Ein Prinz als Geisel - Walter Brendel - E-Book

Ein Prinz als Geisel E-Book

Walter Brendel

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Beschreibung

Dieses Buch behandelt das Schicksal von Prinz Cem Dschem, der für 20 Tage als Sultan über einen kleinen Teil des Osmanischen Reich herrschte. Er lieferte sich selbst den Ordensritter von Rhodos und einem langjährigen Leidensweg aus. Er wurde von der Kirche aus Geisel gehalten und benutzt und musste seine unüberlegte Handlung teuer bezahlen. Nicht erst seit der Borgia-Geschichte ist er bekannt geworden. Die Zeugen dieser Geschichte haben längst das Zeitliche gesegnet, aber bei den heutigen historischen Ermittlungsmethoden ist es nicht schwierig, die Toten reden zu lassen, wenn es sich um einen bedeutenden Fall handelt. Sie werden die Aussage kaum verweigern, denn sie berührt das alles nicht mehr. Das Einzige, was sie zu befürchten haben, ist die Verurteilung durch die Historie. Doch ein solches Urteil schadet niemandem, da es in Abwesenheit gefällt und bedingt ausgesprochen wird.

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Walter Brendel

Ein Prinz als Geißel

Impressum

Texte:             © Copyright by Walter Brendel

Umschlag:      © Copyright by Gunter Pirntke

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

[email protected]

Inhalt

Impressum

Der Tod des Eroberers und der Bruderkampf

Die Todesnachricht

Die kurze Zeit als Herrscher

In der Gewalt der Rhodos-Ritter

In der Gefangenschaft der Mächte

Dschems Krankheit

Der Fall Dschem entwickelt sich

Die weibliche Verführung

Die letzte Zuflucht

In den Mauern des Vatikan

Tod bei den Borgias

Das Ende der Anderen

Schlussakkord

Zusammenfassung

Dieses Buch behandelt das Schicksal von Prinz Cem Dschem, der für 20 Tage als Sultan über einen kleinen Teil des Osmanischen Reich herrschte. Er lieferte sich selbst den Ordensritter von Rhodos und einem langjährigen Leidensweg aus. Er wurde von der Kirche aus Geisel gehalten und benutzt und musste seine unüberlegte Handlung teuer bezahlen. Nicht erst seit der Borgia-Geschichte ist er bekannt geworden.

Die Zeugen dieser Geschichte haben längst das Zeitliche gesegnet, aber bei den heutigen historischen Ermittlungsmethoden ist es nicht schwierig, die Toten reden zu lassen, wenn es sich um einen bedeutenden Fall handelt. Sie werden die Aussage kaum verweigern, denn sie berührt das alles nicht mehr. Das Einzige, was sie zu befürchten haben, ist die Verurteilung durch die Historie. Doch ein solches Urteil schadet niemandem, da es in Abwesenheit gefällt und bedingt ausgesprochen wird.

Der Leidensweg Dschems soll nachfolgend aufgezeigt werden.

Der Tod des Eroberers und der Bruderkampf

Dschem wurde am 22.12.1459 drittgeborene Sohn von Fatih Sultan Mehmed. Seine Mutter war eine Frau im Harem, deren Name mit Cicek (türkisch für Blume) bekannt ist, vermutlich eine serbische Prinzessin. Dschem ist der einzige Sohn, den Mehmed II. zeugte, nachdem er den Thron bestieg. Dschems ältere Brüder waren der spätere Bayezit II. und dem drei Jahre jüngeren Mustafa (geb. 1450).

Sowohl Bayezit als auch Mustafa waren 1457 von ihrem Vater als Provinzgouverneure eingesetzt worden und nach Amasya beziehungsweise Manisa entsendet worden. Sie waren zu diesem Zeitpunkt neun beziehungsweise sieben Jahre alt. Ihre Posten traten sie in Begleitung ihrer jeweiligen Mütter und begleitet von Lehrern und Beratern an. Wie später auch ihr Bruder Dschem erhielten sie eine sorgfältige Erziehung in Geographie, Geschichte, Literatur und Naturwissenschaften.

