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Die temperamentvolle, rothaarige Lexi ist eine Frau nach Jack Bowdens Geschmack. Ein Date mit der Schönheit, ein Kuss von ihr, ein paar heiße Stunden – das reicht dem Milliardär nicht! Nur zu gern würde der erfolgreiche Bauunternehmer eine Zukunft mit Lexi planen. Doch wann immer es ernster wird, macht sie plötzlich einen Rückzieher. Liegt das etwa daran, dass sie aus einer reichen Familie stammt, während Jack sich seinen Erfolg hart erarbeiten musste? Oder hat es etwas mit Lexis Vergangenheit zu tun?
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Seitenzahl: 206
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2021 by Harlequin Enterprises ULC Originaltitel: „Blue Collar Billionaire“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 2245 07/2022 Übersetzung: Maike Claußnitzer
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 07/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751509107
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Lexi, mein Schatz, du musst das nicht tun.“
Lexi Alderidge liebte ihren Vater Winston heiß und innig, hasste aber seinen überdurchschnittlich ausgeprägten Beschützerinstinkt. Als sie noch ein kleines Mädchen war, mochte das okay gewesen sein, aber mittlerweile war sie achtunddreißig und geschieden. Es wurde höchste Zeit, dass er sich ein neues Hobby suchte.
„Doch“, antwortete sie. „Wenn ich in Royal bleiben soll, muss ich arbeiten. Ich kann nicht den ganzen Tag rumsitzen und darauf warten, dass mein neues Leben beginnt.“
Das war Lexi erst vor ein paar Monaten klar geworden, als sie nach ihrer Scheidung wieder nach Royal gezogen war. Viel zu schnell war sie wieder in alte Gewohnheiten verfallen und in den Bann ihres Jugendfreunds geraten. Doch der hatte dann am Abend vor ihrer geplanten Hochzeit mit ihr Schluss gemacht. Lexi und die Liebe … Das war gründlich schiefgegangen. Deshalb war sie entschlossen, den Männern den Rücken zu kehren und sich ganz auf ihren neuen Job als Vize-Marketingchefin der Alderidge Bank zu konzentrieren, die ihrem Vater gehörte.
Winston, der hinter seinem gewaltigen Mahagoni-Schreibtisch saß, lehnte sich auf seinem Ledersessel zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Die morgendlichen Strahlen der Aprilsonne fielen durch die Fenster hinter ihm und ließen sein graumeliertes Haar schimmern. „Es gefällt mir aber nicht, dass du ganz allein auf die Baustelle willst.“
„Das ist mein Job. Die Bank zählt zu den größten Sponsoren von Soiree on the Bay. Willst du denn nicht wissen, wie es mit dem Bau vorangeht?“
Das Kunst-, Gourmet- und Weinfestival war genau die Art von Event, an der die Bank sich beteiligen musste, um eine jüngere und hippere Klientel anzusprechen. Die Alderidge Bank hielt einfach zu sehr an alten Traditionen fest, genau wie ihr Inhaber, und Lexi wollte sie unbedingt modernisieren.
„Du bist zu hübsch, um dich mit Bauarbeitern abzugeben“, beharrte ihr Vater. Ihm war nicht klar, wie unglaublich engstirnig seine Ansichten waren.
„Das ist doch lächerlich.“ Sie öffnete ihre Laptoptasche, die auf einem der Stühle vor dem Schreibtisch ihres Vaters lag, und schob einen Stapel Papiere hinein.
„Sieh dir nur an, was du anhast. Ein Kleid und hochhackige Schuhe? Was, wenn die Arbeiter dir hinterherpfeifen?“
„Ich trage schon mein ganzes Erwachsenenleben lang fast jeden Tag ein Kleid. Das ist eben mein Look. Und ich weiß mich schon durchzusetzen, auch auf einer Baustelle, keine Sorge.“
Wenn mir jemand bewundernd hinterherpfeift, fühle ich mich vielleicht sogar besser.
Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Alexis Simone Alderidge, ich werde mir mein Leben lang Sorgen um dich machen. Daran musst du dich gewöhnen.“ Ihr Vater sprach sie nur mit ihrem vollen Namen an, wenn er ein ernstes Wort mit ihr reden musste. „Du bist im Moment in keinem guten emotionalen Zustand.“
Lexi musste zugeben, dass ihre Psyche derzeit etwas angegriffen war, aber sie tat ihr Bestes. „Wenn ich seit dem Scheitern meiner Ehe eins gelernt habe, dann, dass ich mit allem klarkomme.“
„Nimm wenigstens den Hubschrauber nach Appaloosa Island. Mit dem Auto bist du sechs Stunden unterwegs.“
Lexi hatte sich darauf gefreut, ein bisschen Zeit allein in ihrem neuen Auto zu verbringen, dem perlweißen Jaguar F-Pace SUV, den sie sich nach ihrer Scheidung gegönnt hatte. Er sollte ein Symbol für ihren Neuanfang sein. Aber seitdem war schon wieder etwas schiefgegangen, und daran war nur ihre Schwäche für das andere Geschlecht schuld. Das durfte nicht wieder vorkommen. Liebe und Romantik waren vorerst gestrichen. „Fühlst du dich wohler, wenn ich das tue?“
„Ja. Weil ich weiß, dass du dann schnell flüchten kannst.“
Sie musste beinah lachen, als sie sich vorstellte, wie sie in ihren High Heels über eine Baustelle rannte und, verfolgt von Bauarbeitern, den Helikopter zu erreichen versuchte. Wenn sich die Männer doch nur so sehr für sie interessieren würden! „Ich nehme den Heli, um Zeit zu sparen. Ich will heute Nachmittag noch ein paar Stunden ins Büro, um meine Liste von möglichen neuen Kunden durchzuarbeiten. Lila Jones von der Handelskammer hat noch ein paar Vorschläge für mich.“
„Ich möchte nicht, dass du in aller Öffentlichkeit Kunden akquirierst. Die Leute kommen zu uns, nicht umgekehrt.“
„Wir reden später darüber, okay?“ Lexi trat hinter den Schreibtisch und küsste ihren Dad auf sein graues Haar Sie liebte ihn sehr, obwohl er ihr manchmal auf die Nerven ging. „Hier muss sich einiges ändern.“
Sie wandte sich ab und ging zur Tür, aber die Worte ihres Vaters ließen sie erstarren.
„Vergiss eins nicht, Lexi: Es ist keine Schande, wenn du zu dem Schluss kommst, dass dieser Job nicht das Richtige für dich ist. Dank deines Unterhalts und deines Treuhandfonds brauchst du das Geld nicht.“
Lexi holte tief Luft. Ihre finanzielle Situation war durchaus solide. Aber sie wollte etwas anderes als einen Mann, an den sie sich klammern konnte. „Ich schaff das schon. Mach dir keine Sorgen um mich.“ Schnell verließ sie das Büro, bevor ihr Dad noch einmal widersprechen konnte. Weit kam sie allerdings nicht, denn sie blieb am Schreibtisch seiner Assistentin stehen.
„Kann ich dir helfen?“, fragte Vi. Ihre Igelfrisur hob sich wie Silber von ihrer braunen Haut ab. Lexi hoffte, dass sie mit Ende fünfzig auch noch so gut aussehen würde.
