intrigen gegen ihn und die Zarin nahmen in den zehn Jahren ihrer Regierung (1730-1740) kein Ende. Besonders in den letzten Jahren flammte es bald da, bald dort bedrohlich auf, und wenn die Anschläge dennoch stets vereitelt wurden, so war das meist nur der Wachsamkeit von Konkurrenzverschwörungen zuzuschreiben, die Gleiches anstrebten.

Kurz: Der russische Hof tanzte auf einem Vulkan, als im Winter 1739 plötzlich die Kunde eintraf, Fürst Anatol Galizyn sei nach fast zehn Jahren Fremde unvermutet heimgekehrt. Wie die Zarin diese Nachricht aufnahm, ist nicht näher bekannt; daß aber die alte Leidenschaft in rachsüchtiger Flamme wieder aufzuckte, als sie erfuhr, der Ungetreue habe sich im Auslande römisch-katholisch verheiratet, kann man aus dem Folgenden entnehmen:

Sie ließ den Fürsten sofort gefangennehmen, seine Frau auf die Straße werfen, wo sie spurlos umkam, und vermählte den einst geliebten Mann mit einer alten, buckligen Waschfrau. In einem Eispalast, der eigens zu diesem Zwecke auf der festgefrorenen Newa kunstvoll erbaut wurde, fand die Hochzeit statt. Dabei nun soll die Zarin insofern betrogen worden sein, als die alte Wäscherin, die an der Gicht darniederlag, ihre schöne, junge Tochter unter die Brautvermummung steckte und zur Zarin sandte. Erst am andern Morgen merkte Anna den Betrug, ließ die arme Eisbraut sofort töten und machte den Fürsten Galizyn zur Strafe zu ihrem Oberhofnarren. Er mußte ein Federkleid tragen, auf einem Eierkorb sitzen und durfte bei Todesstrafe kein Wort sprechen, sondern nur gackern und krähen.

Wie lange er dies aushielt, ist nicht bekannt. Die Zarin Anna aber starb einige Monate nach dieser Aufregung, nachdem eine weitverzweigte Verschwörung des Grafen Artenau Wolinski knapp vor ihrer Ausführung entdeckt und durch grausamste Strafen vernichtet worden war.

Personen im Vorspiel.

Personen des Stückes.

Die Zarin Anna Iwanowna.

Johann Biron, der Herzog von Kurland.

Der Kanzler Graf Ostermann.

Fürst Kurakin.

Fürst Anatol Galizyn.

Maria Fürstin Galizyn.

Graf Artenau Wolinski.

Graf Platen Mussin-Puschkin.

Der Kabinettssekretär Johann Eichler.

Der Hofmarschall Graf Löwenwolde.

Fürst Trubetzkoj.

Peter Jeropkin.

Andrei Chruschtschow.

La Costa,

Pedrillo,

Apraxin,

Balakyrew, Hofnarren.

Der Stallmeister.

Zwei Zeremonienmeister – Ein Lakai – Garden – Kosaken – Pagen – Diener – Herren und Damen des Hofes – Festgäste – Masken – Heiducken.

Die drei Akte des Stückes spielen an ein und demselben Tag im Winter 1739/40 zu St. Petersburg; der erste und zweite im Winterpalast, der dritte im Eispalast auf der Newa.

Anmerkung

Sofern das Kostüm nicht bei den einzelnen Auftritten beschrieben ist, mag das Zeitkostüm als Grundlage gelten, also im Vorspiel noch Barock, im Stück ein ganz frühes Rokoko, das besonders in der Kleidung der älteren Personen noch stark barocke Einschläge zeigt. – Wichtiger aber ist es, das Land zu berücksichtigen, also in der Kleidung den russischen Nationalcharakter zu betonen, was sich besonders in einer starken Verwendung von Pelz und Metall- und Juwelenschmuck zeigt, am meisten aber in den Farben hervortreten mag.