Ähnlich wie seine beiden älteren Brüder wurde auch Cem im Alter von acht Jahren von seinem Vater als Provinzgouverneur eingesetzt. Gemeinsam mit seiner Mutter sowie zwei Tutoren nach Kastamonu im Norden Anatoliens. Nach den Überlieferungen von Sadüddin wurde er von seinen Lehrern auch in Persisch und Arabisch unterrichtet, was später bedeutsam für seine Dichtkunst sein sollte.

Dschem kehrte nach Istanbul erstmals kurzfristig im Jahre 1470 anlässlich seiner Beschneidung zurück. Im Februar 1472 wurde Dschem erneut nach Istanbul beordert und von seinem Vater als Regent eingesetzt, während er gemeinsam mit Dschems älteren zwei Brüdern auf einen Feldzug in Ostanatolien begab. Nachdem im Winter 1472 über vierzig Tage lang keine Nachrichten aus Ostanatolien eintrafen, nahmen die Gerüchte zu, dass Mehmed II. in Ostanatolien gestorben und seine Armee vernichtet worden sei. Auf Rat seiner Berater ließ sich Dschem als neuer Sultan ausrufen. Kurz darauf trafen Nachrichten ein, dass Mehmeds II. Feldzug erfolgreich gewesen war und sowohl er als auch seinen beiden ältesten Söhne wohlbehalten waren. Dschem floh, weil er den Zorn seines Vaters fürchtete. Mehmed II. verzieh ihm allerdings seine voreilige Thronbesteigung und 1473 kehrte Dschem auf seinen Posten als Provinzgouverneur nach Kastamonu zurück. Sein Bruder Mustafa erkrankte im Frühjahr 1474 schwer und nachdem er im Juni verstarb, setzte sein Vater Dschem an dessen Stelle als Provinzgouverneur von Karaman (Türkei) ein.

Der Überlieferung nach war Mehmed II. eigentlich unglücklich, Vater eines dritten Sohnes geworden zu sein, da er die üblichen blutigen Erbkriege fürchtete. Schließlich hatte Mehmed II. seinen Halbbruder Ahmet unmittelbar nach dem Tod seines Vaters hinrichten lassen. In einem seiner Edikte legte Mehmed II. später fest, dass es seinem Nachfolger freistünde, seine Brüder beziehungsweise Halbbrüder hinrichten zu lassen, um so den Frieden im Osmanischen Reich zu sichern.

Die Osmanen sind die Dynastie, die das Osmanisches Reich 1299 gegründet und bis 1923 weitestgehend beherrscht haben, ist die Bezeichnung für das Reich der Dynastie der Osmanen von ca. 1299 bis 1923. In Europa wurde das Land auch damals als "Türkei" bezeichnet.

Wappen der Osmanen: Die Sonne (mit dem Siegel des jeweiligen Herrschers) symbolisiert das Kalifat, der Mond (mit der Inschrift: Die Fürsten des osmanischen Reichs bauen auf die Hilfe und Erfolg durch Allah) die Fürsten, die Waffen die Macht, die Blumen Liebe und Dialog, Die Waage die Gerechtigkeit, das Buch die Rechtstaatlichkeit und Bindung an das Buch Gottes, Die Orden unten symbolisierten besondere Persönlichkeiten

Die Überlieferungen über die Anfangszeit der Osmanen sind nur spärlich, wohl weil es sich um ein kleines unter vielen Fürstentümern handelte, die es nach der Zerschlagung des Seldschuken-Reiches in Kleinasien gab. Der Namensgeber Osman I. war zu Anfang des 14. Jahrhunderts der Herrscher über einen nomadischen Stamm, den Klan der Kynyk vom Stamm der Kayi bei Söğüt im nordwestlichen Anatolien, der turkmenischer Herkunft und Muslim war. Um 1299 erklärte Osman I. die Unabhängigkeit seines Beyliks vom Reich der Rum-Seldschuken. Dieses Jahr wird daher traditionell als das Gründungsjahr des Osmanischen Reiches angesehen. Nach zwischenzeitlichen Wirrungen im Osmanischen Interregnum gab es eine mehrere Jahrhunderte währende Herrschaft.

