Ein Sommer, der nach Liebe schmeckt - Susanne Rößner - E-Book

Ein Sommer, der nach Liebe schmeckt E-Book

Susanne Rößner

0,0
8,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Anna könnte zufrieden sein: Sie hat einen guten Job und lebt mit ihrem Freund Lars in einer schönen Wohnung in München. Doch als Lars ihr einen Antrag macht, merkt Anna, dass er für sie bereits das ganze weitere Leben geplant hat. Kurzerhand nimmt sie sich eine Auszeit und fährt nach Italien. Unterwegs lernt sie Christine und Paolo Endrici kennen, die ein Weingut in den malerischen Trentiner Bergen betreiben. Als die beiden ihr anbieten, bei ihnen unterzukommen, nimmt Anna erfreut an. Auf dem Weingut lernt sie Marco kennen und verliebt sich in ihn. Doch dann taucht Lars plötzlich im Trentino auf …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover & Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Epilog

Making of

Danksagung

Kapitel 2

Hannes maß sie mit einem Blick, den sie nur schwer einordnen konnte. »Hallo Anna«, sagte er schließlich mit einem Lächeln. »Willst du nicht reinkommen?«

Sie stieß sich vom Türrahmen ab, durchquerte mit wenigen Schritten den Raum und setzte sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.

Er griff nach dem Telefonhörer und tippte auf eine Kurzwahltaste. »Ich will die nächste halbe Stunde nicht gestört werden. Und«, er hob den Blick und sah Anna an, »bring uns doch bitte zwei Cappuccini und eine Flasche Wasser.«

Bis die Getränke kamen, zeigte Hannes Anna den Ausdruck einer E-Mail, die am Vormittag gekommen war. Ein zufriedener Geschäftspartner bedankte sich und lobte das inzwischen abgeschlossene Projekt in höchsten Tönen.

»Das ist alles dein Verdienst.« Hannes lächelte ihr zu. »Wärst du mit deiner Idee nicht so überzeugend gewesen, hätte ich den Laden vermutlich längst dichtmachen müssen. Aber seit dem letzten Jahr schreiben wir schwarze Zahlen. Endlich. Deswegen wird es auch Zeit, dass wir darüber reden, wie ich dir das angemessen vergüten kann.«

Anna wurde rot vor Freude. Für einen Moment vergaß sie den vergangenen Abend, der ihr eine schlaflose Nacht beschert hatte. Hannes spielte darauf an, dass sie vor einigen Jahren wie aus dem Nichts mit einer Hartnäckigkeit, die ihresgleichen suchte, bei ihm hereingeschneit war, darauf beharrt hatte, den Firmeninhaber zu sprechen, und ihm dann eine Idee unterbreitet hatte, die ihn sprachlos gemacht hatte.

»Das ist ja alles gut und schön«, hatte er damals gesagt. »Um ehrlich zu sein, finde ich die Idee sogar großartig. Ach was, großartig. Sie ist brillant. Es gibt nur einen Haken dabei: Diesen Vorschlag umzusetzen kostet Geld. Viel Geld. Und das ist so ziemlich das Einzige, das wir hier nicht haben. Kommen Sie mal mit.« Er stand auf, hielt ihr galant die Tür auf, führte sie durch die Räume der alten Fabrikhalle, die er angemietet hatte, und stellte sie einer guten Handvoll Mitarbeitern vor, die an Zeichenpulten oder ihren Rechnern an verschiedenen Entwürfen arbeiteten.

»Wir halten uns über Wasser, weil wir allesamt Enthusiasten sind. Isabella zum Beispiel hat ein Hochbegabtenstipendium, was sie ihren Eltern aber verschwiegen hat, da die ihren Worten zufolge in Geld schwimmen und sie monatlich mit einem nicht zu unterschätzenden Betrag unterstützen. Deswegen arbeitet sie meist unentgeltlich. Gerald hat ebenfalls schon mehrfach auf sein Gehalt verzichtet.« Bedauernd strich er sich über sein kleines rotes Bärtchen. »Wir alle träumen davon, dass wir eines Tages große Firmen oder gern auch Privatpersonen im Bereich Innenarchitektur und Raumaustattung beraten dürfen. Und wir sind uns sicher, dass das irgendwann auch so weit sein wird. Um ehrlich zu sein, ist es bis dahin noch ein ziemlich weiter Weg. Aber ich bin davon überzeugt, dass ein so innovativer Vorschlag wie der, den Sie mir gerade unterbreitet haben, einen großen Beitrag dazu leisten könnte, unserem Traum näher zu kommen. Aber leider fehlt das Geld, eine weitere Person einzustellen, von den Mitteln, um Ihre Idee umzusetzen, ganz zu schweigen.«