Die Pagen gehen grün mit roten Aufschlägen und goldenen Tressen und Nähten, die Lakaien in gleicher Farbe, aber ohne Tressen. Die Narren

Pedrillo und La Costa tragen das verkleinerte Kreuz des Alexander-Newski-Ordens am roten Band, die anderen Narren den Orden San Benedetto. Für die Inszenierung sind vor allem die jeweils angegebenen Farbenstimmungen zu berücksichtigen. Im übrigen mag auf jedes Detail verzichtet werden und nur in den Möbeln oder da und dort in einem Schnörkel an Tapeten oder Spiegelrahmen der Zeitstil angedeutet sein. Zwischen dem Vorspiel und dem Stück liegt ein Zeitraum von zehn Jahren.

Das Vorspiel

Im herzoglichen Palais zu Mitau. Hinterbühne um drei Stufen erhöht.

Eingänge rechts und links. In der Mitte ein breites Fenster, durch das man eine verschneite Parklandschaft sieht.

Vorderbühne mit Möbeln im Stile Louis XIV. Tischchen und Sitzmöbel. – Eingang links vorn. – Farben hellbraun und silbern. – Die ganze Bühne ist mit Rosen übersät – überall stehen höhere und niedere Rosensträucher, die rote und rosenfarbene Blüten tragen. – Wintervormittag.

Johann Biron, ein Mensch von etwa dreißig Jahren, hoch und kräftig, mit unruhigen, bald servilen, bald anmaßenden Gesten und flinken, lauernden Augen, ein Emporkömmling, der jetzt noch geschmeidig lächelt, um später brutal seinen bösen Trieben zu frönen, ein Lakai mit der Gestalt und den Anlagen eines Gewaltherrschers, der jetzt noch das Gewand des ersten Kammerdieners trägt, kommt schnell und lautlos von links vorn, sieht sich mit einem raschen Gewohnheitsblick nach allen Seiten um und winkt hinter sich.

Fürst Kurakin, ein großer, massiger Kavalier von vierzig bis fünfzig Jahren, dem der Alkohol bereits

Zeichen beginnenden Verfalls aufprägte, folgt ihm nach. – Er trägt das Kostüm eines französischen Schauspielers, eine Verkleidung, in der er sich nicht recht heimisch fühlt. Jeden Augenblick kommt denn auch in seiner Art, zu sprechen und sich zu geben, der russische Gewaltkerl durch, der mit der Peitsche in der Hand zu verhandeln gewohnt ist.

KURAKIN. Ich werde es Ihnen nie vergessen, daß Sie mich hieher führten – – Sieht die Rosen; lachend. Hehe! Wo sind wir denn da –? Tappt nach einer Rose.

BIRON. Geben Sie acht, Monsieur! Wenn Sie einer den Hals brechen, kann das auch Ihrem Hals passieren!

KURAKIN. Hehe! Sollte das so gefährlich sein –?

BIRON. Sehr gefährlich! Sie ahnen nicht, was ich gewagt habe, Sie überhaupt hier einzulassen. Näher. Noch einmal, Monsieur: Sie haben nichts von Politik im Sinn?

KURAKIN der ihm am liebsten eine Ohrfeige geben möchte. Wa –?! Faßt sich. Ich sagte Ihnen doch schon alles. Aber nun möchte ich des weiteren Ihre Zeit nicht stehlen. Ich glaube, daß ich die Herzogin nun selbst für meine Sache gewinnen kann.

BIRON trocken. Das glaube ich nicht.

KURAKIN. He –?

BIRON. Ich glaube nicht, daß die Fürstin im gegenwärtigen Augenblick für das französische Theater zu begeistern ist.

KURAKIN. Man sagt mir aber, gerade hier am Hofe zu Mitau hätten jederzeit die Musen das erste Wort.

BIRON lauernd. Wer sagte Ihnen das?

KURAKIN glatt. Es ging davon die Rede in den Künstlergarderoben zu Versailles.

BIRON wie oben. Zu Versailles –? Ist's möglich –? Kleine Pause. Es kann sein, daß die Musen einmal hier das erste Wort hatten – solange andere Götter nicht mit lauter Stimme sprachen.

KURAKIN. Ich weiß nicht Bescheid in Eurem Himmel – was für Götter, möchten das wohl sein?

BIRON seufzt.Ein anderer!! Nur einer.

