Ein Jahr in Wien - Tonja Pölitz - E-Book

Ein Jahr in Wien E-Book

Tonja Pölitz

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Beschreibung

Wien rangiert ganz vorn in Sachen Lebensqualität, Österreich auf Platz 8 der glücklichsten Länder. Das Essen ist besser, die Menschen gemütlicher und Jobs besser bezahlt. Tausende Deutsche wandern deshalb jedes Jahr nach Österreich aus. Dass die Deutschen sein Land mögen, mag auch der Österreicher. Er schätzt es, für den großen Bruder nebenan endlich attraktiv zu sein. Dafür hat er sich an die sächselnde Bedienung in Skihütten, an Fiaker-Fahrer aus Bochum und den preußischen Ton in Chefetagen gewöhnt. Aber es ist immer noch sein Land und es sind seine Regeln. Ein Jahr in Wien begann für Tonja Pölitz deshalb ganz und gar nicht wie im Bilderbuch, sondern mit Kaffee-Knigge, Tüten-Aufsicht und mit der Frage: Was wäre Wien ohne Wiener?

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Seitenzahl: 234

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Tonja Pölitz

Ein Jahr in Wien

Reise in den Alltag

Impressum

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlagkonzeption: Agentur R∙M∙E Roland Eschlbeck

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagmotiv: © Evelyn Rois & Bruno Stubenrauch/laif

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (E-Book): 978-3-451-80100-6

ISBN (Buch): 978-3-451-06681-8

Inhalt

VornewegSechs Wochen vorher

AugustWien ist anders

SeptemberVorsicht, Piefke-Bashing!

OktoberNo Austrians, please!

NovemberWas wäre Wien ohne Wiener!

DezemberAustria – the better Germany

JännerHabedehre

FebruarBadewannentango

MärzSchaumamal

AprilDeutsche made in Austria

MaiFriede, Freude, Apfelstrudel

JuniWien, nur du allein

JuliLieblingspiefke

HinterherWas man als Piefke in Wien wissen sollte

Kleiner Vokabeltrainer

„Von mir gibt’s in Deutschland zehn,

und ich muss hier alles alleine machen.“

EIN ÖSTERREICHER,

NACH DIRK STERMANN

Meinen Eltern

und Andreas,

weil ich mit euch immer da ankomme,

auch ohne zu wissen, wohin ich will.

VornewegSechs Wochen vorher

AUSGERECHNET DER ROSAROTE Plüschbademantel meiner Mutter. Es gibt Momente im Leben, da hätte man besser keinen rosa Plüsch getragen. Wann immer ich nun zurückdenke, an den entscheidenden Moment, dann ist da auf immer und ewig zuerst dieser Bademantel.

Es war ein Vormittag, an dem ich überzeugt sein durfte, das Beste vom Tag schon längst hinter mir zu haben. Die Nacht war, was man als erlebnisreich bezeichnen würde. Endlich war ein Dreh mit versteckter Kamera geglückt. Der Bericht über chinesische Menschenhändler würde einschlagen wie eine Bombe. Gehüllt in eine Portion Übermut, wie nach einem Banküberfall, und, wenig vorteilhaft, im XXL-Bademantel meiner Mutter, stand ich auf der Terrasse meiner Eltern. So ganz in Rosa entsprach ich jetzt natürlich nicht auf Anhieb dem Abbild einer aufstrebenden investigativen Journalistin nach gelungenem Coup. Mit Kaffeetasse und Handy in der Hand sah ich gerade eher aus wie eines von den Teletubbies in der Betriebskantine.

„Anruf verpasst, Chefredaktion!“ stand da. Die rief nun wirklich selten an. Die Rückruftaste wählte sich fast von selbst, schon aus Neugier. Wie sollte ich ahnen, dass von diesem Moment an mein beschauliches wie überschaubares Leben – von nächtlichen Drehs bei chinesischen Menschenhändlern mal abgesehen – auf den Kopf gestellt werden würde! Ich hörte noch die Worte „Wien“ und „Wir haben da an Sie gedacht“.

Dann wurde es still am anderen Ende der Leitung. Man bemühte sich, ein Fragezeichen hinterherzuschicken. Nur pro forma natürlich, denn die Botschaft war unmissverständlich: Jetzt jubeln! Wien! Sie haben schon richtig verstanden. Und selbst wenn das ein Angebot wäre, könnten Sie es ja sowieso nicht ablehnen!

Natürlich konnte ich nicht. Wien! Das ist ein Achter im Lotto. Ich sah an mir herunter. Ausgerechnet jetzt in Bademantel und Mutterns Schlappen! So jedenfalls sieht keine coole Korrespondentin aus. Wahrscheinlich, dachte ich, könnte es jetzt nicht schaden, dankbar zu klingen.

