DUST 2: Staub zu Staub - Martin Kay - E-Book

DUST 2: Staub zu Staub E-Book

Martin Kay

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Beschreibung

Jee A Maru und Ken Dra glauben sich am Ziel ihrer langen Suche. Doch als sie mit der Raumyacht Prinzessin Tanyas bei den Koordinaten von DUST eintreffen, finden sie nur Leere vor. Waren all ihre Mühen umsonst? Existiert der sagenumwobene Planet Dai Urshar Senekar Tarmalis gar nicht? Noch während die Gefährten um Simon McLaird versuchen, dem Geheimnis von DUST auf die Spur zu kommen, spitzen sich auf der Erde die Ereignisse bei Shadow Command zu ...

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Seitenzahl: 329

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Inhalt

Band 04 Der neue Schwertträger

Band 05 Staub zu Staub

Band 06 Die Allianz von Cloudgarden

Weitere Atlantis-Titel

Martin Kay

DUST 2 – Staub zu Staub

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg Dezember 2016 Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin Titelbild: Dirk Berger Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Lektorat und Satz: André Piotrowski ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-432-0 ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-470-2 Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

Band 04Der neue Schwertträger

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Pamela,

lange nichts voneinander gehört.

Ich habe wichtige Informationen, die wir beide teilen sollten. Interesse an diesen Erkenntnissen dürfte auch bei der Firma und unseren Kollegen von der Bundespolizei vorhanden sein. Empfehle gemeinsames Treffen in Pocomoke City. Wie wäre es mit einem anschließenden Spaziergang?

Erwarte Ihren baldigen Bescheid.

Grüße

Harry Thorne

Φ

Ein unruhiges Raunen ging durch das gute Dutzend schwer bewaffneter Soldaten, als der helle Lichtpunkt am Nachthimmel durch die Wolkendecke brach. Sofort versteiften sich die Männer und Frauen und aktivierten das Infrarotvisier ihres Schnellfeuergewehrs. Unverkennbare Geräusche klangen auf – Karabiner wurden durchgeladen. Dann war ein leises Heulen zu hören.

Die Soldaten in den blauschwarzen Uniformen und den futuristisch anmutenden Helmen legten auf das helle Objekt am Himmel an und ließen es keine Sekunde aus den Augen. Ihre innere Anspannung hing förmlich in der Luft. Der Geruch von Angstschweiß hatte sich über das Areal vor dem Bunkereingang ausgebreitet.

»Bereithalten!«, raunte ein Mann mit den Rangabzeichen eines Sergeants den anderen zu.

Das Heulen wurde lauter, schriller. Nur kurz darauf formte sich aus dem Lichtpunkt am Himmel die Silhouette eines Fluggeräts. Kein Jet oder Helikopter irdischer Bauart, sondern ein Shuttle aus den Tiefen des Weltraums.

Das Boot verharrte über dem Wüstensand. Es schien sich um einen Großraumtransporter zu handeln. Sein Rumpf maß an die sechzig Meter in der Länge und schwebte auf der Stelle über den Köpfen der Männer und Frauen, während sich deren Finger langsam um die Abzüge ihrer Waffen klammerten. Die Situation war nervenaufreibend. Ein falsches Wort, ein unabsichtlicher Laut konnte die Lage eskalieren lassen. Wer würde zuerst die Nerven verlieren?

Hinter der verdunkelten Cockpitverglasung des Shuttles blitzte es zweimal grell auf. Ein Ruck ging durch den Flugkörper. Er trudelte leicht nach links, blieb jedoch in der Luft. Noch einmal durchfuhr ein Blitzen das Innere der Raumfähre. Irgendwo aus den Reihen der Wartenden löste sich ein Schuss. Die Kugel prallte als harmloser Querschläger vom Rumpf des Shuttles ab und verlor sich in der Nacht.

Eine weibliche Gestalt mit den Rangabzeichen eines Captains löste sich aus den Reihen der Soldaten und hob drohend den Zeigefinger in Richtung des Schützen. Noch bevor sich die Anspannung auch bei den anderen Soldaten in einer unbesonnenen Aktion entladen konnte, verstärkte sich das Heulen, als die Raumfähre zur Landung ansetzte. Eine orkanartige Böe zog auf. Wüstensand stob in alle Richtungen davon und hüllte die Soldaten ein. Die Visiere ihrer halb offenen Helme schützten ihre Augen, jedoch nicht ihren Mund. Einige begannen zu husten und krümmten sich unter dem aufbrausenden Sturm.

Endlich setzte die Raumfähre auf ihren Landefüßen auf. Die Böen ließen nach.

»Auf die Posten!«, gellte ein Befehl durch die Nacht.

Routiniert nahmen die vom Sturm gebeutelten Soldaten Aufstellung und kreisten den Shuttle ein. Eine Zeit lang geschah nichts. Nur das Brummen auslaufender Motoren erfüllte die Nacht.

»Das Warten wird langsam nervig«, stöhnte der Sergeant neben dem weiblichen Captain.

Als würden seine Worte erhört, schob sich mit einem Mal eine Gangway aus dem Rumpf der Fähre. Darüber öffnete sich das Schott ins Innere. Aus der Öffnung drang grünes Licht. Vorsichtig schob sich der braun gelockte Kopf einer Frau ins Freie. Sie blickte sich kurz um, nickte dann und schritt mit ausladenden Schritten die Rampe hinunter. Mit vor der Brust verschränkten Armen wartete sie am Fuß der Gangway, ehe sich der Captain aus den Reihen seiner Leute löste und auf die Besucherin zuschritt.

»Da bin ich«, sagte die Frau aus der Fähre.

»Willkommen zurück, Agentin Dryer«, erwiderte der Captain und zog sich den Helm vom Kopf. Zum Vorschein kam das Gesicht Sherilyn Stones.

»Ich hab euch etwas mitgebracht.« Helen Dryer grinste breit und deutete mit einer Kopfbewegung nach hinten zum Shuttle. »Das wird dem General sicher gefallen.«

Der Sergeant aus den Reihen der Shadow-Soldaten gesellte sich zu den beiden Frauen und schob das Helmvisier hoch.

»Helen?«, fragte Paul Gossett ungläubig. »Aber wieso … ich dachte …«

Sherilyn Stone schnitt ihm mit einer knappen Handbewegung das Wort ab. »Verlieren wir keine Zeit. Wo ist Sealdrics Schiff?«

Helen Dryer deutete nach oben in den Nachthimmel hinauf. »Im Erdorbit. Unsichtbar für irdische Radargeräte und Radioteleskope.«

Sherilyn nickte der anderen nur zu und gab dann das Zeichen zum Ausrücken. Die Bunkertüren wurden aufgerissen und eine Schar von weiteren neunzig Agenten stürmte aus dem Inneren der unterirdischen Basis auf die Transportfähre zu.