Hannes Mitarbeiter wurden bei seinen Worten hellhörig. »Um welche Idee geht es denn?«, fragte Isabella neugierig. »Oder ist das topsecret?«

»Na ja, offen gesagt will ich natürlich nicht, dass jemand sie klaut und hinter meinem Rücken selbst verwirklicht«, gestand Anna verlegen. »Aber da man sie sowieso nicht schützen kann, ist es vermutlich wurscht.«

»Dann setzen Sie sich doch zu uns. Wir wollten gerade Mittag machen. Das, was wir haben, passt zwar nicht unbedingt zusammen, aber es reicht zumindest für uns alle. Und dann berichten Sie uns von Ihrer Idee.«

 

Genüsslich biss Anna in eine Scheibe Brot, die sie dick mit Sardellenpaste bestrichen hatte. Bevor sie jedoch zu erzählen anfangen konnte, meldete Isabella sich zu Wort.

»Wenn wir hier schon so zwanglos zusammensitzen, könnten wir uns doch duzen, oder? Ich meine, wir sind schließlich alle ungefähr im gleichen Alter, und ich fand Anna schon auf den ersten Blick total nett.« Eine leichte Röte überzog ihr Gesicht, als ihre Kollegen zu lachen anfingen.

»Isabella trägt das Herz auf der Zunge«, erklärte Hannes vergnügt. »Und ihr Bauchgefühl ist einfach unschlagbar. Wenn sie jemanden mag und ihm das Du anbietet, gilt das für uns alle.«

Anna wurde plötzlich warm vor Freude. Die kleine Truppe war so sympathisch, dass sich ihre Bedenken, jemand könnte ihre Idee stehlen, in Luft auflösten. Sie legte ihr Brot zurück auf den Teller, holte tief Luft und fing an zu erzählen.

»Ich habe eine Ausbildung zur Raumausstatterin gemacht, bevor ich Innenarchitektur studiert habe. Schon als Kind haben mich Häuser und Räume interessiert, und immer, wenn ich an einem Rohbau vorbeikam, bin ich heimlich ins Innere geschlüpft und habe mir vorgestellt, wie ich die Räume einrichten würde. Oftmals habe ich mir sogar gedacht, dass ich eine völlig andere Raumaufteilung vornehmen würde«, erklärte sie ihren Berufswunsch. »Als ich mit dem Studium fertig war, sind meine Träume aber ziemlich schnell geplatzt«, gestand sie freimütig. »Oder halt, nicht geplatzt, ich musste sie auf später verschieben, weil ich gemerkt habe, dass ich meinen Vorstellungen nicht in dem Maß freien Lauf lassen kann, wie ich das eigentlich wollte. Zumindest in der Stelle bei einem Innenarchitekten, die ich direkt nach dem Studium über Beziehungen bekommen habe. Leider kam es nach zweieinhalb Jahren zu größeren Differenzen, und ich wurde vor ein paar Wochen gekündigt.« Anna senkte verlegen den Blick. Vielleicht war es nicht die beste Bewerbung, zuzugeben, dass man gerade gefeuert worden war.

Doch dann begannen ihre Augen zu leuchten. »Heute glaube ich aber, dass es das Beste war, was mir passieren konnte. Ich habe mich dort nämlich nie so richtig wohlgefühlt, weil ich tief in meinem Inneren gespürt habe, dass es nicht das ist, was ich mein Leben lang machen möchte. Deswegen denke ich schon seit längerer Zeit darüber nach, was ich wirklich will.«

Gebannt hingen die anderen an Annas Lippen und hatten darüber ganz vergessen weiterzuessen.

»Nun spann uns nicht so auf die Folter«, bat Isabella.

Anna lächelte. »Ich bin der Überzeugung, dass viele Angestellte viel lieber in die Arbeit gehen würden, wenn ihre Büroräume so gestaltet wären, dass sie sich dort wohler fühlen als zu Hause. Und ich glaube, dass sie dann auch weniger krank wären«, fing sie an, ihre Idee zu erläutern.

»Allerdings kostet das ziemlich viel Geld, das die meisten Arbeitgeber nicht zu investieren bereit sind«, warf Hannes ein.