Am 29. Oktober 1923 wurde in der Türkei offiziell die Republik ausgerufen. Der letzte Sultan, Mehmed VI., und alle Angehörigen der Dynastie Osman mussten das Land für immer verlassen.

Sultan Mehmed II. (Fatih) wurde 1430 (ein genaues Datum wurde nicht ermittelt) geboren. Er war der 7. Sultan der Osmanen und regierte von 1451 bis 1481. Den Titel "Fatih" (Eroberer) nahm er an, nachdem er Konstantinopel erobert hatte.

Mehmet II. war der Sohn von Sultan Murat II. und dessen Ehefrau Huma Hatun und er war Vater von fünf Kindern (Tochter: Gevrehana Sultana; Söhne: Mustafa, Bayezit II., Cem, Korkut). Er hat zur Zeit der Osmanen mit die meisten Eroberungen zu verzeichnen.

Mehmet II. galt als erfolgreicher Staatsmann und vor allem Militärführer, ausgebildet von dem damals berühmten islamischen Gelehrten Akşemseddin. Er sprach angeblich sieben Sprachen flüssig und galt als Förderer von Literatur und Wissenschaft. Er ließ byzantinische philosophische und theologische Werke ins Arabische übersetzen.

Mehmet II.

Sein politisches Hauptziel war die Ausschaltung Byzanz' und die Eroberung Konstantinopels. Die Hauptstadt des oströmischen Reiches fiel am 29.5.1453 (Mehmet II. war erst 23 Jahre alt) und wurde sogleich als Istanbul neue Hauptstadt des Osmanischen Reichs. Seitdem ließ Mehmet II. sich mit Beinamen "Fatih" nennen.

Neben diesem Sieg erweiterte er das osmanische Gebiet um große Territorien in Europa wie in Serbien, Griechenland (Morea), die Walachei, Trapezunt, Bosnien, Karaman und Albanien. Er stieß sogar bis nach Italien vor und nahm die Stadt Otranto ein, welche allerdings nach seinem Tod wieder aufgegeben wurde.

Sultan Mehmet II. stärkte die osmanische Flotte mit dem Ziel die venezianische Seehegemonie im Handel herauszufordern, was auch gelang. Zu diesem Zweck machte er durch die Eroberung der Halbinsel Krim (1475 n.Chr.) das Schwarze Meer zu einem osmanischen Binnenmeer.

In 1478 erließ Mehmet II. einen Ferman und bestätigte damit gegenüber Geistlichen in Bosnien die Glaubensfreiheit nach der Eroberung des Landes.

Neben seinen militärischen Eroberungen führte er eine zentralisierte und effektive Verwaltung des Reiches ein. Ebenso gab er eine schriftliche Gesetzessammlung des Hauses Osman heraus [Kanunname-i Aali Osman]. Mehr als 300 Moscheen, 57 Madrasa und 59 Bäder wurden unter seiner Herrschaft errichtet. Der Der Topkapi-Palast in Istanbul wurde zum neuen Herrschaftssitz. Er machte sich auch daran die Hagia Sophia umzubauen.

Mehmed II. hinterließ seinen Nachfolgern ein grausames Gesetz zur Legitimierung des Brudermordes.

Der Brudermord, zuweilen auch Kainismus genannt, wird die Ermordung des eigenen Bruders bezeichnet. Er ist eine der schlimmsten Sünden und größten Verbrechen im Islam. Das erste dokumentierte Verbrechen der Menschheitsgeschichte ist der Mord Kains an Abel.

Kain und Abel von Jacopo Robusti (1514-1594); Öl auf Leinwand; 149 x 196 cm; Venedig, Accademia

Im Osmanischen Reich war der Brudermord beim Amtsantritt eines neuen Herrschers im Zeitraum 15. bis 17. Jh. n.Chr. durchaus üblich, wobei selbst unschuldige Kleinstkinder ermordet wurden. Den Brudermord hat Fatih Sultan Mehmed offiziell als Gesetz eingeführt und damit gestattete es seine Nachkommen, den Brudermord durchzuführen, wenn es die "Ordnung der Welt" erfordere. Zahlreiche Hofgeistliche erließen Rechtsurteile, die selbst den Babymord als geringeres Übel bezeichneten mit der Begründung, dass der später Erwachsene zur Spaltung des Reichs führen könnte.

