Ein Herz lässt sich nicht zwingen - Patricia Vandenberg - E-Book

Ein Herz lässt sich nicht zwingen E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Dr. Daniel Norden machte gerade eine Eintragung in ein Krankenblatt, als Loni eintrat. »Noch was?«, fragte er, »ich dachte, wir werden heute mal früher fertig.« »Herr Jörgensen ist grad gekommen«, sagte Loni. »Schon heute? Da bin ich aber doch erstaunt. Nun, dann habe ich es schnell hinter mich gebracht.« Ulf Jörgensen, dreißig Jahre, schlank und doch kraftvoll wirkend, trat ein. Der Name passte nicht zu seiner Erscheinung, oder umgekehrt, denn er verkörperte den romanischen Typus. Ein Mann, dem Frauenherzen zuflogen. Dr. Norden wusste es, aber er wusste auch, dass Ulf in dieser Beziehung recht unnahbar war. »Meine Sekretärin sagte mir, dass Sie mich sprechen wollen, Dr. Norden. Da bin ich, früher zurück aus dem stürmischen England, als gedacht. Macht mein Vater wieder mal Sperenzchen?« »Ich muss Ihnen mitteilen, dass Ihr Vater heute Morgen verstorben ist«, erwiderte Dr.

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Dr. Norden Bestseller – 221 –

Ein Herz lässt sich nicht zwingen

Patricia Vandenberg

Dr. Daniel Norden machte gerade eine Eintragung in ein Krankenblatt, als Loni eintrat.

»Noch was?«, fragte er, »ich dachte, wir werden heute mal früher fertig.«

»Herr Jörgensen ist grad gekommen«, sagte Loni.

»Schon heute? Da bin ich aber doch erstaunt. Nun, dann habe ich es schnell hinter mich gebracht.«

Ulf Jörgensen, dreißig Jahre, schlank und doch kraftvoll wirkend, trat ein. Der Name passte nicht zu seiner Erscheinung, oder umgekehrt, denn er verkörperte den romanischen Typus. Ein Mann, dem Frauenherzen zuflogen. Dr. Norden wusste es, aber er wusste auch, dass Ulf in dieser Beziehung recht unnahbar war.

»Meine Sekretärin sagte mir, dass Sie mich sprechen wollen, Dr. Norden. Da bin ich, früher zurück aus dem stürmischen England, als gedacht. Macht mein Vater wieder mal Sperenzchen?«

»Ich muss Ihnen mitteilen, dass Ihr Vater heute Morgen verstorben ist«, erwiderte Dr. Norden ruhig, denn er wusste, dass diese Nachricht Ulf nicht erschüttern würde.

Aber fassungslos war Ulf doch. »Es hat ihm doch eigentlich nichts gefehlt«, meinte er stockend. »Wie kam das so schnell?«

»Ein Gehirnschlag. Er hat sich gestern mal wieder über ein paar Kleinigkeiten schrecklich aufgeregt, und da scheint der Blutdruck wieder gestiegen zu sein.«

»Oder er hat wieder getrunken«, sagte Ulf bitter. »Er konnte es wohl auch im Heim nicht lassen.«

»Man kann dem Pflegepersonal keinen Vorwurf machen. Er konnte sich frei bewegen.«

»Ich mache niemandem einen Vorwurf. Sie wissen doch Bescheid. Ich habe vergeblich nach einer Erklärung gesucht, warum er mir so fremd geworden ist.«

»War das nicht immer so?«, fragte Dr. Norden nachdenklich.

»Genau genommen schon, aber früher habe ich mir keine Gedanken gemacht. Viele Kinder haben Väter, mit denen sie nicht zurechtkommen, und Mütter, die ihnen dann nur noch leidtun. Ich will daraus gar kein Hehl machen. Für mich ist nun auch das durchgestanden.«

Und er wird viel Geld sparen, dachte Dr. Norden, denn Ulf Jörgensen hatte den hohen Preis für das Apartment im Seniorenheim bezahlt. Er hatte es getan, obgleich sein Vater nie ein Wort des Dankes oder Verständnisses für ihn hatte. Und um das aufzubringen, war der Werbekaufmann, dank seiner interessanten Erscheinung auch noch Topmodell für Herrenmode geworden.

Ja, Ulf hatte das gewisse Etwas, das geradezu aufreizend wirkte, auch so lässig aufzutreten wie er. Und auch im Fernsehen war er gefragt. Man hatte ihm sogar Filmrollen angeboten, aber so wollte er sich doch nicht vermarkten lassen.

