DREI UNZEN AGONIE - Carter Brown - E-Book

DREI UNZEN AGONIE E-Book

Carter Brown

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Beschreibung

Maxine Lord ist verzweifelt. Die Chefin des berühmten New Yorker House Of Sorcery ist die kostbare Formel für Agonie, das exquisiteste Parfüm der Saison, gestohlen worden. Um sie sich wiederzubeschaffen, schreckt Maxine vor nichts zurück.

Auch nicht vor einem Mord?

Diese Frage stellt sich Danny Boyd, der sich für Maxine in den mörderischen Konkurrenzkampf der Parfümbranche stürzt, wo anscheinend alles stinkt - nur Geld nicht...

 

Der Roman Drei Unzen Agonie von Carter Brown (eigentlich Allan Geoffrey Yates; * 1. August 1923 in London; † 5. Mai 1985 in Sydney) erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1968.

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendären Kriminal-Romane von Carter Brown als durchgesehene Neuausgaben in seiner Reihe APEX CRIME.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Carter Brown

 

 

Drei Unzen Agonie

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 253

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DREI UNZEN AGONIE 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Epilog 

 

 

Das Buch

 

Maxine Lord ist verzweifelt. Die Chefin des berühmten New Yorker House Of Sorcery ist die kostbare Formel für Agonie, das exquisiteste Parfüm der Saison, gestohlen worden. Um sie sich wiederzubeschaffen, schreckt Maxine vor nichts zurück.

Auch nicht vor einem Mord?

Diese Frage stellt sich Danny Boyd, der sich für Maxine in den mörderischen Konkurrenzkampf der Parfümbranche stürzt, wo anscheinend alles stinkt - nur Geld nicht...

 

Der Roman Drei Unzen Agonie von Carter Brown (eigentlich Allan Geoffrey Yates; * 1. August 1923 in London; † 5. Mai 1985 in Sydney) erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1968.  

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendären Kriminal-Romane von Carter Brown als durchgesehene Neuausgaben in seiner Reihe APEX CRIME.

   DREI UNZEN AGONIE

 

 

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

»Sie werden erwartet, Mr. Boyd.« Die ältliche Haushälterin rümpfte missbilligend die Nase und wich zur Seite.

Ich klopfte mir den Schnee von den Kleidern und betrat das House of Sorcery. Die ungewöhnliche Innenausstattung verblüffte mich nicht, denn erst vor sechs Monaten hatte ich in einer Illustrierten eine Bildreportage darüber gesehen. Der feine Duft des Parfüms, der, soweit ich mich erinnerte, über die Klimaanlage im ganzen Haus verbreitet wurde, stieg mir in die Nase. Meine Füße versanken in einem dicken tiefblauen Teppich. Die Wände des Foyers waren mit schwarzem Samt bespannt, die Decke schimmerte meergrün im Schein indirekter Beleuchtung.

Die Haushälterin ging mir voraus zu einer breiten Treppe, die in die Tiefe führte. Eine mächtige ägyptische Sphinx aus saphirblauem Muranoglas bewachte den Zugang. Mir war, als flammte ein böses Funkeln in ihren orangefarbenen Augen auf, als ich mich näherte.

»Miss Lord lässt Sie bitten, gleich hinunterzugehen.« Die Haushälterin rümpfte abermals die Nase und zog sich zurück.

Ich stieg die mit phantastischen Mosaiken gefliesten Stufen hinunter und gelangte zu einer schweren holzgetäfelten Tür. Als ich sie öffnete, umfing mich die dampfgeschwängerte Atmosphäre eines Hallenschwimmbads. Der ganze Raum war wie die Treppe mit Mosaik ausgelegt. Das Becken selbst maß etwa zehn Meter in der Länge und sieben Meter in der Breite. Feine Dampffäden stiegen von der Wasseroberfläche auf. Die dunkelhaarige Frau, die auf dem Rücken im Wasser lag und sich treiben ließ, rührte sich nicht. Sie starrte - offenbar in Gedanken verloren - unverwandt zur Decke hinauf, einer sternglitzernden Nachahmung des Nachthimmels.

