Ein Herz am Scheideweg - Toni Waidacher - E-Book

Ein Herz am Scheideweg E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Martin Liebwein betrat das hell und einladend ausgestattete Foyer der Bergklinik und hatte sofort das Gefühl, angekommen zu sein. Er trat an die Rezeption heran, in der ein Mann und zwei Frauen ihren Dienst versahen, und eine der Frauen, sie war um die vierzig und lächelte freundlich, fragte: »Wohin möchten S' denn?« »Zu Herrn Professor Doktor Bernhardt.« »Oho, gleich zum Chef. Sind S' denn bei ihm angemeldet? Ohne Termin werden S' nämlich kaum zu ihm vorgelassen. Der Professor hat eine Menge um die Ohren.« Jetzt lächelte auch Martin. »Er ist ab heute auch mein Chef. Ich fange nämlich mit dem heutigen Tag als Assistenzarzt in dieser Klinik an. Und man hat mir mitgeteilt, dass ich mich im Laufe des Vormittags bei dem Herrn Professor melden soll.« »Ah, ja, richtig. Grüaß Ihnen, Herr Doktor. Man hat uns schon in Kenntnis gesetzt, dass heut' der Neue kommt. Willkommen in der Bergklinik. Ich denk', dass Sie sich bei uns wohlfühlen werden.« »Davon bin ich überzeugt«, erwiderte Martin grinsend. »Wo finde ich denn den Herrn Professor?« Die freundliche Rezeptionistin erklärte es ihm.

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Der Bergpfarrer Extra – 23 –

Ein Herz am Scheideweg

Und plötzlich geht es um Leben und Tod

Toni Waidacher

Martin Liebwein betrat das hell und einladend ausgestattete Foyer der Bergklinik und hatte sofort das Gefühl, angekommen zu sein. Er trat an die Rezeption heran, in der ein Mann und zwei Frauen ihren Dienst versahen, und eine der Frauen, sie war um die vierzig und lächelte freundlich, fragte: »Wohin möchten S’ denn?«

»Zu Herrn Professor Doktor Bernhardt.«

»Oho, gleich zum Chef. Sind S’ denn bei ihm angemeldet? Ohne Termin werden S’ nämlich kaum zu ihm vorgelassen. Der Professor hat eine Menge um die Ohren.«

Jetzt lächelte auch Martin. »Er ist ab heute auch mein Chef. Ich fange nämlich mit dem heutigen Tag als Assistenzarzt in dieser Klinik an. Und man hat mir mitgeteilt, dass ich mich im Laufe des Vormittags bei dem Herrn Professor melden soll.«

»Ah, ja, richtig. Grüaß Ihnen, Herr Doktor. Man hat uns schon in Kenntnis gesetzt, dass heut’ der Neue kommt. Willkommen in der Bergklinik. Ich denk’, dass Sie sich bei uns wohlfühlen werden.«

»Davon bin ich überzeugt«, erwiderte Martin grinsend. »Wo finde ich denn den Herrn Professor?«

Die freundliche Rezeptionistin erklärte es ihm. Martin nahm nicht den Aufzug, sondern stieg die Treppe empor und stand schließlich vor der Tür des Sekretariats, in dem sich jeder, der zum Professor wollte, anmelden musste. Er klopfte und öffnete die Tür.

»Guten Tag«, grüßte Martin in Richtung der jungen Dame am Schreibtisch, die ihm entgegenblickte. »Mein Name ist Liebwein, ich habe einen Termin bei Herrn Professor Bernhardt.«

»Sie sind also der neue Assistenzarzt«, sagte die Sekretärin, eine recht hübsche Blondine, und musterte den jungen Arzt dabei wohlgefällig. »Wir haben Sie erwartet. Wenn S’ kurz Platz nehmen wollen. Ich sag’ dem Herrn Professor Bescheid. Er hat gleich Zeit für Sie.«

»Vielen Dank.« Martin ließ sich nieder und schlug die Beine übereinander. Seine Geduld wurde auf keine lange Probe gestellt.