»Dann bleibt mir jetzt noch übrig, ein Beerdigungsinstitut zu beauftragen, aber man wird es mir hoffentlich nicht verübeln, wenn ich da nicht ein Begräbnis Erster Klasse anordne«, sagte Ulf heiser.

»Ich bestimmt nicht«, erwiderte Dr. Norden. »Aber immerhin hat er angeordnet, dass ich Ihnen zwei Koffer übergeben soll. Deshalb habe ich Sie zu mir gebeten, Herr Jörgensen.«

»Ein Beweis dafür, dass kein Mensch so verbiestert sein kann, dass er Ihnen nicht vertraut. Aber Erfreuliches wird der Nachlass trotzdem nicht enthalten.«

»Ihr Vater war einmal ein bekannter Wissenschaftler«, sagte Dr. Norden.

»Das ist doch längst vergessen. Reden wir nicht davon.«

»Ihr Vater hat bestimmt, dass Sie die Koffer in meiner Gegenwart öffnen.«

Ulfs Augenbrauen schoben sich zusammen. »Wahrscheinlich wollte er verhindern, dass ich sie gleich auf den Müll werfe«, sagte er tonlos. »Pietät hin, Pietät her, für mich ist ein trauriges Kapitel beendet. Ich muss es sogar bedauern, dass Sie damit auch noch belästigt werden.«

»Er war ein kranker Mann, Herr Jörgensen, an sich selbst verzweifelt, wie ich es gesehen habe. Vielleicht finden Sie die Erklärung dafür auch in diesen Koffern.«

Er ging hinaus, sagte Loni, dass sie nun Mittagspause machen könne, und kehrte dann mit den beiden Metallkoffern zu Ulf zurück.

Die Koffer waren nicht groß und alt. Ulf kannte sie. Ein Frösteln kroch durch seinen Körper, als Dr. Norden ihm einen versiegelten Umschlag reichte.

»Darin befinden sich die Schlüssel«, sagte er rau.

Vier Schlüssel waren es und noch ein versiegelter Umschlag, auf dem mit großen Buchstaben stand:

Für Ulf Jörgensen bestimmt.

Ulf atmete tief durch, dann hob er den kleineren Koffer empor. »Ganz schön schwer, aber eine Bombe wird ja wohl nicht darin sein«, sagte er.

Zwei verschiedene Schlüssel brauchte er, um ihn zu öffnen, aber als der Deckel aufsprang, starrten sich die beiden Männer fassungslos an. Der Koffer war voller Geld. Zehn-, Zwanzig-, Fünfzig- und Hunderteuroscheine lagen wirr durcheinander, und unter ihnen, wie sie dann feststellten, auch noch Kästen mit wertvollen Gold- und Silbermünzen.

»Das verstehe, wer mag, ich nicht«, meinte Ulf konsterniert. »Mir hat er immer die Ohren vollgejammert, ich bin immer für ihn zur Kasse gebeten worden.«

»Es gibt viele seltsame Menschen mit Eigenheiten, die man nicht versteht«, sagte Dr. Norden nachdenklich. »Vielleicht wollte er Sie auf die Probe stellen.«

»Wieso das?«

»Ob Sie für ihn zahlen würden? Er wusste doch, was das Seniorenheim kostet, er hat sich mir gegenüber beklagt, dass es das Geld nicht wert sei.«

»Geizig war er immer«, erklärte Ulf. »Hoffentlich bietet der andere Koffer nicht auch solche Überraschungen.«

Der war vollgestopft mit Papieren, Aktien, Urkunden. Es würde Zeit brauchen, alles zu überblicken und zu sondieren. Ulf schüttelte nur immer wieder den Kopf.

»Nun bekommen Sie zurück, was Sie aufgewendet haben«, sagte Daniel Norden.

»Das scheint bedeutend mehr zu sein, aber verstehen Sie das? Sie haben ihn doch öfter gesehen, als ich.«

»Zweimal im Monat, und dann hat er sich nur darüber beklagt, wie unmenschlich die Gesellschaft geworden sei. Ich habe ihn als einen Eigenbrötler betrachtet, als einen armen, auch bedauernswerten Mann, Herr Jörgensen. Als einen Mann, dem alle Ideale zerstört wurden, und deshalb kann er ungerecht und aggressiv geworden sein. Ich möchte auch sagen, dass es mich gestört hat, dass er von Ihnen so viel nahm und Sie nicht sehen wollte. Was in ihm vor sich ging, konnte ich nie ergründen.«

»Vielleicht erfahre ich jetzt darüber mehr, wenn ich alles gesichtet habe«, sagte Ulf. »Das muss ich ja wohl, obgleich es mir ein Schaudern verursacht. Ich werde mit Ihnen dann darüber sprechen. Ich darf doch auf Ihre Diskretion hoffen?«

»Das ist selbstverständlich«, erwiderte Dr. Norden.