KURAKIN. Doch nicht gar der Kriegsgott?

BIRON. Ich wollt', er wär es!

KURAKIN tastend. Ein feinerer –? Ein zarterer Gott? Biron schweigt. Ein Göttchen – mit Flügeln – he –? Mit Pfeil und Silberbogen –? He –?

BIRON plötzlich. Hab ich ein Wort gesagt –?!

KURAKIN lächelt. Nein, mein Freundchen. Kein Wort! Kein Wort. Gewiß nicht. Sie haben das Geheimnis der Herzogin Anna nicht verraten.

BIRON platzt heraus. Weil es kein Geheimnis gibt! Weil jedermann sehen muß, wie dieser ganze Hof schon seit Wochen und Monaten in rosenrotem Lichte schimmert! Die ganze Welt wird einfach vor die Tür gesperrt und mitten im Winter muß ein Rosengarten blühen – denn die Herzogin liebt! Setzt den Kriegsgott wie die Musen auf Ruhesold und lebt überhaupt nur noch in französischen Romanen – –

KURAKIN. Nun also –

BIRON. – nicht in Tragödien! In Romanen, sagte ich. Und zwar auch nur dann, wenn sie durch die Stimme des Fürsten Galizyn lebendig werden!

KURAKIN. Romane –? Fürst Galizyn?

BIRON. Machen Sie sich keine Hoffnung, Herr! Hier kommen Sie nicht auf, und wären Sie der selige Monsieur Molière selbst mit allen seinen Komödien. – Durchbrechend. Hier gilt nur dieser Schmeichler, dieser Süßholzraspler! Nur er! Nur seine Stimme! Ich glaube, er könnte ebenso gut eine Litanei beten oder von eins bis tausend zählen, die Herzogin würde es gar nicht bemerken und am Ende ganz begeistert »Bravo!« rufen.

KURAKIN lächelt. Nun – nun – vielleicht doch nicht – –

WOLINSKI in Hoftracht, das bewegliche, kluge, hinterhältige Gesicht immer mit diplomatischem Lächeln maskiert, ein Mann von etwa 45 Jahren, von vollendetem Auftreten, undurchdringlich, nie außer Form, aber auch nie frei. Man sieht es ihm  an, daß er Palastgemächer so gut wie Gefängnisse kennt, mit dem Zaren an einem Tisch gesessen, aber auch schon unter seiner Knute geblutet hat. Er ist mehr Opfer als Herr seines maßlosen Machttriebes, was er in seltenen Augenblicken schaudernd fühlt. – Er tritt von der Galerie links auf und bemerkt die beiden Anwesenden. Ein Lächeln legt sich über sein glattes Gesicht. Er wendet sich an Biron. Ah – hier ist Er ja –

BIRON verschreckt abwehrend. Exzellenz –

WOLINSKI. Keine Angst. Ich weiß schon. Ich wollte Ihm nur sagen – – doch Er ist hier nicht allein.

BIRON auf Kurakin weisend. Ein Mime vom Hof Seiner französischen Majestät. Monsieur – de – daß ich den Namen nicht behalten kann – –

KURAKIN verneigt sich vor Wolinski. Der bescheidene Name de Caille wird Eurer Exzellenz nicht viel sagen.

WOLINSKI kommt näher. Doch, den Namen hört ich schon. Man spricht von Ihnen, Monsieur, am Hofe von Moskau. Sie haben die Absicht, vor der Herzogin von Kurland aufzutreten? Ist Madame de Mappier mit von Ihrer Truppe –?

KURAKIN leicht verwirrt. In der Tat. Exzellenz verblüffen mich –

WOLINSKI lächelt, dann plötzlich zu Biron. Seh' Er doch nach, ob die Luft noch rein ist. Ich möchte Ihrer Hoheit nicht unvorbereitet in den Weg treten – –

BIRON mit Verbeugung ab Galerie rechts.

WOLINSKI nimmt Kurakin am Arm und führt ihn rasch nach links vorn, indem er Biron vorsichtig nachblickt; dann schnell und gedämpft. Wie war Dein Weg?

KURAKIN. Ich sah keinen.