Die Tür, neben der er saß, ging auf und ein Mann mittleren Alters mit graumelierten Haaren sah ihn freundlich lächelnd an. »Herr Doktor Liebwein, bitte, kommen Sie herein.«

Im Büro begrüßte der Professor den jungen Assistenzarzt per Handschlag, dann wies er auf einen gepolsterten Stuhl vor seinem Schreibtisch und nahm selbst hinter dem schweren Möbel, auf dem eine Menge Papier und einige Akten herumlagen, Platz. »Freut mich, Sie bei uns begrüßen zu dürfen, Herr Doktor. Ich hoffe, Sie hatten eine komplikationslose Anreise.«

»Es wird viel gebaut«, antwortete Martin. »Entsprechend viele Staus und zähflüssigen Verkehr hat es gegeben. Ich habe viereinhalb Stunden für die dreihundert Kilometer gebraucht. Aber ich bin angekommen«, endete er lächelnd. »Und nur das zählt.«

»Lobenswerte Einstellung«, bemerkte der Professor. Er hatte sich innerhalb der kurzen Zeit, in der sich Martin nun in seinem Büro befand, ein Bild von dem Assistenzarzt gemacht. Dass Martin neunundzwanzig Jahre alt war, wusste der Leiter der Bergklinik. Dass sein Vater Chefarzt der Kardiologie an der Uniklinik in Erlangen war, auch. Und dass Martin sein zweites Staatsexamen mit Auszeichnung bestanden hatte, ebenfalls. »Sie haben in Ihrer Bewerbung geschrieben, dass Sie sich auf die Herzchirurgie spezialisieren möchten«, sagte Professor Bernhardt. »Möchten Sie etwa in die Fußstapfen Ihres Vaters als Chefarzt in Erlangen treten?«

»Darüber habe ich mir eigentlich noch keine Gedanken gemacht, Herr Professor«, gestand Martin. »Aber ich hatte mich schon während des Studiums auf Kardiologie und Gefäßchirurgie spezialisiert und mich schließlich der Herzchirurgie verschrieben. Mein Ziel ist es, mich als Assistenzarzt in diesen Fachgebieten hier weiterzubilden.«

»Dann sind Sie bei uns richtig«, versicherte Bernhardt. »In der Gefäß- und Herzchirurgie sind in der Bergklinik sehr gute Ärzte tätig, die Sie unter ihre Fittiche nehmen werden. Ich wünsche mir jedenfalls, dass die Bergklinik Ihre Erwartungen erfüllt, Herr Doktor. Sollten sich Probleme – gleich welcher Art – ergeben, können Sie sich jederzeit an mich wenden. Natürlich auch an die leitenden Ärzte in den jeweiligen Abteilungen. Ich hoffe, dass Sie sich schnell bei uns eingewöhnen und sich hier bald wie zu Hause fühlen.«

Professor Bernhardt griff nach dem Telefon, tippte eine Kurzwahl, und sagte sogleich: »Schicken Sie mir doch bitte Doktor Sebald, Frau Niedermeyer. Sagen S’ ihm bitte, dass Doktor Liebwein bei mir sitzt. Danke.«

Er legte wieder auf. »Doktor Sebald ist Oberarzt in der Kardiologie«, erklärte er. »Er wird sich um Sie kümmern. Wie geht es denn Ihrem Herrn Vater? Ich hab’ ihn zweimal auf Kongressen erlebt und war recht beeindruckt von ihm.«

»Er hat sich auch an Sie erinnert, Herr Professor. Ich soll Ihnen die besten Grüße von ihm bestellen. Es geht ihm ausgesprochen gut. Vor zwei Monaten ist er sechzig geworden, doch betont er immer wieder, dass er sich wie vierzig fühlt.«

»Das ist eine bekannte Tatsache«, sagte der Professor lachend. »Man ist so alt, wie man sich fühlt. Er hat in der Tat auf mich einen ausgesprochen sportlichen Eindruck gemacht.«

»O ja, er treibt viel Sport. Tennis, Joggen, Radfahren … Mein alter Herr tut viel für seine Fitness, und es zahlt sich aus. Er ist fit wie ein Turnschuh.«

»Wer rastet, der rostet«, sagte der Professor lächelnd. »Ich sollte vielleicht auch ein bisschen mehr tun. Nun ja, der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach. Aber der Tag wird kommen, an dem ich mich aufraffe und meine Sportkleidung hervorkrame.«

Es klopfte an der Tür.