Das größte Massaker in diesem Bereich bewirkte Mehmed III., der 16 seiner Brüder ermorden ließ und diese zusammen mit ihrem Vater beigesetzt wurden. So stand auch die gesetzliche Lage hinsichtlich der Thronfolge gegen Dschem.

Am Morgen des 3. Mai 1481 wurde der Großwesirs Nischandschi Mehmed Pascha aus dem Schlaf gerissen.

Ein Peyk des Sultans teilte mit, dass Mehmed Chan verstorben war. Mehmed Chan hätte für seinen Tod keine ungünstigere Stunde wählen können. Der Tod durfte nicht sofort bekannt werden. Der Peyk und der Peschkirdar des Sultans, die vom Tode Mehmeds wussten, wurden schnell auf Veranlassung des Großwesirs von dessen stummen Diener, einen Sudanesen, im Zelt des Großwesirs erdrosselt, in den Teppich eingerollt und am Abend verscharrt.

Die Zeit der Herrschaft des Sultans war mit keiner anderen Epoche zu vergleichen. Die Menschen in den damals bekannten Teilen der Welt huldigten zwei Propheten - Mohammed oder Christus. Sultan Mehmed der Eroberer aber hatte seinen eigenen Gott - den Sieg. Für ihn tat er bedenkenlos alles. Nicht einmal die Kirche, der sich selbst Herrscher wie Osman und Orhan gebeugt hatten, vermochte ihn zurückzuhalten. Der Eroberer nahm ihr kurzerhand alle Ländereien und gab sie seinen Spahis zu Lehen, wodurch er sich eine Truppe mit ungeahnter Schlagkraft sicherte. Natürlich zog er sich dadurch den unversöhnlichen Hass der Geistlichen zu. Doch er war so mächtig, dass er ihnen unbedenklich den Rücken zuwenden konnte, der, ebenso lang wie breit, ihnen sogar noch Respekt einflößte.

Mehmed der Eroberer machte keinen Unterschied zwischen Rechtgläubigen und Giaurs. Jeder, der ihm dienen wollte und dazu in der Lage war, wurde in Stambul und im Topkapy aufgenommen. Als er vor Rhodos keinen Erfolg hatte, verkündete er in der ganzen Alten Welt, dass er einen Meister suche, der ihm einen Plan für die Belagerung der Ritterinsel entwerfen könne. Unter den Dutzenden Deutschen, Engländern und Franzosen gewann ein gewisser Meister Georg aus Preußen den Preis. Mehmed Chan wog die Zeichnungen reichlich mit Gold auf, und noch einmal so viel Gold schüttete er vor diesen Georg hin, dessen Familiennamen niemand erfuhr.

Für den Eroberer stand der Sieg über allem, dass man ihn aber nicht erringen konnte, wenn man sich von Verboten, Bedenken oder Gewissensbissen abhalten ließ. Mehmed Chan hatte, wie man heute sagt, keinerlei Vorurteile. Deshalb waren im Lager Ungläubige und Ketzer, nur durch den Namen Mehmed Chans zusammengeführt. An diesem Tag sollte das gewaltige Heer wieder aufbrechen. Wohin es gehen sollte, hatte der Sultan noch nicht verraten. Konnte man auch Siege ohne ihn erringen?

Der Verstorbene war vor allem war er lächerlich klein. Man sagt, dass gerade auffallend kleine Menschen großen Ehrgeiz in sich nähren. Historisch ist es bewiesen durch Friedrich den Großen und Napoleon. Mehmed Chan litt unter seiner Kleinheit. Bei jeder Begegnung mit ihm wurde festgestellt, dass er, der die halbe Welt beherrschte und die andere Hälfte bedrohte, hoch aufgereckt auf dem Diwan saß, während er seine Ratgeber auf dem Fußboden Platz nehmen ließ, damit er sie um einen Kopf überragte.