WOLINSKI. Wir sind ihnen zuvorgekommen. Sieht ihn an. Doch lass' dich betrachten! Wahrhaftig! Niemand würde in diesem Komödiantenrock den tapferen Fürsten Kurakin vermuten! Er kleidet dich vortrefflich. – Ich reiste als jüdischer Kaufmann bis vor die Tore von Mitau. – Wie weit bist du?

KURAKIN. Auf dem besten Weg zur Herzogin.

WOLINSKI deutet nach rechts. Durch den da?

KURAKIN. Durch keinen anderen.

WOLINSKI. Nimm dich in acht! Die Delgerucki haben hinter jeder Tür einen stehen.

KURAKIN. Der denkt nicht an sie – nicht an uns – an nichts denkt er. – Er hat einen wehen Punkt im Herzen. Drückt man darauf, so geht sein Mund wie eine Plappermühle. Nun kenne ich die Bande, mit denen Anna Iwanowna gefesselt ist.

WOLINSKI. Also doch!

KURAKIN. Diesmal hast du aber falsch geraten, Väterchen. Nicht Sachsen, nicht Preußen, weder König noch Kurfürst, nichts von Politik! – Liebesbande machen sie für alles taub und blind!

WOLINSKI lacht kurz. Ich sehe: Ich bin kein Frauenkenner. Nur immer eines und immer dasselbe. – Und wer?

KURAKIN. Gleich ihrer zwei.

WOLINSKI. Der Kämmerling da – und –?

KURAKIN. Und ein junger Kammerherr, der Romane vorliest.

WOLINSKI. Ein richtiges Schäferidyll also!

KURAKIN. Ein Idyll? – Eine Eifersuchtsaffaire! Merkst du, was das für uns bedeutet? Brennende Sinne – blinde Wächter! – Ich glaube, es hätte unserer Vorsicht gar nicht bedurft! Warum treten wir nicht vor die Herzogin hin und sagen ihr: Wir bringen dir den Willen des heiligen Rußland. Es bittet dich, seine Zarin zu sein! – Und dann mag sie uns sagen, was sie denkt.

WOLINSKI lächelt. Ein Land will nie – und eine Herzogin denkt nicht. – Das Denken und das Wollen Gedämpft und scharf. ist an uns – und wer nicht wollen kann, der wird gewollt! Wir haben einen Vorsprung, den müssen wir nützen. Wer weiß, wie schnell uns die Gegner folgen?!

KURAKIN widerstrebend. Du magst recht haben – – Aber trotzdem: Ich ging lieber geradeaus.

WOLINSKI. Gerad'aus siegt nur Meister oder Kind. Bei Frauen aber greift auch Gott zur List. Sie haben einen Hohlspiegel im Kopf und sehen Krummes gerade und Gerades schief.

KURAKIN. An dergleichen habe ich nie gedacht. Ich wollte nur, die Spiegelfechterei wäre schon zu Ende.

WOLINSKI. Du wirst nicht lange warten müssen. Die Ereignisse treiben uns. Peter ist tot.

KURAKIN mit Schreck. Der Zar –? Tot –?!

WOLINSKI. Er lag im Sterben, als ich abreiste.

KURAKIN. Gott nehme sich in Gnaden seiner Seele an.

WOLINSKI. Ich hoffe, Gott hat bessere Dinge zu tun. Diesen Lasterbuben wird er wohl dem Teufel abtreten müssen.

KURAKIN ernst, den Hut abnehmend. Es war der Zar –.

WOLINSKI. Ein schnapstrinkender Bengel war er, der mit seinen vierzehn Jahren im Laster erstickte: Der richtige Sohn einer Bauerndirne und – –

KURAKIN drohend. – des großen Zaren Peter!

WOLINSKI. Auch in meinen Adern kreist das Heldenblut der Narischkyus und Romanows – –!

KURAKIN schroff. Und –? Was weiter –!?

WOLINSKI schweigt betroffen.

KURAKIN heftig. Was weiter? Heraus damit!!

WOLINSKI. Still. Keinen Lärm!