„Und wieso ich?“ Die Frage war nun wirklich typisch für mich! Da kommt aus heiterem Himmel ein Jobangebot, in einer der lebenswertesten und schönsten Städte der Welt, und ich reagierte erst mal beleidigt, als wollte man mich nicht nach Wien, sondern in die Wüste schicken.

Aber mal ehrlich! Warum ich? Ich drehte gerade an einer gefährlichen Story über die Asia-Mafia. Und ab sofort sollte ich also nur noch über Sachertorte und Opernball berichten? „Ja, servus, die Sissi!“ Kaiser Franz Joseph war jetzt auch keine Hilfe. Das andere Ende der Leitung wartete.

Selbst wer mich nur flüchtig kennt, weiß, dass „sprachlos sein“ ein Ausnahmezustand ist, der bei mir einfach nicht eintreten will. Sehr zum Bedauern meiner Umwelt auch nicht mal kurz nach dem Aufwachen. Ich rede sogar dann und erst recht sehr viel, wenn ich nicht weiß, was ich sagen soll. Aber ich sagte nichts.

„Es wäre jetzt natürlich die Gelegenheit, das Angebot abzulehnen!“, sagte das Telefon, der Ton war leicht ins Ungeduldige verrutscht. „Mhm …“, ich musste mich entscheiden, „… ja klar, … also nein, … ich meine, ich will natürlich nicht ablehnen!“ Das klang nicht gerade fest entschlossen, aber es würde mir vielleicht ein letztes Quäntchen Zeit verschaffen.

Österreich kannte ich. Vom jährlichen Wanderurlaub. Und vom Skifahren. Landschaftlich sicher tadellos, etwas steile Berge vielleicht, lustiger Dialekt auf jeden Fall. Und alle Welt schwärmt doch so für Wien. Bis in die österreichische Hauptstadt hatte ich es bisher nur ein einziges Mal geschafft, exakt für drei Stunden. Eher zufällig, beim Umsteigen auf einer Bahnreise. Zwischen zwei Zugverbindungen war gerade mal genug Zeit, um mich bis zum Stephansdom vorzuarbeiten. Aber irgendwie löste Wien damals keinen sehr dringenden Wunsch in mir aus, für einen ausgedehnten Aufenthalt zurückzukehren. Schade, die Entscheidung jetzt wäre mir sicher leichter gefallen.

Wien, das waren Burgtheater und Kaiserschmarrn. Aber konnte man da die Welt verbessern? Klang das nach journalistischer Herausforderung? Der letzte exportfähige Aufreger Österreichs nach Falco hatte sich selbst aus dem Rennen genommen. Wenn auch mit fraglichen Botschaften, hatte Jörg Haider es immerhin mal über die Landesgrenzen hinausgeschafft. Seit Haiders Tod war nicht mehr allzu viel zu hören vom Nachbarn. Der Name des aktuellen österreichischen Bundeskanzlers? Taugte in jedem Fall zur Eine-Million-Euro-Frage!

Brennende journalistische Fragen? Spannende Geschichten? In Österreich?

Also pölitzerpreisverdächtig war das nicht gerade. Und immerhin hatte ich es schon in eine Primetime-Fernsehsendung geschafft. Gut, nicht immer mit so herausragenden Geschichten wie der Asia-Mafia („Pölitz süßsauer“, scherzte meine Familie bereits). Aber sollte ich das wirklich eintauschen? Gegen Geschichten wie: Härtetest beim Apfelstrudeldiplom? Küss die Hand, g’nä Frau, und die Folgen fürs Weltklima? Der Bergdoktor und seine austherapierten Bergziegen? Und in jedem zweiten Beitrag dudelt Walzermusik! Das hält doch kein Fernsehjournalist ernsthaft ein ganzes Jahr lang durch!

Auslandskorrespondentin. Das kam sehr überraschend. Ich würde in Wien leben müssen. Das hieß umziehen. Familie und Freunde zurücklassen. Pixel, meinen Kater. Und Max. Max hasste Österreich! Er sagte das zwar nur im Scherz – seine halbe Verwandtschaft bestand schließlich aus Österreichern –, aber würde er mit nach Wien kommen? Wenn nicht, hieße das weiterhin Fernbeziehung. „Nächstes Wochenende geht’s schon wieder nicht, Liebling!“ Diesen Zustand hätte ich lieber früher als später beendet. Ich wollte Familie, Kinder. Und bekam stattdessen also: Karriere! Kann man ja mal eben schnell einschieben. In vier Wochen war auch erst mein 36. Geburtstag!

„Also?“ Der Telefonhörer klang nach Entscheidung. Ich hatte vielleicht noch fünf Sekunden. Auslandskorrespondentin! … Noch vier … Wien! … Noch drei … Sie würden mich nie wieder anrufen … Noch zwei … Ganz sicher nie wieder!!! … Eine … „Ich mach’s!“, hörte ich mich sagen.