»Genau«, bestätigte Anna. »Deswegen würde ich mir die Chance wünschen, ein paar Büros mit geringen Mitteln auf Vordermann bringen zu können und damit eine Referenz für weitere Interessenten zu schaffen.«

»Geringe Mittel hört sich gut an«, bestätigte Gerald. »Nur wie willst du das hinbekommen?«

»Indem ich die Wünsche der jeweiligen Mitarbeiter, deren Räume neu gestaltet werden sollen, abfrage und dann Flohmärkte und Wohnungsauflösungen abklappere. Das, was dem Geschmack entspricht, kann in der Regel viel günstiger renoviert als neu gekauft werden.«

»Denkst du, dass sich wirklich viele Arbeitgeber darauf einlassen, dass du ihnen anstelle ihrer zwar langweiligen, aber doch funktionalen Einrichtung abgenutzten Krempel hinstellst?«, überzeichnete Isabella ihre Vorstellung von gebrauchten Möbeln.

»Mein Ziel ist es ja nicht, ganz München davon zu überzeugen«, erwiderte Anna nachdenklich. »Aber ich bin mir sicher, dass gerade die Inhaber von kleineren Firmen für meine Argumente empfänglich sein könnten. Schließlich ist es für die besonders hart, wenn sie Ausfälle durch Krankheit oder Unlust haben.«

 

Anna machte eine Pause und gab den anderen Zeit, über ihre Worte nachzudenken.

»Ich finde das großartig«, sagte Isabella nach einer Weile aufgeregt. »Wenn man das den Leuten verklickern könnte und es Schule machen würde, würden uns die Klienten sicher die Bude einrennen.«

Ganz so euphorisch betrachtete Gerald die Angelegenheit zwar nicht, aber auch er war überzeugt, dass sich etwas daraus machen ließ. »Bist du schon bei anderen Firmen vorstellig geworden?«, fragte er neugierig.

»Um ehrlich zu sein: Ja, ich habe fast schon die ganze Stadt abgeklappert, allerdings erst mal mit der Vorgabe, dass ich einen Job suche. Bei den meisten Firmen haben mich aber schon die Empfangsdamen abgewimmelt.«

»Ähm.« Ein amüsiertes Lächeln umspielte Isabellas Lippen. »Irgendwie ist das auch etwas unkonventionell, findest du nicht? Ich meine, eigentlich schickt man doch erst mal ein schriftliches Stellengesuch, bevor man mit einer Bewerbungsmappe hausieren geht.«

»Wirklich?« Anna machte große Augen. »Das wusste ich gar nicht.«

Als der kleinen Gruppe nach ein paar Sekunden aufging, dass in den Augen ihrer Besucherin der Schalk blitzte, fingen sie allesamt an zu kichern.

Isabella wischte sich eine Lachträne aus dem rechten Auge. »Mensch, Hannes, Anna würde doch super zu uns passen. Können wir das nicht irgendwie hinbekommen?«

Hannes verzog sein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Ihm war bereits etwas Ähnliches durch den Kopf gegangen, er hatte nur keine Ahnung, wie sie das bewerkstelligen sollten. Bevor er jedoch auf Isabellas Frage antworten konnte, winkte Anna ab.

»Sag nichts, bitte. Ich habe schon verstanden, dass die Kohle knapp ist und ihr es euch nicht leisten könnt, angesichts der bescheidenen Auftragslage noch eine weitere Mitesserin durchzufüttern.«

Schon wieder kicherten alle, doch Anna ließ sich nicht beirren. Sie wandte sich an Isabella. »Es tut mir leid, dass ich dich vorhin aufgezogen habe. Dass ich nicht wusste, dass man Bewerbungen schriftlich schickt, meine ich. Bis heute wusste ich ehrlich gesagt nicht, weshalb ich das nie gemacht habe und warum es mir genauer gesagt sogar völlig zuwider war. Aber jetzt bin ich dem Rätsel ein Stück weit näher gekommen.« Mit glänzenden Augen sah sie in die Runde. »Im Grunde meines Herzens wollte ich schon vor dem letzten Job nie in einem großen, modernen Architekturbüro arbeiten, in dem man nur ein Rädchen unter vielen ist. Oder einen Einzelkämpfer als Chef haben, der einen abwechselnd tyrannisiert und angräbt, oder was auch immer. Irgendwie fügen sich jetzt aber ein paar Puzzleteile ineinander.« Sie holte tief Luft. Es war mal wieder wie mit dem Huhn und dem Ei, wo auch niemand sagen konnte, was denn nun zuerst da gewesen sein musste.