KURAKIN ganz nahe, sehr eindringlich. Ich diene mit jedem Atemzug dem Thron des großen Zaren Peter, der nun der Herzogin Anna gebührt. – Deshalb kam ich her. Um sonst nichts!

WOLINSKI peinlich berührt. Was du gleich kollerst, alter Bär! Du kennst mich doch. Du weißt: Mein jähes Blut reißt mich oft in einen Wirbel von Bildern. Welcher ehrliche Mann in Rußland dächte heute anders als wir beide? Pause, da Kurakin verdüstert schweigt, sieht er ihn von der Seite an und ist im folgenden bemüht, den Eindruck der Szene zu verwischen. Sagtest du Liebesbande? – Eifersucht –? Ich will mir das merken, darauf läßt sich bauen. – Wer ist der zweite?

KURAKIN. Ein Fürst Galizyn –

WOLINSKI überrascht. Ein Galizyn? – Laß sehen – Nach kurzem Nachdenken. Jung –?

KURAKIN. Offenbar noch jung.

WOLINSKI. Das könnte nur einer der Söhne des Marschalls sein. Etwa – Anatol – – Freilich Anatol Galizyn – deine Mission bekommt eine Aufgabe mehr: Wir müssen den jungen Charmeur zunächst auf gutem Wege fortzubringen suchen. Also halte die Augen offen! Sollte er widerstreben, dann ist er der erste, der – – Geste: weg muß. Doch, du wirst ja sehen.

KURAKIN fest, etwas abweisend. Ich werde diesen Weg zu Ende gehen, weil ich ihn begonnen habe. Du sollst nicht klagen dürfen.

WOLINSKI. Nun, nun, noch immer grämlich? Daß dich ein schnelles Wort so schrecken konnte! Verzeih' mir! Hält ihm die Hand hin.

KURAKIN nimmt die Hand. Ich bin Soldat Vergeben mag ein Priester. Hätt' ich dir etwas zu verzeihen – so tät ich's nicht.

WOLINSKI sieht zuerst in die gerade und regungslos auf ihn gerichteten Blicke Kurakins, versucht zu lächeln, erschrickt vor der steinernen Ruhe des andern, wendet sich, ohne die Hand loszulassen, wie unter einem Zwang ab und sagt bettelnd und gequält. Bleib du mir –! Bleib du mir –!

BIRON kommt von der Galerie rechts.

WOLINSKI sofort gefaßt, lächelnd wie früher. Was ist –? Zu Kurakin. Pardon, Monsieur! Wendet sich Biron zu.

BIRON vertraulich. Ich sah die Herzogin – – sie wandte sich hieher.

WOLINSKI. Ich danke Ihm. Melde Er mich später, wenn ich Ihm ein Zeichen gebe –. Zu Kurakin. Sie bleiben, Monsieur?

KURAKIN. Ich gedachte, mein Anliegen selbst vorzubringen, doch sollten Exzellenz früher – – – Geste: Bitte!

WOLINSKI lächelnd. Die Kunst voran – besonders bei den Damen. Die Staatsgeschäfte kommen immer noch zu früh. Neigt sich. Monsieur Caille, ich hätte gerne mich weiter mit einem so vortrefflichen Manne unterhalten – –

KURAKIN sich neigend. Exzellenz –!

WOLINSKI ab in die Galerie links.

KURAKIN nach kurzer Pause. Die Fürstin ist allein –?

BIRON. Ach Herr, – Allein –? So wie Sie schon seit Monaten »allein« ist. Deutet nach rechts. Da – sehen Sie –!

KURAKIN. Das ist – Fürst Galizyn –?

BIRON. Ich wollt', er wär es nicht.

KURAKIN lächelt. Du bist noch sehr jung, mein Freundchen.

BIRON. Ich möchte ein Greis sein, daß mein Blut langsamer ginge!