„Prima, Sie haben sechs Wochen Zeit zum Packen. Jetzt erklären Sie das erst mal Ihrer Familie! Den Rest klären wir beide später.“

Da stand ich. Wie aus dem Ei gepellt. Frisch gebackene Österreichkorrespondentin. Vielleicht sogar mit Talent. Ganz sicher ohne jede Ahnung. Kompetenter als ich in diesem Augenblick konnte man sich nicht fühlen. Und erst recht nicht in rosa Plüsch und Mutterns Schlappen.

AugustWien ist anders

„HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH! Sie haben entweder aufmerksame Freunde oder Sie sind von selbst draufgekommen: Der richtige Umgang mit Österreichern will gelernt sein!“ So oder so ähnlich fingen die meisten Bücher über Wien an. Ich bin schon mal grundsätzlich kein Freund von Bedienungsanleitungen. Ich drücke lieber irgendwo drauf und warte gespannt, was dann passiert. Trotzdem hatte ich wirklich versucht, vor der Abfahrt einen dieser Wien-Reiseführer tatsächlich auch zu lesen. Zur Einstimmung und schon deshalb, weil ich ihnen in den Wochen vor meiner Abreise sowieso kaum entkommen konnte. Denn originellerweise erwiesen sich jede Menge Wien-Ratgeber gleich hinter den Sissi-Devotionalien als gefeierte Renner unter den Abschiedsgeschenken. Und jedes dieser Bücher klang sofort nach Beipackzettel. Nach Risiken und Nebenwirkungen. Und bitte, das in Österreich!

Das machte in meinen Augen ja nun gar keinen Sinn. Warum sollte ich für etwas Mühe aufwenden, von dem ich der unerschütterlichen Überzeugung war, es voll im Griff zu haben? In ein gemietetes Auto steigt man ja schließlich auch einfach ein und fährt los. Nein, keiner liest vorher erst umständlich nach, wo eventuell dieses Mal Gaspedal und Bremse versteckt sein könnten. Die sind da, wo sie immer sind! Sogar in Österreich!

Außerdem würde ich mich dort ohne Probleme verständigen können. Man spricht in Wien ja nicht Kisuaheli, sondern Deutsch. Alles wird gut, auch ohne Bedienungsanleitung. Ich war davon sogar so sehr überzeugt, dass ich bereit war, bei meiner künftigen Berufsbezeichnung „Auslandskorrespondentin“ auf das „Ausland“ zu verzichten. Als Deutsche in Österreich, mal ehrlich, da musste „Korrespondentin“ reichen. Alles andere fühlte sich maßlos übertrieben an und kam mir glatt wie Hochstapeln vor. Auslandskorrespondenten arbeiten schließlich unter richtig harten Bedingungen. Sie müssen sich mit kommunistischen Diktatoren oder mit klimatisch bedingtem Sauerstoffmangel herumschlagen. Sie müssen damit rechnen, im Supermarkt als Geisel genommen oder an einer roten Ampel wahlweise ausgeraubt und/ oder erschossen zu werden. Und falls nicht, dann haben sie es wenigstens mit gefährlichen Krankheitserregern im Essen oder im Trinkwasser zu tun. Kriege, Katastrophen, Seuchen, Hungersnöte. Bitte sehr! Wie sollte denn da Wien und sein Sachertortenklima mithalten? Schnitzeltod? Mozartkugelmassaker? Bakteriell verseuchte Handküsse? Damit ließ sich doch nun wirklich nicht angeben. Wien war eine Weltstadt, groß, schön, voll mit Kultur. Und ich sollte dafür auch noch bezahlt werden. Also lieber nicht so dick auftragen und „Ausland“ weglassen.

Trotzdem, liebe Österreicher, bevor Sie jetzt gleich den Protestfüller anwerfen, um meinen Briefkasten elektronisch zu verstopfen, natürlich und selbstverständlich sah ich Österreich als Ausland an. Wie übrigens fast alle Deutschen. Nur eben als eines, das sich nicht so anfühlte wie richtiges Ausland. Jedenfalls von Weitem, von Deutschland aus, nicht. Ein Fehler, ich weiß!

Ja, ich gebe es ja zu, ich war eine von diesen Einwanderungsignorantinnen. Denn noch bei der Einreise ins Nachbarland, am Tag des Grenzübertritts, habe ich doch tatsächlich angenommen, nur in wirklich exotischen Ländern würde man mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen haben, mit unentzifferbaren Schriftzeichen etwa oder komplizierten Begrüßungsriten. Kennt man ja: in Indien die linke Hand beim Essen weglassen, aber in Japan unbedingt mit beiden Händen zur Visitenkarte greifen. Kniffelige kulturelle Hindernisse wie essen mit Stäbchen, Nasenküsse, Linksverkehr oder Kopfschütteln, wenn ich „Ja!“ sagen will, usw.