Als Sherilyn Stone zusammen mit Helen und Gossett das geräumige Cockpit betrat, gewahrte sie die Leichen der beiden Piloten auf dem Boden zwischen den Sitzen. In ihren Köpfen klafften die Einschusslöcher einer Laserwaffe.

»Du hast ganze Arbeit geleistet«, pflichtete Gossett ihr unsicher bei. »Aber ich verstehe noch immer nicht, wieso du …«

Helen trat an ihn vorbei und ließ sich im Pilotensitz nieder. Ihre Vorgesetzte begnügte sich mit dem Sessel des Kopiloten. Gossett blieb unschlüssig stehen. Was immer ihm gerade durch den Kopf ging, es wurde durch Captain Stones scharfen Befehl abrupt unterbrochen.

»Schaffen Sie die Leichen hier raus, Gossett.«

Sich etwas in den Bart murmelnd, winkte der Angesprochene zwei Shadow-Agenten heran und trug mit ihnen die Toten aus dem Cockpit. Als sie allein waren, verriegelte Helen Dryer die Tür.

»Sie kommen ohne Hilfe damit zurecht?«, fragte Sherilyn und deutete auf die Armaturen, die auf den zweiten Blick gar nicht einmal so fremdartig aussahen. Hier und da gab es seltsame Beschriftungen und unverständliche Symbole, aber ein Pilot konnte durchaus erkennen, welche Steuerelemente für welchen Zweck bestimmt waren.

Als hätte Helen Sherilyns Gedanken erraten, sagte sie: »Die scardeenischen Raumschiffe sind fast so leicht zu fliegen wie unsere Hubschrauber. Einen Großteil der Arbeit übernimmt eine intuitive Elektronik, die Kursberechnungen für den Überlichtflug der Navigationscomputer, sobald man erst einmal die Zielkoordinaten eingegeben hat.«

»Es ist schon erstaunlich, wie viel Sie herausgefunden haben, Dryer.«

Die Agentin hob die Schultern. »Sealdric hat mir förmlich aus der Hand gefressen und mir freien Zugang zu den meisten Systemen an Bord seines Schiffes gewährt. Ich frage mich allerdings, warum er mir blind vertraut hat oder ob er noch etwas im Schilde führt.«

»Das hoffen wir besser nicht«, sagte Sherilyn Stone und deutete auf einen Schalthebel im Mittelbereich der Konsole. »Die Schubkontrolle?«

Helen nickte. Sie prüfte, ob alle Soldaten an Bord und die Schotten geschlossen waren. Dann drückte sie den Schalter nach vorn. Augenblicklich erklang ein durchdringendes Brummen und ein harter Ruck durchlief das Transportboot. Die Triebwerke brüllten auf, und als das Fährschiff vom Wüstensand abhob, leckten feuerrote Blitze aus den Antriebsgondeln. Der Shuttle schoss in den irdischen Nachthimmel hinauf und erreichte binnen weniger Minuten die äußeren Atmosphäreschichten.

»Es gab Probleme?«, fragte Helen wie beiläufig, als nur noch die Sterne die Cockpitverglasung ausfüllten. Die Fähre kippte seitwärts. Sherilyn gewahrte aus den Augenwinkeln einen hellen Reflex und blickte durch das Seitenfenster nach draußen. Ein bläulich schillernder Ausschnitt der Erde war dort zu sehen. Der Anblick erfüllte die Frau mit einem Gefühl von Wehmut, Erhabenheit und Angst zugleich.

So fern, dachte sie, und so winzig.

Sie spürte ihre Augen feucht werden und blinzelte hastig. Verstohlen schaute sie in Helens Richtung und hoffte, dass die Agentin die Schwäche nicht bemerkt hatte. Doch Sherilyn war noch immer ergriffen von dem Bild ihrer Heimatwelt, die mehrere Tausend Kilometer unter ihr, eingebettet im schwarzen Samt des Alls, im Raum hing.

»Inwiefern?«, entgegnete sie, als sie merkte, dass sie Helens Frage schon zu lange unbeantwortet gelassen hatte. Dabei vermochte sie nicht, den Blick von der Erde zu lösen.

Die Pilotin schien dies zu merken und führte eine Kurskorrektur durch. Abermals kippte der Shuttle so weit, dass der Erdausschnitt nicht mehr durch die Cockpitfenster zu sehen war.

»Ich hörte, Gossett hat Mist gebaut«, meinte Helen.

Sherilyn runzelte die Stirn. »Sie scheinen gar nicht so weit weg gewesen zu sein, wenn Sie selbst davon wissen.«

»Ich habe meine Quellen«, lächelte Helen.

»Der General.«

Die Pilotin sagte nichts. Ihre Finger huschten kurz über die Tasten am Instrumentenpult. Das polarisierte Licht der Mondscheibe schien durch das Cockpit. Bevor Sherilyn beim Anblick des vollen und klaren Mondes wieder rührselig werden konnte, wuchtete sie sich aus dem Sitz und wandte sich zum Schott.

»Ich gehe mit unseren Leuten den Angriffsplan durch.«

»Halten Sie ein Auge auf Gossett!«

Das Schott fuhr beiseite. Sherilyn blieb auf der Schwelle stehen und wandte sich noch einmal zu der Pilotin um.

»Sie mögen ihn nicht sonderlich, oder?«

»Er ist ein Versager, das können Sie mir getrost glauben«, erwiderte Helen Dryer. »Ich muss es wissen. Er war drei Jahre lang mein Partner bei der CIA.«

Sherilyn seufzte und verließ das Cockpit. Sie durchquerte einen Zwischenraum, der den Leitstand von der Ladebucht der Fähre abgrenzte. Offenbar benutzten die Scardeener verschiedene Module, um ihre Transporter auszustatten. Dieses hier bestand aus einer Kombination von Passagiertransport und Frachtgut. Im ersten Abschnitt des Moduls waren sieben Sitzreihen untergebracht. Hinter einer transparenten Absperrung befand sich die eigentliche Ladefläche. Während es sich die Offiziere in den Sesseln fast schon bequem gemacht hatten, drängten sich über siebzig Shadow-Soldaten im hinteren Bereich zwischen einigen Metallkisten und Kleincontainern zusammen.

