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Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Es war Vormittag auf der Berghütte. Toni und Anna saßen mit dem alten Alois auf der Terrasse. Es war ihr tägliches Ritual. Wenn die Hüttengäste ihr Frühstück beendet hatten und zu ihren Gebirgstouren aufgebrochen waren, legten sie eine Pause ein. Nicht alle Gäste waren unterwegs, einige genossen es, nur in der Sonne zu liegen und sich auszuruhen.Toni nippte an seinem Kaffee. Den Arm hatte er lässig hinter Annas Rücken auf die Stuhllehne gelegt. Alois, der in der Zeitung gelesen hatte, nahm seine Lesebrille ab. Er schaute Toni an.»Was gibt es, Alois?«, fragte Toni. »Du hast wieder deinen bekannten Röntgenblick drauf.« Toni grinste.»Lach nur, Toni! Eines Tages, wenn du mal so alt bist wie ich, dann wirst du auch so einen Blick haben. Ein Hüttenwirt muss viel Menschenkenntnis haben und einen sechsten Sinn. Es sind oft kaum wahrnehmbare Veränderungen, die sich schwer benennen lassen: Die Mimik ist einfach ein bisserl anders, der Blick, der Gang. Daraus kann man schließen, dass derjenige oder diejenige Probleme wälzen tut. Du weißt, dass das nicht gut ist. Es ist sogar sehr gefährlich, in den Berg zu gehen, wenn etwas auf der Seele lastet.
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Seitenzahl: 128
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Es war Vormittag auf der Berghütte. Toni und Anna saßen mit dem alten Alois auf der Terrasse. Es war ihr tägliches Ritual. Wenn die Hüttengäste ihr Frühstück beendet hatten und zu ihren Gebirgstouren aufgebrochen waren, legten sie eine Pause ein. Nicht alle Gäste waren unterwegs, einige genossen es, nur in der Sonne zu liegen und sich auszuruhen.
Toni nippte an seinem Kaffee. Den Arm hatte er lässig hinter Annas Rücken auf die Stuhllehne gelegt. Alois, der in der Zeitung gelesen hatte, nahm seine Lesebrille ab. Er schaute Toni an.
»Was gibt es, Alois?«, fragte Toni. »Du hast wieder deinen bekannten Röntgenblick drauf.« Toni grinste.
»Lach nur, Toni! Eines Tages, wenn du mal so alt bist wie ich, dann wirst du auch so einen Blick haben. Ein Hüttenwirt muss viel Menschenkenntnis haben und einen sechsten Sinn. Es sind oft kaum wahrnehmbare Veränderungen, die sich schwer benennen lassen: Die Mimik ist einfach ein bisserl anders, der Blick, der Gang. Daraus kann man schließen, dass derjenige oder diejenige Probleme wälzen tut. Du weißt, dass das nicht gut ist. Es ist sogar sehr gefährlich, in den Berg zu gehen, wenn etwas auf der Seele lastet. Wie schnell ist ein Unfall passiert!«
»Und warum schaust du mich so an? Ich will nicht klettern gehen, obwohl ich Lust auf eine Tour hätte. Doch das muss warten, zumindest bis die Ferienzeit zu Ende ist. Dann ist es ruhiger, und ich kann es verantworten, Anna und dich einen Tag allein auf der Berghütte zu lassen, mit all der Arbeit.«
»Toni, lenk nicht ab!«, tadelte ihn der alte Alois. »Du grübelst. Du bemühst dich zwar, es zu verbergen, aber des gelingt dir nicht, jedenfalls nicht mir gegenüber. Jetzt sag schon, was in dir vorgeht! Vielleicht kann ich dir einen Rat geben – als alter Hase.«
Toni schmunzelte. »Hasen gibt es hier oben kaum. Wie wäre es mit ›Gamsbock‹?«
»Toni, du willst schon wieder ablenken. Stimmt’s, Anna?«, sagte Alois.
Anna lächelte. »Mir hat er nichts erzählt, Alois.«
Toni schaute Anna an.
