Ein Rucksack voller Träume - Elisa Beth - E-Book

Ein Rucksack voller Träume E-Book

Elisa Beth

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Beschreibung

Eine schicksalshafte Begegnung auf ihrer Trauminsel La Palma bestimmt Hannas Leben. Sie erlebt mit Karl eine Beziehung, die von Anfang an schwierig und von einem ständigen Auf und Ab geprägt ist. Tief in ihrem Herzen verwurzelt glaubt sie an die Macht der Liebe. Deshalb trifft sie die Erkenntnis bitter, dass es kein Miteinander geben kann. Aber da ist noch etwas, das sie noch nicht aufgeben lässt...

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Cover- Bilder aus persönlichem Archiv

Sprüche und Weisheiten von Dagmar Schulz, Heike Kaiser, Cornelia Caser, Renate Berger, Angelika Fesenmeyer, Petra Michels, Andrea Buschlinger, Maria H. und Krümel von Sprüche app aus dem Internet

Mache niemanden zu deiner Priorität, für den du nur eine Option bist.

Maya Angelou

Inhaltsverzeichnis

Zur Entstehung dieses Buches

2019

Januar

Februar

März

August

September

Oktober

November

Dezember

La Palma

2020

Januar

Februar

März

April

Mai

Juni

Sehnsucht

Juli

August

September

Oktober

November

Juli

August

September

Oktober

November

2022

Januar

Das kranke Herz

Anmerkung der Autorin

Zur Entstehung dieses Buches

Da war sie wieder, die Frau mit dem bunten Kaftan und einem Sombrero ähnlichen Sonnenhut. Sie setzte sich an einen der Tische, rückte ihren Stuhl so hin, dass sie ihren Blick auf das Meer richten konnte, legte ihre knallgelbe Umhängetasche auf den Tisch neben sich und schaute in die Runde. Unsere Blicke begegneten sich, sie lächelte mich freundlich an, ich lächelte zurück. Dann nahm sie ein kleines Büchlein und einen Stift aus ihrer Tasche und legte beides ebenfalls auf den Tisch. Sie legte auch den Sonnenhut ab, er bekam einen Platz auf dem Stuhl neben ihr, und schüttelte ihr langes mittelblondes Haar, das ihr in sanften Wellen über die Schultern fiel. Wieder stellte ich mir die Frage, wie alt sie wohl sei? Ihre leicht gebräunten Gesichtszüge waren weich und von meinem Platz aus konnte ich keine Falten erkennen. Das Rot ihrer Lippen war zwar sehr intensiv, passte aber irgendwie zu ihrer schillernden Erscheinung. Auch ihre Arme ließen keine „Winkfahnen“ erkennen, wie sie bei älteren Frauen oft zu beobachten sind. Sie strahlte Ruhe und Zufriedenheit aus. Für mich besaß sie eine nicht in Worte fassbare Ausstrahlung, alles war irgendwie ganz selbstverständlich, was sie tat. Vielleicht war es das, was meine Neugier geweckt hatte.

Es dauerte einige Minuten, dann erschien die Bedienung an ihrem Tisch und fragte sie: „Como siempre?“ (Wie immer?) „Si, por favor, un cafe con leche descofeinado de machina en baso y un bocadillo con mucho vegetal, ceso blanco, huevo frito y ayoli (Ja, bitte, einen Kaffee mit Milch, ohne Koffein, aus der Maschine, im Glas und ein belegtes Brötchen mit viel Gemüse, Ziegenkäse, frittiertem Ei und Ajoli).

Der Frage der Bedienung nach kam sie oft in diese Bar. Während sie auf ihr Frühstück wartete, las sie in dem Büchlein und fügte hier und da etwas dazu. Es dauerte nicht lange, da brachte die Bedienung das Brötchen und den Kaffee. Sie schob das Glas mit dem Kaffee etwas zur Seite und begann, ihr Brötchen zu essen. Langsam und bedächtig kaute sie und schaute dabei in Richtung Meer. Sie schien ihre Mahlzeit zu genießen. Sie wischte sich sorgfältig ihren Mund mit der Serviette ab, schob den Teller zur Seite und zog sich das Glas mit ihrem Kaffee heran. In kleinen vorsichtigen Schlucken begann sie zu trinken. Sie klappte ihr Büchlein wieder auf und begann etwas aufzuschreiben. Ab und zu nahm sie einen Schluck Kaffee und sah dabei auf das Meer hinaus. Sie schien zu überlegen. Es hatte den Anschein, als würde sie die Welt um sich nicht wahrnehmen, in eine andere Welt eingetaucht sein.

Mir fiel auf, dass sie sehr schnell schrieb, so als befürchtete sie, den Gedanken zu vergessen, bevor sie ihn auf das Papier bringen konnte.

Nach einer Weile, ihren Kaffee hatte sie inzwischen ausgetrunken, schlug sie das Büchlein zu, verstaute es samt Stift in ihrer Tasche, stand auf und ging, um am Tresen ihre Rechnung zu bezahlen. Sie wechselte noch ein paar Worte mit der Besitzerin der Bar, drehte sich dann um, winkte noch kurz und schlenderte in Richtung Strand. Sie setzte sich auf die Mauer, die Strand und Promenade trennten, und schaute auf das Meer. Dort saß sie gleich einer Statue. Manchmal legte sie den Kopf in den Nacken zur Sonne hin und schloss ihre Augen. Ich beobachtete sie, irgendetwas an ihr zog mich magisch an, ohne dass ich hätte erklären können, was genau es war. Mein schriftstellerischer Instinkt war erwacht, diese Frau hatte eine Geschichte zu erzählen, das spürte ich.