Bei ihm schien die Natur aus dem für einen großen Menschen bestimmten Fleisch einen kleinen geformt zu haben, indem er ihn nach unten zusammendrückte. Mehmed Chan vermochte die Finger nicht vor seinem Bauch zusammenzulegen: wenn er saß, berührten seine Füße nie den Boden, sie schaukelten bei jedem seiner häufigen Zornes- oder Freudenausbrüche. Er konnte urplötzlich von einer Stimmung in die andere verfallen. Seine Missgestalt zeichnete sich aber durch einen außerordentlich lebhaften, scharfen und tiefen Verstand aus. Ein kluger Mensch ist niemals grundhässlich, das gibt es einfach nicht. Und obwohl dem Sultan ein mehr breites als langes Gesicht gegeben hatte, obwohl ihm das Doppelkinn bis auf die Brust hing, obwohl ihm eine überaus schmale, gebogene Nase gewachsen war, zu der der kleine Mund mit der vorgewölbten dicken Unterlippe in keinem Verhältnis stand, und obwohl seine Augen den Löchern in einer Zielscheibe ähnelten, wirkte Mehmed Chan nicht hässlich.

Der tote Sultan wurde in einer Sänfte durch das Lager getragen. Voraus ritten die alle Baltadschis des Sultans und es folgten zwei Abteilungen Janitscharen.

Warum diese Geheimniskrämerei? Die hier Versammelten hätten sofort einen Aufstand angezettelt, wäre ihnen die Kunde vom Tod des Herrschers zu Ohren gekommen. Nach dem Tod eines Sultans meuterte das Militär und jeder, der von der Wesirwürde träumte, verteilte sein ganzes Vermögen unter die Janitscharen und die Geistlichkeit, um sie für sich zu gewinnen und eben an diesem Tag des Interregnums auszunutzen. Sie würden seinen Tod nutzen. Und sie hatten jemanden, auf den sie setzen konnten. Völlig rechtmäßig, sogar ohne Gewalt. Ihre Stütze war der Schehsade Bajezid. Man sprach viel von seinen Talenten. Er sei ein ausgezeichneter, unübertrefflicher Bogenschütze, hieß es, beherrsche gründlich die heiligen Schriften und verstehe zu reden.

Erzählt wurde, dass seine Tugenden offenkundig seien, ja dass er sie förmlich zur Schau trage, während er seine Laster geschickt verberge. Aber ohnehin hätte niemand Laster bei ihm vermutet. Der damals junge Mann hatte eine sehr wichtige Charaktereigenschaft: Selbstbeherrschung. Niemals ließ er vor fremden Augen seinem Zorn oder einer naiven Freude freien Lauf, wie es sein Vater gern tat. Bei ihm wusste man nie, was ihm gefiel und was ihn ärgerte. Aber gerade diese aalglatte Vollkommenheit stieß viele ab. Der Großwesir hielte die Begeisterung der Janitscharenaghas, der Mullas und einiger alter oder abgesetzter Wesire für Bajezid für ausgesprochen kurzsichtig. Ein Mann wie Bajezid würde die eigene Mutter hinters Licht führen, dessen war er sich sicher. Die Geistlichen bauten offensichtlich darauf, dass ein Kenner der göttlichen Wissenschaften und friedfertiger Rechtgläubiger sie aus der Erniedrigung und der Armut herausführen werde, in die der Eroberer sie gestoßen hatte. Eben diese Hoffnungen aber brachten den Großwesir auf den Gedanken, dass Bajezids Edelmut wie alles andere an ihm kein Zufall war. Er hegte sie bereits zu der Zeit, da Mehmed Chan seine Söhne wegschickte und den einen in Amasya, den anderen in Konya zu Statthaltern machte.