»Ja, ich habe bewusst nichts erzählt. Weil es sich dabei um ungelegte Eier handelt, wie man sagt. Ich bin da lieber vorsichtig. Außerdem habe ich meiner Mutter versprochen, dass ich es erst für mich behalte und nicht hinausposaune.«
»So, hast du? Was du net sagst? Wir reden doch sonst über alles«, brummte der alte Alois. »Des sind ja ganz neue Gewohnheiten, Toni.«
Toni seufzte. »Gut, ich erzähle es euch. Meine Mutter hat mit Marie gesprochen. Sie hat sie nach den Gründen gefragt, warum sie sich noch nicht für eine Wohnung entschieden hat und warum sie das schöne alte Gärtnerhaus nicht nimmt, das ihr Tassilo angeboten hat.«
»Und warum hat sich Marie noch nicht entschieden?«, fragte der alte Alois mit provozierendem Unterton. »Will sie doch nicht in Waldkogel bleiben?«
»Schmarrn, Alois! Marie macht die Arbeit Freude. Sie wird bleiben, denn sie ist glücklich mit ihrer neuen Aufgabe als Gemeindehelferin.«
»Das ist schon mal gut«, sagte Alois. »Aber wieso nimmt sie sich dann nicht eine Wohnung und lässt ihre Sachen kommen? Des passt net zusammen.«
»Der Grund liegt wohl darin, dass Marie emotional verwirrt ist«, sagte Toni.
Der alte Alois runzelte die Stirn. »Emotional verwirrt, sagst du? Mei, des muss ich mir erst mal auf der Zunge zergehen lassen. Was meinst du damit? Hat die Marie das so gesagt?«
»Na, des hat sie net so gesagt. Das habe ich nur so zusammengefasst, nachdem, was meine Mutter mir erzählt hat.« Toni nippte am Kaffee. »Okay, dann will ich deutlicher werden. Es scheint einen Burschen zu geben, der Marie schöne Augen macht. Das tut sie emotional verwirren. Das habe ich sagen wollen.«
»Toni, das ist doch wunderbar«, rief Anna aus. »Marie war so lange Witwe. Sie hat wirklich kein einfaches Leben hinter sich. Es wäre schön, wenn sie jemand findet, mit dem sie ihr weiteres Leben verbringen könnte. Ich würde es ihr von ganzem Herzen wünschen.«
»Sicher wäre das schön, Anna.«
»Wo ist der Haken?«, fragte Anna.
»Der Kerl scheint etwas schüchtern zu sein. Es ist wohl eindeutig, dass er sie gern sieht. Aber er sagt nichts, er erklärt sich nicht. Er wirbt nicht um sie, außer mit stummen Blicken. Er ist ihr Patient. Eigentlich geht es ihm gut, aber er lässt sie kommen, obwohl es nicht mehr nötig ist.«
»Du meinst, er spielt den Kranken?«, fragte der alte Alois.
Toni zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß nicht genau, was da abläuft. Marie geht zu ihm und wartet ab.«
Anna schmunzelte. »Toni, Marie ist von der alten Sorte. Sie wird von sich aus nie auf ihn zugehen oder etwas sagen. Ich denke, sie gibt ihm durch ihre Anwesenheit die Chance, sich zu äußern.«
»Genauso ist es, Anna. Marie sagte zu meiner Mutter, sie warte ab. Vielleicht steht dahinter auch die Angst, dass man über sie reden könnte.« Toni zuckte mit den Schultern. »Wie es auch immer ist, jedenfalls scheint diese verwirrende Situation der Grund dafür zu sein, dass Marie sich noch nicht für eine Wohnung entschieden hat. Das vermutet jedenfalls meine Mutter. Marie hat sich dazu nicht geäußert, außer, dass sie im Moment zu viel um die Ohren habe, als dass sie Zeit für die Wohnungssuche hätte. Es sei auch nicht eilig mit der neuen Bleibe.«
Der alte Alois grinste über das ganze Gesicht.
»Des kann nur bedeuten, dass er ihr gefällt. Das vermute ich aus zwei Gründen. Der erste Grund ist, dass sie immer wieder hingeht, obwohl er eigentlich nicht hilfsbedürftig ist. Zweitens wartet sie ab, wie sich die Sache zwischen ihnen entwickelt. Das bedeutet, der uns unbekannte Verehrer ist ihr nicht unsympathisch. Ist es so, Toni?«
»Genauso sehe ich das auch, Alois«, sagte Toni.