Denken Sie jetzt auch, mit all dem wäre frühestens am Ende der Welt zu rechnen? Ihnen fallen auf Anhieb keinerlei Einwanderungsschwierigkeiten in Österreich ein? Als Tourist haben Sie sich dort stets willkommen gefühlt? Das würde in Wien auch nicht anders laufen?

Und wie es das tat!

Dass es mit der touristischen Komfortzone in Österreich ab sofort vorbei sein würde, hat mir dann Elfie beigebracht. Es war mein zweiter Tag in Wien und ich war mit der mir anvertrauten Freundin meiner Eltern, einer kleinen, properen und fröhlichen Urwienerin mit ständigen Geldsorgen, auf Wohnungssuche.

Warum man zum Beispiel als doofer Tourist einen Milchkaffee bestellen darf, aber auf keinen Fall mehr, wenn man vorhat, in Wien mehr als zwei Wochen zu verbringen, habe ich erst nicht verstanden. Der Wiener jedenfalls muss eine feine Antenne haben. Wo er die hat, weiß ich nicht. Er registriert jedoch umgehend, welcher Teutone sich nur zeitweise über einen Stadtplan beugt und welcher sich entschieden hat, länger als zwei Wochen in der Stadt zu bleiben.

Deutscher Typ 1 und Typ 2, ungefähr so wie bei Diabetes. Eins gefährlicher als zwei. Während Typ 2 („verschwindet wieder“) seine Deutschtümelei in Wien in aller Seelenruhe ausleben und sich sogar kaffeekännchenweise einen Koffeinschock ansaufen darf, gelten für Typ 1 („bleibt länger!“) ab dem Moment des Überführtseins knallharte Aufenthaltsregeln. Blöderweise ahnt man davon selbst erst mal gar nichts. Und ignoriert fröhlich lauernde Fettnäpfe, selbst wenn die die Größe von Swimmingpools haben.

Neben Elfie im „Café Eiles“ in der Josefstädter Straße über die Anzeigen des Wiener Wohnungsmarktes gebeugt, bestellte ich eher beiläufig beim Kellner, den Finger noch auf den Zeitungsannoncen und in mir angeborenem Hochdeutsch: „Ich hätte gern einen Milchkaffee!“

Mein eigener Satz irritierte mich erst, als Elfie mich milde anlächelte, ohne die Bestellung für sich fortzusetzen, und, wie die Gratisbeilage einer Zeitung, ihrem Lächeln die Botschaft beifügte: „Du, des sogma do net!“

Der Kellner, der zu meiner Verwunderung noch gar nichts gesagt hatte, nickte nur. Er wartete geduldig und legte dabei den Kopf zur Seite, wie ein Schuldirektor am ersten Schultag, wenn er genüsslich den Eltern dabei zusieht, wie sie ihrem heulenden Ableger einzureden versuchen, dass die Schule bestimmt doch noch ganz toll werden wird.

„Wie jetzt, ‚Milchkaffee‘ sagt ihr nicht? Er versteht mich doch!“ Das Fragezeichen schickte ich zum schweigenden Kellner rauf und ein hilfloses Lächeln hinterher. Elfie und der Mann in Schwarz wirkten bereits so betreten, als hätte ich gerade auf einer Beerdigung beim Pfarrer Toast Hawaii für alle bestellt. Elfies rundliches Gesicht lächelte mit einem tiefen Atmer die nächste Runde „Kaffee-Knigge“ ein: „Scho, oba es geht a ums Prinzip!“

„Ach …?“ Ich verkniff mir, der offensichtlich ernsten Situation angemessen, einen Lacher. „Und bitte um welches?“ Diesmal antwortete der Kellner mit einem Seufzer, als hätten er und Elfie diese Szene hundertfach geprobt. Er holte ganz tief Luft und platzierte in gespielter Langeweile seine Worte aufs Ausatmen:

„Wollen’S a Melange, a’n großn Braunen oder a’n Caffè Latte?“ Am Schluss hatte der Herr Ober sogar die Augen geschlossen.

„Ah, Caffè Latte!“, antwortete ich und war drauf und dran, hinzuzufügen, dass das ja wohl, ja, genau, ‚Milchkaffee‘ heißen würde! Elfie kam mir zuvor.

„Für mi a Melange. Bitttä!“ Ihr Vorwurf folgte leise, beleidigt und sehr wohl in Hörweite für den Herrn Ober im Abgang. „Du host di mit uns Österreichern ja gor net b’schäftigt! Ihr Deitschen könnt doch net a’foch doherkumma und so tuan, als warat ihr noch z’haus!“

Halb ertappt – denn beschäftigt hatte ich mich mit Österreich oder Wien nun wirklich nicht, aber ich war mir dieses eklatanten Versäumnisses bis eben auch noch nicht bewusst – und halb entrüstet über diesen pingeligen Bestellvorgang, versuchte ich, mich zu verteidigen: „Aber ich will doch nur einen Kaffee!“ Jetzt hatte auch Elfie die Augen geschlossen und sprach mit letzter Kraft.