„Ja. Ich muss nach Appaloosa Island, und mein Vater besteht darauf, dass ich den Firmenhubschrauber nehme. Kannst du das für mich arrangieren?“
„Selbstverständlich. Ich rufe sofort an. Du kannst den Piloten draußen auf dem Landeplatz treffen. Wäre es dir in fünfzehn Minuten recht?“
Es stand immer ein Pilot auf Abruf für ihren Vater bereit. Die Klientel der Bank war wohlhabend und Lexis Erfahrung nach ziemlich ungeduldig. „Klar. Danke.“
Lexi legte einen Zwischenstopp in den Waschräumen ein, um sich zu kämmen und ihr Make-up zu überprüfen. Ihr rotes Haar begann sich immer schon im Frühjahr zu kräuseln. Und jetzt war erst April. Bis zum Herbst würde sie noch monatelang Mühe haben, ihre Mähne zu bändigen.
Danach ging sie zu dem kleinen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach der Alderidge Bank. Der Copilot half ihr in den schwarz-goldenen Helikopter. Sie setzte sich ans Fenster der kleinen, aber komfortablen Kabine und schnallte sich an. Kurz darauf waren sie in der Luft und flogen von ihrer Heimatstadt Royal aus nach Süden.
Lexi war wie gebannt von der Aussicht. Sie liebte Texas und seine abwechslungsreiche Landschaft. Leuchtend grüne Streifen mischten sich mit Städten und staubigen Landstrichen.
Aber als sie die Ausläufer von Houston erreichten, wo sie während ihrer Ehe mit Roger gelebt hatte, wurde ihr flau im Magen. Das wurde noch schlimmer, als sie den Nordrand des weitläufigen Memorial Park sah. Südlich davon, auf der anderen Seite des Buffalo Bayou River, lag das exklusive Viertel River Oaks. Dort hatte sie mit ihrem Ex gewohnt.
Das Märchen hatte fünfzehn Jahre lang gedauert. Sie hatten unzählige Partys gegeben. Roger verbrachte seine Tage in seiner Investmentfirma und spielte am Wochenende Golf. Lexi setzte sich für wohltätige Zwecke ein und machte Pilates. Aber er hatte nie gewollt, dass sie arbeitete. Das hätte ihr eigentlich bewusst machen sollen, dass Roger sie als Schmuckstück – als Besitz – betrachtete und nicht als ebenbürtige Partnerin. Aber Lexi hatte ihr Leben mit Roger geliebt. Er war der ideale Mann gewesen – gut aussehend und gebildet. Vor allem hatten ihre Eltern ihn gemocht. Er war genau das, was sie sich immer für Lexi gewünscht hatten: ein Texaner aus einer alten, wohlhabenden Familie.
Aber dieses Leben war vorbei. Jetzt war sie ganz auf sich allein gestellt. Bei dem Gedanken kamen ihr die Tränen. Seufzend wandte sie den Blick von der Stadt ab und wartete mehrere Minuten, bis sie wieder nach unten sah. Mittlerweile näherten sie sich Mustang Point, einem luxuriösen Küstenort mit einer großen Marina für Yachten. Zum Festival Soiree on the Bay würden die Besucher von hier aus mit einer Fähre nach Appaloosa Island übersetzen.
Über das klare Blau des Golfs von Mexiko flogen sie auf die Insel zu. Dieses Fleckchen Erde gehörte seit Jahren der Familie Edmond aus Royal. Auf der Westseite gab es ein kleines Resort und eine Handvoll luxuriöser Anwesen an der Küste, aber die Ostseite war noch größtenteils unerschlossen. Deshalb waren die Baumaßnahmen auch so wichtig.
Der Helikopter landete auf einer großen, ungepflasterten Freifläche in der Nähe der Baustelle. Fast alle Arbeiter drehten sich um, schirmten die Augen gegen die texanische Mittagssonne ab und beobachteten die Landung. Lexi hatte nicht geahnt, dass sie so viel Aufsehen erregen würde, wenn sie mit dem Hubschrauber ankam. Vermutlich hatte auch ihr Dad nicht damit gerechnet.