»Deine Mutter hat nicht herausgefunden, wer derjenige ist?«, fragte Anna.
Toni schüttelte den Kopf. »Na, das hat sie nicht. Marie ist sehr verschlossen. Sie hat nichts gesagt, was Rückschlüsse zulassen würde. Sie kommt nur jeden Abend sehr spät von ihrer Tour zurück. Auch wenn es ein langer Tag gewesen ist, schaut sie glücklich aus und ihre Augen haben einen bestimmten Glanz, sagt meine Mutter.«
Toni, Anna und der alte Alois lächelten sich an. Jeder wusste, dass die Liebe im Herzen diese strahlenden Augen macht.
Anna überlegte. Es konnte sein, dass Marie selbst auch unsicher war. Sie war sehr jung Witwe geworden und hatte ihr Leben darauf ausgerichtet, ihrer Tochter eine schöne Kindheit zu bereiten. In den Jahren hatte sie ihre Herzenstür fest verschlossen. Sie hatte sich sicherlich geschworen, ihrem Mann die Treue über den Tod hinaus zu halten. Das bedeutete, dass sie die Männer einfach nicht sah. Sie wollte sich nicht verlieben und erkannte vielleicht auch nicht die Signale. Aber jetzt hat ein neuer Lebensabschnitt für sie begonnen, weit fort von ihrem bisherigen Lebensumfeld. Sie hatte alles hinter sich gelassen. Das konnte für sie neue Freiheit bringen. Ihre Tochter stand auf eigenen Füßen. Marie konnte jetzt, nach all den entbehrungsreichen Jahren, an sich selbst denken. Vielleicht ist sie noch nicht so weit, dass sie selbst aktiv wird. Aber immerhin hatte sie jetzt wohl erkannt, dass ein Bursche ihr zugetan ist. Anna verstand, dass sich Marie hinter ihrer Aufgabe als vielbeschäftigte Dorfhelferin versteckte.
»Toni, Alois«, ergriff Anna das Wort, »so, wie ich Marie kenne, bleibt mir auch nur der Schluss, dass Marie auch verliebt ist. Sonst würde sie das Spiel nicht mitmachen. Sie würde sagen, dass es andere gibt, die ihre Hilfe und Zuwendung wirklich brauchen. Ich sage euch, sie ist eine starke Frau. Sie weiß, was sie will, und sie hat sich nie manipulieren lassen, niemals. Bei einer jungen Witwe versuchen viele, sich einzumischen und sie in die eine oder andere Richtung zu drängen. Marie war unempfindlich gegen jeden Einfluss. Wenn sie sich jetzt auf ein solches Spiel einlässt, dann mag sie ihn. Sie ist gern in seiner Nähe.«
Toni rieb sich das Kinn. »Leider wissen wir nicht, wer er ist. Wüssten wir es, dann könnte man ihn ein bisserl ermutigen. Vielleicht ist das nötig. So wie Marie Hemmungen hat, hat er wahrscheinlich auch Scheu. Ich vermute, er ist in Maries Alter oder gar etwas älter. In dem Alter ist man nicht mehr so ungestüm und draufgängerisch, wie in jungen Jahren. Außerdem haben Männer auch Zweifel, ob sie gefallen. Die Frauen denken immer, wir Männer wären nicht eitel. Aber wir sind es. Stellt euch doch vor, da ist ein gestandenes Mannsbild, das sich in Marie verliebt hat. Er findet sie wunderschön und anziehend. Für ihn ist sie die Schönste. Morgens beim Rasieren schaut er in den Spiegel und fragt sich, was könnte sie nur an mir finden? Da und dort ist eine Falte, mein Haar lichtet sich. Tiefe Zweifel befallen ihn, ob er ihr gefallen kann. Also wartet er auf ein Zeichen von ihr. Da belauern sich zwei und kommen nicht zusammen. Schon verständlich, dass Marie nicht den ersten Schritt machen will. Also muss der Bursche das tun. Wenn wir nur wüssten, wer das ist! Eine kleine Ermunterung könnte die Angelegenheit ins Rollen bringen, denke ich.«
»Mei, Toni, des wird doch net so schwer herauszufinden sein. Man muss nur der Marie ein bisserl auflauern und herausfinden, zu wem sie abends geht«, schlug der alte Alois vor.
