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Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Es war ein sonniger Tag im Spätsommer, als Lukas Merkel, ein dunkelhaariger Bursche von fünfundzwanzig Jahren, Student der Veterinärmedizin, vor der Tierarztpraxis von Dr. Elena Wiesinger in St. Johann den Motor seines Autos abstellte und ausstieg. Lukas war hoch gewachsen und schlank und wirkte ziemlich sportlich. Interessiert schaute er sich um, und was er sah, gefiel ihm. St. Johann war ein malerischer Ort, einige Kilometer von Garmisch-Partenkirchen entfernt im Wachnertal gelegen, das von bewaldeten Bergen begrenzt wurde, hinter denen sich das Hochgebirge mit mehreren Zweitausendern erhob, deren Gipfel den Himmel zu berühren schienen. Der Ort wurde von der Hauptstraße in zwei Teile geteilt. Die Häuser zu beiden Seiten waren im alpenländischen Stil erbaut. An den Balkonen und auf den Fensterbänken blühten noch die Geranien und Petunien, aber es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Blütenpracht verschwinden würde, weil sich der Winter ankündigte. Ja, Lukas war angenehm überrascht. Ehe er sich für ein Praktikum in St. Johann entschied, hatte er sich kundig gemacht. Die Ausführungen auf der Webseite des Fremdenverkehrsvereins von St. Johann waren nicht übertrieben. Hier lässt es sich gewiss aushalten, sagte er sich zufrieden. Ein ruhiges und beschauliches Örtchen. Hier war er richtig. Er besann sich, was ihn hergeführt hatte, und betrat die Tierarztpraxis. Sie war hell und modern eingerichtet.
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Seitenzahl: 131
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Es war ein sonniger Tag im Spätsommer, als Lukas Merkel, ein dunkelhaariger Bursche von fünfundzwanzig Jahren, Student der Veterinärmedizin, vor der Tierarztpraxis von Dr. Elena Wiesinger in St. Johann den Motor seines Autos abstellte und ausstieg. Lukas war hoch gewachsen und schlank und wirkte ziemlich sportlich.
Interessiert schaute er sich um, und was er sah, gefiel ihm. St. Johann war ein malerischer Ort, einige Kilometer von Garmisch-Partenkirchen entfernt im Wachnertal gelegen, das von bewaldeten Bergen begrenzt wurde, hinter denen sich das Hochgebirge mit mehreren Zweitausendern erhob, deren Gipfel den Himmel zu berühren schienen.
Der Ort wurde von der Hauptstraße in zwei Teile geteilt. Die Häuser zu beiden Seiten waren im alpenländischen Stil erbaut.
An den Balkonen und auf den Fensterbänken blühten noch die Geranien und Petunien, aber es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Blütenpracht verschwinden würde, weil sich der Winter ankündigte.
Ja, Lukas war angenehm überrascht. Ehe er sich für ein Praktikum in St. Johann entschied, hatte er sich kundig gemacht. Die Ausführungen auf der Webseite des Fremdenverkehrsvereins von St. Johann waren nicht übertrieben.
Hier lässt es sich gewiss aushalten, sagte er sich zufrieden. Ein ruhiges und beschauliches Örtchen. Hier war er richtig.
Er besann sich, was ihn hergeführt hatte, und betrat die Tierarztpraxis. Sie war hell und modern eingerichtet. Hinter dem Anmeldetresen saß eine junge Frau, die seinen freundlichen Gruß erwiderte und ihn fragend musterte.
»Mein Name ist Merkel«, stellte er sich vor, »Lukas Merkel. Ich soll heute hier den Dienst als Praktikant antreten.«
»Richtig«, sagte die junge Frau in der Anmeldung. »Sie sind früh dran, Herr Merkel.« Sie lächelte. »Aber dennoch hätt’ ich von selbst drauf kommen müssen, nachdem S’ ohne Tier hier erscheinen. Mein Name ist Carla Bretschneider.« Sie erhob sich. »Ich sag’ der Elena Bescheid. Wenn S’ sich setzen möchten …« Sie wies auf einige Stühle, die in einem zur Rezeption hin offenen Raum an der Wand standen.
»Danke.« Lukas lächelte die Angestellte freundlich an, war mit drei Schritten in dem Warteraum und ließ sich nieder.
Carla Bretschneider war durch eine der drei Türen im Hintergrund verschwunden, die zu den Behandlungszimmern führten.