Plötzlich wurde Anna sich bewusst, dass ihre Gedanken abgedriftet waren, die anderen sie aber immer noch gespannt ansahen. »Entschuldigung«, sagte sie mit einem Lächeln. »Ich bin nicht auf der Suche nach einem Job, der über die Miete hinaus ein fettes Gehalt bezahlt, sondern nach einem Platz, an dem ich mich wohlfühle. Und an dem die Menschen sich gegenseitig guttun«, fügte sie leise hinzu. Ein warmes Gefühl machte sich in ihrer Herzgegend breit, als sie spürte, dass sie diesen Ort soeben gefunden hatte. »Darf ich euch einen Vorschlag machen?«

Als alle nickten, sprang sie auf. »Meine Idee lässt sich mit wenig Geld zunächst provisorisch umsetzen. Wir könnten hier mit euren Büros anfangen, auf Flohmärkten einkaufen und in den Stunden, in denen ihr einen Leerlauf habt, gemeinsam anpacken. Ich komme eine Zeit lang ohne Gehalt aus, da ich ein bisschen gespart habe. Das Einzige wäre«, sie stockte einen Moment über der Überlegung, ob sie nicht völlig auf ein Einkommen verzichten wollte, wischte den Gedanken aber schnell wieder beiseite. »Das Einzige, das ich, für sagen wir mal ein halbes Jahr, möchte, ist, dass ihr mir das Minimalgehalt zahlt, damit ich zumindest krankenversichert bin. Wäre das zu schaffen? Oder wartet«, schob sie hinterher. »Sagt jetzt einfach nichts dazu. Lasst es euch durch den Kopf gehen, besprecht es und ruft mich an, wenn ihr eure Entscheidung gefällt habt.« Sie zog eine Tageszeitung, die auf dem Tisch lag, zu sich her, nahm den Stift, der darauf lag, und kritzelte ihre Telefonnummer auf den Rand.

 

»Bist du dir wirklich sicher, dass du das willst?«, fragte Hannes eine Stunde später. Er hatte Anna gebeten, nur eine Runde um den Block zu drehen, weil er sich im Klaren darüber war, dass sie nicht lange würden überlegen müssen. Anna passte perfekt ins Team, und wenn sie mit ihrer Idee die ein oder andere Firma begeistern könnten, würde ihnen die Arbeit in den nächsten Jahren nicht mehr ausgehen. Allerdings waren sie genauso einstimmig der Meinung gewesen, dass es eine Zumutung war, Anna für einen Hungerlohn arbeiten zu lassen. »Lies dir das bitte durch«, sagte Hannes und deutete mit dem Zeigefinger auf ein bedrucktes Blatt. »Es ist aufgrund der Kürze der Zeit zwar noch nicht ausformuliert, aber das sind die Rahmenbedingungen, die ich dir anbieten möchte.«

Fünf Minuten später ließ Anna das Schriftstück wieder sinken. »Das ist aber ganz und gar nicht mein Vorschlag«, sagte sie überwältigt.

»Stimmt.« Hannes lächelte. »Aber mal ganz ehrlich, ich kann doch im Erfolgsfall nicht die gesamte Kohle alleine einstreichen und dir lediglich mit einem feuchten Händedruck dafür danken. Da könnte ich ja nicht mehr in den Spiegel schauen.«

Anna wurde rot vor Freude. Das Gefühl, dass sie hier am richtigen Fleck war, wurde geradezu übermächtig. Sie schluckte einen dicken Kloß der Rührung hinunter. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Danke, dass du mir die Chance gibst, und auch dafür, dass du so fair bist.«

»Das kann er gerne sein, solange er nichts dabei zu verlieren hat«, neckte Isabella ihn. Dann wurde sie ernst und sagte zu Anna: »Also ehrlich, wir wären alle glücklich, wenn du es dir nicht noch anders überlegst und dir mit deiner großartigen Idee doch einen Platz in einem hippen etablierten Büro suchst.«

»Das werde ich nicht«, beteuerte Anna. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Besser konnte es wirklich nicht laufen. Außer, na ja, dass ihre Vorstellung wirklich von Erfolg gekrönt sein würde natürlich.