»Ich bin Ihnen sehr dankbar. Dafür möchte ich mich erkenntlich zeigen. Sie haben doch fünf Kinder. Da, in diesem Kasten sind zehn Krügerrands, geben Sie bitte jedem der Kinder zwei.«

»Nein, das nehme ich nicht an«, widersprach Daniel. »Sie scheinen nicht zu wissen, was sie wert sind.«

»Oh, doch, das weiß ich, aber Sie wissen doch auch, dass ich für meinen Vater jedes Jahr dreißigtausend Euro für das Seniorenheim bezahlt habe. Das sind fast hunderttausend, jetzt kann ich das tun, was ich will, so leben wie ich will. O Gott, ich muss das erst begreifen. War er wahnsinnig, Dr. Norden? Muss ich jetzt fürchten, erblich belastet zu sein? Habe ich ein schlimmes Erbe angetreten?«

»Machen Sie sich doch nicht solche Sorgen«, sagte Dr. Norden beruhigend. »Denken Sie einfach nur daran, dass Sie frei sind und sich so entfalten können, wie es Ihr Wunsch ist. Ich weiß doch, was Sie für ihn getan haben, und ich habe mich auch manchmal gefragt, warum Sie so viel getan haben.«

»Er war mein Vater, und niemand sollte mir nachsagen, dass ich ihm kein menschliches Leben zubillige. Und vielleicht habe ich deshalb auch Glück gehabt, bei allem, was ich anfing.«

Aber er sagte nichts davon, dass es das größte Glück für ihn gewesen war, als Annabel Thurau als Sekretärin zu ihm gekommen war, und von ihr wurde er schon sehnsüchtig und besorgt erwartet.

*

Sie blickte ihm erwartungsvoll entgegen. »Ist etwas mit deinem Vater, Ulf?«, fragte sie stockend. Dann sah sie die beiden Koffer.

Er stellte sie ab und streckte die Hände nach ihr aus. »Ich möchte dich jetzt erst in die Arme nehmen, Annabel«, sagte er leise. Und er hielt sie fest. »Er ist tot«, murmelte er. »Er ist heute Morgen gestorben. Jetzt hat sich das Tor für unsere Zukunft aufgetan, Annabel.«

Sie schloss die Augen. »So solltest du jetzt nicht denken, Ulf«, meinte sie. »Er war dein Vater.«

»Und ich werde an seinem Grab stehen und denken, dass Gott ihm gnädig sein möge«, murmelte er.

Erschrocken löste sich Annabel aus seinem Arm. »Ich habe ihn nicht gekannt und kann mir kein Urteil erlauben«, sagte sie gepresst, »und wir kennen uns erst drei Monate, Ulf.«

Ein Zucken lief über sein Gesicht. »Und du meinst, dass du mich auch noch nicht kennst«, stieß er hervor. »Ich liebe dich, und das weißt du.«

»Und ich liebe dich, Ulf, aber ich fordere nichts, materiell schon gar nicht.«

»Das weiß ich doch. Darüber brauchen wir nicht zu reden. Aber jetzt liegt mir daran, dass du nicht mehr nur als meine Sekretärin betrachtet wirst.«

Annabel war irritiert. Er steht unter einem Schock, dachte sie. Es ist etwas passiert, was ihn aus dem Gleichgewicht gebracht hat, und das kann nicht der Tod seines Vaters sein.

Sie kannten sich nicht lange, das stimmte, aber sie hatte Ulf in den kurzen Monaten schon sehr gut begriffen. Es war tatsächlich Liebe auf den ersten Blick gewesen, als sie sich zum ersten Mal gegenübersaßen, obgleich sie das wenigstens vier Wochen leugnen konnte.

Sie hatte sich bei ihm als Sekretärin beworben, und sie hatte es sofort gespürt, dass da ein Funke übersprang, dass nur sie selbst und nicht ihre Kenntnisse oder Referenzen für ihn zählten. Aber sie hatte daran gezweifelt, dass es mehr sein könnte, da er rein äußerlich eben der Typ Mann war, der sich seiner Wirkung auf Frauen bewusst war.