»Achtung!«, rief ein schwarzer Sergeant, als er die Vorgesetzte gewahrte. Dem Sticker auf der Uniform konnte sie den Namen des Manns entnehmen: Tennard. Zumindest verschaffte er ihr durch seinen Arbeitseifer Gehör. Das Gemurmel der Offiziere und sogar der Soldaten im hinteren Bereich der Ladebucht verstummte schlagartig. Sherilyn nickte Tennard dankbar zu.

»Wir gehen noch einmal die Einzelheiten der Operation durch«, sagte Stone laut und aktivierte gleichzeitig den Helmfunk, damit auch die Agenten im Frachtraum ihre Worte klar und deutlich vernehmen konnten.

»Sobald wir in der Dockbucht gelandet sind, schwärmen wir aus und versuchen, die wichtigsten Stationen des Schiffs zu besetzen. Agentin Dryer hat eine schematische Grafik des Bordkomplexes in Ihren Helmcomputer eingespeist, die Sie bei Bedarf auf die Innenseiten Ihres Visiers projizieren können. Damit werden Sie keine Schwierigkeiten haben, die strategischen Punkte der Sensor zu erreichen. – Lieutenant Harris, haben Sie und Tennard Probleme, mir zu folgen?«

Der Angesprochene zuckte zusammen und warf Tennard einen Seitenblick zu. Die beiden machten den Eindruck von zwei Schuljungen, die auf frischer Tat ertappt worden waren.

»Nein, Captain«, stammelte Harris und straffte sich. »Sergeant Tennard hat mich nur gefragt, wie es mit der Feuererlaubnis steht.«

Die Mimik Tennards sprach Bände. So, wie er die Stirn krauszog, hatte er mit Harris über alles andere als über den bevorstehenden Einsatz gesprochen. Doch er spielte mit, um dem Kollegen nicht in den Rücken zu fallen. Zustimmend nickte Tennard – eine Spur zu heftig, wie Sherilyn fand. Die Szene hätte sie amüsiert, wäre sie nicht innerlich so angespannt gewesen. Selbst der Slapstick ihres Lieblingskomikers Jim Carey hätte sie in diesem Moment die Wände hochgehen lassen können.

»Bei direkter Bedrohung werden Sie von den Schusswaffen Gebrauch machen«, sagte Sherilyn ernst. »Verinnerlichen Sie aber, dass wir hier nicht auf Scardeener-Jagd sind, sondern nur dieses Schiff in die Hand bekommen wollen. Falls jemand seine Abschüsse zu zählen beginnt, werde ich ihn eigenhändig dorthin befördern, wo sich seine Opfer aufhalten. Habe ich mich klar ausgedrückt.«

Ein vielstimmiges »Ja, Ma’am« erschallte.

Sherilyn wandte sich ab, doch mit einem Schritt war Lieutenant Sean Harris bei ihr.

»Captain, ich will Sie nicht vor der Mannschaft kompromittieren, aber ich habe vom General anderslautende Befehle erhalten.«

Sherilyn zog die Brauen hoch.

»Wir sollen niemanden an Bord der Sensor am Leben lassen«, fuhr Harris in beinahe verschwörerischem Ton fort. Doch dem Mann war deutlich anzusehen, was er von Aktionen dieser Art hielt.

»Der General?« Paul Gossett hatte niemand beachtet. Er war unbemerkt an Stone und Harris herangetreten und hatte gelauscht.

»Halten Sie die Klappe, Gossett!«, entgegnete Harris wie beiläufig.

»Captain! Wenn der General …«, wollte Gossett einwenden, doch Sherilyn Stone schnitt ihm barsch das Wort ab.

»Sergeant Gossett, wir sind hier nicht mehr bei der CIA. Dies ist eine militärische Operation und ich Ihr kommandierender Offizier. Sie werden sich meinen Weisungen fügen!«

Gossetts Kinnlade klappte herunter. Ihm lag eine Erwiderung auf der Zunge, doch ehe er etwas sagen konnte, nahm Sherilyn über den Helmfunk Kontakt zum Cockpit der Fähre auf.

»Wie lange brauchen wir noch bis zur Sensor, Sergeant Dryer?«, fragte sie und betonte absichtlich den militärischen Rang der Ex-CIA-Agentin, nur um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, wer hier das Sagen hatte.

Ein deutliches Ausatmen war aus dem Helmlautsprecher zu hören. »Zehn Minuten, wenn wir die momentane Geschwindigkeit beibehalten.«

»Sehr schön«, sagte Sherilyn und schaltete sich nochmals in die allgemeine Funkfrequenz ihrer Leute. »Herhören. Alle mitgebrachten Projektilwaffen werden an Bord dieser Fähre bleiben. Diejenigen von Ihnen, die bereits mit dem von Shadow Command entwickelten Energiestrahler ausgerüstet sind, werden diesen auf betäubende Leistung stellen. Die anderen melden sich bei Lieutenant Harris, der die Ausgabe scardeenischer Lasergewehre am Depot überwachen wird.«

Sherilyn nickte dem Offizier kurz zu und begab sich wieder zur Leitstelle des Transporters. Statt sich neben Helen Dryer niederzusetzen, verharrte sie hinter dem Sitz des Kopiloten und blickte durch die Fensterkanzel in den Raum hinaus. Kurz darauf schien einer der Sterne im schwarzen Samt zu wachsen und heller zu werden. Als sich eine Silhouette aus dem Licht schälte, erkannte Sherilyn grob die Umrisse eines Schiffes – die Sensor, Sealdrics Schlachtraumer!

Helen kippte einen Schalter am Instrumentenpult um und aktivierte die externe Kommunikation. »Fähre Sensor sieben an Mutterschiff. Erbitten Landeerlaubnis nach Code Eta sieben der Sicherheitsfreigabe. Kommen.«

Sherilyn beugte sich zu der anderen Frau hinunter. »Und Sie meinen, das funktioniert?«

»Es gibt keinen Grund, dass die Codes in der Zwischenzeit geändert wurden«, antwortete Helen. »Sealdric glaubt, ich wäre mit dem Shuttle zur Erde geflogen, um noch einige persönliche Dinge zu regeln, ehe ich meine Zelte hier ganz abbreche. Er selbst konzentriert sich voll und ganz auf die Spurensuche nach McLaird und seinen außerirdischen Freunden.«

Ein Rauschen war in der Leitung zu vernehmen, dann eine Stimme: »Sensor sieben, hier Mutterschiff. Warten Sie, bis Eingabe bestätigt wurde. Kommen.«

»Mutterschiff, hier Sensor sieben. Verstanden und Ende.«

Helen aktivierte eine interne Kamera und warf einen Blick auf den Seitenmonitor, der den Laderaum und die dort zusammengepferchten Soldaten zeigte.