Ich beschloss, sie einfach anzusprechen. Gerade als ich aufstehen und meinen Entschluss in die Tat umsetzen wollte, erhob sie sich und schlenderte in Richtung Hafen davon. Immer noch fasziniert schaute ich ihr nach. Na gut, dachte ich, dann ein anderes Mal.

Die Gelegenheit bot sich mir erst einige Tage später. Ich hatte Freunde in Santa Cruz besucht, musste mir eine neue Computermaus kaufen und mein Mietauto umtauschen, weil es Zündprobleme hatte. Damit war ich drei Tage beschäftigt, denn in den beiden Computerläden gab es keine Funkmaus, wie ich sie haben wollte und ich musste extra nach Los Llanos fahren, um mich dort umzusehen und konnte dann im dritten Laden das bekommen, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte.

Auch der Umtausch des Mietautos war nicht ohne Wartezeit möglich, denn momentan war kein Auto mit Automatikgetriebe vorrätig, es musste erst von einer anderen Station abgeholt werden und ohne Auto war ich nicht flexibel und an meine Unterkunft gebunden.

Ich saß nun im Schatten eines riesigen Sonnenschirmes in der Bar und wartete auf die Frau im bunten Kaftan. Da sah ich sie vom Parkplatz oberhalb der Straße herüber kommen. Wir lächelten uns freundlich an und ich beobachtete ihre weiteren Handlungen, die immer dem gleichen Ablauf folgten. Ich beschloss, sie anzusprechen wenn sie aufbrach, um zum Strand zu gehen. Ich war aufgeregt wie ein Teenager beim ersten Date, wie würde sie mein Ansinnen aufnehmen? Die Minuten zogen sich gefühlt endlos hin. Endlich erhob sie sich, bezahlte und ich stand ebenfalls auf, um sie auf ihrem Weg zum Strand abzufangen. Sie wollte gerade an mir vorüber gehen, als ich sie mit „Hola“ grüßte. Sie sah mich erstaunt an, lächelte dann und grüßte „Hola, como esta? (Hallo, wie geht es Ihnen?). Ich sammelte meine wenigen Spanischkenntnisse und antwortete ihr „Muy bien, gracias!“ (Danke, sehr gut!) Sie lachte und fragte mich dann in Deutsch, ob ich sie begleiten und mich etwas mit ihr unterhalten möchte. Ich war froh, dass ich offensichtlich an eine deutsche Touristin oder „Zugezogene“ geraten war, mein Spanisch war doch sehr rudimentär und ich hatte schon Bedenken gehabt, keine fruchtbringende Unterhaltung führen zu können. Wir setzten uns auf die Mauer und ich stellte mich ihr vor. Ihr Name war Hanna. Ich fragte sie, ob sie auf der Insel lebt, sie verneinte es, fügte aber hinzu, dass sie darüber nachdenkt, es zu tun. Dabei sah sie auf das Meer und ich hatte für einen Moment den Eindruck, dass sie mit ihren Gedanken weit weg war. Dann sah sie mich an und fragte, was mich auf die Insel gebracht hatte. Ich erzählte ihr, dass ich ein Buch schreiben wollte, mir aber noch keine zündende Idee gekommen war und ich hoffte, hier Inspiration zu finden. Ich wagte auch den Vorstoß, ihr zu sagen, dass ich sie schon eine Weile beobachtet hatte und irgendwie glaube, dass sie mir da behilflich sein könnte. Sie sah mich lange mit ihren blaugrauen Augen an, als würde sie ergründen wollen, ob meine Absichten ehrlich seien.

Dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht und sie machte mir das Angebot, mir eine Geschichte zu erzählen und wenn ich der Meinung sei, dass es sich lohnen würde, darüber ein Buch zu schreiben, hätte sie nichts dagegen. Ich war erstaunt, wie einfach plötzlich alles gegangen war und freute mich, dass sie mir vertraute.

Wir verabredeten uns für den nächsten Tag zur gleichen Zeit am gleichen Ort, bevor sie mich bat, sie zu verlassen, weil sie noch einige Minuten mit sich allein sein wollte hier am Meer.

Auf dem Weg zu meinem Mietauto ging mir die Begegnung nicht aus dem Kopf, diese Frau war so völlig unkompliziert auf mich zugegangen, als würden wir uns schon Ewigkeiten kennen. Das hatte ich noch nicht oft erlebt, aber mir wurde wieder einmal mehr bewusst, was meine Freundin Marion erzählt hatte über die Magie von La Palma. Nun erfuhr ich sie selbst und diese Frau war ein Teil davon.

Wir trafen uns nun jeden Tag. Ich wartete geduldig, was mir außerordentlich schwer fiel, dass sie ihr Frühstück und ihre Notizen beendete und dann zu mir an den Tisch kam. Die Zeit verging wie im Flug, während sie ihre Geschichte erzählte.

Als wir uns zwei Wochen später voneinander verabschiedeten, hatten wir beide das Gefühl, eine neue Freundin gefunden zu haben. Hanna hatte einen Teil ihres Lebens mit mir geteilt und ich war sehr berührt von dem, was sie erlebt hatte.

Mit „einem Rucksack voller Träume“, Hannas Geschichte, kehrte ich nach Deutschland zurück. Schon einen Monat später hatte ich mein Manuskript fertig. Ich schickte es ihr mit der Bitte um ihre Meinung.