Diese Maßnahme wird unterschiedlich ausgelegt: Vielleicht fürchtete Mehmed eine Verschwörung seiner Söhne und innere Wirren, vielleicht sollten sich die beiden Prinzen im Regieren üben. Die wahre Ursache aber war, dass Mehmed Chan so fest mit dem Leben und all dem verwachsen, was es ihm gab und was er noch von ihm zu bekommen hoffte, dass er nicht ständig sein Los in Gestalt seiner Söhne vor Augen haben wollte, die auf den Tod ihres Vaters warteten, um selbst die Herrschaft anzutreten. Ein Anlass, derlei Gerüchten Glauben zu schenken, war auch die Tatsache, dass er seine Enkel als Geiseln in Stambul zurückhielt. Mehmed Chan überließ sich nicht dem Zufall, er lenkte stets das Schicksal, selbst vom Gipfel seiner Macht aus, und versäumte keine Gelegenheit, sich zu sichern.

Trotz der Abneigung gegen Bajezid, dessen Inthronisation das Land ohne Zweifel weit zurückwerfen würde, war es die Pflicht, ihm die Trauerbotschaft zu übermitteln und die Hauptstadt zu halten, bis er eintraf, um die Herrschaft anzutreten.

Der Großwesir wollte am Morgen des dritten Mai versuchen, das Schicksal zu überlisten. Dass er Mehmed Chans Tod geheim hielt, konnte nicht als Unbotmäßigkeit gegenüber dem Schehsade Bajezid ausgelegt werden. Im Gegenteil, man musste ihn dankbar sein, weil ich dadurch den Aufstand der Janitscharen bis zur Thronbesteigung hinausschob.

Der Zug mit dem toten Sultan hatte Skutari am Bosporus erreicht. Man ließ absichtlich die Träger und die Batadschis zusammen mit der Sänfte auf das Floß gehen. Die beiden Janitscharenabteilungen folgten in mehreren großen Booten.

Die Straßen waren fast leer. Das Militär biwakierte auf der Hunkjar Tschairi, und waffenlose Bürger lebten in Stambul noch immer wenige, denn die Stadt hatte sich von den langen Belagerungen und von der Eroberung noch nicht erholt. Die Wächter vor dem Serail öffneten eiligst das Tor. Man durchquerten die drei leeren Höfe - auch die Palasttruppen lagen auf der Hunkjar Tschairi - und langten endlich vor Mehmed Chans Gemächern an.

Im dritten Hof war wurde der Leichnam hineingeschafft und ihn auf das Sultanslager gebettet. Draußen warteten die Träger, die Baltadschis. Wortlos wies der Großwesir auf den Eingang der neuen Schatzkammer. Sie war leer. Mehmed Chan hatte keine Zeit mehr gehabt, seine Schätze von Jedikule hierher bringen zu lassen. Nacheinander traten alle, die den Sultan auf seinem letzten Weg begleitet hatten, in das dunkle Gewölbe. Der Großwesir drehte den Schlüssel um und hängte ihn zu dem anderen an seinen Gürtel. Er hatte viel Zeit gewonnen und nun galt es, den Vorsprung klug zu nutzen.

Im Diwanhane schrieb er eigenhändig die Briefe. Nachdem der Erste fertig war, saß er lange im Halbdunkel. Es sah aus, als sammelte er Kraft für den zweiten Brief - sein Todesurteil. Wer von den beiden Sultanssöhnen auch den Thron bestieg, er würde es nicht verzeihen, dass er zwei Briefe geschrieben, also doppeltes Spiel getrieben hatte. Rasch schrieb er nun den zweiten Brief. Er enthielt nur wenige Zeilen. Er steckte ihn ein und trat mit nur einer Papierrolle in der Hand hinaus. Den Kurier, den er brauchte, fand er rasch, einen ergebenen Analphabeten. Er befahl ihm, nach Amasya zu reiten und auf jeder Station die Pferde zu wechseln. Nach seiner Rechnung würde er elf Tage bis zu Bajezid brauchen.

Nach dem zweiten Boten suchte er länger. Keiner schien zuverlässig genug, ihm sein Leben anzuvertrauen. Schließlich beauftragte er den Stummen und klebte ihm seinen Brief auf die schwarze Haut. Nach Konya zu Dschem.

