Ein harmloses Spiel - Sophie Morgen - E-Book

Ein harmloses Spiel E-Book

Sophie Morgen

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Beschreibung

Ein harmloses Spiel erzählt die Zeit einer Schülerin im Internat: die Odenwaldschule. Die erste Liebe. Mißbrauch. Enttäuschung. Die Schülerin ist eine Überlebende.

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Inhaltsverzeichnis

1. Weg von zu Hause

2. Geburtstag

3. Mein Geheimnis

4. Internats-Zeiten

5. Mein Tagebuch

6. Kondome in der Post

7. Die Wanderwoche

8. Das verschlossene Zimmer

9. Gerüchte hin, Gerüchte her

10. Abschied

11. Unfall

12. Umzug, andere Welt

13. Der Brief

14. Nachwehen

Mit meiner besten Freundin liege ich im Bett. Die Gästematratze liegt auf dem Boden. Wir sind in einer Decke eingehüllt. Die Party bei unserem Bekannten ist vorbei. Wir versuchen zu schlafen. Keine kann ihre Augen schließen, beide sind betrunken. Wir liegen unter einer braunen Decke. Ich fange an zu weinen. Der Alkohol war zu viel. Meine Erinnerung lässt Tränen über meine Wangen laufen. Irgendetwas war der Auslöser. Ein Geruch? Nein, diesmal nicht. Die braune Decke? Diese braune Decke bei unserem Bekannten war ein Erinnerungsblitz. Die Erinnerung an etwas Schreckliches kehrte in mir zurück.

Du siehst nur, was Deine Augen sehen wollen.

Wie kann das Leben so sein

wie Du es haben willst?

Du bist eiskalt,

wenn Du Dein Herz nicht öffnest!

Du bist so völlig erfüllt davon

wieviel Du ergattern kannst.

Du verschwendest Deine Zeit mit Hass und Reue.

Du wirst zerbrechen,

wenn Du Dein Herz nicht öffnest!

Hmm, wenn ich dich nur

Dein Herz zum Schmelzen bringen könnte!

Hmm, wir würden uns nie mehr trennen.

Hmm, komm doch ganz zu mir.

Hmm, Du hast den Schlüssel dazu.

Es hat keinen Sinn,

jemandem die Schuld zu geben

und Du solltest wissen,

dass ich genau so leide,

wenn ich Dich verliere,

wird es mir das Herz brechen.

Die Liebe ist wie ein Vogel,

der fliegen muss.

Laß doch all diesen Schmerz

in Dir vergehen.

Du bist eiskalt,

wenn Du Dein Herz nicht öffnest!

Hmm, wenn ich doch nur

Dein Herz zum Schmelzen bringen könnte!

Hmm, wir würden uns nie mehr trennen.

Hmm, komm doch ganz zu mir.

Hmm, Du hast den Schlüssel dazu.

Du siehst nur was Deine Augen sehen wollen.

Wie kann das Leben so sein

wie Du es haben willst?

Du bist eiskalt,

wenn Du Dein Herz nicht öffnest.

Hmm, wenn ich doch nur

Dein Herz zum Schmelzen bringen könnte.

Hmm, komm doch ganz zu mir.

Hmm, Du hast den Schlüssel dazu.

Wenn ich doch nur

Dein Herz

zum Schmelzen bringen könnte!

(Text von Madonna: „Eiskalt“)

Meine Freundin hört mir zu und nimmt mich in die Arme. Ihre Nähe tut mir gut. Ich fühle mich wohl in ihren Armen und doch zerreißt es mich innerlich! Diese Erinnerung an dieses schreckliche Ereignis läßt mich kaum reden. Es läßt mich kaum atmen.

1 Weg von zu Hause

In Franken gehe ich in die 8. Klasse, aber eigentlich gehe ich gar nicht mehr hin. Heute schwänze ich. Ich habe keine Lust. Ich lasse mir immer eine Ausrede einfallen.

„Mama, mir ist sooooo schlecht, ich hab Bauchweh!“, kommt es quälend aus meinem Mund. „Ich rufe in der Schule an und melde Dich krank“, entgegnete mir meine Mutter.

Cool, es funktioniert. Mein Körper kringelt sich vor Schmerzen. Tagelang, wochenlang. Ich bin überrascht, daß sie mir glaubt. Ich freue mich, dass mein Körper mit macht. Ich nehme das Bauchweh gerne in Kauf. Ich höre meine Eltern im Wohnzimmer reden. Sie reden über mich. Oder?

Abends schleiche ich nach unten, die Treppe knarzt und ich drücke mein Ohr an die hölzerne Wohnzimmertür. Ich lausche an der Tür, denn das Telefon klingelt und irgendwie spüre ich, dass meine Schwester dran ist. Mein Vater ist mucksmäuschenstill, wie immer ist es meine Mutter, die telefoniert: „...wie geht´s Dir denn, mein Schatz! Was machst Du? Und vor allem wann kommst Du wieder? …“ Meine Mutter überhäuft ihre Tochter mit Fragen.

Ich will nicht mehr zur Schule gehen. Das Krank machen wird zu meiner Lieblingsbeschäftigung. Mein Bauch krümmt sich vor Schmerzen. Meine Mutter kommt oft ans Bett und kümmert sich. Es tut gut und doch will ich alleine sein.Zeit zum Nachdenken habe ich. Es gefällt mir im Bett. Ich kann viel schlafen und muss nicht früh aufstehen, nicht zum Bus rennen, nicht schnell meine Hausaufgaben abschreiben, mir nicht das Gequatsche der Lehrer anhören, mich nicht an einen anderen Ort wünschen, nicht wieder ewig mit dem Bus heimfahren müssen, keine Hausaufgaben erledigen - ach, ich finde das herrlich. Doch irgendwie bekomme ich Panik als ich so ewig im Bett liege und nachdenke. Was soll aus mir werden?