»Tür zu«, befahl sie dann unvermittelt mit voller kehliger Stimme. »Es zieht!«

Ich zog gehorsam die Tür zu. Dann schritt ich zum Rand des Beckens und blickte zu ihr hinunter. Langes schwarzes Haar trieb wie ein glitzerndes Netz auf dem Wasser. Die veilchenblauen Augen blickten noch immer zur Decke empor. Die Nase wirkte in ihrer Geradlinigkeit klassisch, und der Mund mit der kurzen Oberlippe und der vollen geschwungenen Unterlippe lockte verführerisch. Sie machte auf mich den Eindruck einer Frau, die es gewöhnt ist, ihren Kopf durchzusetzen. Ich kam zu dem Schluss, dass hinter der gefälligen Fassade ein gehöriger Schuss Willenskraft und Hartnäckigkeit steckte.

Sie seufzte leicht, drehte sich um und schwamm zum Rand des Beckens. Dann zog sie sich aus dem Wasser. Der schwarze Lastex-Badeanzug musste meiner Berechnung nach schon reichlich knapp gesessen haben, ehe sie ins Wasser getaucht war. Jetzt wirkte er entschieden zu klein. Als sie sich aufrichtete, stellte ich fest, dass sie größer war, als ich vermutet hatte. Sie reichte mir - und ich bin immerhin einsachtzig groß - fast bis zur Nasenspitze. Ihre Figur war ein Traum. Die volle Rundung ihres Busens war Verlockung und Herausforderung zugleich. Der Schwung ihrer Hüften besaß nichts Knabenhaftes. Ihre langen braungebrannten Beine hatten schmale Knöchel und feste volle Schenkel. Einen Moment lang war ich wie benommen von der starken erotischen Ausstrahlung dieser Frau. Stumm stand ich da, während sie ein Handtuch aufhob und sich das Haar zu frottieren begann.

»Sie sind also Boyd?«, meinte sie.

Ich hatte mich inzwischen gefasst. »Und Sie sind die Lord, was?« versetzte ich.

»Miss Lord!« 

»Und Mr. Boyd!« Ich grinste ungeniert. »Sie besitzen zwar unheimlichen Sex-Appeal, und mir wird ganz schwach bei dem Gedanken, dass Sie sich meiner beruflichen Fürsorge anvertrauen wollen, aber es wäre mir trotzdem lieb, wenn Sie gewisse Formen des Umgangs beachten würden.«

Ihre Miene verriet, dass sie mich am liebsten hinausgeworfen hätte. Doch sie beherrschte sich. Ich entdeckte an ihr einen Zug eiskalter Berechnung, der mich ein wenig beunruhigte. Ihre Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln.

»Sie wissen natürlich, wer ich bin?«

»Natürlich«, bestätigte ich. »Maxine Lord, Eigentümerin der Firma House of Sorcery. Sie gaben Ihrem Haus hier den gleichen Namen, statteten es mit einiger Raffinesse aus und machten einen Reklameschlager daraus. Ich habe mir das alles vor ein paar Monaten in einer Zeitschrift angesehen.«

»Ich brauche einen Privatdetektiv«, erklärte sie, während sie ihr Haar rieb. »Sie wurden mir empfohlen. Man sagte mir, Sie seien nicht nur tüchtig, sondern auch verschwiegen. Das ist genau das, was ich suche.« Die blauen Augen maßen mich mit einem abschätzenden Blick. »Ich nehme an, Sie sind nicht ganz billig.«

»Wie Ihre Parfüms«, versetzte ich. »So an die vierzig Dollar pro Unze.«

Sie lächelte widerstrebend. »Ich bin bereit, Ihnen fünftausend Dollar zu zahlen, wenn Sie Ihren Auftrag zu meiner Zufriedenheit erledigen. Sollten Sie hingegen versagen, zahle ich keinen roten Heller. Was halten Sie davon, Mr. Boyd?«

»Kommt darauf an, was Sie von mir verlangen.«

»Darüber können wir uns oben unterhalten.«

Sie drapierte sich das Badehandtuch wie einen Sarong um den Leib und schritt mir voraus zur Treppe. Ich folgte ihr. Dann fuhren wir im Aufzug, einem Gehäuse aus Glas und Stahl, hinauf in den dritten Stock. Sie führte mich in ein Schlafzimmer, das in seinen Dimensionen einem Ballsaal glich. Zu beiden Seiten des baldachinüberdachten Bettes wachten wiederum ägyptische Sphinxe aus italienischem Glas.