»Herein!«, rief der Professor.

Die Tür wurde geöffnet und ein großer, schlanker, dunkelhaariger Mann im weißen Kittel trat ein. »Guten Tag« grüßte er den Professor, dann wandte er sich Martin zu. »Sie sind also der Neue im Team. Ich darf Sie herzlich willkommen heißen.« Er hielt Martin die Rechte hin und der Assistenzarzt ergriff und schüttelte sie. »Ich bin Oberarzt Alexander Sebald. Man hat Sie mir zugeteilt.«

Martin sagte: »Freut mich, Herr Doktor Sebald. Ich hoffe, es ist kein allzu großes Problem für Sie, gewissermaßen mit einem Anfänger arbeiten zu müssen.«

»Ich kenne Ihre Examensnote«, versetzte der Oberarzt grinsend. »Ich bin davon überzeugt, dass sich meine Probleme mit Ihnen ausgesprochen in Grenzen halten werden.«

»Na dann«, ließ der Professor vernehmen. »Auf gute Zusammenarbeit. Ich überlasse Ihnen den neuen Kollegen, Herr Doktor Sebald. Machen Sie aus ihm einen erstklassigen Herzchirurgen.«

»Ich werde mir alle Mühe geben«, versicherte der Oberarzt und schaute Martin an. »Dann darf ich Sie gleich mal auf meine Station entführen, Kollege. Wie sieht es aus? Haben Sie schon eine Unterkunft in St. Johann? Wenn nicht, sollten Sie sich vielleicht den Nachmittag freinehmen, um sich etwas Geeignetes zu suchen.«

»Ich habe ein Zimmer in der Pension ›Alpenrose‹ gebucht. Aufgesucht habe ich die Pension allerdings noch nicht. Das hat Zeit bis zum Abend. Ich habe dort mein Erscheinen erst für die Zeit nach siebzehn Uhr angekündigt.«

»Sehr gut. Kommen Sie, nehmen wir die kostbare Zeit des Chefs nicht länger in Anspruch. Ich werde sie jetzt bei unseren Leuten einführen und dann mit den Gegebenheiten der Station vertraut machen.«

Martin und der Oberarzt ließen den Klinikleiter allein. Ehe Martin die Tür hinter sich schloss, sagte Professor Bernhardt: »Sollten Sie mit Ihrem Vater telefonieren, bestellen Sie ihm bitte die besten Grüße von mir.«

»Das mache ich ganz sicher, Herr Professor«, versprach Martin, dann zog er die Tür zu und folgte dem Oberarzt, der in Richtung der Treppe schritt.

*

Kurz nach 17 Uhr verließ Martin die Klinik, setzte sich in sein Auto und fuhr nach St. Johann. Von der Nonnenhöhe bis in die Ortschaft war es ein ganzes Stück, die Straße war allerdings nur schwach befahren und so konnte sich Martin gleich ein wenig mit der Umgebung vertraut machen.

Schon als er über den Pass gefahren war, hatte er sich ein Bild von der malerischen Schönheit des Wachnertals machen können. Es wurde von bewaldeten Bergen eingerahmt, dahinter erhoben sich die Felsgiganten des Hochgebirges, deren Gipfel den Himmel zu berühren schienen. Grüne Waldzungen schoben sich bis weit ins Tal hinein, in dem die Wiesen blühten, das Korn und der Mais auf den Feldern wuchs und das satte Grün der Rübenblätter die Äcker bedeckte. Der Achsteinsee hob sich wie ein riesiger, verflüssigter Smaragd von dem Grün und Braun der Landschaft ab.

Erstaunt stellte der junge Arzt fest, dass es keine Seilbahnen gab. Hier schien alles ausgesprochen ursprünglich geblieben zu sein. ›So könnte es vor fünfundsiebzig oder hundert Jahren überall in den Alpen ausgesehen haben‹, dachte Martin. Dennoch gab es hier Fremdenverkehr, das hatte er einem Reiseführer, diversen Prospekten und dem Internet entnommen. Er hatte sich kundig gemacht, denn schließlich hatte er wissen wollen, wo er als Assistenzarzt landete. Was er sah, gefiel ihm.