Schon knapp eine Woche später schrieb sie mir eine e- mail, in der sie sich überaus herzlich bedankte. Sie berichtete mir, dass sie beim Lesen noch einmal tief eingetaucht sei in die Situationen und die Gefühle von damals wieder sehr präsent gewesen seien. Sie habe oft geweint und das damalige Geschehen erneut durchlebt. Aber sie habe auch gespürt, dass sie nun mit vielem abschließen konnte. Das war ihr bisher nicht möglich gewesen. Ihre Worte rührten mich sehr, ich spürte die Dankbarkeit, die sie damit verband. Am Ende ihrer so liebevollen Nachricht bat sie mich jedoch, das Manuskript noch nicht zu veröffentlichen, irgendetwas wäre da noch, was sie noch nicht benennen kann aber glaubt, erledigen zu müssen. Natürlich war ich sehr gespannt, was das wohl sein würde. Aber ich musste mich noch ein halbes Jahr gedulden, bevor sie sich wieder meldete.

Deine Träume haben kein Verfallsdatum, gib sie niemals auf!

2019

Januar

2019 hatte nicht gut für Hanna begonnen, ein Infekt hatte sie dahin gestreckt und auch noch einige Wochen danach war sie immer schnell erschöpft gewesen. Das Gute daran war, sie hatte viel Zeit, sich über ihre Pläne für das vor ihr liegende Jahr klar zu werden. Zunächst wollte sie sofort damit beginnen, einen ihrer „guten“ Vorsätze in die Tat umzusetzen, sie wollte mehr für sich und ihr Wohlbefinden tun, endlich wieder einmal Urlaub machen. Ein wenig scheute sie sich noch vor dem Gedanken, allein zu verreisen, fand aber letztendlich die Gelegenheit passend, etwas Neues kennenzulernen und sich ganz auf dieses Abenteuer einzulassen.

Hanna überlegte, wohin ihre Reise gehen könnte. Während draußen dicke Schneeflocken vom Himmel fielen und alles in eine strahlend weiße Winterwelt verwandelte, erinnerte sie sich an zwei Reisen zu den kanarischen Inseln Teneriffa und Fuerteventura, beide hatten einen tiefen Eindruck bei ihr hinterlassen, das Klima, die Sonne und das Meer waren genau nach ihrem Geschmack. Welches Ziel sollte also das nächste sein? Eins war sicher, sie wollte keinesfalls in einem großen Touristenzentrum ihren Urlaub verbringen, ihr schwebte da eher ein ganz individueller Aufenthalt vor. Die Karte der kanarischen Inseln lag vor ihr und irgendwie zog es sie in westlicher Richtung, zum Atlantik hin.

El Hierro, die kleinste der Kanaren erweckte zunächst ihre Aufmerksamkeit. Sie fand jedoch kein passendes Quartier und auch die Anreise schien ihr doch etwas aufwendig. Dann galt ihr Interesse La Gomera, die etwas östlicher davon liegende Insel. Aber auch da wurde sie nicht fündig. Na, dachte sie, dann wird es La Palma. Hier hatte sie schon mehr Glück. Sie fand es ganz toll, dass auf La Palma der Tourismus noch nicht solche Blüten getrieben hatte wie auf Teneriffa und Fuerteventura, wo es wahre Touristenhochburgen gibt, die das Bild der Strände und kleineren Ort prägen. La Palma, das Wanderparadies, hatte es ihr sofort angetan und ihr Entschluss stand schnell fest. Nun ist sie zwar nicht der Wanderfreak, aber die Landschaft auf den Bildern im Internet begeisterten sie und machten sie sogleich neugierig.

Vulkanberge, bewaldet bis auf große Höhe, kleine verschlafene Ortschaften mit den typisch kanarischen Häusern aus Lavasteinen gebaut, schwarzsandige Strände, nicht so ausgedehnt wie auf Teneriffa oder auch Fuerteventura, dafür aber weniger frequentiert und deshalb ruhiger, hübsche Restaurants und Bars und nicht zu vergessen, die fast immer strahlende Sonne und das Meer in seiner unendlichen Weite.

Nachdem sie dann auch noch eine Reportage über La Palma im Fernsehen gesehen hatte, war sie sich sicher, eine gute Wahl getroffen zu haben.

Mögen deine Träume dich dorthin bringen wo dein Herz glücklich ist!

Februar

Ganz euphorisch erzählte Hanna ihrer Freundin Betty von ihrem Vorhaben und fand in ihr eine eben so begeisterte Interessentin wie sie es selbst war. Und so war es schnell beschlossene Sache, dass sie beide im späten Herbst nach La Palma fliegen würden. Hanna war erfreut, die Reise nun doch nicht allein antreten zu müssen. Dank Internet waren Unterkunft und Flug schnell gebucht. Betty hatte noch einen Reiseführer, den sie sich schon vor einigen Jahren gekauft hatte und so saßen beide an so manchem Nachmittag beim Tee und schwelgten in der Vorfreude auf die Erlebnisse auf der grünsten aller Kanareninseln.

Sei gut zu dir! Du hast es dir verdient, dass es dir gut geht! Gönn dir was Schönes! Etwas Ruhe... und Entspannung! Einfach mal die Seele baumeln lassen und sich selbst belohnen!

März

Als sich Hanna am Jahresanfang vorgenommen hatte, mehr für sich zu tun, hatte sie überlegt, wo sie es sich gut gehen lassen könnte.