Maxine Lord ließ das Badetuch zu Boden fallen, streifte die Träger des Badeanzugs herunter und wandte mir den Rücken zu.

»Ziehen Sie den Reißverschluss auf«, befahl sie.

Mit einem skeptischen Blick auf die unmutig dreinblickenden Sphinxe öffnete ich den Reißverschluss, der tief hinunter reichte. Noch immer mit dem Rücken zu mir, schälte sie sich den Anzug vom Oberkörper und schritt dann auf eine Tür zu, hinter der sich, so vermutete ich, das Ankleidezimmer befand.

»Bin gleich wieder da«, rief sie mir über die Schulter zu. »Denken Sie inzwischen darüber nach, ob Sie meinen Auftrag annehmen wollen, Mr. Boyd.«

Ich konnte mich hier nicht aufs Geschäft konzentrieren. Was ich dachte, entflammte mich so, dass ich dringend Ablenkung brauchte. Ich sah mich also in Maxine Lords Schlafzimmer um. Auch hier war die Zimmerdecke eine Nachahmung des sternfunkelnden Nachthimmels. Die Wände waren ebenfalls mit schwarzem Samt ausgeschlagen. Raffiniert und extravagant, fand ich, aber nicht unbedingt gemütlich. Maxine Lord besaß entweder eine ausgesprochen starke Persönlichkeit oder aber okkult-kannibalistische Neigungen.

Dann kehrte sie ins Zimmer zurück. Ums Haar hatte sie ein Handtuch geschlungen. Sie trug einen Morgenmantel aus gelber Seide und darunter nichts. Ich vergaß einen Moment zu atmen, als sie auf mich zukam. Erst als sie sich in einen Sessel sinken ließ und mich ansah wie einen lästigen Eindringling, begannen meine Lungen wieder zu arbeiten.

»Sie besitzen eine gewisse Ausstrahlung brutaler Männlichkeit, die wahrscheinlich von Ihrem recht animalischen Triebleben herrührt«, stellte sie im Konversationston fest. »Aber woher soll ich wissen, dass Sie auch geistig auf Draht sind?«

»Und woher soll ich wissen, dass Sie keine extravagante Millionärin sind, die nicht alle Tassen im Schrank hat?«, fragte ich aggressiv zurück. »Vielleicht haben Sie mich hierher beordert, um nach einem Parfümfläschchen zu suchen, das Ihnen gestern ins Schwimmbecken gefallen ist.«

»Amber«, sagte sie zusammenhanglos und verwirrte mich damit vollends. »Die wachsartige Ausscheidung des Pottwals, ungemein teuer und der Grundstoff für jedes Parfüm.« Sie wedelte nachlässig mit der Hand. »Alles Übrige liegt an der Zusammenstellung, der Mischung der Ingredienzen. Nur dadurch unterscheidet sich ein gutes Parfüm vom anderen. Und aus diesem Grund wird jede Mischung streng geheimgehalten.«

»So wie ein Meisterhoch seine Rezepte geheim hält«, warf ich ein. »Zum Beispiel...«

»Halten Sie den Mund.« Ihr Ton war beinahe unhöflich. »Ich erkläre Ihnen etwas, das Sie wissen müssen. Mein ganzes Unternehmen steht und fällt mit der Geheimhaltung meiner Mischungen. Und da liegt der Hase im Pfeffer.«

»Kein Wunder, wenn man bedenkt, wo das Amber herkommt«, meinte ich schaudernd. »Ich möchte wissen, wieso die Parfüms am Ende so herrlich duften.«