Schließlich erreichte er die ersten Häuser St. Johanns. Hier war an den Dachvorsprüngen, riesigen Balkonen und Fensterläden viel Holz verbaut worden. Balkone und Fensterbänke wetteiferten mit einem bunten Blütenmeer um seine Aufmerksamkeit. Hier und dort war an einer Fassade eine kunstvolle Lüftlmalerei zu sehen.

Auf den Gehsteigen schlenderten Paare und kleine Menschengruppen, die Plätze vor den Cafés, Eisdielen und Restaurants waren gut besetzt. Dennoch gab es keine Spur von Hektik oder Stress. Michael war begeistert.

Sein Navi führte ihn im Fliederweg und meldete vor der Pension ›Alpenrose‹, dass er sein Ziel erreicht hatte. Der Fliederweg war eine ruhige Seitenstraße, gepflegte Hecken und Vorgärten prägten das Bild.

Auf einem freien Parkplatz stellte er den Motor ab, stieg aus und schaute in die Runde. ›Hier bist du richtig‹, sagte er sich und nahm sich vor, in seiner Freizeit das gesamte Tal und die Berge ringsherum zu erkunden. Er hatte von bewirtschafteten Almen und von der Kachlachklamm im Reiseführer gelesen, außerdem gab es verschiedene Klettersteige. Hier würde ganz gewiss keine Langeweile aufkommen.

Er holte sein Gepäck vom Rücksitz und ging in die Pension. In der Mitte des Flurs, unter der Treppe zum Obergeschoss, gab es eine kleine Rezeption. Sie war allerdings verwaist. Doch da stand eine Glocke, auf die Michael nun mit der flachen Hand schlug.

Sogleich ging eine Tür am Ende des Korridors auf und heraus trat eine junge Frau, bei deren Anblick Martin der Atem stockte. Sie war Anfang zwanzig, hatte lange, blonde Haare, die weich über ihre rechte Schulter auf ihre Brust fielen, war mittelgroß und sehr schlank, aber dennoch fraulich proportioniert. Augen, die die Farbe eines Bergsees hatten, lachten Michael an.

»Grüß Gott«, rief die junge Frau, »Sie sind sicher der Herr Doktor Liebwein. Herzlich willkommen in unserer Pension ›Alpenrose‹. Mein Name ist Nadine Baumann.« Sie ging in die kleine Rezeption und strahlte den Gast an.

Martin war wie gebannt.

Er spürte seinen rasenden Herzschlag, schluckte und sagte mit belegter Stimme: »Grüß Gott. Ja, ich bin Martin Liebwein. Habe ich mit Ihnen gesprochen, als ich das Zimmer buchte?« Ihr Blick ging ihm durch und durch und er vermochte seine Unsicherheit nicht abzuschütteln.

»Das war die Mama«, hörte er ihre wohlklingende Stimme. »Wir haben für Sie Zimmer sieben reserviert, Herr Doktor. Sie finden es in der ersten Etage. Ich hoff’, es genügt Ihren Ansprüchen.«

»Was? Ach so!« Martin schaute Nadine an, als würde er mit seinen Gedanken aus weiter Ferne zurückkehren. »Ja, ja, ich bin mir sicher, dass das Zimmer mir gefällt. Ich bin da überhaupt nicht anspruchsvoll.« Er schielte auf ihre Hände und registrierte, dass sie keinen Ring trug. ›Sie ist weder verlobt noch verheiratet‹, dachte er. ›Aber einen Freund hat sie ganz gewiss. Eine Frau wie sie ist nicht alleine.‹

»Haben S’ sich schon einen Eindruck von St. Johann verschafft, Herr Doktor?«, fragte Nadine vollkommen unbefangen. »Gefällt Ihnen unser Dörfl?«

»Ich bin begeistert. Den ersten halben Tag in der Klinik habe ich auch schon hinter mir. Ich glaube, ich habe mich goldrichtig entschieden, als ich mich hierher beworben habe.«

Martin nahm von Nadine den Schlüssel entgegen. Dabei berührte seine Hand die ihre und die Berührung durchfuhr ihn wie ein Stromstoß. Sein Herz schien einen Schlag zu überspringen, und für einen Moment tauchten ihre Blicke ineinander. Ehe er aber die Welt um sich herum vergaß, ergriff Martin sein Gepäck und ging zur Treppe.