»Es wird ein wenig dauern, bis sie unseren Flug überprüft haben.«

»Ich bereite unsere Leute vor«, sagte Sherilyn und kehrte zu Harris und den anderen zurück. Sie bemerkte Gossett nicht, der sich in einer Nische des Verbindungsganges versteckt hatte und nun das Cockpit betrat. Summend glitt die Tür hinter ihm in die Fugen. Ein hartes Klacken verriet, dass die Verriegelung aktiviert worden war.

»Was willst du denn hier?«, schnappte Helen, als sie ihren Expartner vom Geheimdienst gewahrte.

»Dir einen Rat geben. Ich weiß nicht, was Lady Stone vorhat, aber ganz sicher missachtet sie die Pläne des Generals.«

Helen horchte auf und auf ihre Frage hin informierte Paul Gossett sie über die widersprüchlichen Befehle.

»Falls Captain Stone ein falsches Spiel spielt, kann ich dann auf dich zählen, Helen?«, fragte Gossett anschließend.

»Sicher«, gab Dryer zurück. »Falls es uns nicht gelingen sollte, das Schiff in unsere Gewalt zu bekommen, können wir den Scardeenern immer noch erzählen, dass Shadow Command uns zur Mitarbeit gezwungen hat. Sealdric vertraut mir!«

Ein neuer Funkspruch kam herein.

»Sensor sieben, Ihre Daten wurden geprüft. Sie haben Freigabe für Hangar A03. Folgen Sie der Lasermarkierung. Ende und aus.«

Helen entspannte sich. Das ging fast eine Spur zu glatt. Dennoch versuchte sie, das letzte bisschen Unruhe in sich zu verdrängen, und umklammerte mit beiden Händen die Elemente der manuellen Steuerung. Draußen vor der Cockpitverglasung war das Schlachtschiff bereits auf gigantische Ausmaße angewachsen. Schwachgrüne Laserstrahlen lotsten sie zum angegebenen Hangardeck. Helen folgte dem Leitstrahl und steuerte den Shuttle im präzisen Anflug in die Dockbucht hinein, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan.

»Bereithalten!«, wies Sherilyn im Transportmodul ihre Leute an.

Die Raumfähre setzte mit einem sanften Ruck auf dem Hangarboden auf. Noch ehe die Triebwerke verstummten, öffnete sich die Schleuse. Die ersten Shadow-Soldaten sprangen heraus und formierten sich zu drei Trupps rund um den Shuttle. Kurz darauf schlossen ihre Teamleader Sherilyn Stone sowie die Lieutenants Harris und Loomis zu ihnen auf. Alle Agenten des Angriffstrupps waren inzwischen mit Laserwaffen ausgerüstet.

»Loomis, Maschinenraum«, befahl Sherilyn knapp. »Harris, Sie nehmen den langen Weg zur Brücke. Der Rest folgt mir.«

»Sollen wir die Fähre nicht sichern?«, fragte Paul Gossett.

»Wenn wir die Brücke eingenommen haben, brauchen wir sie wohl nicht mehr, Idiot«, fauchte Helen Dryer und stieß ihrem Kameraden unsanft den Ellbogen in die Rippen. Ehe er sich lauthals beschweren konnte, war sie dicht bei ihm und raunte ihm ins Ohr: »Halt ein Auge auf Stone.«

Die Trupps setzten sich in Bewegung und hetzten dem Ausgang entgegen. Noch bevor sie die Landebucht ungesehen verlassen konnten, öffneten sich die Türen am Ende. Eine Wartungscrew betrat das Deck und sah sich augenblicklich einhundert Waffenmündungen gegenüber. Plötzlich überschlugen sich die Ereignisse. Eine Salve löste sich aus den Reihen der Shadow-Soldaten. Fünf Techniker gingen tot zu Boden.

»Gossett!«, herrschte Sherilyn den Agenten an, der noch immer die Waffe auf die Scardeener hielt.

»Sie Narr! Nach der Übernahme des Schiffes, melden Sie sich bei mir und werden sich für das hier verantworten. Falls Sie dann noch leben.«

Sherilyn gab ihren Leuten ein Zeichen. Erst stürmte Loomis’ Einheit durch den Ausgang, danach Harris’ Trupp. Plötzlich schrillten die Alarmsirenen durch das Schiff – eine der beiden Gruppen musste entdeckt worden sein. Die dritte Einheit sprang durch die Schottöffnung hinaus auf den Gang und nahm die linke Abzweigung: den direkten Weg zur Brücke der Sensor!

Φ

Genüsslich rekelte sich Simon McLaird auf dem komfortablen Bett in seinem Quartier an Bord der Raumjacht Prinzessin Tanyas. Seine Kabine lag auf dem Oberdeck. Die Zimmerdecken waren aus einem unzerstörbaren, transparenten Material gefertigt, sodass Simon von dem Punkt seines Quartiers aus, einen ungetrübten Blick in den freien Weltraum genießen konnte.

Seit ihrem Abflug vom Waldplaneten Mazoni hatte Simon viel nachgedacht. Die Kämpfe gegen die Assassinen des Scardeenischen Reichs forderten ihren Tribut. War es richtig, dass er sich in die Konflikte der Außerirdischen einmischte? Auf der Erde gab es genug Gewalt, Verbrechen und Kriege – dazu musste er nicht erst ins All reisen. Und dennoch …

Sein Schicksal war mittlerweile eng mit dem seiner Kampfgefährten verknüpft. Eine Rückkehr zu seiner Heimatwelt gab es nicht. Dort warteten nur die amerikanischen Geheimdienste und die mysteriöse Organisation Shadow Command darauf, ihn in die Hände zu bekommen. Man hatte ihm keine andere Wahl gelassen, obwohl er mehr unfreiwillig in die Situation hineingeschlittert war – nun hatte man ihm zum Staatsfeind Nummer eins abgestempelt. Sein neues Zuhause bestand gegenwärtig aus diesem geräumigen Quartier an Bord eines Raumschiffs, das auf der Erde nur in der Fantasie einiger weniger Utopisten existierte.

Die Menschen sind noch lange nicht so weit, dachte er, während er die Arme hinter dem Kopf verschränkte und in das mit Sternen übersäte All hinausstarrte. Er spann seine Gedanken weiter und fragte sich, was wohl geschehen wäre, wenn Shadow Command seine Ziele erreicht und Jee A Maru und Ken Dra in seine Hände bekommen hätte. Wie würde sich die Welt verändern, mit einer von der Regierung unabhängigen Organisation, die die Macht der Außerirdischen ihr Eigen nennen konnte?

Simon schauderte bei der Vorstellung, Shadow Command könnte ernsthaft den Weltraum mithilfe fremder Technologien erobern. Über kurz oder lang würde daraus bloß so etwas wie ein zweites Scardeenisches Reich erwachsen.