Sie schnappte sich ihre Handtasche und ihre Sonnenbrille und stieg so damenhaft wie möglich aus dem Helikopter. Als die Rotorblätter sich nicht mehr drehten, hörte sie den Lärm von Presslufthämmern. Männer schrien einander etwas zu. Maschinen bewegten Erde, und Kräne verlagerten Stahlträger. Lexi musste sich eingestehen, dass sie nicht gerade in ihrem Element war. Sie verstand absolut nichts vom Bau, und plötzlich fiel ihr auf, dass sie ihren Vater nicht gefragt hatte, mit wem genau sie sprechen musste.
Sie überlegte, ob sie ihn anrufen sollte, aber ihr Smartphone zeigte keinen einzigen Balken an. Also musste sie wohl aus dem Bauch heraus entscheiden. Sie strich sich den Rock glatt und beschloss, auf einen Mann zuzugehen, der knapp fünfzig Meter von ihr entfernt war. Auf dem unebenen, steinigen Boden war sie in ihren High Heels etwas wacklig auf den Beinen, aber wenigstens bekam sie etwas zu sehen. Der Mann hatte einen Körper wie ein Holzfäller und beugte sich gerade über Baupläne. Sein enges weißes T-Shirt betonte die definierten Muskeln seines Bizeps und seiner Schultern. Seine Unterarme waren sonnengebräunt, und die Jeans umschmeichelte seine langen Beine.
Obwohl sie eigentlich genug von Männern hatte, gefiel er ihr.
„Entschuldigen Sie“, sagte sie, als sie nur noch ein paar Meter entfernt war. „Sind Sie der Bauleiter hier?“ War das der richtige Ausdruck? Sie hatte keine Ahnung. „Oder der Polier?“ Sie verabscheute es, so ins Schwimmen zu geraten, aber das gehörte nun mal dazu, wenn man sich in einen neuen Job einarbeitete.
Der Mann drehte sich um und richtete sich so weit auf, dass er fast die Sonne verdeckte. Sein Anblick verschlug ihr den Atem. Er war unglaublich attraktiv und mindestens einen Kopf größer als sie mit ihren Eins sechzig. Er hatte ein markantes Gesicht und trug das braune Haar genauso kurz wie ein Soldat.
Sie war eingeschüchtert. Und fasziniert.
„Wer will das wissen?“
Einen Moment lang fragte Lexi sich, ob sie ins Fettnäpfchen getreten war. „Lexi Alderidge. Von der Alderidge Bank. Wir zählen zu den Hauptsponsoren des Festivals Soiree on the Bay.“
„Ach so. Sie wollen uns wohl auf die Finger gucken, was?“ Unverwandt starrte er sie an, aber er trug eine Pilotensonnenbrille, sodass sie nichts bis auf ihr eigenes Spiegelbild sah.
Mit solch einem schroffen Empfang hatte sie nicht gerechnet. Schließlich war sie aus gutem Grund hier. „Ja, genau. Ich vergewissere mich, ob wir von unserer Investition profitieren. Es ist die Bank meines Vaters, und er erwartet einen Bericht.“
Die strenge Miene des Mannes wich einem strahlenden Lächeln, das Lexi erst überrumpelte und ihr dann die Knie weich werden ließ. „Ich ziehe Sie doch nur auf. Es ist ein harter Tag auf der Baustelle, und ein bisschen Spaß muss sein.“ Er nahm seine Sonnenbrille ab, lachte und strahlte übers ganze Gesicht. Das Bezauberndste daran waren seine warmen braunen Augen und seine faszinierenden Grübchen.
Nervös versuchte Lexi, in sein Lachen mit einzustimmen, aber es misslang ihr kläglich. So attraktive und selbstbewusste Männer wie ihn war sie nicht gewohnt.