„Es haaßt do oba ‚Kaffeeeee‘!!!“ Und im Gegensatz zu mir betonte sie „Kaffee“ nicht vorn, auf „Kaff“, sondern hinten, auf „fee“. Dazu schüttelte der Kellner hinterm Tresen missbilligend den Kopf.

An dieser Stelle hätte es mir bereits dämmern können, aber das Licht dazu ging mir leider erst sehr viel später auf. Denn genau das hasst der Wiener! Wir Deutschen dürfen uns bei ihm wohlfühlen, sollen wir sogar. Wir sollen seine Stadt toll finden, seine Bewohner sowieso, und unsere Anerkennung zollen. Aber wohlfühlen heißt eben noch lange nicht, dass wir uns auch so verhalten dürfen, als wären wir noch zu Hause.

Klar mögen Deutsche Österreich. Das Essen ist hier besser, das Leben gemütlicher, Wien schöner und lebenswerter als so manch andere Stadt auf der Welt. Die Menschen höflicher, ihre Sprache charmanter, die Jobs oft besser bezahlt. Tausende Deutsche wandern deshalb jedes Jahr nach Österreich aus. Touristen noch nicht mal mitgerechnet, sind wir hier, noch vor klassischen Gastarbeitern wie Türken oder Osteuropäern, bereits die größte Migrantengruppe. Und natürlich sind von so viel Krautkompetenz nicht alle Österreicher restlos begeistert. Insbesondere Wienern passt es gar nicht, dass in Tirol, was zwar weit genug weg ist, inzwischen aber fast alle Kellner sächseln.

Ihr haufenweise deutsches Servicepersonal wissen die meisten Österreicher aber schon sehr zu schätzen. Nicht so sehr wegen der möglichen sprachlichen Verständigung. Eher aufgrund der Schadenfreude. Österreicher mussten lang genug zum großen Nachbarn nebenan aufschauen und nicht selten dort ihren Lebensunterhalt verdienen. Der eine oder andere Österreicher findet es also schon ganz schön, wenn es jetzt mal die Deutschen sind, die den Tisch abräumen.

Alles in allem kann man sagen, der Österreicher hat sich, wenn auch grantelnd, an uns gewöhnt. Doch es ist immer noch sein Land und es sind seine Regeln. Und selbst wenn man als Deutscher noch nie infrage gestellt hat, dass Österreich ein Land ist, ein eigenes wohlgemerkt, und auch wenn man Österreichs Unabhängigkeit ganz selbstverständlich anerkennt: Ein Wiener wird einem Deutschen gemeinhin unterstellen, dass der sein geliebtes Felix Austria insgeheim doch nur als deutsches Bundesland wahrnimmt. Und für ihn spricht offensichtlich schon alles dafür, wenn man bei ihm in Österreich wie zu Hause in Deutschland einfach „Kaffee“ bestellt.

„Ja bist du deppert?“ Er sah mir durch die Fahrertür triumphierend ins Gesicht. Kreuzung Pilgrambrücke/Wienzeile. Er überholte mich links, um gleich darauf hin rechts, und das war direkt vor mir, in seine Haltestelle einzuscheren. Der unverfrorene Busfahrer vom 13 A hätte nur zwei Sekunden warten müssen, und ich wäre ihm davongeradelt. So aber quetschte er nun mich und mein Fahrrad zwischen sein rotes Hinterteil und den Bürgersteig.

„Rücksichtslose Pappnase!“ Während ich versuchte, mein Fahrrad in Balance zu halten, wiederholte ich meinen ersten Wiener Fluch in aller Öffentlichkeit: „Bist’ deppert?“ Als hätte das was genutzt. Der Bus links kam immer näher, das Trottoir rechts machte leider auch keinen Platz. Der Weg davor: die Straße, die aber schon voller Bus war. Ich hatte die Wahl. Zusammenprall mit dem roten Ungetüm oder Knutschen der Bordsteinkante.

„Ja, wie viel Hirn hast du denn zwischen deinen Ohren?“, wollte ich ihm gerade zurufen, doch ich musste bereits alle Konzentration darauf verwenden, meine Fahrradbereifung tunlichst vom gefährlich hohen Bürgersteig fernzuhalten. Und das unter den Augen glotzender Buspassagiere am Fenster. Wobei der erhöhte Schwierigkeitsgrad natürlich darin bestand, auf der anderen Seite nicht vom Bus erwischt zu werden. Auf den mir für dieses Experiment verbliebenen circa fünf Zentimetern klappte das Ganze ungefähr zwei Sekunden lang. Dann kippte ich mit lautem Scheppern der Länge nach über die Bordsteinkante. Wie eine versehentlich an Land geschwommene Flunder lag ich auf dem Trottoir der Pilgrambrücke. Ich dachte noch, bevor ich den Schmerz spürte: Das darf jetzt nicht wahr sein!