Gleich darauf sah Lukas seine künftige Chefin durch diese Tür in den Anmeldebereich treten; eine schöne, gepflegte Frau Anfang dreißig, die einen weißen Arztkittel trug. Carla Bretschneider folgte Elena Wiesinger auf dem Fuße.
Lukas erhob sich und ging Elena entgegen. Sie lächelte, und Lukas spürte sofort ein hohes Maß an Sympathie, die er für sie empfand.
»Grüß Sie Gott, Herr Merkel«, sagte Elena und hielt ihm die rechte Hand hin.
Lukas ergriff sie und erwiderte den freundlichen Gruß.
»Sie sind also der junge Kollege, der sich in den Kopf gesetzt hat, Tierarzt zu werden.« Elenas Augen strahlten. Auch ihr war Lukas auf Anhieb sympathisch. »Scheint nicht viel los gewesen zu sein auf der Autobahn, weil Sie schon so bald hier sind.«
»Stimmt, ich bin gut durchgekommen.«
»Sie ahnen sicherlich, was Sie hier erwartet«, sagte Elena. »Mit Hamstern, Zwerghasen, Katzen und Hunden haben wir hier zwar auch zu tun, die meiste Arbeit aber machen die Tiere auf den Höfen: Kühe, Ochsen, Kälber, Schweine, hin und wieder auch ein Pferd oder ein Esel …«
»Darauf will ich mich spezialisieren«, erklärte Lukas. »Wobei ich natürlich kein Problem haben werd’, auch Kleintiere zu behandeln.«
»Bei uns hier werden Sie mit allem konfrontiert«, versicherte Elena. »Wo werden Sie denn wohnen während der Zeit, in der Sie bei uns sind?«
»In der Pension Edelweiß. Man hat mir ein vernünftiges Preisangebot unterbreitet, und ich hab’ sofort zugeschlagen.«
»Waren Sie schon dort?«, fragte Elena.
»Nein, ich wollt’ mir erst mal meinen künftigen Arbeitsplatz anschauen.«
»Ich würde vorschlagen, Sie treten Ihren Dienst morgen früh um acht Uhr an, Herr Merkel. Bringen S’ Ihre Sachen in die Pension und versuchen S’ sich ein wenig zu akklimatisieren. Vielleicht machen S’ sich auch gleich ein bissel mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut. Einen ersten Eindruck von St. Johann dürften S’ ja bereits gewonnen haben, als Sie den Ort auf dem Weg zur Praxis durchqueren mussten. Ich hoff’, Sie gewöhnen sich schnell ein und es gefällt Ihnen bei uns.«
»Ich bin von dem, was ich bisher an Eindrücken aufgenommen hab’, begeistert«, gab Lukas zu verstehen. »Es war schon von frühester Jugend an mein Traum, in den Bergen zu leben. Jetzt wird er – zumindest vorübergehend – wahr.«
»Na dann, herzlich willkommen in St. Johann«, rief Elena. »Morgen früh unterhalten wir uns. Sie teilen mir mit, wie Sie sich das Praktikum bei mir vorstellen, und ich sage Ihnen, was ich erwarte. Ich denke, wir werden uns einig, und hoff’ auf eine gute Zusammenarbeit.«
»Diese Hoffnung, oder sagen wir diesen Wunsch, kann ich nur teilen, Frau Dr. Wiesinger.«
»Wir sprechen uns in der Praxis mit den Vornamen an, Herr Merkel, und ich denk’, Sie haben dagegen nix einzuwenden. Es erleichtert den Umgang untereinander. Das ist zumindest meine Meinung.«
»Dagegen gibt es sicher nix einzuwenden«, versetzte Lukas grinsend. »Meinen Vornamen kennen S’ ja.«
Elena nickte. »Wir sehen uns dann morgen früh, Lukas. Wenn ich mir die Ausführungen in Ihrem Bewerbungsschreiben hinsichtlich Ihrer Erwartungen ins Gedächtnis rufe, dann komm’ ich zu der Überzeugung, dass Sie sich bei uns pudelwohl fühlen werden.«
»Davon bin ich auch überzeugt«, erwiderte Lukas, dann verabschiedete er sich, um sein Zimmer in der Pension ‚Edelweiß’ zu beziehen.
*
Lukas Merkel arbeitete nun schon den dritten Tag in der Tierarztpraxis von Dr. Elena Wiesinger. Er durfte alles machen, was die Tierärztin selber machte, allerdings nur nach deren Anweisung. Immerhin war er ja noch in der Ausbildung.