Der Türsummer riss ihn aus den Gedanken.

»Herein!«

Die Amazone Kardina erschien auf der Schwelle, als sich die Tür geräuschlos beiseitegeschoben hatte. Die dunkelhaarige, junge Frau war eine wahre Schönheit. Ihre grünen Augen glänzten im Licht der Bordbeleuchtung. Als sie Simon auf dem Bett liegen sah, huschte ein amüsiertes Lächeln über ihre vollen Lippen.

Gut, dachte Simon, sie hat sich erholt.

Der Kampf auf Mazoni gegen die Kriegerinnen der Königin Lasaria hatte an ihrer aller Nerven gezerrt. Zu viele von Prinzessin Tanyas Frauen hatten den Tod bei der Verteidigung der Festung gefunden. Für Simon mochten sie nicht mehr als Menschen gewesen sein, die sinnlos ums Leben gekommen waren – schlimm genug. Doch für Tanya und Kardina waren es die engsten Vertrauten und Freundinnen gewesen. Die wenigen Überlebenden waren nun die Gefangenen Lasarias.

Gott weiß, was mit ihnen geschehen wird.

»Hi«, begrüßte Kardina Simon und näherte sich der Bettkante. Ohne Umschweife ließ sie sich auf dem Rand nieder, beugte sich über ihn und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Simon war peinlich berührt. Er hatte versucht, Kardina klarzumachen, dass eine Beziehung zwischen ihnen nicht funktionieren konnte. Simon interpretierte Kardinas überschwängliches Interesse an ihm als Reaktion auf das traditionelle Zölibat der Amazonen und den mangelnden Kontakt zu Männern. Er war sicher, dass sich ihre Empfindungen ihm gegenüber bald legen würden – spätestens wenn sie andere Planeten sah, auf denen es von Vertretern des männlichen Geschlechts nur so wimmelte. Bis dahin machte Simon gute Miene zu ihrem Spiel.

»Guten Morgen«, antwortete Simon McLaird, erwiderte ihren Kuss jedoch nicht. »Es ist doch Morgen, oder?«

»Der Borduhr nach, ja«, bestätigte Kardina. »Wir sind vor ein paar Minuten ins Zerum-System eingetreten und nähern uns der … Heimat der Drahusem.«

Sie stockte kurz und senkte den Blick. Der Schmerz über die Massenvernichtung Prissarias saß auch den Amazonen tief im Herzen. Gerade diese Methoden der Scardeener hatten Frauen wie Tanya und Kardina rebellieren lassen.

»Wie geht es Jee?«, fragte Simon.

Kardina hob die Schultern. »Sie hat sich in ihre Kabine zurückgezogen. Auch Ken wirkt sehr bedrückt. Ich denke, es war ein Fehler, noch einmal hierher zu kommen.«

Simon schob sich an der jungen Frau vorbei und schwang die Beine über den Bettrand. Er schlenderte über den übertrieben flauschigen Luxusteppich zum Kühlfach hinüber und langte nach einer Flasche, von der er annahm, dass sie Wasser beinhaltete.

»Jee wollte hier unbedingt etwas hier erledigen«, sagte er. »Die Weihestätte der Schwertträger ist wohl sehr wichtig für sie.«

Kardina nickte und stand ebenfalls auf. Die lederne Rüstung, die sie am Leib trug, knirschte bei jeder Bewegung. Ihr Schwert baumelte in einer ebenfalls ledernen Scheide an ihrer Seite. Das Outfit wirkte an Bord der supermodernen Raumjacht irgendwie deplatziert. Simon hätte es ihr nie und nimmer abgekauft, dass sie sogar in der Lage war, das Schiff zu fliegen, hätte er es nicht selbst gesehen.

»Das letzte Relikt von Prissaria«, sinnierte die Amazone halblaut vor sich hin, während sie zu einem der Sichtfenster ging und hinaus in das All blickte, als könne sie den untergegangenen Planeten schon ausmachen.

»Warst du schon einmal hier draußen?«, fragte Simon.

Kardina wandte sich zu ihm um. »In diesem System?«

»Nein, allgemein im Weltraum.«

»Als Tanya und ich noch im Dienste Lasarias standen, haben wir im Orbit oft Übungsflüge mit den Jachten und Jägern durchgeführt«, erklärte Kardina. »Auch wenn wir im traditionellen Schwertkampf ausgebildet werden, verlangt der Wissenschaftsrat von uns, mit den neuesten technischen Errungenschaften umgehen zu können. Aber weiter als bis zum Mazoniorbit war ich auch noch nicht.«

»Manchmal meine ich, ich träume das alles nur, weißt du? Ich befürchte, jeden Moment schweißgebadet aufzuwachen und mich auf der Erde wiederzufinden.«

Kardina legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er spürte ihre Wärme und Nähe überdeutlich. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Nur mit Mühe unterdrückte er den Wunsch, die junge Frau in seine Arme zu nehmen und auf ihre Annäherungsversuche einzugehen. Doch er war noch immer davon überzeugt, dass sie ihn verlassen würde, wenn sie erst einmal auf andere Männer traf. Er mochte für sie nicht mehr als ein neues Spielzeug sein, dass sie ausprobieren wollte. Wenn sie seiner überdrüssig geworden war, suchte sie sich ein neues.

Bist du dir da sicher?, höhnte eine innere Stimme im hintersten Winkel seines Bewusstseins. Vielleicht beurteilst du sie auch nur falsch und sie meint es aufrichtig …

Simon atmete tief durch. Ganz gleich was er dachte, der Schuss würde nach hinten losgehen, dessen war er sich sicher. Entweder ließ Kardina bald von ihm ab oder er nutzte sie nur aus, um sie zum Sex zu bewegen und hinterher fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel.

Ich liebe sie nicht, dachte er. Es war nie meine Art, Frauen nur ins Bett zu kriegen …

»Glaub mir«, sagte Kardina mit einem Lächeln. »Du träumst nicht.«

Ihre Lippen näherten sich den seinen. Simon schluckte hart. Er wusste, dass es jetzt einfach passieren würde und er alle Vorbehalte und guten Vorsätze über Bord werfen würde. Stocksteif stand er da und erwartete Kardinas Kuss …

… der nie kam.

Im selben Augenblick rauschte es kurz in den Bordlautsprechern. Dann war Prinzessin Tanyas klare Stimme zu vernehmen.