Sie holte tief Luft und tat ihr Bestes, ruhig zu bleiben. „Kann ich denn nun Ihren Boss sprechen? Oder Ihre Chefin? Eine Frau kann doch auch auf dem Bau arbeiten, oder nicht?“
„Natürlich.“ Er musterte sie von Kopf bis Fuß. Sein Blick blieb ein paar Herzschläge lang auf ihr ruhen. „Suchen Sie einen Job?“
„Nein.“ Sie kam sich lächerlich vor. Er nahm sie nicht ernst, und das störte sie. „Ich suche nur Ihren Boss.“
„Lexi!“, ertönte da plötzlich eine Stimme hinter ihr.
Sie drehte sich um und sah Ross Edmond auf sich zukommen, den Sohn des Geschäftsmanns und Milliardärs Rusty Edmond. Ross war der letzte Mensch, den sie jetzt gebrauchen konnte, aber es wunderte sie nicht, dass er hier war. Als Mitglied des Festivalbeirats musste er sich zeitweise vor Ort aufhalten. Lexi hatte in ihrem Leben schon viele Männer wie Ross kennengelernt – lässig, gut aussehend und gewohnt, zu bekommen, was sie wollten. Die Insel gehörte seiner Familie. Sein Vater und ihrer waren alte Bekannte.
Aber sie hatte keine Lust, mit ihm zu reden. Ross’ Mutter Sarabeth war vor Kurzem nach Royal zurückgekehrt, hatte sich verliebt und bald darauf verlobt. Und der Mann, der ihr einen riesigen Diamanten an den Finger gesteckt und ihr seine unsterbliche Liebe erklärt hatte, war ausgerechnet Brett Harston. Lexis erste Liebe. Der Mann, der sie vor sechs Wochen praktisch vor dem Altar hatte stehen lassen.
Jack Bowden wusste nicht, wie er sich Lexi Alderidge gegenüber verhalten sollte. Dieser Rotschopf mit den leuchtend grünen Augen und den umwerfenden Kurven war unglaublich sexy. Sie war zwar zierlich, aber alles an ihrem Auftreten verriet ihr feuriges Temperament. Und er hatte eine Schwäche für temperamentvolle Frauen.
Er liebte Herausforderungen.
Aber er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sie an der Nase herumgeführt und nicht zugegeben hatte, dass er nicht nur der Chef auf dieser Baustelle, sondern zugleich der Besitzer von Bowden Construction war. Das würde er ihr wohl eröffnen müssen, wenn sie das Gespräch mit Ross Edmond beendet hatte.
„Wie geht es dir mittlerweile?“ Ross klang mitleidig. Das ließ Jack die Ohren spitzen, obwohl er eigentlich versuchte, sich auf die Baupläne des Festivalgeländes zu konzentrieren. Was konnte im Leben einer Frau wie Lexi Alderidge schon schieflaufen, dass jemand in diesem Ton mit ihr sprach?
„Mir geht’s gut. Sehr gut.“ Stolz hob sie den Kopf, aber Jack durchschaute sie. Es ging Lexi eindeutig nicht gut. Sie wollte Ross nur abwimmeln.
„Es ist sicher schwer.“ Ross streckte die Hand aus und tätschelte sanft ihre Schulter. „Ich wünschte nur, der Klatsch würde endlich aufhören. Aber du weißt ja, wie das ist. Ganz Royal liebt saftige Tratschgeschichten, und da gibt es kaum etwas Besseres als einen getürmten Bräutigam.“
Getürmter Bräutigam? Ach du Scheiße. Plötzlich dämmerte es Jack, dass er schon von Lexi gehört hatte. Sie war die Frau, die gerade kurz vor der Hochzeit sitzen gelassen worden war. Autsch. Auch ihm war schon einmal etwas Ähnliches passiert, aber das war nicht solch eine öffentliche Demütigung gewesen.
„Du weißt ja, wie es ist, wenn alle über einen reden, Ross. Ich höre ständig etwas über deinen Streit mit deinem Dad. Bitte sag mir, dass er dich nicht wirklich verstoßen hat“, erwiderte Lexi liebenswürdig, aber ihr bissiger Unterton war nicht zu überhören.