Unweigerlich war ihr ihre Yogalehrer- Ausbildungsstätte eingefallen, die sich auch nur ca. zwei Autostunden von ihr entfernt befand. Seit einigen Jahren wurden dort auch Ayurvedatherapeuten ausgebildet und es gab eine sehr ansprechende Ayurveda- Oase, die sie immer schon einmal besuchen wollte. So hatte sie sich kurzentschlossen eine Ferienwoche mit Ayurveda- Wellness gebucht.

Voller Vorfreude machte sie sich Anfang März auf den Weg dorthin.

Schon bei ihrer Ankunft kam ihr alles vertraut vor, sie war schon oft zu Ausbildungen da gewesen, aber noch nie zu einer Ferienwoche und war gespannt, was sie erleben würde.

Sie bezog ihr Einzelzimmer, das sich in einem Bereich des Hauses befand, in dem sie sich nie zuvor aufgehalten hatte. Es war spartanisch mit Bett, Regal, Tisch und Stuhl eingerichtet, dennoch gemütlich. In einem Ashram (indisch für Kloster) ging es nicht um Luxus, sondern Zweckmäßigkeit, das kannte sie ja schon von ihren vorherigen Besuchen und fand es auch überhaupt nicht schlimm. Sie hatte immerhin ein eigenes Bad.

Als sie ausgepackt hatte beschloss sie, sich erst einmal im Haus umzusehen und ausfindig zu machen, welche Angebote sie über ihre schon gebuchten Massagen hinaus in Anspruch nehmen wollte.

Da sie im Augenblick nicht erpicht auf viele Leute war, wollte sie ihre Yogaeinheiten in ihrem Zimmer absolvieren. In der Kureinrichtung, ihrer Arbeitsstelle, hatte sie oft das morgendliche Yoga übernommen und sich mit der Zeit ein eigenes kleines Programm erarbeitet, das sie jeden Morgen durchführte.

An ihrem ersten Tag hatte sie schon einen Termin für eine ayurvedische Gesichtsmassage. Weil sie noch ein wenig warten musste, bis sie aufgerufen wurde, sah sie sich etwas in der Wellnessoase um. Die Wände waren in einem Orangeton gehalten und überall hingen Bilder der hinduistischen Gottheiten. Bequeme Stühle machten das Warten leichter. Große Glasvasen standen auf dem Boden, in denen Lichterketten für eine angenehme Atmosphäre sorgten.

Eine junge Frau erschien und bat sie in ihren Behandlungsraum. Auch hier sorgten indirekte Beleuchtung und der Geruch von Kräutern und Räucherwerk für Wohlbefinden. Von der Gesichtsmassage war Hanna nicht überzeugt, die junge Frau hatte anscheinend noch nicht viel Erfahrung, irgendwie hatte Hanna das Gefühl, dass sie gar nicht richtig wusste, was sie machen sollte, denn die Ausstreichungen wiederholten sich oft. Das war kein gelungener Start in ihr Wohlfühlprogramm. Aber es konnte ja nur noch besser werden.

Am nächsten Morgen erschien sie zu ihrer zweiten Massage, eine Ganzkörperölmassage. Ein junger Mann holte sie ab und Hanna war skeptisch, ob er seine Aufgabe besser erledigen wird als die junge Kollegin vom Vortag. Sie wurde von einer ganz wundervollen Massage überrascht, der junge Mann arbeitete mit sehr viel Gefühl, Erfahrung und einem angemessenen Druck, Hanna war erfreut.

Das Wetter zeigte sich frühlingshaft und Hanna unternahm jeden Tag einen ausgedehnten Spaziergang im angrenzenden Park. Hier hatte sie viel Zeit während ihrer Yogalehrerausbildung verbracht und sich auf die Prüfung vorbereitet. Unter den großen alten Bäumen blühten Schneeglöckchen, Märzenbecher und Buschwindröschen, Hanna liebte den Frühling und seine Farben.

An ihrem dritten Tag hatte sie eine Rückenmassage mit einer Beinwellpackung gebucht. Eine ältere Mitarbeiterin führte sie in ihren Raum und als Hanna sich hingelegt hatte, verschwand sie, um nach einer längeren Wartezeit mit einem Topf, in dem sie das Beinwell angerührt und erhitzt hatte, wieder zu erscheinen. Für Hannas Geschmack war die Paste etwas heiß, das sagte sie der Therapeutin auch, aber diese meinte, sie würde schnell abkühlen. Das tat sie natürlich nicht, aber Hanna wollte nicht als Besserwisserin dastehen und erwiderte nichts. Die Rückenmassage konnte sie dann genießen und tatsächlich fühlte sie danach keine Schmerzen mehr im unteren Rücken, die sie seit einiger Zeit in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt hatten.

Am Abend fand eine Veranstaltung mit zwei jungen Künstlern statt, Janin Devi und ihr Begleiter Mark, die ein sehr schönes Mantraprogramm darboten. Hanna hatte einen der wenigen begehrten Plätze ergattert. Die meisten sangen begeistert mit, sie natürlich auch.

Hanna liebte Mantras, sie sang sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit und hatte zu Hause zahlreiche CDs mit dieser Musik.