»Das eben will ich Ihnen erklären«, fuhr sie mich an. »Es kommt auf die Mischung an. Die Qualität eines Parfüms beruht auf einem oder mehreren der vier tierischen Duftstoffe, die alle abscheulich riechen. Was Amber ist, wissen Sie bereits. Moschus ist das getrocknete Sekret aus den Drüsen des Moschustiers. Dann haben wir noch das Drüsensekret einer Katzenart, die in Abessinien gezüchtet wird. Und schließlich Castoreum, das Sekret aus den Geschlechtsdrüsen des kanadischen Bibers. Die synthetischen Blumenöle verleihen dem Parfüm den süßen Duft. Die guten öle werden mit den Extrakten der natürlichen öle gemischt, deshalb sind sie so teuer. - Ach, zum Teufel, weshalb verschwende ich eigentlich meine Zeit damit, Ihnen das alles zu erklären?«, rief sie plötzlich gereizt. »Kurz gesagt, jemand stiehlt meine Rezepte, Boyd.«

»Und ich soll herausfinden, wer«, sagte ich gescheit.

»Das, und weshalb.« Sie zuckte die Schultern. »Sie müssen die Sache natürlich streng vertraulich behandeln.

Es ist schlimm genug, dass es überhaupt geschehen konnte. Wenn es aber in der Öffentlichkeit bekannt wird, kann ich meine Firma schließen.«

»Und sozusagen verduften«, meinte ich grinsend.

Ihre dunkelblauen Augen blitzten mich an. »Wenn es um meine Parfüms geht, fehlt mir jeglicher Humor«, erklärte sie mit harter Stimme. »Die Firma ist seit vier Generationen im Besitz der Lords, und ich werde nicht mit ansehen, wie sie durch dunkle Machenschaften und Intrigen ruiniert wird.«

Dunkle Machenschaften und Intrigen! Ich zwinkerte verdutzt, dann steckte ich mir eine Zigarette zwischen die Lippen.

»Okay, okay«, sagte ich versöhnlich. »Ich verstehe, dass Ihnen nicht nach Scherzen zumute ist. Ich nehme an, dass man Ihre Geheimrezepte nicht ohne Grund stiehlt. Sie werden vermutlich an einen Konkurrenten weitergegeben oder verkauft.«

»Charles Fremont«, sagte sie. »Dieser aufgeblasene, egoistische, widerliche kleine Gernegroß.«

»Sie kennen ihn?«

Ihre Unterlippe verzog sich vor Abscheu. »Ich hätte ihn beinahe geheiratet. Vor einem Jahr. Dann gingen mir aber die Augen auf. Mir wurde klar, dass ihm weniger an mir als an der Firma lag. Wir sind nicht gerade in Freundschaft: auseinandergegangen.«

»Er ist auch in der Parfümbranche?«

»Er fing vor acht Jahren mit nichts an und richtete sein Geschäft auf den kleinen, aber exklusiven Markt aus, den wir bisher allein beherrscht hatten. Mit voller Absicht ahmte er unsere Geschäfts- und Werbemethoden nach, imitierte unsere Parfüms, unsere Verpackung, unsere Preise - alles.« Ihre blauen Augen blickten kalt. »Bis vor kurzem verkauften wir nur zwei Parfüms - Behext und Verzaubert. Seit zwei Jahren arbeiten wir an einem dritten Parfüm - Agonie. Vor einem Monat brachten wir es schließlich auf den Markt. Eine Woche später kam Fremont mit einem neuen Parfüm heraus, das er Koma nannte. Die Mischung ist absolut identisch mit der unseren. Mir blieb keine andere Wahl, als Agonie zurückzuziehen. Was uns das für einen Verlust eingebracht hat, haben meine Buchhalter noch nicht errechnet, doch er geht bereits in die Hunderttausende.«

»Und es kann kein Zweifel sein?«, fragte ich.

Sie lachte kurz und böse auf. »Er verfügt gar nicht über die Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Und wie gesagt, die Mischung war identisch, nicht nur ähnlich. Meine Chemiker analysierten das Erzeugnis, es handelt sich um unsere Mischung. Es steht fest, dass er entweder einen meiner Leute bestochen hat, um an die Formel zu gelangen, oder aber einer meiner Angestellten kam auf den cleveren Gedanken, ihm die Mischung zu verkaufen.«

»Wie viele Leute kennen die genaue Zusammenstellung?«, fragte ich.