»Alois, dabei denkst doch nicht an mich, oder?«
»Toni, warum nicht?«
Anna schüttelte den Kopf. »Meine Herren, es geht um Marie. Sie ist die Mutter meiner Jugendfreundin. Deshalb nehme ich die Sache in die Hand.«
»Wie?«, fragten Toni und Alois wie aus einem Mund.
Anna lächelte geheimnisvoll.
»Das lasst meine Sorge sein. Ab sofort ist das Weibersache.«
Toni lachte. »Das klingt nach einem Komplott.«
»Mal sehen, was sich machen lässt«, lachte Anna. Sie schaute auf die Uhr. »Ich werde jetzt hinunter nach Waldkogel gehen und tätig werden. Bis Mittag bin ich wieder da. Außerdem wollte ich noch einkaufen.«
Toni lachte laut. »Aha! Du willst zu Veronika, unserer lebenden Zeitung in Waldkogel. Sie weiß immer alles.«
»Das auch, mein lieber Toni. Aber ich gehe nicht nur zu Veronika. Es stehen noch ein andere Namen auf meiner Liste.«
»Und du willst nichts verraten, Anna?«, sagte Toni mit gespielt enttäuschtem Gesicht.
Anna streichelte ihm die Wange.
»Ich sage nichts. Du musst schon abwarten, bis ich zurück bin.«
Anna gab Toni einen Kuss. Sie trank den Rest Kaffee aus, stand auf und verschwand in der Berghütte.
Es dauerte nicht lange, dann kam sie zurück. Sie hatte sich umgezogen und das Arbeitsdirndl gegen ein buntes helles Sommerdirndl ausgetauscht.
Sie ließ sich von Toni die Autoschlüssel des Geländewagens geben.
*
Es war ein wunderschöner warmer Sommerabend. Susanne Hack, Sue gerufen, saß auf der Terrasse des Einfamilienhauses in Frankfurt. Ihr kleiner Sohn Peter spielte auf der Wiese. Es war einfach zu warm. Deshalb durfte er heute länger aufbleiben. Es klingelte an der Haustür.
Susanne schaute verwundert auf die Uhr. Sie ging zur Tür und öffnete sie.
»Überraschung!«
Draußen stand Emilie.
»Das ist wirklich eine Überraschung«, schrie Susanne.
Die beiden jungen Frauen fielen sich in die Arme.
»Wo kommst du her? Warum hast du nicht angerufen oder gemailt, dass du kommst? Jetzt habe ich natürlich nichts vorbereitet.«
Emilie Köchler lachte herzlich.
»Dann wäre es doch keine Überraschung. Vorbereitet, das ist Unsinn. Was braucht man schon? Einen Stuhl und eine Freundin zum Reden.«
Susanne bat die Freundin herein.
»Hast du nur einen Rucksack?«, wunderte sich Susanne.
Sie gingen auf die Terrasse.
»Ja, ich habe nur das Nötigste dabei. Die großen Koffer und Kisten werden heim zu meinen Eltern nach Berlin geschickt.«
Susanne rief Peterchen herbei. Der Junge konnte sich an Emilie erinnern, obwohl ihr letzter Besuch schon fast ein Jahr her war.
»Hast du mir etwas mitgebracht, Tante Emmy?«, fragte Peter kess.
»Peter, das fragt man nicht«, ermahnte ihn Susanne.
Emilie lachte.
»Lass ihn, Sue! Wir waren doch als Kinder auch nicht anders. Peter, ich habe dir etwas mitgebracht. Aber das ist in einem der großen Koffer, die jetzt unterwegs nach Berlin sind. Ich werde meine Mama anrufen. Sie wird ein Päckchen machen und es dir schicken.«
»Was ist es?«, fragte Peter.
»Das verrate ich nicht, sonst ist es keine Überraschung mehr. Aber zum Trost gehen wir morgen in die Stadt und kaufen dir etwas.«
Peter strahlte.