Von der Galerie rechts kommen, ganz langsam promenierend, die Herzogin Anna Iwanowna und Fürst Anatol Galizyn. – Sie ist eine Frau von etwa 25 Jahren, in ihren Bewegungen etwas lässig, im Tonfall der Sprache gewöhnlich ein wenig verschleiert, wie vom Mitschwingen enttäuschter Lebensbereitschaft. Manchmal aber kann alle Weichheit plötzlich verschwinden und dann ahnt man etwas von gefährlicher Leidenschaft in ihr. – Ihr Aussehen entspricht dieser Mischung. Das

Gesicht ist mehr sinnlich als schön, die Jochbögen stark betont und die kleinen, schwarzen Augen von leise mongolischem Schnitt. Auch hat die Haut einen leicht gelblichen Grundton. – Die Herzogin ist in einfacher Tracht und trägt keine Perücke, sondern ihr eigenes tiefschwarzes Haar.

Fürst Anatol Galizyn ist ein ganz junger Kavalier von etwas über zwanzig, ohne mehr, als seiner Jugend entspricht, scheinen zu wollen. Er ist sich seiner Kräfte in keiner Weise bewußt und trägt seine auffallende Schönheit und natürliche Anmut wie ein Kleid, dessen Wirkung er nicht kennt. Manchmal hat er eine zuckende Kopfbewegung, wie etwa ein rassiges Pferd, das in die Stränge beißt, und seine lebhaften blauen Augen sehen über alles hinweg. Er spricht, ohne zu überlegen. Im ganzen ein schönes Tier, das gegenwärtig noch nichts ist als jung, und von dem man noch nicht vorhersagen kann, ob die Bestie oder der Mann in Zukunft herrschen wird. – Er trägt Hoftracht und braune gebundene Perücke. In einer Hand hat er ein kleines Buch, das er zugeklappt hat, wobei ein Finger als Lesezeichen eingeklemmt ist.

Die beiden sehen die zwei Herren, die links vorne stehen, zunächst nicht und bleiben eben ein wenig stehen.

ANNA. Wie war das mit der Rose –?

ANATOL. Er meint hier: Niemals welkt die Rose, welche Liebe pflückte. Nur wer die Blumen achtlos bricht, raubt ihre Seele.

ANNA lacht. Haha – was für drollige Gedanken!

ANATOL. Es ist mir unbegreiflich, wie ein Mann dergleichen ersinnen mag.

ANNA. Es war wohl ein Liebender –

ANATOL. Ein verliebter Gärtner – aber kein Mann!

ANNA. Ein Dichter vielleicht – oder ein Narr – –

ANATOL. Aber kein Mann – kein Mann!

ANNA äfft ihm nach. Kein Mann – kein Mann! – Weshalb nicht? Als ob Männer nie dichteten, liebten oder sonst wie närrisch wären –!

ANATOL. Mag sein. Aber dann sollen sie's für sich behalten.

ANNA. Du hast noch nie etwas gedichtet – He –?

ANATOL lachend. Nein – wirklich nicht!

ANNA. Vielleicht bist du der größte Narr.

BIRON der eifersüchtig dem Getändel folgte, seufzt hier wie ein unterdrücktes Raubtier plötzlich auf. Ah!

ANNA bemerkt die beiden, die sich tief verneigen. Ah –? Unwillig. Was stöhnt da schon wieder? Ich will nicht, daß man hier herumschleicht und Ah! und Oh! seufzt!

BIRON. Hoheit – – Monsieur de Caille. –

ANNA sieht Kurakin aufmerksam an. Was ist das für ein Monsieur? Kommt näher. Ach ja – Sein Mime –?

BIRON. Wie ich sagte: Monsieur de Caille.

ANNA zu Anatol. Da hast du gleich einen, den du nicht verstehst. – Zu Kurakin. Er ist ein Künstler – wie?

KURAKIN. – der um die Gnade eines Augenblickes bittet – um die Gunst eines Wortes – –

ANNA. Aus Versailles – wie ich hörte –?

KURAKIN. Vom Hofe Seiner Majestät des Königs von Frankreich, ja.

ANATOL lebhaft. Vom Sonnenhofe – wirklich?

KURAKIN. Wenn Durchlaucht ihn so kennen –

ANATOL. Ach, kennen –? Leider nicht! Auf ihn zu. Doch Sie müssen mir erzählen, Monsieur, viel erzählen! Sie haben doch starke Worte und helle Bilder – ja? Ich habe Hunger nach jedem Atemzug der Welt da draußen! Oh, sagen Sie – sagen Sie mir, was ich hier höchstens träumen oder in süßlichen Dichterbüchern lesen kann –!