Am Tag zuvor hatte ihn Elena mit zum Breitengraserhof genommen, wo Jana Mirl und Oliver Breitengraser alten, kranken und auch vernachlässigten Tieren das Gnadenbrot gewährten, eine Reitschule betrieben und in Zusammenarbeit mit der Traumaklinik des Dr. Adrian Keller Alpakatherapien durchführten.
Der Gnadenhof St. Johann e.V., den Elena Wiesinger sowohl finanziell als auch tierärztlich unterstützte, hatte bei der Bevölkerung großen Anklang gefunden und besaß in der der Zwischenzeit eine große Anzahl an Mitgliedern.
Auch Lukas war von der Einrichtung beeindruckt, und daraus hatte er auch keinen Hehl gemacht.
An diesem Tag war wieder ‚Innendienst’ angesagt.
Vor Lukas lag auf dem Behandlungstisch ein zwölfjähriger Dackel namens Waldi, dessen Gebiss er vom Zahnstein befreit hatte. Das Herrchen des Tieres stand dabei und beobachtete Waldi, dem Lukas gerade ein Mittel gespritzt hatte, welches das Aufwachen aus der Narkose beschleunigte.
»Es wird ungefähr sechs Stunden dauern, bis der Kleine wieder vollkommen in Ordnung ist«, sagte Lukas. »In den ersten Stunden wird er ziemlich desorientiert sein, sich nur schwankend fortbewegen und sich vielleicht auch erbrechen. Am besten, Sie legen ihn zu Hause auf sein Kissen und lassen ihm seine Ruh’. Dann ist er bald wieder fit.«
Der Mann, ein älterer, grauhaariger Herr um die siebzig, nickte. »Schlafen ist eh das, was der Waldi am liebsten macht«, murmelte er.
Die Tür zum Behandlungsraum ging auf, Carla Bretschneider schob den Kopf in den Türspalt und sagte: »Entschuldigung. Die Hammer-Sarah ist mit ihrer Katze hier, Lukas. Die Elena kann sich net drum kümmern, denn sie operiert gerade. Wie lang’ wird’s denn noch dauern mit dem Waldi?«
»Nur noch ein paar Minuten, Carla. Die Dame soll sich noch ein bissel gedulden.«
»Ich sag’s ihr. Danke.«
Zehn Minuten später konnten Waldi und sein Herrchen den Behandlungsraum verlassen. Der Mann trug den Dackel wie ein Baby.
»Carla«, rief Lukas, »schicken S’ mir doch bitte die Dame mit der Katze herein.«
Draußen waren Stimmen zu hören, dann erklangen schnelle Schritte, jemand klopfte an die Tür und öffnete sie. Eine etwa zwanzigjährige Frau, die eine graue Transportbox trug, betrat den Raum, zwei blaue Augen, die an unergründliche Bergseen erinnerten, schauten Lukas an, und der angehende Tierarzt war sekundenlang wie gebannt.
Carla Bretschneider kam hinter Sarah Hammer in das Zimmer.
»Grüaß Sie«, sagte Sarah und lächelte. Ein Lächeln, das Lukas unter die Haut ging und ihn entzückte und Sarahs sonnengebräuntes Gesicht, das von einer blonden Haarpracht eingerahmt wurde, verzauberte.
Er riss sich zusammen. »Sie bringen mir Ihre Katze, Frau Hammer. Was fehlt denn dem Tier?«
»Diese Frage werden Sie beantworten müssen, Herr … Jetzt hab’ ich doch glatt Ihren Namen vergessen.« Sarah sprach es und strahlte ihn dabei an.
»Merkel – Lukas Merkel«, sagte Carla und übernahm es sogleich, auf Lukas’ Frage zu antworten: »Wahrscheinlich leidet die Katze an einem Schnupfen. Sie weist zumindest die entsprechenden Symptome wie tränende Augen, Abgeschlagenheit, Niesen und Atembeschwerden auf. Sie hat überdies eine ziemlich heiße Nase.«
»Oh, danke«, sagte Lukas lachend, dem es in diesen Sekunden gelungen war, den Bann, unter den er durch Sarahs Erscheinung geraten war, abzuschütteln. »Dann wollen wir uns das Tierchen doch gleich mal anschauen.«
Mithilfe von Carla holte Sarah die grau getigerte Katze aus der Box, und Carla setzte sie auf den Behandlungstisch. Das Tier zeigte sich apathisch und saß zusammengekauert da, als würde es frieren. Aus großen runden Augen schaute es ängstlich zu Lukas auf.