Die Entscheidung muß fallen. Internat oder als Hauptschülerin die Schule verlassen? Irgendwann kam ich zu dem Entschluß: so kann es nicht weitergehen! Ständig diese Schmerzen und dieses schlechte Gewissen und meine Eltern würden es doch herausfinden, dass ich simuliere.

Wie kann es weitergehen? Fragen sich meine Eltern. Ich höre sie wieder reden. Geht es wieder um meine Schwester? Diesmal nicht. Sie sprechen über mich. „Was sollen wir nur unternehmen, Liebling?“, höre ich meine Mutter.

Ich habe das Gefühl es wird mir gut tun von zu Hause wegzugehen. Internat? Ich glaube ich gehe ins Internat. Meine Schwester ist doch auch fort. Mehr Selbständigkeit würde nie schaden, denn meine Mutter erledigt alles für uns. Für jeden von uns. Sie liest jeden Wunsch von den Augen ab. Sie kocht, macht immer unsere Wäsche und will einfach, daß es uns gut geht.

Internat. Ich kenne natürlich die Hanni und Nanni - Geschichten. Zieht man dort Schuluniform an? Wie sind die Zimmer? Schläft man in einem großen Saal in Stockbetten? Habe ich die Möglichkeit zu Reiten? Gibt’s wohl Jungs?

Nur welches Internat? Meine Eltern machen sich schlau. Sie hören sich um, fragen Freunde und Bekannte. Es gibt wohl so ein liberales Internat. „Ich denke, Sophie sich dort sicher wohl fühlen wird. Es gibt sogar einen praktischen Teil: die Kinder können sich zwischen Schreinerei, Schlosserei, Druckerei, Design und Töpferei entscheiden. Es ist so weit weg, daß sie nicht jedes Wochenende nach Hause fahren kann, aber doch so nah, daß es nicht ganz unmöglich ist ihr Heimweh zu stillen.“, höre ich meinen Vater erzählen. „Ein Internat sollte es werden, das Hauptschüler/innen nimmt, aber auch diese weiter fördert, womöglich bis zum Abitur, gleichzeitig aber auch an den kreativen Seiten der Schüler/innen arbeitet.“

Die Odenwaldschule, genannt OSO scheint ein geeigneter Ort zu sein.

Meine Eltern fahren mit mir dort hin. Es ist der einzige Ort, den wir uns ansehen. Ich bin sehr gespannt und aufgeregt zugleich. Wir fahren Autobahn, es scheint ewig zu dauern. Meine Eltern und ich unterhalten uns: „Bist Du gespannt, Sophie?“ „Hm.“ Ich denke nach, höre Musik und will meine Ruhe.

Wir verlassen die Autobahn und weiter geht es durch Weinberge nach Heppenheim, weiter in einem unheimlichen dichten Wald, dieser endet in einem kleinen grünen Tal. Wir biegen rechts ab, es geht über eine kleine Brücke. Dort sitzen Jugendliche an einem grünen Schild, auf dem steht in weißer Schrift: Odenwaldschule. Mein Vater parkt vor einem Gebäude und wir steigen aus dem Auto. Es scheint auf den ersten Blick in Ordnung.

Im Bürohaus werden wir von einer Sekretärin eingewiesen und danach von einer hübschen Schülerin auf dem kompletten Gelände herumgeführt. Sie ist seit zwei Jahren hier und es gefällt ihr auf der OSO. „Ich wohne im Goethe-Haus. Das ist das Haupthaus der Schule. Die Schüler wohnen zusammen mit den Lehrern unter einem Dach. Ich zeige Euch mein Zimmer.“ Wir gehen über den Hauptplatz, auf dem ich einige Schülern rauchen sehe. Die Blicke sind mir unangenehm. Sie prüfen einen von oben bis unten. Im Haus angekommen bin ich etwas schockiert: ein Zimmer muss man sich mit einer Schülerin teilen. Keine Privatsphäre möglich. Ich frage nach Einzelzimmern, aber das bekommt man nur in der Oberstufe. Es gibt normale Betten, keine Stockbetten. Neben der Schule ist es möglich eine Ausbildung in verschiedenen kreativen Einrichtungen zu absolvieren: Schreinerei, Schlosserei, Design, Druckerei und Töpferei. Ein Theater gibt es auch.

Eine riesige Turnhalle mit Glasfenstern schauen wir uns an, bevor sich die Schülerin aus der 8. Klasse sich von uns verabschiedet.

Meine Eltern und ich tauschen bei der Rückfahrt unsere Eindrücke aus.

Ich habe beschlossen: ab August werde ich ins Internat in die 9. Klasse kommen.

Außerdem überlegen wir, dass ich noch einmal ins Ausland gehen soll, um meine Englischkenntnisse zu verbessern. Kurz vorher fahre ich im Sommer für drei Wochen nach Schweden, um die englische Sprache zu verbessern. Der Abschied von meinen Eltern am Flughafen fällt mir sehr schwer. Auf dem Dorf angekommen wohne ich bei Verwandtschaft auf einem Pferdehof, sie sprechen schwedisch und englisch. Ich helfe im Reitstall mit und darf die Pferde auch Reiten.

Die Zeit trotzPferde vergeht dort überhaupt nicht, dafür kommt der Internatsbeginn zu Hause umso rasanter.

Packen. Verabschieden. Tränen.

2 Geburtstag