Am vierten Tag, dem letzten ihres Aufenthaltes, kam sie noch in den Genuss einer phantastischen Fußmassage, ein schöner Abschluss, wie sie fand. Alles in allem war sie mit ihrer kurzen Ferienwoche sehr zufrieden. Sie hatte auch an zwei Phantasiereisen teilgenommen und dabei eine wunderbare Entspannung erfahren. Frisch aufgetankt trat sie den Heimweg an und freute sich wieder auf ihre Arbeit. Sie hatte sehen und spüren dürfen, wie andere Ayurvedatherapeuten arbeiteten und das war sehr interessant gewesen.

Finde heraus, was deine innerste Überzeugung ist, und du hast den Schlüssel für dein Leben in der Hand.

Pierre Franckh

August

Der Frühling und der Sommer gingen ins Land, Hanna arbeitete viel. Da sie ungebunden war, wurde sie oft von ihrer Chefin angesprochen, ob sie für eine kranke Kollegin einspringen oder einfach ein paar Tage länger als geplant arbeiten könne. Es kam nur sehr selten vor, dass sie dieser Bitte nicht nachkam.

Der Sommer war besonders im August heiß gewesen und obwohl Hanna die Hitze nicht so gut vertrug, sah sie es als „Training“ für die bevorstehende Reise an, denn sie hatte gelesen, dass es auf den Kanaren die besondere Wetterlage eines „Calima“ gab. Heiße Winde aus der afrikanischen Sahara wehten dann heran und brachten auch noch roten Sand mit, der so fein war, dass er in alle Ritzen zog und das Atmen erschwerte. Insbesondere Menschen mit Asthma hatten da zu leiden.

Glück ist die Summe kleiner Freuden

September

Als es im September etwas kühler wurde, hatten sie und Betty eine sehr schöne Tour mit den E- Bikes entlang der Unstrut gemacht. Fast schon träge hatte sich der Fluss, der wenig Wasser führte, am Radweg entlang geschlängelt. Der Mais stand mit seinen reifen Kolben neben bereits abgeernteten Getreidefeldern links und rechts des gut ausgebauten Weges.

Sie hatten in Nebra einen Stopp eingelegt, um sich die Himmelsscheibe anzusehen, die dort vor einigen Jahren gefunden worden war und die damals die astrologische Welt in Aufruhr versetzt hatte. Ein modernes neu errichtetes Gebäude unweit des Fundortes barg viel Interessantes und Wissenswertes, die Ausstellung war auch für Menschen wie Hanna und Betty, die sich bisher kaum mit Astronomie beschäftigt hatten, eine Fundgrube an neuen Informationen. Gefüllt mit beeindruckenden Erkenntnissen setzten sie ihr Tour fort.

Am dritten Tag hatte es morgens heftig zu regnen begonnen und sie mussten schweren Herzens ihre Tour abbrechen.

Das Leben ist schöner, wenn man es teilt.

Oktober

Ein wahrhaft goldener Oktober ging vorüber und der Tag der großen Reise rückte immer näher.

Eines Abends, Hanna war auf ihrer Arbeit während einer Panchakarma-Kur, kam sie vom Abendessen zurück in ihr geräumiges, aber wenig gemütliches Zimmer. Sie hatte am Morgen vergessen, die Heizung aufzudrehen und es war ziemlich frisch. Eigentlich hätte sie nur zurück in die Kureinrichtung gehen brauchen, um sich dort im Wintergarten etwas aufzuwärmen, aber Hanna war froh, den anstrengenden Arbeitstag hinter sich gebracht zu haben und nun die Beine hochlegen zu können.

Sie saß auf einem bequemen Sessel, die Beine auf ihr Bett gelegt und schloss für einen Moment die Augen. Sie ließ den Tag noch einmal an ihrem geistigen Auge vorüberziehen. Ihre Gedanken blieben bei Sonja stehen, einer jungen Frau, die sie heute behandelt hatte. Sonja hatte mit ihren 38 Jahren bereits über 30 Operationen an ihrem Darm über sich ergehen lassen müssen, ihr Bauch war von Narben übersät und sie hatte einen künstlichen Darmausgang. Als Hanna Sonjas Bauch das erste Mal gesehen hatte, war sie erschrocken gewesen und hatte die Massage besonders vorsichtig ausgeführt. Die Narben hatten sich weich angefühlt, aber die Bauchdecke hatte jede Elastizität verloren.

Doch Sonjas Lebensfreude hatte Hanna tief beeindruckt, sie hatte vor kurzem einen netten jungen Mann geheiratet, der viel Mitgefühl für ihre Krankheit zu haben schien und beide wollten gern ein Kind haben.

Obwohl Hanna sich nicht vorstellen konnte, wie das mit den vielen Narben gehen sollte, wünschte sie sich für die Beiden, dass sich das Babyglück dennoch einstellen möge.

Als Hanna die Augen wieder öffnete und in das spartanisch eingerichtete Zimmer blickte, überkam sie ganz plötzlich der Gedanke, dass sie, auch wenn sie wieder daheim sein wird, genauso allein ist, wie hier auch. Niemand erwartete sie nach einem anstrengenden Arbeitstag und sie konnte sich mit keinem lieben Menschen über das, was sie bewegte, unterhalten.

Ihr wurde auf einmal bewusst, dass sie auch in ihren Beziehungen diese Möglichkeit nicht gehabt hatte, denn ihre beiden Männer, mit denen sie jeweils 11 und 14 Jahre verheiratet gewesen war, hatten in der Woche auswärts gearbeitet und wenig Interesse für ihre Bedürfnisse gezeigt.

Andererseits hatte sie immer ihre Unabhängigkeit genossen, die sie dadurch hatte. Hanna war ein Freigeist, sie brauchte Zeit für sich und mit sich allein, was aber nicht heißt, dass sie nicht auch mit ihren Partnern gemeinsam viele schöne Erlebnisse hatte.