»Wie heißt sie denn?«, fragte der angehende Tierarzt, strich der Katze über den Kopf und schaute Sarah fragend an.
»Minka.« Sarahs Blick tauchte kurz in seinen, und sein Blut geriet schon wieder in Wallung. Konzentrier dich auf die Katze!, versuchte er sich selbst zur Räson zu rufen. Ausschließlich um sie geht’s, net um ihre Besitzerin.
»Na schön«, sagte er, »dann wollen wir uns den Stubentiger mal näher anschauen. Wie alt ist denn Ihre Katze?«
»Net ganz drei Jahre«, antwortete Sarah.
Nach kurzer Untersuchung murmelte Lukas: »Das Tier hat eitrigen Augenausfluss, und das gefällt mir gar net. Ich schlag’ vor, dass ich einen Abstrich der Schleimhäute nehm’, wodurch sich mögliche bakterielle Krankheitserreger auffinden lassen. Dann wissen wir genau, was dem Viecherl fehlt, und können es mit einer maßgeschneiderten Antibiotikatherapie heilen.«
»Wird Minka wieder völlig gesund?«, erkundigte sich Sarah etwas verunsichert.
»Das kriegen wir wieder hin«, antwortete Lukas. »Sie müssen halt besonders darauf achten, dass die Katze genügend trinkt und frisst. Wahrscheinlich hat sie wegen der Erkrankung keinen allzu großen Appetit, drum wär’s ratsam, ihr ein besonders hochwertiges Futter zu geben, damit die Samtpfote schnell wieder zu Kräften kommt.«
»Bitte, Herr Doktor, tun S’ alles, damit die Minka wieder vollkommen gesund wird«, entrang es sich Sarah. Sie war voll Sorge wegen der Katze. Vor allem hatte sie Mitleid mit dem Tier, weil sie vermutete, dass es ihm ausgesprochen schlecht ging.
»Keine Sorge«, erwiderte Lukas, »wir machen das Viecherl wieder völlig gesund, sodass Sie noch viele Jahre Freude an ihm haben, Frau Hammer. Wenn ich Sie jetzt bitten dürft’, im Wartezimmer Platz zu nehmen.«
»Danke«, murmelte Sarah, noch einmal versank ihr Blick für einen Moment in dem des Praktikanten, dann wandte sich die Zwanzigjährige um und ging aus dem Raum. Carla drückte hinter ihr die Tür zu.
Lukas und Carla, die ihm assistierte, machten sich an die Arbeit. »Handelt es sich bei Frau Hammer um eine Hiesige?«, erkundigte sich Lukas. »Ich mein’, lebt sie hier in St. Johann, oder kommt sie aus einer der Nachbargemeinden?«
»Der Hammerhof liegt etwas außerhalb von St. Johann«, erhielt er zur Antwort. »Zu Fuß muss man etwa eine Viertelstunde laufen. Er gehört aber zur Gemeinde. Die Sarah und ihr Bruder, der Xaver, bewirtschaften zusammen mit ihrem Vater das Anwesen; Landwirtschaft, Wald, ein bissel Milchwirtschaft … Der Vinzenz, der Vater von der Sarah und vom Xaver, ist verwitwet. Seine Frau ist vor einigen Jahren tödlich verunglückt. War eine tragische Sach’ damals.«
»Ist es ein großer Hof?«, wollte Lukas wissen, während er bei der Katze den Abstrich der Schleimhäute nahm.
»Ich würd’ sagen – mittel«, erklärte Carla. »Aber er ist groß genug, sodass die Hammer-Leut’ gewiss net klagen können.«
»Hat die Sarah einen Freund?« Diese Frage hatte Lukas ganz besonders intensiv beschäftigt. »Ich mein’ einen, der ihr den Hof macht?«
»Net, dass ich wüsst’«, versetzte Carla. »Der Xaver hat ein Madel, nämlich die Schuhmann-Lena. Der Xaver wird ja auch mal den Hof übernehmen. Ich denk’ mir, dass die Sarah versuchen wird, in einen reichen Bauernhof einzuheiraten. –Gefällt sie Ihnen, Lukas?«
Mit einer derart direkten Frage hatte der angehende Tierarzt nicht gerechnet, und sie brachte ihn ziemlich aus dem Konzept. Er spürte, dass er rot wurde, suchte nach Worten, räusperte sich und erwiderte schließlich: »Sie ist eine sehr hübsche Person. Würd’ ich sagen, sie gefällt mir net, wär das eine Lüge. Aber dahingehend sollt’ ich keinen Gedanken verschwenden. Es geht um ihre Katze und net um die Frage, welchen Eindruck Sarah auf mich macht.«
Carla lächelte hintergründig.