Es gefiel Jack, dass sie sich nicht unterkriegen ließ. Trotzdem regte sich sein Beschützerinstinkt. Er hatte drei jüngere Schwestern und hätte liebend gern eingegriffen, um diesem Gespräch ein Ende zu setzen.
„Mein Dad ist mir egal. Mein Leben mit Charlotte würde ich gegen nichts eintauschen. Sie ist meine große Liebe“, wiegelte Ross ab. „Ich hoffe, dass du auch dein Glück findest, Lexi. Irgendwann lernst du sicher jemanden kennen.“
Sie war kurz vor ihrer Hochzeit verlassen worden, und Ross rieb ihr unter die Nase, dass sie im Moment Single war? Das war zwar eine gute Nachricht für ihn, Jack, aber eine schlechte für Lexi. Wie auch immer – er konnte das hier nicht länger mit ansehen, räusperte sich und hoffte, dass Lexi ihm für das, was er sagen wollte, keinen Tritt verpassen würde. „Wartet mal kurz.“
Verblüfft drehte sie sich zu ihm um.
Jetzt gab es kein Zurück mehr für Jack. Entschlossen griff er nach ihrer Hand. Ihre Haut war so samtig und glatt, wie sie aussah. „Lexi, du solltest Ross lieber sagen, was zwischen uns läuft, oder? Wir kennen uns zwar noch nicht lange, aber es ist doch eine ziemlich heftige Sache.“ Als er zu ihr hinuntersah und versuchte, ihr wortlos seinen Plan zu erklären, versank er geradezu in ihren kristallklaren grünen Augen. Besonders als sie die Augenbraue hochzog und ihm stumm mitteilte, dass er wahnsinnig war.
Aber dann überraschte sie ihn, indem sie den Kopf in den Nacken warf und melodisch auflachte. Dann sah sie wieder zu Ross. „Ich hatte ein bisschen Angst, etwas zu sagen, weil die Gerüchteküche ja ohnehin brodelt.“
Ross kniff die Augen zusammen. „Du und Jack?“
Jack wurde klar, wie riskant seine Aktion gewesen war. Er hatte Lexi ja noch nicht einmal seinen Namen genannt. „Ja“, sagte er. „Ich habe großes Glück, was?“
Ein skeptisches Lächeln huschte über das Gesicht des anderen Mannes. „Toll. Ich freue mich sehr für euch.“
Jack drückte Lexis Hand etwas fester.
„Danke“, sagte Lexi. „Deshalb bin ich heute auf der Baustelle. Ich musste mal eben nach ihm sehen.“
„Mal eben nach dem Boss sehen. Das gefällt mir.“ Ross’ Handy klingelte, und er zog es aus der Tasche. „Oh, verdammt. Da muss ich rangehen. Das ist jemand aus dem Festivalbeirat. Wir sprechen uns später.“ Er ging und ließ Jack und Lexi allein.
Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, bis sie ihm ihre Hand entzog. „Der Boss? Du bist der Boss?“
Jack schluckte schwer und spürte, wie wütend sie war. Er hätte lügen müssen, um zu behaupten, dass es ihn nicht erregte. „Ja, das bin ich. Jack Bowden. Bowden Construction.“ Er streckte die Hand aus.
Angewidert schüttelte sie den Kopf. Bestimmt war ihr nicht klar, was sie ihm damit antat. Ihr süßes Parfüm stieg ihm in die Nase. „Warum hast du mir dann nicht die Wahrheit gesagt, als ich den Bauleiter sprechen wollte?“
Jack hatte keine Antwort darauf. Er hatte sie gesehen – mit ihrer Designerkleidung, ihren High Heels und ihrem makellosen Gesicht – und gewusst, dass sie ihn in Schwierigkeiten bringen würde. Das taten Frauen aus wohlhabenden Familien immer, und er wusste, dass die Alderidges zu den reichsten gehörten. „Ich habe doch nur Spaß gemacht.“
„Nur weil ich nicht so aussehe, als ob ich auf eine Baustelle gehöre?“
Jetzt bekam Jack ein richtig schlechtes Gewissen. „Es tut mir leid. Wirklich.“
„Es war unpassend“, stellte Lexi fest. „Ich möchte übers Geschäft reden, und du nimmst mich auf den Arm? Nur um dann auch noch diese verrückte Geschichte zu erzählen, dass wir was miteinander haben? Das ist doch absurd!“
„Warum ist das absurd?“, fragte Jack gekränkt.