Ihre letzte Trennung lag jetzt drei Jahre zurück und sie fragte sich, ob sie bis an ihr Lebensende allein bleiben möchte. Das wollte sie nicht, da war sie sich sicher. Vielleicht sollte sie sich wieder für eine Partnerschaft öffnen? Sie spürte in sich hinein und als sich dort ein klares „Ja“ vernehmen ließ, holte sie sich ihr Notizheft und einen Stift, um sich darüber klar zu werden, wie sie sich ihren Partner vorstellte. Da musste sie nicht lange überlegen, ihr fielen im Nu einige Eigenschaften ein, die sie sich notierte. Schnell war ein Bild entworfen, das ihr alltagstauglich erschien. Sie setzte sich bequem auf ihr Bett, schloss für einen Moment die Augen und formulierte dann ihren Wunsch an das Universum, wie sie es in Bärbel Mohrs gleichnamigen Buch „Wünsche an das Universum“ gelesen hatte. Nun musste sie nur noch warten, wann und wie etwas geschehen würde. Sie war gespannt und äußerst zufrieden mit sich.

Du wirst niemals einen perfekten Menschen finden, aber einen, mit dem es sich perfekt anfühlt.

November

Der Wecker riss Hanna aus ihrem Schlaf. Obwohl sie vor lauter Aufregung nur wenige Stunden geschlafen hatte, fühlte sie sich frisch und ausgeruht. Noch eine Stunde bis Betty sie abholen und sie gemeinsam zum Bahnhof fahren würden. Die Kosmetiktasche war schnell gepackt und im Koffer verstaut. Bis kurz vor 23 Uhr hatte Hanna am Abend ihren Koffer mehrmals umgepackt. Sie fand es sehr schwierig, die passende Kleidung auszusuchen, die Tage auf La Palma sollten zwar mit über 20° sommerlich anmuten, aber in der Zeit, nachdem die Sonne weg war, herrschten dann eher Temperaturen im 15°- Bereich und das konnte dann schon recht kühl werden. Sie hoffte, eine gute Mischung gefunden zu haben.

Hanna bereitete sich noch einen Espresso mit viel Milch und setzte sich in ihren Ohrensessel. In Gedanken ging sie noch einmal alles durch: Pass, Scheckkarte, etwas Bargeld, Trinkflasche, Medikamente, Fotoapparat, Handy und Notizheft, alles war gut verstaut in ihrem Rucksack oder der Gürteltasche. Sie goss alle Blumentöpfe, kontrollierte, ob alle Fenster und die Wasserhähne gut verschlossen waren, schaltete den Anrufbeantworter ein, beschriftete ihre kleine Holztafel mit ihren Reisedaten, damit ihre Vermieter wussten, wie lange sie unterwegs sein würde. Noch fünf Minuten, sie brachte ihren Koffer, der ein ordentliches Gewicht auf die Waage brachte, 20 kg waren erlaubt und die hatte sie bis auf wenige Gramm ausgereizt, nach unten.

Dann schwang sie sich den Rucksack auf den Rücken, legte die Gürteltasche um, ließ den Blick nochmal durch ihr Wohnzimmer schweifen, schloss dann die Wohnungstür ab und steckte den Schlüssel in ihre Gartenschuh, die immer griffbereit an der Treppe standen.

Vor dem Check- in- Schalter hatte sich eine lange Schlange gebildet und es ging nur sehr schleppend vorwärts. Plötzlich vernahm Hanna Bettys Stimme: „Oh je, mein Pass ist abgelaufen!“ Nach einer Schrecksekunde fiel ihr glücklicherweise ein, dass ja auch der Personalausweis innerhalb der EU als Reisedokument nutzbar war. Na, das wäre es gewesen, wenn sie deshalb hätte nicht mitfliegen können!

Betty und Hanna nahmen den Fenster- und Mittelplatz in der Sitzreihe ein, auf dem Gangplatz saß eine junge Frau. Sie schien zu arbeiten, denn sie hatte einen Laptop auf dem aufgeklappten Tisch vor sich.

Betty, die immer sehr schnell in Kontakt mit anderen Menschen kommt, begann eine Unterhaltung mit ihr. Die junge Frau erzählte, dass sie gerade von einem kurzen Aufenthalt bei ihrer Mutter in Deutschland nach La Palma zurückfliegt, wo sie seit drei Monaten in Todoque lebt.

Wir wollten wissen, warum sie sich dazu entschlossen hatte, ihre Heimat zu verlassen. Mehrere ihrer Freunde hatten in den letzten Jahren eine kleine Kommune auf La Palma gegründet und da sie sich beruflich und privat verändern wollte, hatte sie die Entscheidung getroffen, das auf La Palma zu tun. Schon bald waren Betty und sie in ein angeregtes Gespräch vertieft, denn es hatte sich herausgestellt, dass die junge Frau Grundschullehrerin ist und online Bildungs- und Erziehungsprogramme für junge Eltern anbietet. Da war Betty in ihrem Element, denn das war auch eine Aufgabe, der sie sich schon seit vielen Jahren gewidmet hatte.