»Was hast du? Worüber denkst du nach, Annabel?«, fragte er und entriss sie dieser Gedankengänge.

»Über uns denke ich nach«, erwiderte sie offen. »Und auch über Susanne Brühl.«

»Was geht die mich an? Ich kann nichts dafür, dass sie mir nachläuft«, erwiderte er unwillig.

»Ihr Vater hat angerufen und gefragt, ob du am Samstag Zeit hättest. Sie geben einen Empfang anlässlich des Geburtstages seiner Tochter.«

»Dann rufst du morgen an und sagst, dass mein Vater gestorben ist, und jetzt fahren wir zu mir. Ich muss dir etwas zeigen.«

Sie sah ihn forschend an. »Wir waren uns doch einig, dass ich deine Wohnung nicht betrete, Ulf«, sagte sie sehr bestimmt.

»Seit heute hat sich alles geändert«, erwiderte er. »Ich brauche auf nichts und niemanden mehr Rücksicht zu nehmen, nicht mehr dämlich in die Kamera zu grinsen, mich zwanzigmal umzukleiden für dieses Affentheater, und all diese verrückten Weiber, die meinen, dass ich ein käuflicher Gigolo sei, sollen endlich erfahren, dass es in meinem Leben nur eine Frau gibt und die heißt Annabel. Nicht mehr lange Annabel Thurau, sondern Annabel Jörgensen.«

Er ging auf sie zu und riss sie in seine Arme. »Muss ich dich in aller Form und kniefällig bitten, meine Frau zu werden, Annabel?«, fragte er heiser.

»Nein«, erwiderte sie leise, »aber ich möchte wissen, was dich erschreckt hat.«

»Du wirst es sehen«, sagte er.

*

Sie fuhren zu seiner Wohnung. Sie lag im vierten Stock eines modernen Neubaus, wie es viele gab in dieser Gegend. Hier kamen und gingen die Menschen, und kaum einer wusste, wie der Nachbar hieß. Man begegnete sich manchmal im Lift, aber man blieb sich fremd.

Ulf und Annabel trafen niemanden. Zum ersten Mal betrat sie seine Wohnung. Sie war geräumig und mit modernen Möbeln ausgestattet, aber eine richtige Junggesellenwohnung ohne die Behaglichkeit, die sie liebte.

»Nun weißt du wohl auch, warum ich lieber bei dir war«, sagte Ulf. »Jetzt wird sich alles ändern, Annabel. Wir werden uns ein wunderschönes Haus einrichten. Mein Vater hat nämlich für mich gespart.«

Er lachte blechern auf, und Annabel erschrak. Was ist nur mit ihm los, dachte sie, doch da fuhr er schon fort: »Stell dir vor, ich zahle und zahle, damit mir niemand nachsagen kann, ich hätte nichts für meinen Vater getan, und er jammert und jammert, wie arm er dran ist, und dann hinterlässt er mir einen Koffer voll Geld. Ich glaube, ich drehe durch.«

»Jetzt ruh dich erst mal aus«, sagte Annabel. »Ich mache uns einen Tee. Hast du überhaupt etwas gegessen?«

»Nein, aber im Kühlschrank wird schon noch etwas sein«, erwiderte er. »Entschuldige, vielleicht sollten wir doch lieber essen gehen«, fügte er dann kleinlaut hinzu.

»Ich habe keinen Hunger«, erwiderte Annabel. »Streck dich aus und entspann dich.«

Sie war froh, dass sie ihre Tasche nicht vergessen hatte, denn sie hatte für sich eingekauft. Was sie in der Küche im Kühlschrank vorfand, war nicht mehr appetitlich, abgesehen von den Eiern. Ulf war ja auch fünf Tage abwesend gewesen.

Sie setzte Wasser auf für den Tee. Eine Flasche Rum war vorhanden. Sie bereitete Rührei mit Schinken und röstete Toasts. Einen knackigen Eissalat, den sie in der Mittagspause gekauft hatte, konnte sie auch servieren, aber als sie dann in den Wohnraum kam, wäre ihr beinahe das Tablett aus den Händen gefallen, denn auf dem Tisch stand der Koffer mit dem Geld, weit offen.

Sie schnappte nach Luft, aber dann bewies sie ihre gewohnte Geistesgegenwart. »Möchtest du das nicht erst mal wegstellen?«, fragte sie. »Das Essen wird sonst kalt.«

Er sprang auf, schlug den Koffer zu und nahm das Tablett aus ihren Händen, die jetzt so zitterten, dass die Teller klirrten.