»Sehr wenige.« Sie schlug die Beine übereinander. Der Morgenmantel fiel über ihren Schenkeln auseinander. »Agonie wurde von Leo Stahl entworfen, meinem Chefchemiker. Seine Mitarbeiter kennen nur Teile der Formel. Es existierte nur eine Originalniederschrift. Wenn Leo sie nicht brauchte, wurde sie im Bürosafe aufbewahrt. Die einzigen Menschen, die - abgesehen von mir und Leo - die Formel kennen oder sich eine Kopie hätten beschaffen können, sind mein Bruder Jonathan und Ursula Owen, meine Sekretärin.«

»Sehen wir einmal von Ihnen ab«, meinte ich großzügig. »Erzählen Sie mir von den anderen.«

»Leo Stahl ist seit zwölf Jahren in der Firma und auf seinem Gebiet ein Genie. Er hat auf mich immer den Eindruck gemacht, als ginge er ganz in seiner Arbeit auf.« Sie zuckte die Schultern. »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er so etwas tun würde. Das gleiche gilt für Ursula. Sie arbeitet seit ungefähr fünf Jahren für mich und hat mein uneingeschränktes Vertrauen.«

»Bleibt also Bruder Jonathan.«

»Wir kommen nicht miteinander aus.« Ihre Stimme klang hart. »Er ist vier Jahre jünger als ich und besitzt überhaupt kein Gefühl für Familientradition. Ich zahle ihm zwölftausend Dollar im Jahr, aber er verdient höchstens ein Viertel des Betrages. Obwohl er gern über die Stränge schlägt, habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er früher oder später ruhiger wird. Leider hat es den Anschein, als ob das noch eine ganze Weile dauern könnte. Er hat Schulden wie ein Stabsoffizier, denn er hält eine ehemalige Striptease-Tänzerin aus, die einen sehr teuren Geschmack hat. Vor ein paar Wochen kam es hier in diesem Zimmer zu einem ziemlich hässlichen Auftritt, weil ich mich weigerte, ihm einen Scheck zur Bezahlung seiner Schulden auszustellen. Wenn ich ganz objektiv sein soll, Mr. Boyd, dann ist Jonathan für mich im Moment der Hauptverdächtige.«

Sie stand auf und trat zum Toilettentisch. Dann drehte sie sich um und reichte mir einen Umschlag.

»Hier habe ich Ihnen Namen und Adressen der Kandidaten aufgeschrieben.« Einen Moment lang gruben sich ihre weißen Zähne in die volle Unterlippe. »Es ist natürlich möglich, dass jemand ganz anderes die Formel gestohlen hat, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie das bewerkstelligt worden sein soll. Am Bürosafe hat sich nie jemand zu schaffen gemacht.«

»Vier Verdächtige sind für den Anfang mehr als genug«, brummte ich.

»Es gibt da noch einiges zu beachten, Mr. Boyd«, sagte sie in geschäftlich kühlem Ton. »Unter keinen Umständen dürfen Sie meine Ausstellungsräume, mein Büro, mein Labor oder die Fabrik aufsuchen. Wenn bei meinen Angestellten auch nur der Verdacht entsteht, dass Betriebsspionage vorliegt, kann das unübersehbare Folgen haben. Offiziell wurde das Parfüm vom Markt zurückgezogen, um die Mischung noch zu verfeinern. Sie müssen äußerste Vorsicht walten lassen, wenn Sie mit diesen Leuten sprechen. Ich möchte nicht, dass Unschuldige unnötig beunruhigt werden.«

»Und auf dieser Basis soll ich arbeiten?« frage ich empört. »Sie bieten mir fünftausend Dollar oder nichts und erwarten von mir, dass ich die Sache mit Glacéhandschuhen anfasse. Schön, ich bin bereit, von Besuchen in Ihrem Büro abzusehen, aber alles Übrige müssen Sie schon mir überlassen. Wenn Ihnen das nicht passt« - ich sog hörbar das Parfüm ein, das mich wie sanfter Nebel umgab -, »ist es am besten, wir lassen die ganze Sache in Duftwolken aufgehen.«

Einen Augenblick starrte sie mich wortlos an. Dann lachte sie leise. »Männer Ihres Schlags gefallen mir, Mr. Boyd. Leider gibt’s davon heutzutage nicht allzu viele.« Dann wurde sie wieder geschäftlich. »Sie werden mir persönlich hier im Haus über die weiteren Entwicklungen Bericht erstatten. Vertretbare Auslagen werden Ihnen selbstverständlich zurückerstattet.«