Die Zeit verging rasch und als die Flugbegleitung die Aufforderung zum Anlegen der Sicherheitsgurte gab, war Hanna ganz erstaunt, dass sie eine der Inseln, es war Teneriffa, schon sehen konnte. Das Flugzeug umrandete die südliche Spitze und sie konnte den Teide erkennen. Jetzt waren es nur noch wenige Minuten bis zur Landung. Eine nicht zu beschreibende Freude trieb Hanna Tränen in die Augen, ein Traum wurde wahr, sie würde auf La Palma sein! Da lag sie, die Insel ihrer Sehnsucht, sie konnte die schroffe Steilküste der Ostseite erkennen.

Landung, Gepäck und das Entgegennehmen des Mietautos, alles ging viel zu langsam.

Schon auf der Fahrt vom Flughafen auf die andere Inselseite präsentierte sich eine üppig grüne Vegetation, am Straßenrand und in den Gärten überall exotisch anmutende Pflanzen mit tollen Blüten in den unterschiedlichsten Farben. Hanna wusste sofort, hier wird es ihr gefallen. Betty, die schon viele fremde Länder bereist hatte, sparte nicht mit anerkennenden Worten und ab und zu war von ihr ein „Aaah“ oder „Oooh“ zu vernehmen.

Im Ortsteil Tajuya, der zu El Paso gehört, fanden Hanna und Betty in einer kleinen Seitenstraße gelegen ihre Unterkunft, eine hübsche kleine Finca im original kanarischen Stil. Im oberen Bereich des Wohnhauses lag ein großes Zimmer mit Doppelbett, Schrank, bequemen Sitzmöbeln und einem riesigen Fernsehgerät, hier „mietete“ Hanna sich gleich ein.

Betty hatte es sich im unteren Bereich in einem kleineren Zimmer mit Doppelbett, Bücherregal und einem kleinen Tisch mit einem Stuhl eingerichtet. Das Bad mit Dusche befand sich in einem extra Gebäude und war über einige Stufen zu erreichen. Neben Bettys Zimmer befand sich eine komplett eingerichtete Küche mit einem großen Esstisch, einer Sitzbank und zwei Stühlen.

Es war später Nachmittag geworden und langsam Zeit, an das Abendessen zu denken. Der nächste Supermarkt war laut Reiseführer in El Paso zu finden und so machten sich die Beiden auf den Weg.

Gleich an der Hauptstraße gelegen war er auch nicht zu verfehlen. Es herrschte ein buntes Treiben im Markt, palmerische Familien mit Kindern und Großeltern unterhielten sich lautstark und Hanna hatte den Verdacht, dass sie sich stritten. Aber Betty lachte: „Das ist das Temperament der Spanier, sie reden laut und viel.“

Bald hatten sie alles, was sie zum Abend und für den nächsten Tag brauchen würden im Einkaufswagen, bezahlten und verstauten ihre Einkäufe im Auto.

Betty hatte sich bereiterklärt, das Kochen zu übernehmen. Hanna putzte und schnitt bereitwillig das Gemüse und nach einiger Zeit füllte ein verführerischer Duft die kleine Küche.

Nach dem leckeren Mahl setzten sie sich jede mit einem Glas Wein an einen Tisch, der auf der Terrasse zusammen mit drei Klappstühlen stand. Betty hatte die Karte von La Palma vor sich ausgebreitet und machte ein Kreuzchen an dem Ort, an dem sie sich gerade befanden.

Sie wollten den morgigen Tag planen. Einige Ziele hatten sie sich schon während der Reisevorbereitungen ausgesucht: Zunächst wollten sie sich in der näheren Umgebung umschauen, El Paso mit seinen beiden Kirchen, einem kleinen, liebevoll angelegten Park mitten in der Stadt, ein wunderschöner Park gestaltet mit tausenden Mosaiksteinen in Las Manchas, ein weiterer wunderschöner mit Mosaiken gestalteter Park in Los Llanos, das archäologische Museum, faszinierend und beeindruckend in der Gestaltung, das Monumento mit seinen unterirdischen Höhlen direkt unter dem Lavastrom des San Juan und der San Antonio, der einen Einblick in einen Vulkankrater bietet.

Hanna hatte schon beim Besuch des Monumento das Gefühl, dass die Vulkanenergie ihr ungeheure Kraft verlieh und dieses Gefühl wurde noch um einiges stärker auf dem San Antonio. Ein stürmischer Wind fegte über den Kraterrand und sie hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Glücklicherweise waren Absperrungen vorhanden, an denen sie sich festhalten konnte. Sie hatte sich bei Betty untergehakt und so trotzten sie den Wetterwidrigkeiten. Mit einem spektakulären Rundumblick wurden sie jedoch entschädigt, als sie auf der kleinen Aussichtsplattform ankamen. Der Krater des Teneguia, der beim letzten Vulkanausbruch 1971 entstanden war, zeigte sich in nordwestlicher Richtung und beim Blick nach Süden konnten sie die Salinen von Fuencaliente erkennen. Etwas im Dunst gelegen war die Insel El Hierro auszumachen, die in südöstlicher Richtung liegt.

Auf dem Rückweg entlang des Kraterrandes, immer noch begleitet von starken Windböen, zeigte sich La Palma von seiner launischen Seite, zu dem Sturm kam noch ein heftiger Regenguss, der jedoch nach wenigen Minuten vorüber war und es schien wieder die Sonne.

Der kurze, aber heftige Schauer hatte die Beiden durchgeweicht. Auf der Suche nach einem trockenen und warmen Plätzchen fanden sie das hübsche Cafe „Zulay“, direkt an der Straße gelegen. Eine heiße Schokolade und ein leckeres Stückchen Kuchen verkürzten die Zeit des Wartens, denn es hatte erneut zu regnen begonnen.