»Crew sofort auf der Brücke versammeln!«, sagte sie im Befehlston. »Wir haben Gesellschaft.«

Φ

Der Korridor mündete in eine kleinere Halle, die direkt an einen Großraumlift anschloss, der für kleine Angriffsjäger konzipiert worden war. Diese konnten so bequem von einem Deck auf das nächste verlegt werden. Sherilyns Truppe mit dreißig Shadow-Agenten fand mühelos Platz in der Kabine.

Erst jetzt zog Sherilyn ihre eigene Pistole aus dem Holster. Die irdische Waffe war ein Nachbau Shadow Commands vom scardeenischen Gegenstück. Allerdings wirkte der Laser klobiger in der Hand, was dem wuchtigeren Energiemagazin im Griffstück zu verdanken war. Die Wissenschaftler des Generals hatten bisher noch nicht den Ursprung der Energie der scardeenischen Waffen herausgefunden und teils auf Kombinationen mit irdischer Technologie zurückgreifen müssen.

Auf der Innenseite ihres Helmvisiers sah Sherilyn Stone die vom Computer generierte Darstellung des Schiffsinneren. Der Aufzug, den sie gewählt hatten, führte sie zum Oberdeck zu einem kleineren Nothangar, der für die Brückenbesatzung angelegt worden war. Im Fall einer Evakuierung konnten sie direkt von hier aus das Schiff verlassen. Die Kommandozentrale der Sensor lag ganz in der Nähe.

Der Lift stoppte.

Surrend schob sich die Tür beiseite. Drei Soldaten sprangen heraus und wurden sofort von einem Feuerhagel empfangen. Grelle Blitze stachen durch den Gang und bohrten sich in die schwarzen Uniformjacken der Shadow-Agenten. Noch ehe sie tot auf dem Boden aufschlagen konnten, stürmten bereits die nächsten sechs durch den Ausgang, rollten über den Boden und sicherten zu beiden Korridorseiten.

Ein Lasergewitter deckte den Gang ein. Schreie waren zu vernehmen. Beißender Rauch und der Geruch von Ozon lagen in der Luft. Zwei der Schatten sackten getroffen in sich zusammen, die anderen vier überlebten den Schusswechsel.

»Alles klar!«, verkündete einer der Soldaten.

Sherilyn gab das Zeichen zum Ausrücken. Auf dem Korridorboden lagen ein halbes Dutzend Scardeener. Mit leichtem Anflug von Ärger registrierte Sherilyn, dass ihre Leute scharf geschossen hatten. Die noch schwelenden Löcher in den Brustkörben der Legionäre waren unverkennbar. Doch angesichts ihrer eigenen Verluste, mochte sie es ihren Leuten nicht verübeln – noch dachte sie daran, ihren Befehl zu erneuern. Es ging jetzt darum, mit heiler Haut dieses Selbstmordkommando zu überstehen. Sie wies zehn Shadow-Agenten an, im Korridor zu bleiben und dem Rest beim Vormarsch auf die Brücke den Rücken zu decken. Zusammen mit zwei Männern ging sie selbst voran. Direkt vor ihnen lag das Schott zur Kommandozentrale. Sie passierten einen Seitengang und stolperten über zwei scardeenische Legionäre, die augenblicklich das Feuer eröffneten. Ihre Schüsse fegten haarscharf links und rechts an Sherilyn und den beidem Schatten vorbei. Nur einen Sekundenbruchteil darauf vergingen die beiden Scardeener im Gegenfeuer der Eindringlinge.

Sherilyn Stone stieg über die mit Einschusslöchern übersäten Leichen hinweg. Feiner Rauch schwelte aus ihren Körpern. Es roch nach verbranntem Fleisch.

In diesem Moment öffnete sich das Brückenschott. Sherilyn ließ sich fallen. Keine Sekunde zu früh, denn schon jagte ein Energiestoß über sie hinweg und erfasste den hinter ihr stehenden Shadow-Agenten. Stöhnend fiel der Mann zurück.

Stone zog den Abzug ihres Lasers durch. Ein greller Blitz fuhr in das Visier des scardeenischen Helmes. Der Angreifer schrie nicht, kippte einfach um wie ein gefällter Baum.

»Bewegung!«, rief Sherilyn, sprang auf und stürmte mit ihrer Einheit vorwärts. Als sie das Brückenschott passierten, rannten sie direkt in gegnerisches Sperrfeuer. Lichtfinger zuckten ihnen um die Ohren, tasteten nach ihren Körper.

Hier und da ein Aufschrei. Neben Sherilyn gingen zwei Shadow-Agenten zu Boden. Einige verschanzten sich hinter Terminals und Konsolen und schafften es endlich, das Feuer zu erwidern. Unablässig zuckten die energetischen Blitze durch den großen Raum.

Töteten. Und zerstörten.

Funkenregen von implodierenden Monitoren hing in der Luft. In den Wänden klafften alsbald schwarze Löcher von verdampfendem Material. Und während sie unter Beschuss lagen, fragte sich Sherilyn mehr als einmal, ob die Laserblitze stark genug waren, die riesigen Panoramafenster der Brücke zu vernichten.

Wenn das geschieht, dann …

Captain Stone robbte sich über den Boden und lugte hinter einer Konsole hervor. Das Bild, das sich ihr bot, jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken. Auf dem Brückendeck lagen reihenweise tote Techniker, scardeenische Legionäre und Shadow-Agenten in den letzten Atemzügen. Ein Blitzhagel zwang Sherilyn Stone wieder in Deckung. Nicht weit neben ihr sprang Paul Gossett hoch und bestrich die Brücke mit einem lang gezogenen Strahl aus seinem Laserkarabiner. Gleich mehrere Schaltschränke explodierten in wilden Funkenkaskaden. Ein Beben erschütterte das Deck.

Dieser Narr zerstört uns noch das ganze Schiff, dachte Sherilyn. Sie gewahrte eine Bewegung aus den Augenwinkeln und rollte zur Seite. Über ihr war ein Scardeener erschienen, der mit dem Kolben seines Gewehrs auf sie einhieb. Sie entging dem Schlag, winkelte die Knie an und rammte ihm die Fersen in den Unterleib. Der Legionär wurde gegen ein Instrumentenpult geschleudert. Etwas knackte hässlich, als er wie leblos daran heruntersackte.

Sherilyn suchte sich eine neue Deckung, hechtete über den Boden und kam nach einer Flugrolle wieder auf die Beine. Sie entdeckte den Commander des Schiffes. Sealdric verteidigte sich hinter einem arg zerstörten Pult gegen zwei Shadow-Soldaten. Den ersten tötete er mit einem gezielten Schuss, den anderen schleuderte er mit einem Hieb beiseite. Da ließ er seine Pistole fallen und zog einen bolzenähnlichen Gegenstand aus seinem Gürtel hervor.