ANNA nimmt ihm das Buch aus der Hand, zu Kurakin. Schreibt man bei euch diese drolligen Geschichten von den liebenden Damen und Gärtnern – und dem andern Gesindl – –?

KURAKIN. Ich weiß nicht, was Hoheit meinen könnten – –

ANNA. Ihr müßt sonderbare Menschen sein da drüben, daß ihr alles in Büchern erzählt, was ihr treibt und denkt. Warum tut ihr so etwas?

KURAKIN. Um andern zur Lust zu dienen.

ANNA. Mit Büchern? Was für eine Dummheit!

KURAKIN. – oder zu helfen – –

ANNA. Wer schwatzt, hilft nicht. – Dichten Sie am Ende auch solche Affairen?

KURAKIN. Ich nicht, Hoheit. Ich habe es nie versucht.

ANNA. Was treiben Sie dann für Künste?

KURAKIN. Ich führe mit meiner Truppe Tragödien vor.

ANNA. Warum spielt ihr das? –

KURAKIN. Indem wir spielen, leben wir ein größeres Dasein.

ANNA. Ihr tauscht also fremdes Leben um das eigene ein. Ist euch das eigene so gering?

KURAKIN. Wir tauschen nicht – wir erweitern das eigene bloß durch fremdes. Denn zuletzt ist Spiel und Leben von gleicher Seele.

ANNA. Leben bleibt Leben – und Spiel ist Spiel. Wer eines ganz hat, braucht das andere nicht.

ANATOL. Doch, Herzogin! Das Spiel der großen Kräfte macht uns selber groß und reißt die Tat aus unseren Gliedern!

ANNA. Was du Tat nennst, ist Unruhe. Weiter nichts.

ANATOL. Ja – Unruhe! Ziehende Unrast – –!

ANNA. Dir steigen die Lügenbücher zu Kopf!

ANATOL. Die hasse ich! Aber die große Welt, die hinter ihnen steht –

KURAKIN. Ich finde hier einen unverhofften Fürsprecher –

ANNA heftig. Nichts finden Sie! Hält ihm eine Rose hin. Da – sehen Sie das?

KURAKIN. Eine Rose – wohl –

ANNA. Eine blühende Rose – ja. Wer hat sie blühen gemacht?

KURAKIN. Wer? – Die Priester sagen: Gott. Die Philosophen meinen: Die Natur. Man kann auch behaupten, sie blüht von selbst.

ANNA. Nun also! Gott, Natur, von selbst – das ist alles eins. Einen Komödianten brauchte sie ganz sicher nicht, um aufzublühen. Sie ist erfüllt, sie lebt, sie duftet – und mit allen eueren Dichterbüchern und Tragödien könnt ihr sie nicht schöner und reicher machen, ihr nichts von ihrem Duft nehmen oder dazugeben. – Was erfüllt ist, braucht kein Gleichnis. Nur die Sehnsucht ruft nach Bildern.

ANATOL. Die Sehnsucht – – ja, die Sehnsucht! Die Welt – die wunderbare – die tausendfältig verborgene – immer neu erlebte. –

ANNA. Schweig – du! Es abenteuert in dir! Der Teufel hält dir einen Zerrspiegel vor und lacht über deine Narrheit!

ANATOL. Das Leben selbst –

ANNA zornig. Leben –? Was willst du? Nur, was du in der Hand hältst, ist dein Leben! Das andere lügt und blendet. Ich will davon nichts hören! Zu Kurakin. Vielleicht, Monsieur, kommt eine Stunde, da man Ihrer Kunst bedarf. Wer kann das wissen – –? Jetzt ist sie noch nicht da. – Doch eines ist sicher: Wenn sie kommt, so ist mein Spiel im Sinken. Und niemand weiß, wann er auf seinen Grund gelangt. Man soll es vielleicht lieber nicht versuchen. – Für jeden Fall aber: Ehrlich Feind! Sie oder ich!