»Du bist einmalig«, sagte er leise. »Nicht mal so ein Haufen Geld kann dich aus der Ruhe bringen.«

»Na ja, ich zittere ganz schön«, erwiderte sie, »aber da ich dir einen Banküberfall nicht zutraue, werden wir erst mal essen.«

»Vorab einen Sherry können wir uns genehmigen«, sagte Ulf. »Den habe ich im Hause. Und schließlich muss ich auch sagen, warum ich dich so liebe, Annabel. Du bist wirklich einmalig.«

»Das hast du schon mal gesagt«, lächelte sie.

»Aber ich habe es von der ersten Minute an gewusst.«

*

Sie war froh, dass er dann aß, denn sie merkte, dass er Hunger hatte, und er wurde auch ruhiger, als er den Tee getrunken hatte, dem sie einen guten Schuss Rum zugab.

Da sie ihn noch niemals so verwirrt erlebt hatte, war sie erleichtert, als er sich dann mit einem zufriedenen Seufzer in seinen Sessel zurücklehnte.

»Warum bist du eigentlich nicht neugierig?«, fragte er.

»Warum sollte ich denn neugierig sein?«, fragte sie zurück.

»Willst du nicht wissen, woher das Geld stammt?«

»Ich denke, du wirst es mir erklären.«

»Du bist tatsächlich die perfekte Sekretärin«, sagte er. »Wirst du dich auch daran gewöhnen, nur meine Frau zu sein?«

»Nein«, erwiderte Annabel.

Er richtete sich auf, und sie sah plötzlich Angst in seinen Augen. Das hatte sie nicht erwartet.

»Warum nicht?«, stieß er hervor.

»Weil ich, wenn ich deine Frau werde, keine andere Sekretärin dulde«, sagte sie. »Das ist eine Bedingung. Wir sind Partner.« Sie gestattete sich ein flüchtiges Lächeln. »Ich weiß doch, wie du auf Frauen wirkst, und falls ich dich wirklich heirate, werde ich allen möglichen Eventualitäten einen Riegel vorschieben.«

»Aber so weit solltest du mich doch kennen, dass ich nicht der Charmeur bin, als der ich erfolgreich Herrenmode anpreisen musste und die anderen Sachen dazu.«

»Ich weiß, warum du es getan hast, und du hast vorhin gesagt, dass er dir einen Koffer voll Geld hinterlassen hat. Ich habe den ja gesehen, aber was ist damit? Hat er das Geld gestohlen?«

»Nein, gehortet. Ich habe es noch nicht gezählt, aber es ist bestimmt viel mehr, als ich für das Heim bezahlt habe. Du musst mir helfen beim Ordnen. Der andere Koffer ist auch noch voll von Papieren. Und dann ist da auch noch der Umschlag. Ja, wo habe ich denn den hingesteckt?«

Er sprang auf und suchte seine Manteltaschen durch.

»Da ist er«, sagte er, und brach schon die Siegel.

»Setz dich und erzähl mir lieber

alles von Anfang an«, sagte Annabel. »Was hat Dr. Norden damit zu schaffen. Du bist doch zu ihm gefahren.«

Es fiel ihr nicht leicht, so ruhig zu bleiben, aber sie konnte ihn ja nicht noch nervöser machen, als er ohnehin schon war.

»Schau doch mal nach, ob ich nicht einen Schnaps im Schrank habe«, murmelte Ulf.

»Du bekommst noch einen Tee«, meinte Annabel energisch, denn sie dachte daran, dass Ulf ihr gesagt hatte, der Schnaps hätte seinen Vater kaputt gemacht. »Das ist auch eine Bedingung, falls ich deine Frau werde. Ein Schnäpschen ist nur ab und zu mal erlaubt.«

»Du darfst nicht böse mit mir sein, Annabel. Es war ein bisschen viel heute.«

»Ich bin nicht böse.«

»Setz dich neben mich.«

»Setz du dich neben mich, das Sofa ist breiter«, lächelte sie.

Er stand auf und griff sich an die Stirn. » Wenn ich es doch nur begreifen würde«, murmelte er. »Dr. Norden hat mir gesagt, dass Vater gestorben ist und dass er mir diese beiden Koffer geben soll. Ich sollte sie in seiner Anwesenheit öffnen. Ja, so langsam kommt es mir vor, dass er mir zutraute, dass ich sie wegwerfen würde. Aber es ist besser, wenn wir erst lesen, was er geschrieben hat.«