 

Zwei Tage später traf sich Anna mit Isabella am Odeonsplatz. Sie spazierten durch den Luitpoldblock, schnupperten in verschiedene Läden hinein und flanierten über den Stachus zum Sendlinger Tor, die Sendlinger Straße entlang, statteten KARE einen Besuch ab und endeten schließlich im noblen Einrichtungshaus Böhmler im Tal. Am Ende ihrer Tour hatte Anna eine gute Vorstellung davon, welche Möbelstücke Isabella gefielen.

»Super«, stellte sie fest, als sie im Café Glockenspiel hoch über dem Marienplatz auf der Terrasse einen Platz im Freien ergattert hatten, Eiskaffee und Kuchen bestellten und den Blick in einen der großen, alten Münchner Innenhöfe genossen.

»Was meinst du damit?«, wollte Isabella wissen. »Hoffentlich nicht meine Geschmacksverirrungen.« Sie spielte darauf an, dass sie sich in keinem der Einrichtungshäuser für eine Stilrichtung hatte entscheiden können.

»Doch.« Anna grinste. »Wenn du völlig auf eine Richtung festgelegt wärst, könnte es einfach und schwierig zugleich werden, dein Büro umzugestalten. Einfach, weil du ja quasi alles vorgibst; schwierig, weil das ganz schön teuer werden könnte. Je vielfältiger der Geschmack ist, umso einfacher ist es zwar, entsprechende Stücke gebraucht zu finden, dafür ist es hier umso schwieriger, die verschiedenen Teile zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufügen. Also bist du quasi eine Herausforderung. Aber zumindest kann man mit günstigen Lösungen arbeiten.«

»Na prima, dann danke ich für das Kompliment.« Isabella stimmte in Annas Lachen ein. »Und wie geht es jetzt weiter?«

 

Am nächsten Morgen wartete Anna um fünf Uhr auf dem Parkplatz der Münchner Messe auf zwei ihrer neuen Kollegen. Es war ein Samstag, das Wetter versprach, frühsommerlich warm zu werden, und die ersten Besucher des riesigen Flohmarkts warteten bereits ungeduldig darauf, dass die Verkäufer ihre Waren auspackten.

Nachdem sie den Ständen einen ausführlichen Besuch abgestattet und einige günstige und gut erhaltene Stücke ergattert hatten, fuhren die drei noch zu einem Baumarkt und machten zu guter Letzt einen Stopp bei IKEA am Brunnthal, um dort noch ein paar Kleinigkeiten zu besorgen. Und dann wartete ein Haufen Arbeit auf sie.

 

Als Isabella am Montag ihr Büro betrat, hätte es sie fast umgehauen. Das kleine Zimmer war nicht wiederzuerkennen. Afrikanische Muster trafen auf die Sechzigerjahre Amerikas, Bauhausstil konkurrierte mit Plüsch, und doch passte alles harmonisch zueinander. Es war mit so viel Liebe zum Detail nach ihrem Geschmack umgestaltet worden, dass sie keinen Zweifel mehr hatte, dass Annas Idee zum durchschlagenden Erfolg werden würde.

Doch zuerst stand noch die Neugestaltung der anderen Büros an. Anna verabredete sich einzeln mit ihren neuen Kollegen, hörte genau zu, merkte sich das Wesentliche und suchte auf den Flohmärkten im Münchner Umland nach Gegenständen, die dem jeweiligen Gefallen entsprachen, restaurierte manches, beließ anderes genau so, wie es war, und kombinierte mit untrüglichem Geschmack alle Teile derart, dass die Räume nach ihrem Makeover aussahen, als seien sie einem Designmagazin entsprungen.

 

Als alles fertig war und die vormals funktionale wie auch etwas trostlose ehemalige Fabrikhalle aussah wie eine Wohlfühloase, gab das kleine Architekturbüro eine Einweihungsfeier, die es in sich hatte. Sie luden Freunde und Geschäftspartner ein und baten darum, möglichst viele Fotos zu machen, die sie ihren Vorgesetzten zeigen konnten. Einige baten sie auch, ihre Chefs doch gleich zur Party mitzubringen.

»Das hier ist Isabellas neu gestaltetes Büro«, führte Anna den Juniorpartner eines Versicherungsbüros durch die Firma. »Sie konnte sich nicht so richtig für eine Stilrichtung entscheiden, da ihr von Afrika über moderne Kunst alles gefällt.«