»Vorsicht!«, brüllte Gossett, der das Schwert des Bewahrers erkannt hatte. Der Agent stürmte vor und fiel noch im selben Augenblick getroffen zu Boden. Er schrie in Panik, klammerte sich um seinen Karabiner und versuchte, sich in Deckung zu rollen, doch ein weiterer Blitz strich über seinen Rücken. Seine Schreie verstummten.

Der Schütze starb noch in der nächsten Sekunde, als Helen Dryer ihn erledigte. Sie machte einen Schritt in Gossetts Richtung, wurde jedoch von anderen Gegnern unter Beschuss genommen und musste sich zur Wehr setzen.

Sherilyn rückte sich den Helm zurecht und schaltete das Visier auf infrarote Darstellung. Die Rauchschwaden des Feuergefechts hatten sich zu einem dichten Nebel ausgebreitet, durch den man kaum mehr als ein paar Schritte blicken konnte. Jähes Entsetzen lähmte sie, als sie sah, dass sich ein Nebenschott zur Brücke öffnete und Verstärkung für die Scardeener ausspie.

Hinter sich hörte sie ebenfalls Kampfgeräusche. Die Schatten, die sie im Korridor zurückgelassen hatte, wurden in Kämpfe verwickelt.

Ein Laserstrahl flitzte dicht an Sherilyn vorbei und traf einen Computersockel, der in einer grellen Stichflamme zerplatzte. Neben ihr fielen zwei weitere Soldaten aus ihrer Einheit.

Die Schlacht ist verloren, dachte sie verbittert.

Abermals war sie gezwungen, ihren Standort zu wechseln. Zusammen mit vier Soldaten und Helen Dryer fand sie vorübergehenden Schutz hinter einer frei stehenden Schaltbank. Drei andere Schatten hatten die Deckung nicht mehr rechtzeitig erreicht und wurden von der Wucht gegnerischer Feuerstöße durch die Luft gewirbelt.

Sherilyn blickte kurz hoch und verschaffte sich einen Überblick. Nur noch sie, Helen und die vier Soldaten befanden sich auf der Brücke – und ein gutes Dutzend Scardeener, die Angreifer im Hauptkorridor nicht einmal mitgerechnet.

»Hat jemand noch einen letzten Wunsch?«, fragte sie und verkrampfte ihre Hand fast um den Griff der Laserpistole. Mit dem Mut der Verzweiflung sprang sie hinter der Deckung hervor und eröffnete blindlings das Feuer. Ihre Leute folgten ihr nur eine Sekunde darauf. Mehrere Scardeener wurden überrascht und gingen zu Boden. Andere verschanzten sich hinter den Trümmern, die die Brücke zierten.

Nur noch ein Mann stand auf der anderen Seite und schien nicht im Traum daran zu denken, sich zu verstecken. Er trug eine blaue Robe mit langem Cape, in seiner Hand hielt er nur ein Schwert – und auf seinen Lippen lag ein spöttisches, siegessicheres Lächeln.

Fünf Strahllanzen jagten auf Sealdric zu, trafen ihn … und wurden wie von einem unsichtbaren Hindernis abgelenkt, um über ihm in der Decke einzuschlagen. Der Bewahrer machte einen Schritt auf die Schatten zu. Gleichzeitig bedeutete er seinen Leuten, in Deckung zu bleiben. Er würde sich persönlich um die Eindringlinge kümmern.

Ein Funkspruch rauschte durch Sherilyns Helm, doch sie nahm ihn nicht einmal richtig wahr. Gebannt starrte sie auf Sealdric. Während die vier Agenten neben ihr den Bewahrer noch unablässig mit Laserfeuer eindeckten, hatte sie längst die Waffe gesenkt. Es war aussichtslos. Irgendein Schirmfeld schützte ihn.

Aus!

Die Griffstange von Sealdrics Schwert schob sich in eine parallele Lage zur Klinge. Sherilyn wusste, was jetzt kam. Sie hatte es bereits erlebt, als ihr Partner Gordon Miles durch diese Waffe seinen Tod gefunden hatte.

»O nein!«, rief sie aus.

Plötzlich fegte eine Salve aus blauen Lichtfingern über die Brücke hinweg. Gleich mehrere Blitze schlugen in die Deckung der Scardeener ein. Trotz Sealdrics Befehl, unten zu bleiben, sprangen die Legionäre mit einem Mal hervor und schossen in Richtung des Nebeneingangs.

Irritiert blickte sich Sherilyn um, als Harris’ Truppe mit flammenden Mündungen über die Schwelle hetzte und eine Energiekanonade nach der anderen in die gegnerischen Reihen jagte. Gleich reihenweise wurden die Scardeener eliminiert. Harris’ Leute überwältigten sie im Handumdrehen.

Doch dann geschah mit einem Mal alles so schnell, dass kaum jemand es wirklich mitbekam. Neben Sherilyn fiel ein Shadow-Agent. Die anderen drei schossen wieder auf Sealdric, doch das unsichtbare Kraftfeld reflektierte die Laserstrahlen in einem ungünstigen Winkel und ließ sie in das Panoramafenster schlagen. Das Energiepotenzial der beschleunigten Photonen zerriss das transparente Material, als wäre es Eis. In Tausenden von Splittern barst das Fenster auseinander. Ohne Vorwarnung setzte die Dekompression ein. Alarmsirenen gellten durch das Schiff. Alles, was nicht fest auf der Brücke verankert war, wurde vom Sog gepackt und in das Vakuum hinausgeschleudert. Harris und einige seiner Leute sprangen in den Nebeneingang zurück, kurz bevor das Sicherheitsschott herunterkrachte. Mehrere Leichen wurden durch die Luft gewirbelt, dann durch das zerborstene Panoramafenster gesogen, um sich irgendwo in der Kälte des Weltraums zu verlieren.

Die unbändigen Kräfte zerrten an den Überlebenden. Zwei Schatten aus Harris’ Gruppe, die es nicht mehr in den Gang geschafft hatten, verloren ihren Halt und verschwanden mit gellenden Schreien in der Unendlichkeit des Alls.

Sealdric knallte gegen eine Instrumententafel und krallte sich verzweifelt an einer Aussparung fest. Sein Umhang hing in Fetzen. Die Angst vor dem Tod stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.

Auch die Soldaten neben Sherilyn wurden vom Sog erfasst und trudelten durch die Luft. Stone versuchte, einen von ihnen zu fassen, doch sie musste sich selbst mit aller Kraft gegen die Konsole stemmen, hinter die sie sich instinktiv geworfen hatte. Für die Shadow-Agenten gab es keine Rettung mehr. Dicht neben ihr hockte Helen Dryer mit angespanntem Ausdruck im Gesicht.