„Ja, ham’s dem ins Hirn g’schissn? Host des g’sehn, Helmut?“ Es hatte mich direkt vor die „Würstelbox“ und die Füße einer illustren Runde Flüssigwürstel gespült.

Der Bus hatte vor der Szene an seiner Haltestelle gehalten, der Fahrer machte keinerlei Anstalten, auszusteigen. Ich versuchte, mich zwischen Bürgersteig und Fahrrad zu sortieren. Hose inklusive der Knie darunter waren ramponiert. Da griff mir jemand mit biergeschwängertem Atem, versuchsweise tatkräftig, unter die Arme. „Na, Froillein, ham’S a sich wos ’tan?“ Es war mehr psychologische Unterstützung, denn mein Promilleheld war auch nicht mehr der Standhafteste.

„Kummst her do, sonst ziag i di bei deine Ohrwascheln, Depperter!“, krächzte es aus der Würstelbox. „Jo, wo bist du denn a’grennt! Des oarme Kind so z’sammfoahrn!“ Gemeint war natürlich der Busfahrer. Mein Befinden schien meinen Peiniger nämlich nicht sonderlich zu interessieren. Wohl aber die Drohung von Frau Würstelbox. Sie hatte ziemlich große Hände, eine am Grill, schützend über ihren Würsteln, die andere den Busfahrer zu sich dirigierend. Und ihre wurstverschmierten Hände, so viel war sicher, mochte ganz sicher niemand auch nur in der Nähe seiner Ohren haben.

„Alex und Helmut, sammelt’s amol die Sachen vom Froillein von der Stroßn.“ Und zu mir: „Servas, i bin die Gruber Annie.“ Sie wischte ihre Pranke an der hellblauen Schürze ab. Ich notierte schnell das Nummernschild auf einer Würstelboxserviette, als der Busfahrer in voller Unschuldsmiene und mit einem Notizblock auf mich zukam: „Ja, ham’S denn meinen Bus net g’sehn?“

„Jöh, bitte … Hoit dei Pappn!“ Es war sofort klar, auf wessen Seite die Würstelbox-Gruber stand und wer hier jetzt die Antworten gab. Ich jedenfalls musste gar nichts sagen. „Geh, erzöhlst ma des in a Sackerl und stöllst’s mas dann vor die Tür! Genau g’sehn hob i’s! Du Volltrottel host des Froillein g’schnittn, jawohl g’schnittn, scham’ di!“

„Sie haben doch beim Überholen sogar zu mir rübergesehen!“, mischte ich mich in astreinem Hochdeutsch ein. „Sie hätten doch nur ein bisschen warten müssen, und ich wäre weg gewesen!“ Spätestens jetzt musste allen Beteiligten klar sein, dass ich keine Österreicherin war. Spannend! Helmut und Alex unterbrachen kurz die Sammlung meiner Einzelteile und sahen herüber. „Unterzeichnen’S ma do, dass Sie auf a’nen Arzt verzichten, und do a no!“ Auf dem Busfahrerblock sollte ich unterschreiben, schuld am Unfall zu sein.

„Sagen Sie mal, für wie deppert halten Sie mich?“ Er hatte mich gerade vom Fahrrad geholt und wollte anschließend also gleich noch mal über mich und meine Rechte drüberrollen. „Ihnen sollte man den Führerschein entziehen!“

„Genau! Und jetzt verteil di!“ Das klang schwer nach Hausverbot bei der Würstel-Gruber. „Heast! Drah di! Schwimm haam auf deiner Nudelsuppn. Mir ham eh dei Numma notiert.“

„Schleich di! Geh haam, sog i! Du g’scherter Aff!“ Mitsamt meiner Handtasche über der Schulter bauten sich Helmut und Alex vorm Busfahrer auf. „Vertschüss di! Moch an Servas, sonst …“ Helmut schwankte kurz, fing sich aber. „Sonst häng i da aane um, dass die Zweite scho a Leichenschändung is’, vastehst’, du Ogschnittana.“ Übersetzt hieß das so viel wie: „Verpiss dich, sonst hau ich dir eine runter, dass die Zweite schon eine Leichenschändung ist, du abgeschnittener, kleiner Mann!“ Das Ganze wirkte gerade wie die Probe für den Film „Hans Moser reloaded“ oder wie die perfekte Werbeszene für den Volkshochschulkurs „So beschimpfen Sie Wiener richtig“. Den Kurs gab es tatsächlich.

Als der Busfahrer von dannen zog, drehte sich Helmut zu mir um, strich sich ebenfalls die Hand an der Hose ab und streckte sie mir feierlich entgegen. „Servas, i bin der Helmut, und des do, des is der Alex!“ Ich schüttelte beiden die Hand, dankbar für so viel Solidarität. Mit einer Deutschen dazu.