»Es ist das vierte Zimmer auf der linken Flurseite«, rief ihm Nadine hinterher.

»Danke!«, sagte er über die Schulter, und wieder fanden sich für einen Moment ihre Blicke.

Im Zimmer angekommen stellte Martin die Reisetaschen ab und setzte sich auf die Bettkante. Er hatte das Bild von Nadines lächelndem Gesicht vor Augen, es gelang ihm nicht, sich der Faszination zu entziehen, die sich auf ihn ausübte. ›Du musst sie näher kennenlernen. Großer Gott! So hat es bei dir noch bei keiner Frau gefunkt. Das ist sie! Ja, das ist die Frau, nach der du immer gesucht hast.‹

Eine ganze Weile saß er so da, dann aber gab er sich einen Ruck und machte sich daran, seine Reisetaschen auszuräumen. Er verstaute die Kleidung im Schrank, brachte die Toilettenartikel ins Badezimmer und stand schließlich unter der Dusche. Nachdem er sich abfrottiert hatte und in einen Bademantel geschlüpft war, rief er bei seinen Eltern an.

Seine Mutter nahm das Gespräch entgegen.

»Grüß dich, Mama«, grüßte er. »Ich wollte nur Bescheid sagen, dass bei mir alles in Ordnung ist. Man hat mich in der Klinik sehr freundlich und kollegial aufgenommen. Ich soll Papa von Professor Bernhardt grüßen. Mein Zimmer in der Pension habe ich auch schon bezogen.«

»Es freut mich, dass alles so reibungslos geklappt hat, Martin«, sagte Katharina Liebwein. »Ich werde Papa den Gruß des Professors übermitteln. Hast du schon zu Abend gegessen?«

»Nein. Ich habe meine Sachen eingeräumt und geduscht. Jetzt werde ich mich erkundigen, wo ich am besten zu Abend essen kann. Noch etwas, Mama. Und bitte, lache mich jetzt nicht aus, wenn ich dir sage, dass ich mich verliebt habe. Es ist so.«

»Machst du einen Witz?«, versetzte Katharina Liebwein irritiert. »Du bist gerade mal einen halben Tag in St. Johann. In wen willst du dich denn so Hals über Kopf verliebt haben?«

»Es ist die Tochter meiner Pensionswirtin. Sie heißt Nadine Baumann. Ich habe sie gesehen und war hin und weg. Es war – Liebe auf den ersten Blick.«

»Liebe auf den ersten Blick gibt es nur in Liebesfilmen und im Roman. Du kennst diese Frau doch überhaupt nicht.«

»Sie ist so schön, so sympathisch – sie ist begehrenswert. Ich kann, seit ich sie gesehen habe, nur noch an sie denken. Sie hat mich regelrecht verzaubert.«

»Ja, begehrenswert, Martin. Das ist es. Du begehrst sie, weil sie dir gefällt und weil du sie anziehend findest. Bei dir spielen die Hormone verrückt. Das ist das ganze Geheimnis. Schau sie dir öfter an, und du wirst sehen, du wirst jedes Mal etwas anderes entdecken, das dir an ihr nicht gefällt. Es ist nichts weiter als eine impulsive Verliebtheit, ein Strohfeuer, das schnell wieder herunterbrennt.«

»Nein, dieses Mal ist es anders. Ich spüre das, Mama. Und ich glaube, der Funke ist sofort übergesprungen. Nadine und ich haben ein – zwei Blicke gewechselt, und ich bin mir sicher, sie interessiert sich für mich. Bei mir war das, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Es ist nicht nur Verliebtheit. Ich habe mich in Nadine verliebt, und ich werde alles tun, um sie für mich zu gewinnen.«

»Damit würdest du deinem Vater aber keine große Freude bereiten. Er würde es gern sehen, wenn du und Isabel ein Paar werden würdet.«

»Isabel ist eine gute Freundin, Mama. Aber ich weiß schon: Sie kommt aus einer renommierten Arztfamilie, ist selber Ärztin, und sie wäre, aus Papas Sicht, standesgemäß. Ich persönlich glaube nicht, dass eine gute Freundschaft ausreicht, um das Leben miteinander zu teilen.«