»Das schaffen wir nie!«, brüllte sie über den tosenden Lärm des Sogs hinweg.

Das Sicherheitsschott zum Hauptgang glitt mit Wucht herunter. Nun war ihnen auch der Rückweg verwehrt.

Plötzlich ließ der tobende Sturm abrupt nach. Sherilyn und Helen sanken erschöpft zu Boden.

Stille!

Das Blut rauschte noch immer in ihren Adern. Ihr Pulsschlag hämmerte wie verrückt. Keuchend lagen sie da und versuchten zu erfassen, was geschehen war.

»Sealdric!«, fuhr Sherilyn auf. Sie stemmte sich hoch und schalt sich noch im selben Moment für diese Unbedachtheit. Schwindel erfasste sie. Benommen taumelte sie von einer Schalttafel zur nächsten und wäre fast gestürzt. Sie versuchte, den Bewahrer auszumachen, aber Helen entdeckte ihn zuerst.

»Da drüben!«

Sherilyn richtete die Laserpistole auf ihn. Doch er schien ebenso erschöpft zu sein wie die beiden Frauen. Die drei waren offenbar die einzigen Überlebenden, die sich noch auf der völlig verwüsteten Brücke aufhielten. Wie durch ein Wunder hatte sich Paul Gossetts regloser Körper bei der Dekompression zwischen zwei Konsolen verkantet. Ob der Mann noch lebte, wusste Sherilyn nicht.

Sealdric drehte sich langsam zur Seite und langte nach dem Schwert, das neben ihm auf dem Boden lag. Ein feiner Lichtfinger schnitt ihm in den Unterarm und ließ ihn aufschreien. Mit geweiteten Augen starrte er Sherilyn an. Sie war mit zwei, drei Schritten bei ihm und fegte die Waffe mit einem Tritt aus seiner Reichweite.

»Mit dem Küchenmesser wird heute nicht mehr gespielt«, sagte sie. Erneuter Schwindel zwang sie halb in die Knie. Ehe Sealdric ihre Schwäche ausnutzen konnte, war Helen Dryer bereits bei ihnen und hielt den Scardeener in Schach.

Das Schott zum Nebengang öffnete sich. Harris und sieben seiner übrig gebliebenen Leute betraten die Brücke. Der Lieutenant kommandierte zwei Schatten zum Haupteingang und ließ ihn verriegeln. Dann trat er über die Trümmer hinweg zum riesigen Panoramafenster und begutachtete interessiert den Mechanismus, der den dreien das Leben gerettet hatte.

»Ein transparentes Sicherheitsschott«, murmelte er. »Schade nur, dass es erst so spät reagiert hat.«

»Der Mechanismus wird automatisch gesteuert«, sagte Helen. »Wahrscheinlich haben die zerstörten Computer in der Zentrale zu der Verzögerung geführt.«

Ihr Blick fiel auf den halbierten Torso eines Shadow-Agenten. Das Sicherheitstor war genau in der Sekunde mit Wucht heruntergefahren, als sein Körper in den Raum hinausgewirbelt wurde. Es hatte ihn regelrecht in der Mitte zerschnitten. Angewidert wandte sich Helen ab.

»Ich habe Ihnen vertraut«, zischte Sealdric und hielt sich den verletzten Arm.

»So kann es gehen«, sagte sie.

Inzwischen hatten Harris’ Leute auch das zweite Schott verriegelt und gesichert. Sie hofften, dass man die Tore nicht mehr von außen öffnen konnte.

»Was ist mit Loomis’ Gruppe?«, fragte der Lieutenant an Sherilyn gewandt. Sie zuckte die Achseln.

Sergeant Tennard rief die anderen über Helmfunk, aber er erhielt keine Antwort.

»Nichts«, meldete er. »Verdammt, nur noch wir elf sind übrig – von fast einhundert Agenten!«

Sherilyn ließ die Schultern hängen. Sie hatten gewusst, dass ihr Auftrag einem Selbstmordkommando gleichkam. Dennoch hatte es Aussichten auf Erfolg gegeben – hatte der General jedenfalls geglaubt.

»Es kommt noch schlimmer«, kommentierte Helen Dryer. »Ganz gleich wie viele Scardeener wir getötet oder betäubt haben, es sind noch immer genug an Bord. Das Schiff hat eine Besatzungsstärke von fünftausend.«

»Na großartig«, sagte Harris. »Was tun wir jetzt? Langsam befürchte ich ja, dass dieser Plan ein paar gewaltige Lücken hat.«

Φ

Die beiden Chevrolets Avalanche, der Dodge Durango und der Chrysler Concorde hatten mehr als eine Sache miteinander gemein: Sie waren alle schwarz lackiert, verbargen die Gesichter ihrer Insassen hinter stark getönten Scheiben und waren zur selben Zeit am selben Ort. Die Reifen der Wagen knirschten über den Kiesweg und machten vor einer maroden Blockhütte auf dem Gipfel eines Hügels halt. Zwischen den Büschen am Rande des Plateaus waren die Ausläufer eines Flussarms zu sehen, der in den Pocomoke mündete.

Südlich des Sees führte die US-113 nach Virginia. Ungefähr zwanzig Meilen nördlich lag Salisbury, die nächstgelegene Stadt, die größer als ein Dorf war. Keine fünf Meilen in Richtung Osten konnte man an den Stränden der Chincoteague-Bucht im Atlantik baden. Und wer über den Pocomoke mit einem Boot in die Chesapeake-Bucht einlief, sich dann nordwestlich über den Intracoastal Waterway hielt, würde irgendwann Annapolis, Maryland erreichen, danach Washington, D. C. und schließlich Baltimore.

Die Motoren der vier Fahrzeuge erstarben. Dennoch dauerte es gute zwei Minuten, bis sich der erste Wagenschlag öffnete und ein sonnenbebrillter Mann im grauen Einreiher seinen Fuß auf den Kiesweg setzte. Nacheinander wurden auch die anderen Türen geöffnet. Nicht nur die Wagen besaßen eine Gemeinsamkeit – auch die Männer und die zwei Frauen, die in ihnen gesessen hatten, trugen ausnahmslos dunkle Anzüge und zierten ihre Augen mit verspiegelten Sonnenbrillen. Unter den Sakkos waren deutlich Auswölbungen von Schulterholstern und den entsprechenden Waffen zu erkennen. Spiralkabel führten aus den Hemdskragen der Leute direkt in einen Ohrhörer, den sie ebenfalls ausnahmslos bei sich trugen.