„Na, Klaane, wüst lieba zum Dokta wegen dem Knie do?“ Mit ihrer Würstchenzange stocherte Annie in Richtung meiner kaputten Jeans. „Oder is es nur a Wehwehtscherl?“ Ich schüttelte den Kopf. „Geht schon wieder!“

„Oba a Eitrige mit a’n Buckl mogst? Do host, i geb a’ne aus!“ Frau Gruber hatte eine gebratene Käsekrainer in der Zange und legte sie zum Brotkanten. „Amoi dazua g’schissn?“, fragte sie. Dazu geschissen? „Mit Senf?“, fragte die Gruber Annie auf Deutsch. Ich wollte keinen. Helmut und Alex noch nicht mal feste Nahrung. Beide blieben beim Abo vom „16er Blech“ – Ottakringer Bier in der Dose, gebraut im Wiener 16. Gemeindebezirk. „Mir Klaane, mir miassn eh z’ommholtn!“ Helmut hob die gelbe Bierdose. „Prost!“

„Was mochst’n do bei uns?“, wollte Alex wissen „Auf Urlaub?“ Ich biss in die Käsekrainer von Frau Gruber und erzählte den dreien, was sie wissen wollten.

„Des müssen die von die Wiener Linien oba zoahln!“ Alex zeigte auf mein Loch in der Hose! „Wennst’ a’n Zeugen brauchst’ – uns findst’ eh imma do am Würschtelstand.“ Er gab mir einen Zettel. Und da stand tatsächlich: Alex Königseder, Adresse: Würstelbox Pilgrambrücke.

In der Nähe meines Unfallortes hatte ich eine Wohnung besichtigt. Bisher war ich mit einem großen Koffer in einer Wiener Pension mit dem wohlklingenden Namen „Villa Opera“ untergekommen. Unsere kleine Wohnung am Rhein, in der Max und ich jahrelang gemeinsam zusammen unterm Dach gelebt, im Winter gefroren und im Sommer geschwitzt hatten, hatten wir inklusive aller Möbel aufgelöst. Der Rest war entweder bei Max in Berlin, auf dem Flohmarkt oder in 25 Umzugskartons gelandet. Kater Pixel hatte ich bei meinen Eltern einquartiert. Inzwischen und gemessen an ihrer Größe besaß die Katze jetzt einen umfangreicheren Hausstand als ich. Und das immerhin ganz ohne Klamotten!

Max blieb erst mal in Berlin, bis sein Vertrag als Opernsänger dort auslief. Das hatten wir gemeinsam so entschieden. Redete ich mir jedenfalls ein. Tatsächlich war es Max’ Entscheidung. Und sie war auch weniger an irgendeinen Vertrag gekoppelt, wie sich bald rausstellen sollte.

„Das kannst du wohl nicht ablehnen!?“, hatte mein Herzallerliebster scharfsinnig festgestellt. Als ich ihn mit der frohen Jobbotschaft anrief, klang er so begeistert, als hätte ich ihm gerade von den Sonderangeboten für biologisch abbaubare Putzmittel vorgeschwärmt. „Das kannst du wohl nicht ablehnen?“ Das meinte ja nun keinesfalls: „Toller Job, das musst du machen. Ich bin stolz auf dich! Auf nach Wien!“ Nein, irgendwie steckte da die Bitte drin, den Job nicht anzunehmen, nicht zu gehen. Ich hatte bislang nur einen Koffer in Wien, und doch hatte ich für den neuen Job das für mich Wichtigste auf der Welt in Deutschland vergessen: Max.

Auf der Autofahrt fühlte sich noch alles wie ein großes Abenteuer an, bei dem ich nicht verlieren konnte. Unterwegs in eine neue Stadt. Neuanfang! Wie ein unbenutztes Notizbuch, auf das man erst mal in schönster Schönschrift seinen Namen setzt. Als ich nach acht Stunden Fahrt auf der Autobahn in Wien am Rennweg ankam und den Schlüssel aus dem Zündschloss nahm, blieb ich noch einen kurzen Moment im Auto sitzen. Ich war wirklich fest entschlossen, alles an meinem neuen Leben toll zu finden. Alles an Österreich und alles an Wien. Aber da, wo ich gelandet war, war es alles andere als toll.

„Am Rennweg fängt der Balkan an!“, sagen die Wiener. Wenn ich das nur vorher mal gelesen hätte. Trübselig-graue Fassaden, bröckelnder Putz. Hier am Rennweg hätte man auf der Stelle das Leben in der DDR verfilmen können, ohne umzubauen, dachte ich. Nur der Plattenbau fehlte. Ansonsten echtes Ostfeeling. Mit „Balkan“ war aber keinesfalls, wie man vielleicht meinen könnte, das etwas Trostlos-Schmuddelige am Rennweg gemeint, sondern das Tor nach Osten und – politisch nicht gerade korrekt – die Moral seiner Bewohner.