KURAKIN überrascht. So war es nicht gemeint – das habe ich nicht wollen –

ANNA. Die Dinge fragen nach unserem Wollen nicht. Sie werden.

Die Herzogin nickt; Kurakin und Biron ab links vorne.

Anna – Anatol.

Es tritt eine Stille ein. Anatol ist die Stufen hinaufgegangen und sieht in den Garten hinaus. – Anna sieht erst nach ihm hin, geht dann gegen links und streift mit der Hand über die Rosen.

ANNA. Wie süß die Rosen atmen.

ANATOL. Ja.

ANNA. Sie sind schon im Verblühen; deshalb duften sie so schwer.

ANATOL noch immer ohne hinzusehen; gepreßt. Mir liegt der warme, müde Hauch erdrückend auf der Brust. Mit heftiger Geste. Ach wer ihn löste! – Plötzlich näher kommend. Weshalb nur sandtest du ihn fort?

ANNA. Den Mimen?

ANATOL. Den Fremden – ja.

ANNA. Was soll der alte Narr in unseren Rosen?

ANATOL. Alt? Wer ist alt? Wer ist jung? Ich könnte sein Sohn sein – und doch ist er jünger – ach, um so viel jünger als ich! – In diesem alten Manne lebt die Tat – das Abenteuer – fernes Land und kühn erfaßter Augenblick! Wer weiß, wie oft in seinem Leben er Sieger werden durfte?

ANNA. Du nicht –? Mein Kakadu –

ANATOL. Nein, ich nicht! Höchstens im Pfänderspiel!

ANNA. Du hast nicht gut geschlafen, mein junges Walroß. – Näher. Du! Mach' keine solchen Augen! Was ist das? He? – Nimmt ihn an den Ohren. Wirst du gleich lachen! Nachäffend. Bääääh! So siehst du aus! Genau so! Du gefällst mir gar nicht!

ANATOL. Laß los – laß mich!

ANNA. Nein! Niederknien! Zieht ihn an den Ohren  nieder. So! Schön niederknien, mein Hündchen! Und jetzt schön bitten –!

ANATOL reißt sich los und springt auf. Ich mag nicht! Ich will nicht mehr! Ich bin kein Hündchen – kein Kakadu – nichts will ich sein –!

ANNA erbost, mit gefährlichem Unterton. Was weißt du, was du bist!? Du bist das, wozu ich dich mache, sonst nichts –!

ANATOL. Ich will draußen im Wilden wachsen – im harten Wind!

ANNA. Der Sturm zerbricht die Bäume.

ANATOL. Er macht sie fester!

ANNA. Alle?

ANATOL. Alle, die was taugen. Um die andern ist's nicht schade –

ANNA kalt. Und woher willst du wissen, zu welchen du gehörst?

ANATOL sieht sie sprachlos an; Pause.

ANNA weich. Ich habe dir nicht weh tun wollen Nimmt seinen Kopf in beide Hände; mütterlich. Was ist in dich gefahren, mein Antja? Hast du bös geträumt? Von Fernen, die du nicht kennst –? Leicht seufzend. Wer weiß, wie sie sind –

ANATOL. Das eben treibt mich, läßt mir keine Ruh', das Unbekannte – dieses Feindliche – das zum Bekennen reißt und zum Bezwingen! Hier les' ich Bücher – bin in deiner Hand ein Liebesspielzeug –

ANNA. Hab' ich dich gekränkt, daß du mir die heitere Stunde verdirbst mit spitzen Worten?

ANATOL. Soll ich sie verschweigen?

ANNA. Du magst sie denken – aber sprechen nicht.

ANATOL. Ich muß es sagen. Siehst du nicht, daß ich wie ein verleg'ner Knabe dich umschleiche, der nach Gefallen lächelt, glatte Worte im Munde hat, doch allem fremd ist, was er sieht und sagt. Daß eine andere Welt, – ach nur die Ahnung, – nur der Traum von ihr, – mich fester hält als diese ganze, taube, feindselig schöne Wirklichkeit.

ANNA nachfühlend. Feindselig –? Und schön –? Und taub – Wie lange ist es schon, daß du so – lügst –?

ANATOL hart.