»Tausend Dank«, versetzte ich. »Sie sind wirklich eine Seele von Mensch, und dazu noch zum Anbeißen hübsch.«

»Ich bin überzeugt, Mr. Boyd, dass Ihr edles Profil viele Frauenherzen höher schlagen lässt«, bemerkte sie ätzend, »doch meine Vorstellungen vom Beginn einer Freundschaft decken sich nicht mit den Ihren. Ich schlage vor, Sie vergessen Ihre erotischen Ambitionen und machen sich stattdessen an die Arbeit.«

»Soll das heißen, dass Sie sich und Ihren verführerischen Körper nur zum Zeitvertreib vor mir produziert haben?«, fragte ich mit echter Überraschung.

Ihre Augen glitzerten kalt, »Bitte, gehen Sie jetzt«, sagte sie gereizt. »Sonst reißt mir noch die Geduld.«

»Ich bin enttäuscht von Ihnen, Maxine Lord.« Ich schüttelte den Kopf. »Wenn Sie sich ein bisschen entgegenkommender gezeigt hätten, wäre ich sogar bereit gewesen, Ihnen einen Rabatt von zehn Prozent zu gewähren.«

Ich war schon an der Tür, als sie wieder sprach. »Mr. Boyd!« Jetzt schwang Belustigung in ihrer Stimme. »Wie bringen Sie es fertig, immer wieder Aufträge zu bekommen, wenn Sie auf diese Art mit Ihren Auftraggebern umspringen?«

»Ich springe auf diese Art nur mit Auftraggebern um, die schwarzhaarig, schön und sexy sind«, entgegnete ich wahrheitsgemäß. »Und das ist eine Seltenheit.«

 

Ich fuhr im gläsernen Aufzug hinunter und befand mich schon auf dem Weg zur Tür, als ich hinter mir ein Geräusch vernahm. Als ich mich umdrehte, gewahrte ich die ältliche Haushälterin, die mich mit einem wissenden Lächeln musterte.

»Haben Sie was auf dem Herzen?«, fragte ich.

»Nichts.« Sie faltete gemächlich die Hände über ihrem schwarzen Kleid. »Ich wundere mich nur, dass Sie schon gehen.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Vielleicht haben Sie mehr Rückgrat als die anderen.« Das Lächeln auf ihrem Gesicht erlosch, ihr Mund wurde schmal. Sie musterte mich stumm. »Sie haben doch diese greulichen Glaskatzen gesehen«, sagte sie, »und die Teufelszeichen auf der gefliesten Treppe.«

»Ausgesprochen mystisch«, stellte ich fest.

»Teuflisch«, verbesserte sie mich. »Sie hat nie gelernt, die Begierden ihres Körpers zu zügeln. Damit hat alles angefangen. Und jetzt ist sie auf ewig verflucht. Es ist zu spät zur Umkehr. Sie hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Deshalb hat sie auch diese grässlichen Dinge im Haus.«

»Wenn Ihnen das so gegen den Strich geht, warum kündigen Sie dann nicht?«, erkundigte ich mich.

Sie schüttelte grimmig den Kopf. »Ich habe schon für ihren Vater gearbeitet und habe ihm am Totenbett versprochen, mich um seine Tochter zu kümmern. Für mich selbst fürchte ich nichts, nur für sie.«

»Na dann...« Ich näherte mich der Tür. »Das Leben ist halt schwer.«

»Ich bin froh, dass Sie die Kraft besaßen, der Versuchung zu widerstehen, Mr. Boyd.« Ihre Stimme verlor etwas von ihrer Härte. Sie folgte mir durch die Halle. »Ich hoffe, Sie kommen bald wieder. Es würde ihr guttun, einmal einem Mann zu begegnen, der sich nicht von ihrem lüsternen Körper und den Listen des Satans betören lässt.«

»Sie können auf mich zählen.« Ich streckte die Hand nach der Türklinke aus. »Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mrs...?«

»Malone.« Ihre Stimme wurde noch eine Nuance freundlicher. »Boyd, das klingt nach einem guten alten irischen Namen.«