„Das ist doch wohl offensichtlich.“
Er versuchte, nicht beleidigt zu sein, und rief sich ins Gedächtnis, dass er Jeans, T-Shirt und Arbeitsstiefel trug. Lexi war bestimmt an Männer wie Ross gewöhnt, der sich nichts dabei dachte, mit einer Rolex und achthundert Dollar teuren Schuhen auf einer schmutzigen Baustelle herumzulaufen. „Ich wollte dir aus der Klemme helfen.“
„Kann mich nicht erinnern, dich darum gebeten zu haben.“
Irgendetwas verriet ihm, dass es nicht gut bei ihr ankommen würde, wenn er erklärte, dass er eine Schwäche dafür hatte, Frauen in Not zu helfen. „Ich konnte mir einfach nicht weiter anhören, wie er mit dir geredet hat. Ich weiß nicht, was mit deiner Hochzeit schiefgelaufen ist, aber ich bin mir sicher, dass der Mann, der dich hat sitzen lassen, ein Vollidiot ist. Keine Frau hat es verdient, dass man ihr so etwas antut.“
Lexis Körperhaltung entspannte sich, und plötzlich sah Jack vor seinem geistigen Auge, wie er sie in den Armen hielt, atemlos von seinem Kuss. Sein Verstand sagte ihm, dass er sich zusammenreißen sollte, aber das wollte er nicht. Die Vorstellung gefiel ihm einfach zu sehr.
„Die Vollidiotin bin ich“, gestand sie. „Aber danke. Ich weiß das zu schätzen.“
„Können wir noch mal von vorn anfangen?“ Er streckte ihr die Hand hin und versuchte, die unangemessenen Gedanken zu verdrängen. Aber er konnte einfach nicht aufhören, sich zu fragen, ob der Rest ihres Körpers, den er zum Anbeißen fand, so weich wie ihre Hand war. „Jack Bowden. Bowden Construction.“
Sie lächelte, was nicht gerade förderlich für Jacks Konzentration war. „Lexi Alderidge. Alderidge Bank.“
„Wie kann ich dir helfen?“
„Ich bin hier, um zu prüfen, wie die Bauarbeiten für das Festival voranschreiten. Ich hatte gehofft, du könntest mir mehr darüber erzählen. Mich ein bisschen rumführen.“
Er ließ den Blick zu ihren unpraktischen Schuhen wandern. Die High Heels waren unglaublich sexy, und der Kontrast zwischen dem eleganten schwarzen Leder und ihrer cremefarbenen Haut war beinah zu viel für ihn. „Tut mir leid, aber ich kann nicht zulassen, dass du in diesen Schuhen über die Baustelle spazierst. Viel zu gefährlich. Du könntest dich verletzen, und das würde ich mir nie verzeihen.“
„Also kannst du mir gar nichts zeigen? Ich muss meinem Dad aber irgendwas erzählen, wenn ich zurück ins Büro komme.“ Ein Hauch von Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit.