Schließlich war die Untersuchung abgeschlossen und Carla holte Sarah wieder ins Behandlungszimmer. Lukas sagte: »Wir rufen Sie an, sobald wir ein Ergebnis haben. Hinterlassen S’ bitte bei der Carla Ihre Telefonnummer. Und halten S’ das Tier in der Wohnung, Frau Hammer. So verhindern wir, dass es andere Katzen mit dem Schnupfen ansteckt. Damit ist nämlich net zu spaßen.«
»Ich werd’ mich genau an Ihre Weisungen halten, Herr Doktor«, versicherte Sarah, dann setzte sie mit Carlas Hilfe die Katze wieder in die Transportbox, bedankte sich und verließ die Tierarztpraxis, nicht jedoch ohne Lukas noch einen letzten, offensichtlich sehr interessierten Blick zuzuwerfen.
*
Als Sarah mit ihrer Katze zu Hause ankam, stand ein Auto im Hof, dessen Anblick sie veranlasste, die Augen zu verdrehen. »Was will denn der schon wieder?«, murmelte sie vor sich hin, stellte ihren Kleinwagen vor der Garage ab, holte die Transportbox mit der Katze vom Rücksitz und ging ins Haus.
Aus der Küche waren Stimmen zu vernehmen. Die eine gehörte ihrem Vater, die andere Florian Seibert, dem Besitzer des Autos draußen im Hof.
Sarah hatte keine Lust, Florian zu begegnen. Sie hatte zwar persönlich nichts gegen ihn, aber sie hatte längst bemerkt, dass er nur ihretwegen immer wieder auf dem Hammerhof erschien. Er hatte ganz offensichtlich ein Auge auf sie geworfen, scharwenzelte um sie herum wie ein verliebter Gockel und schien nicht zu merken, dass sie überhaupt nicht auf seine Annäherungsversuche einging.
Er war, schlicht und einfach ausgedrückt, nicht ihr Typ, sie hatte nicht das geringste Interesse an ihm.
Während sie nach Hause gefahren war, hatte sie sich einige Male dabei ertappt, dass sie an Lukas Merkel dachte. Er hatte ihr sowohl von seinem Äußeren als auch von seiner freundlichen Art her sehr gefallen. Und mit feinem Instinkt spürte sie, dass der angehende Tierarzt ähnlich empfunden hatte wie sie.
Sarah trug die Transportbox mit Minka in ihr Zimmer und ließ das Tier heraus. Es war ein wenig taumelig auf den Beinen, was der Schnupfen bewirkte. Also legte Sarah die Katze behutsam auf ihr flauschiges Kissen in einer Ecke des Zimmers, wo auch der Futternapf und der Napf mit Wasser standen. Minka miaute leise und kläglich, blieb aber liegen und sah Sarah an, die neben ihr niedergekniet war und ihr sanft über den Rücken streichelte.
»Das wird schon wieder, Minka«, murmelte die junge Frau voller Anteilnahme, dann richtete sie sich auf, ging zur Tür, öffnete sie einen Spaltbreit und lauschte in den Flur hinaus.
Aus der Küche waren nach wie vor abwechselnd die beiden Stimmen zu vernehmen. Manchmal erklang Lachen. Plötzlich aber trat ihr Vater durch die Küchentür. »Sarah!«, rief er laut. »Wo bleibst du denn? Komm in die Küche.«
Sarah war klar, dass ihr Vater und Florian Seifert es mitbekommen hatten, dass sie vor einigen Minuten angekommen und auf ihr Zimmer gegangen war. Sie fragte sich, warum ihr Vater so sehr darauf erpicht war, dass sie sich Florian gegenüber freundlich zeigte. War er vielleicht sogar an einer Verbindung zwischen ihr und Florian interessiert? Sicher, Florian war der Sohn eines Großbauern und dessen einziger Erbe. Da war es natürlich nicht auszuschließen, dass es der Vater gern sehen würde, wenn sie mal in einen reichen Hof einheiratete und in jeder Hinsicht ausgesorgt hätte.
Florian Seibert war allerdings nicht der Mann, an dessen Seite Sarah alt werden wollte.