An einem der Nachbartische hatten eine Frau und ein Mann Platz genommen und Betty bemerkte, dass es sich um ein deutsches Pärchen handelt. Sie hatten ebenfalls bemerkt, dass Hanna und Betty Deutsche waren und sprachen sie an. Betty hatte sofort den Mann in Beschlag genommen und Hanna unterhielt sich sehr nett mit der Frau, die erzählte, dass sie Heilpraktikerin ist und schon seit 20 Jahren auf La Palma lebt. Hanna hatte ihr von ihren ersten Eindrücken erzählt und war dabei wohl etwas ins Schwärmen gekommen. Sibylle, so hieß die Frau, konnte das gut verstehen, denn auch sie war damals dem Charme dieser Insel erlegen. Betty unterhielt sich sehr angeregt mit dem Mann, der sich als Karl vorgestellt hatte. Auch er war Heilpraktiker und hatte in Deutschland viele Jahre eine Naturheil- und Hypnosepraxis betrieben.

Sibylle und Karl schlugen ihnen ein Treffen vor, worüber sie sehr erfreut waren, weil sie beide sehr sympathisch und auch die Aussicht toll fanden, von ihnen Informationen über die Insel und deren Highlights zu bekommen. Der Abschied fiel sehr herzlich aus und Betty und Hanna wurden leidenschaftlich umarmt. Für Hanna war das etwas sonderbar, sie war nicht der Typ, der schnell zu viel Nähe zulassen konnte. Aber hier schienen Umarmungen zur Tagesordnung zu gehören, wie sie später des öfteren feststellen musste.

Schon auf der Rückfahrt bemerkte Hanna, dass ihr diese Begegnung nicht aus dem Kopf ging, und es verwunderte sie, dass sie insbesondere immer wieder an Karl denken musste, obwohl sie nur wenige Worte mit ihm gewechselt hatte. Sollte er einen so großen Eindruck bei ihr hinterlassen haben, aber wodurch oder womit?

In den folgenden Tagen erging es ihr ähnlich und sie begann, sich zu fragen, was da in ihr arbeitet. Auch Betty war es nicht entgangen, dass Hanna zeitweise ziemlich abwesend und über etwas nachzugrübeln schien. Aber Hanna konnte ihr nicht erklären, was da durch ihren Kopf ging und vor allem, warum. Während sie in den ersten Nächten tief und fest geschlafen hatte, wurde sie nun ständig wach, Gedanken an Karl bestimmten diese Wachphasen und ließen sie nicht wieder einschlafen.

Waren das die Vulkanenergien, von denen Sibylle gesprochen hatte und die nicht jedem Inselbesucher gut taten, oder hing doch alles mit Karl zusammen? Hanna hätte es zu gern gewusst, aber da war nur eine beständige Unruhe, nicht direkt unangenehm, einfach eben nur beständig da.

Einer der nächsten Ausflüge führte Hanna und Betty nach Puntagorda, im Nordwesten der Insel gelegen. Puntagorda selbst schien ein beschauliches Plätzchen zu sein, eine gut ausgebaute Straße zog sich durch den Ort, überall war es sauber und einladend, die Häuser schienen einer geraden Struktur zu folgen und waren frisch getüncht.

Umgeben von einem Waldstück stand die Markthalle, die an jedem Wochenende Magnet sowohl für Einheimische als auch Touristen war.

Auch Betty und Hanna wollten sich das bunte Markttreiben nicht entgehen lassen. Doch sie waren zu früh da, der Markt öffnete erst am Nachmittag und so entschieden die Beiden, noch einen Spaziergang zu unternehmen.

Unweit des Parkplatzes war ein Wanderrundweg ausgeschildert, dem sie folgten. Er führte hinab zum Meer durch Orangenplantagen und Kiefernwälder, vorbei an hübschen Häusern, die auf einen gewissen Wohlstand schließen ließen, durch Mandelplantagen und steiniges Gelände. Auf einer kleinen Bergspitze hatten sie einen wunderbaren Ausblick entlang der Küste in südlicher Richtung. Das Meer lag sehr ruhig unter ihnen und der Horizont war in ein milchiges Licht getaucht.

Fast zwei Stunden waren sie unterwegs gewesen und freuten sich auf einen Kaffee und eine kleine Leckerei dazu. Mit dieser Vorfreude betraten sie den Markt und waren überwältigt von dem, was sie sahen.

Die Auslagen der Stände mit Obst, Gemüse und Backwaren waren überaus üppig und sie mussten sich in mehr oder weniger lange Schlangen einreihen. Sogar ein deutscher Bäcker war hier vertreten, bei ihm kauften sie Brot und Plundertaschen. Im hinteren Teil des Marktes befanden sich Stände mit einheimischer Handwerkskunst. Keramik, Leder, Stoff und Schmuck zogen Hanna magisch an und Betty war schon auf der Suche nach einem passenden Souvenir, das sie Hella, ihrer Nachbarin, mitbringen wollte als Dankeschön für das Blumengießen während ihrer Abwesenheit.

Eine junge Frau bot an ihrem Stand Kaffeespezialitäten und selbst gebackene Torten an und Hanna konnte nicht widerstehen, sich ein Stück einer verführerisch aussehenden Schokoladentorte zu gönnen.

Betty hingegen hielt sich an Quarktorte, die aber nicht minder kalorienarm zu sein schien. Ein Kaffee mit Sahnehäubchen machte die Schlemmerei komplett.