»Das heißt, du bleibst über Nacht?«, sagte Susanne.
»Wenn ich darf?«
»Blöde Frage! Ich freue mich, dass du da bist. Außerdem habe ich gern Gesellschaft. Sven ist wieder einmal fort und kommt erst in zwei Wochen zurück. Es ist schon einsam, so nur mit Peter. Manchmal fehlt mir der erwachsene Gesprächspartner sehr.«
»Ich verstehe dich.«
Susanne holte einen Imbiss und Bier. Sie setzten sich und plauderten. Emilie erzählte von ihrem Aufenthalt in Nordamerika. Sie war Agrarwissenschaftlerin und bei einem Forschungsinstitut beschäftigt. In dessen Auftrag war sie fast ein Jahr in Kanada und in den Vereinigten Staaten von Amerika gewesen. Sie war Mitglied eines Teams, das die Veränderungen der Getreidesorten der ›Great Plains‹ untersuchte.
»Jeder von uns hatte ein Wohnmobil. Wir starteten in Kanada und arbeiteten uns durch die kanadischen Provinzen. Dann ging es weiter in die USA, von Norden nach Süden. Und alles ist flach!«, stöhnte sie und rollte die Augen. »Die ›Große Ebene‹ ist einfach riesig. Sicher, auf der Karte kann man es sehen, aber es zu erleben, ist etwas völlig anderes. Die Ebene ist fünfhundert Kilometer breit und mehrere tausend Kilometer lang. Du bekommst irgendwann den Rappel und willst Berge sehen, verstehst du? So schön, wie es auch war, Sue, es war auch sehr eintönig. Jetzt mache ich ausgiebig Urlaub in den Bergen.«
»Wo willst du hin?«
»Das habe ich noch nicht entschieden. Ich lasse mich treiben. Zuerst fliege ich nach München. Dort kann ich das Zweitauto eines Kollegen bekommen. Dann fahre ich los, immer der Nase nach. Dorthin, wo die Berge hoch sind und die Täler tief. Ich will Wälder sehen und saftige Wiesen. Ich meine, richtige Almwiesen, kein endloses Weideland mit hartem Gras oder eine Monokultur mit Getreide. Ich will aus einem Gebirgsbach trinken und dem Echo des Glockengeläuts lauschen. Ich will mich auf den Rücken legen und mich an dem Anblick von Berggipfeln freuen.«
Susanne schmunzelte.
»Du scheinst innerlich ausgedörrt zu sein, in jeder Beziehung.«
»Das stimmt, Sue. Ich muss meine Seele auftanken, ganz dringend.«
Sie prosteten sich zu und tranken.
»Du könntest zu Anna auf die Berghütte.«
»Anna, wer ist Anna?«
»Emmy, erinnere dich doch! So nennt sich Dorothea Annabelle, seit sie in Waldkogel ist.«
»Genau, entschuldige! Ich leide unter Jetlag. Klar, Anna! Wie geht es ihr? Du warst enger befreundet mit ihr, als ich.«
»Gut geht es ihr. Sie ist glücklich. Wir telefonieren oft miteinander. Wenn Sven beruflich in der Nähe zu tun hat, treffe ich mich mit ihm auf der Berghütte. Toni und Anna haben zwei Kinder adoptiert, Franziska und Sebastian. Ich denke, das habe ich dir erzählt.«
»Stimmt, das hast du mir erzählt. Meinst du, ich könnte dort so einfach auftauchen? Schließlich war ich nicht so eng mit Anna befreundet wie du.«
»Was für eine Frage?«, lachte Susanne. »In Waldkogel findest du alles, was dein Herz begehrt, Berge, Almwiesen, Wald, einen Bergsee und das Echo des Glockengeläuts.«
»Klingt perfekt«, sagte Emilie. »Das mache ich, Sue. Ich besuche Anna.«
»Gut, dann rufe ich sie an.«
»Nein, das tust du nicht, auf keinen Fall! Ich will sie überraschen.«
Susanne grinste. »Einverstanden! Aber zunächst bleibst du einige Tage hier bei mir. Sonst werde ich eifersüchtig.«
»Du bist gnadenlos, Sue. Was ist mit meiner Sehnsucht nach den Bergen?«