„Ich vermute, dein Dad ist Winston Alderidge?“
„Genau. Du bist doch nicht etwa einer unserer Kunden?“
Jack räusperte sich und versuchte, sich den Tag nicht von seinen Erinnerungen an sein Zusammentreffen mit dem Bankier verderben zu lassen. „Nein. Absolut nicht.“
„Das hätte mich auch gewundert.“
Jack ignorierte die subtile Anspielung darauf, dass jemand wie er garantiert kein Konto bei der Alderidge Bank hatte, die stattliche Mindesteinlagen voraussetzte. Er würde Lexi nicht verraten, dass auch ein Mann, der sich nicht scheute, sich bei einem wichtigen Bauprojekt selbst die Hände schmutzig zu machen, so viel Geld haben konnte, dass er gar nicht wusste, was er damit anfangen sollte. „Ich könnte dir die Pläne zeigen und dir erklären, wie weit wir sind.“
„In Ordnung.“
„Komm mit.“ Jack winkte sie zu dem Arbeitstisch hinüber, auf dem die Baupläne lagen. Wieder stieg ihm ihr süßer Blütenduft in die Nase. Es war ein himmlischer Geruch, wie von einer Wildblumenwiese im texanischen Hochsommer. „Vor dem Festival ist noch eine Menge zu tun. Hier werden die Bühnen errichtet, aber wir bauen auch mehrere VIP-Bereiche und Küchen. Außerdem verlegen wir Wasser- und Elektroleitungen. Alles aus einer Hand.“
„Wow.“ Lexi beugte sich näher zu ihm, um die Pläne zu betrachten. Sie war sich ihrer Wirkung auf ihn offensichtlich nicht bewusst. Eine Welle prickelnder Wärme durchlief Jack. Es war nicht lange her, dass er einer Frau so nahe gewesen war, aber ein ganzes Leben, dass eine ihn so fasziniert hatte.
„Meinst du, dass ihr das alles rechtzeitig fertig bekommt?“, fragte Lexi, drehte sich um und ließ den Blick über die Baustelle schweifen. „Ich verstehe nicht viel davon, aber es kommt mir wie eine sehr große Aufgabe vor.“
Jack hatte von Anfang an gewusst, dass sie sich mit diesem Festival zu übernehmen drohten. Aber da Rusty Edmond die Geldmittel für das Projekt bereitstellte, glaubte er, dass sie es schaffen konnten. Geld machte alles möglich. Da Jack in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsen war, hatte er diese Lektion mehr als einmal gelernt. „Wir schaffen das schon. Ab sofort arbeiten mehrere Mannschaften in verschiedenen Schichten.“
Lexi lächelte ihn liebenswürdig an. Erneut verspürte er Schuldgefühle, weil er sich vorhin über sie lustig gemacht hatte. „Wenn ich andere Schuhe anziehe, darf ich dann wiederkommen und mir die Fortschritte ansehen?“
Die Aussicht stimmte Jack optimistisch. „Natürlich.“ Er zog eine Visitenkarte aus seiner Tasche. „Hier ist meine Telefonnummer. Ruf einfach an, oder schreib mir eine Nachricht.“
Lexi sah die Karte an. „Soso. Besitzer von Bowden Construction. Sehr beeindruckend.“
Irgendetwas in ihrer Stimme verriet ihm, dass sie eigentlich gar nicht beeindruckt war, aber er ließ es auf sich beruhen. „Ich möchte mich noch mal für mein Verhalten bei deiner Ankunft entschuldigen.“
„Schwamm drüber, Jack.“
„Ich würde es gern wiedergutmachen, wenn ich kann. Wie wär’s mit einem Abendessen? In Royal?“
„Wohnst du dort?“
„Ja. Draußen vor der Stadt.“ Jack erwähnte nicht, dass er ein acht Hektar großes Grundstück und ein eindrucksvolles Architektenhaus mit riesigem Pool besaß. Er war kein Angeber und wollte eine Frau nicht mit materiellen Dingen beeindrucken.
„In Ordnung. Das wäre schön.“
„Schließlich haben wir ja auch was miteinander“, sagte er augenzwinkernd. „Da sollten wir uns schon mal zusammen in der Öffentlichkeit sehen lassen.“