Nun begann eine Wartezeit. Sie endete schon am Abend des nächsten Tages.

Durch die Straßen von Stambul nahten Truppen. Wessen Truppen? Es konnten nur die von der Hunkjar Tschairi sein, andere gab es nicht. Offensichtlich war Mehmed Chans Tod im Lager doch bekannt geworden, und nun zogen sie heran, um sich das Rauben und Brennen nicht entgehen zu lassen. Vergeblich war der Versuch geblieben, Asien von Europa zu trennen – der Großwesir hatte tags zuvor jedes Überqueren der Meerenge verboten.

Man hörte die Schreie im Juden- und im Griechenviertel, ich sah den Widerschein der Flammen im Bosporus. An Flucht dachte der Großwesir nicht - sein Konak war von Janitscharen umstellt.

Dann kam auch sein Ende. Am Abend des fünften Mai 1481 wurde er erschlagen.

Die Todesnachricht

Der stumme Schwarze wurde um die Mittagszeit des achten Mai von Soldaten des Sinan Pascha gestellt.

Sinan Pascha war eigentlich Grieche. Er wurde mitgenommen, als man Knaben für die Janitscharen aushob. Dann tat er sich hervor, wurde Agha und gewann bei den Kämpfen um Stambul Mehmed Chans Gunst. Als Grieche war er ja dort zu Hause, er kannte die Sprache und die Wege, machte sich also sehr nützlich. Damals gab ihm Mehmed Chan seine Tochter zur Frau, das heißt - wie soll ich sagen - nicht seine Tochter, sondern die Tochter der Frau, die ihm vorher seinen Sohn Bajezid geboren hatte. Der Sultan hatte sie einem einflussreichen Mann abgetreten, und von dem bekam sie diese Tochter, die also eine Schwester des Schehsade Bajezid war, ohne dass des Sultans Blut in ihr floss.

Durch diese Heirat ging es mit Sinan Agha so rasch bergauf, dass er bald Pascha wurde. Nachdem er nacheinander mehreren Verwaltungsgebieten vorgestanden hatte, erhielt er schließlich die Statthalterschaft von Anatolien. Er nahm den Brief und las:

„An meinen hochrühmlichen Herrn und Gebieter. Heute, am 4. Rebi'-ül-ewwel des Jahres 886, verschied in Allah der hochedle Sultan Mehmed Chan Ghasi. Sein Tod wurde dem Heer geheim gehalten, das auf der Hunkjar Tschairi lagert. Ich erwarte die Befehle meines hochrühmlichen Herrn."

Warum diese Eile, und warum hat der Brief keine Unterschrift?

Wäre die Nachricht für Bajezid bestimmt, für meinen Schwager, dann brauchte man sie nicht geheim zu halten. Sie ist einem anderen zugedacht. Aber wem? Fragte sich Sinan Pascha.

Seit Langem wurde davon geredet, dass Mehmed Chan noch nicht wisse, wem er das Reich vererben solle, und deshalb seine beiden Söhne in weit entfernte Provinzen geschickt habe. Die Würdenträger nämlich und die Mullas hielten zu Bajezid, die Krieger aber sahen in Dschem den künftigen Herrscher. Daher hatte Mehmed Chan gezögert.

Der Pascha riss die Augen auf. Wie kann man es wagen? Hier war schnelles Handeln erforderlich.

Ihn lockt die Aussicht, Schwager des Sultans zu werden. Sinan Pascha befahl, sofort den Stummen aus der Welt zu schaffen und einen Boten mit zwanzig Mann auf den Weg nach Amasya zu senden; den Schehsade Bajezid aufzusuchen und den Brief zu übergeben.

Der Bote dachte, wie kann ein Rechtgläubiger sich gegen das heilige Gesetz auflehnen? Und Bajesid Chan hatte das Gesetz auf seiner Seite, er war im Recht. Sollte er sich in die große Politik einmischen?