Übers Internet hatte ich mir für die erste Zeit ein Apartment in der „Villa Opera“ gebucht. 1500 Euro Miete im Monat. Immerhin waren die Zimmer schick eingerichtet. Jedenfalls die auf den Fotos der Hotel-Webseite. Aber als ich meinen Koffer in das Erdgeschoss-Apartment schob, hatte das zu meinem Entsetzen überhaupt nichts mehr mit der schnieken Onlinefassung gemein. Bis auf den teuren Mietpreis, versteht sich, der war noch immer derselbe.

Die mit der Kraft einer 10-Watt-Birne beleuchtete Bleibe konnte nicht mal mit der schäbigsten Jugendherberge mithalten, eher mit einem größeren Kellerabteil. Sagen wir, das Ganze erinnerte an eine dieser Unterkünfte für osteuropäische Wanderarbeiter, von denen so oft im Fernsehen berichtet wurde. Hier sollte ich meine ersten vier Wochen durchhalten? Ich konnte mir nicht mal vorstellen, hier auch nur eine einzige Nacht zu verbringen. Dabei klang „Villa Opera“ doch nach Stil und Kultur und sein Besitzer vor zwei Wochen noch so charmant am Telefon. Ehemaliger Operndirektor. Offensichtlich mit Sinn fürs Geschäft. Die komplette Miete für einen Monat hatte er mir bereits vorher, in seinem Jugendstil-Büro im Haus nebenan abgenommen. Natürlich bevor er mich in das trostlose Zimmer schob. „Mir sa’n leida aus’bucht, Froillein, nix anderes mehr frei!“ Er grinste, als er mir die Tür aufschloss. Genau das war dann wohl mit „Balkan“ gemeint.

„Grissdi!“ Die Begrüßung von Herrn Wong hatte feine Tröpfchen auf dem dunklen Eiche-rustikal-Tresen im China-Beisl hinterlassen. Herr Wong – eine Bruce-Lee-Fassung in Schnitzel-Ambiente – sprach sein „Bitte sehr, bitte gleich!“ als „Bisä, biglei!“ aus. Die Bambus-Fotos überm Tresen, die anstelle eines Hirschgeweihs irgendwann mal für das Asia-Feeling sorgten, machten eingerollt den Eindruck, als fürchteten sie sich vor Herrn Wong und seinen Kochkünsten. Sie hingen schlaff von den Wänden wie wenig später auch das Hühnchen von meiner Gabel. Hier vom Rennweg aus ließen sich Sachertorte und Wiener Schnitzel nur noch auf einem anderen Planeten vermuten.

Willkommen in Wien! Im Kellerverlies in der „Villa Opera“ ließ der Herr Direktor den Hotelausbau durch drei tschechische Bauarbeiter vorantreiben. Zum Gehämmer hinten trappelte in regelmäßigen Abständen vorm Fenster österreichisches Geplauder in osteuropäischen Varianten vorbei. Davor fand der Fetzen Vorhang offensichtlich schon längere Zeit keinen Halt mehr an der Gardinenstange. Kurz: Die ganze Tristesse am Rennweg bahnte sich ihren Weg direkt in dieses Schlafzimmer. Ich saß auf der Bettkante meines neuen Lebens, das alte hinter mir, in Deutschland gelassen. Alle „I love Austria“-Euphorie verflog angesichts des labbrigen Hühnchens und der angestaubten Möbel in null Komma nix. Mir kamen erst einmal Tränen. Ich hätte mich besser vorbereiten müssen. Nur mit einer Adresse und einem Koffer wandert man nicht einfach aus.

Heulend rief ich Max an. „Du lässt dir doch sonst auch nichts gefallen! Schlaf jetzt mal, und morgen zeigste dem Ösi, wo der Hammer hängt. Sonst komme ich vorbei!“ Max hatte recht, ich war hundemüde und ahnte ja auch nicht nichts vom Hotel gegenüber. Das täglich morgens um vier Uhr früh zuerst von der Reinigung und pünktlich um fünf Uhr noch einmal, dann vom Bäcker, beliefert wurde.

„36 Euro Strafverfügung“ – Als hätte es gar nicht besser laufen wollen, begrüßte mich an meinem ersten Morgen in Wien ein Knöllchen. Meine Unwissenheit darüber, dass man in Wien zwischen 9 Uhr und 22 Uhr fast nirgends kostenfrei parken darf, hatte sich pünktlich auf die Minute ausgezahlt. Als ich exakt um 9.20 Uhr ins Büro fahren wollte, klebte der Strafzettel von 9.16 Uhr bereits hinter meinem Scheibenwischer. Obergründlich. Da fühlte ich mich gleich wie zu Hause, im pingeligen Deutschland! Ich hatte am Abend noch nach einer Parkuhr gesucht. Aber natürlich nicht gefunden. Gibt’s nicht in Wien. Auf Nachsichtigkeit der Politessen meines deutschen Kennzeichens wegen hoffen? Würde wohl sehr teuer werden!