Am zwölften Mai um die Mittagszeit erreichte der Brief Amasya. Kurz danach in den Straßen von Amasya, wimmelte es von Menschen. Jeder wollte Bajezid sehen, wenn er in schwarzen Kleidern durch die Stadt ging, wie es die Sitte verlangte.

Bayezit wurde am 3.12.1447 als Sohn von Fatih Sultan Mehmed und dessen Haremsfrau Gülbahar in Demotika geboren.

Der Sohn des Sultans war barfuß. Das war sonst nicht üblich, aber er tat es, um zu zeigen, wie tief und demütig er trauerte. Er trug ein schmuckloses schwarzes Gewand, das bis auf den Boden reichte und mit einem Strick zusammengehalten wurde. Schwarz war auch sein Turban.

Bajezid Pascha ähnelte seinem Vater überhaupt nicht. Er war zwar ebenfalls klein, aber nicht dick, sondern klapperdürr wie ein Asket. Deshalb beherrschte er wahrscheinlich auch von allen männlichen Fertigkeiten nur das Bogenschießen - dazu braucht man nicht viel Kraft und keinen sonderlichen Mut, denn man ist weitab vom Feind. Er sah in dem feierlichen Zug ziemlich albern mit seinen bloßen Füßen aus.

Offensichtlich war er noch nie barfuß gegangen, denn er lief wie auf Dornen. Seine Füße waren genauso dünn wie seine Waden, sie hatten spitze Fersen und schmale Sohlen wie bei einer Frau. Ähnlich wirkten auch die Arme. Er hielt sie über dem Gürtel verschränkt wie ein Derwisch. Auch das bleiche, seltsam versonnene Antlitz hätte eher zu einem Derwisch oder einem Mulla gepasst. Man sagte, das sei ein Zeichen von großem Verstand, die Klugheit habe ihm die Kraft genommen. Bajezid hielt nur wenige Diener und noch weniger Pferde. Unter den Kriegern galt er seit langem als Geizhals. Seine ganze Hofhaltung wirkte ärmlich.

Der Schehsade Bajezid bereitete sich bis zum Abend auf den Zug nach Stambul vor. Er rüstete seine Truppe aus wie für eine Schlacht – man sah jetzt, dass sie gar nicht so klein war. Mehmed Chan dürfte kaum gewusst haben, wie viele Soldaten sein Sohn, der angebliche Knauser und Frömmler, hatte. Und seine Krieger wirkten durchaus nicht verhungert.

Von Skutari aus wirkte Stambul friedlich, nur zwei oder drei Stadtteile waren niedergebrannt. Die Krieger des Schehsade Bajezid verteilten sich am Ufer. Jeder versuchte herauszufinden, was drüben in Stambul für ein Empfang vorbereitet wurde. Bajezid befahl zwei seiner Aghas, überzusetzen und im Serail zu melden, dass der neue Sultan vor seiner Hauptstadt stehe.

Noch bevor die Aghas wieder auftauchten, wurde es drüben am Ufer lebhaft. Menschen liefen an den Kai - Janitscharen. Die Vornehmen der Stadt, die Janitscharen und viel Volk bestiegen alles, was im Hafen lag - Boote. Schiffe und Flöße. Im nächsten Augenblick bedeckte eine solche Menge Fahrzeuge die Meerenge, dass man kaum noch das Wasser sah. Allen voran nahten mehrere Wesire. Da befahl auch Bajezid seinen Leuten, zu Wasser zu gehen.

Stambul hatte Bajezid bereits zum Padischah erkoren.

Nach der Begrüßung stieg Bajezid Chan, gestützt von Is'hak Pascha (dem Nachfolger des zehn Tage zuvor umgebrachten Großwesirs Mehmed Pasdia) unter dem wachsenden Jubelgeschrei der Bevölkerung in ein goldbeschlagenes Boot um.

Als erstes ordnete Bajesid das Begräbnis seines Vaters an. Man hörte, dass Mehmed Chans Leichnam in den vergangenen drei Wochen schon fast verwest sei - der Mai ist warm in Stambul. Er wurde in eine Bleikiste gelegt, die man verlötete und von außen vergoldete, und damit war die Sache erledigt.